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Ägyptens Präsident Sisi – Bad guy oder Hoffnungsträger?

Der Besuch des ägyptischen Präsidenten Abd al Fattah al Sisi am 3. 6. 2015 in Berlin sorgte schon im Vorfeld für Wirbel. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte demonstrativ das geplante Gespräch ab, weil er in den zuletzt von ägyptischen Gerichten verhängten 500 Todesurteilen eine schwere Menschenrechtsverletzung sah. Anstatt mit Sisi darüber zu diskutieren, zog sich Lammert lieber in den moralischen Schmollwinkel zurück. Man darf gespannt sein, ob er künftig Putin die Hand schütteln wird, der durch seine Aggression in der Ostukraine für 6000 Tote verantwortlich ist. Oder dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, der für 2400 hingerichtete Menschen pro Jahr verantwortlich ist (Zahl von 2013).

Bundespräsident Gauck, Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier hatten diese Berührungsängste nicht. Sie bewerteten den Besuch Sisis in erster Linie politisch, was nicht heißt, dass sie in den Gesprächen die Menschenrechtsfrage ausgeklammert hätten. Warum ist es wichtig, mit Ägypten im politischen Dialog zu bleiben, ja, das Land auf allen Ebenen zu unterstützen? Dazu muss man sich nur die geographischen Nachbarn Ägyptens anschauen. Libyen ist ein Land im Staatszerfall. Bewaffnete Milizen unterschiedlicher Couleur kämpfen um die staatlichen Ressourcen, vor allem Gas und Öl. Die rechtmäßig gewählte Regierung hat sich in den äußersten Osten des Landes, nach Tobruk, zurückgezogen. Gleichzeitig versucht der „Islamische Staat“ (IS) Einfluss zu gewinnen. Im Osten Ägyptens sieht es nicht besser aus. Dort finden sich gleich zwei Staaten in Auflösung begriffen: Syrien und Irak. Große Teile beider Länder werden vom IS beherrscht. In Syrien kämpfen zudem alle gegen den diktatorischen Herrscher Assad. Im Norden beider Länder haben sich kurdische Siedlungsgebiete einen autonomen Status erkämpft, der nach Lage der Dinge in die volle Staatlichkeit münden wird. Im Jemen stürzte die vom Iran unterstützte schiitische Rebellenbewegung der Huthis den rechtmäßigen und dem Westen wohl gesonnenen Herrscher Hadi. Der eigentliche Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern köchelt unterhalb der Schwelle des Krieges weiter, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Also: Krisenherde, wohin man schaut.

Man braucht nur diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen, um zu begrüßen, dass Präsident Sisi seinem Land nach den turbulenten Jahren der Rebellion (Absetzung von Präsident Mubarak) und des Bürgerkrieges (Kampf der säkularen Zivilgesellschaft gegen die an die Macht gelangte Muslimbruderschaft) eine relative Stabilität geschenkt hat. Dass er dabei rabiat vorging (bei der Auflösung eines Zeltlagers der Muslimbrüder wurden über 1000 Menschen getötet) und immer noch vorgeht (durch harte Urteile einer politisch gelenkten Justiz), steht außer Frage. Schlimmer wäre jedoch, was dem Land gedroht hätte, wäre die Muslimbruderschaft an der Macht geblieben. Als Mohammed Mursi im Juni 2012 in den ersten freien Präsidentschaftswahlen zum ägyptischen Präsidenten gewählt wurde, fing der sofort an, seine islamistische Agenda in die Tat umzusetzen. Dazu gehörte eine Amnestie für die Mörder des Massakers von Luxor von 1997, bei dem Hunderte europäischer Touristen zu Tode kamen. Auch den in den USA einsitzenden Mörder von Präsident Sadat wollte er frei sehen. Ihm ging die Loyalität zu seinen radikalen (auch terroristischen) Gesinnungsbrüdern über die Treue zu Recht und Gesetz. Auch außenpolitisch zeigte er Gesinnungstreue. Er öffnete den Grenzübergang zum Gaza-Streifen in Rafah, um damit die Herrschaft der Hamas, die im Volke stark an Zuspruch verloren hatte, zu stabilisieren. Es gilt als sicher, dass auf diesem Wege Waffen aus dem Iran eingeschmuggelt wurden, die zwei Jahre später von der Hamas bei ihren Raketenangriffen auf israelisches Gebiet eingesetzt wurden. Beim säkularen Teil des ägyptischen Volkes verscherzte Mursi den letzten Kredit, als er eine Verfassungserklärung herausgab, mit der er seine Entscheidungen der Gerichtsbarkeit entzog. Politische Beobachter – auch solche von demokratischen Nicht-Regierungsorganisationen – verglichen diesen Erlass mit Hitlers Ermächtigungsgesetz. Nach diesem Erlass nahm der Protest gegen Mursi und seine Partei im Volke zu. Die Jugendbewegung „Rebellion“ sammelte angeblich 22 Millionen Unterschriften, um Mursi zum Rücktritt zu zwingen. Im Juni 2013 gab es dann mehrere große Demonstrationen auf dem Tahrirplatz, auf dem am 25. 01. 2011 die ägyptische Variante des „Arabischen Frühlings“ begonnen hatte. Am 3. Juli 2013 wurde Mursi schließlich nach tagelangen Massenprotesten durch einen Militärputsch abgesetzt. Sisi vermeidet naturgemäß den Begriff des Militärputsches. Er spricht lieber von einer „Zweiten Revolution“ des Volkes, der das Militär nur zum Sieg verholfen habe. Auch wenn man dieser Schönfärbung der Ereignisse nicht beipflichten will, muss man doch anerkennen, dass Ägypten seit Sommer 2013 weitgehend zur Ruhe gekommen ist. Nur die Sinai-Halbinsel ist noch nicht befriedet. Dort verübt der Al Qaida – Ableger des Dschihadisten Ansar Beit el-Maqdis Anschläge auf staatliche Einrichtungen, vor allem Basen des Militärs. Da die Armee vermutet, dass die Terroristen Unterstützung aus dem Gaza-Streifen bekommen, hat sie den Übergang in Rafah wieder geschlossen und die unterirdischen Tunnelsysteme der Hamas bombardiert.

Wie geht es weiter mit Ägypten? Wichtig ist vor allem die ökonomische Stabilisierung des Landes. Der Staatsbankrott war in den letzten drei Jahren nur durch großzügige Finanzhilfen von Saudi Arabien und Katar abgewendet worden. Jetzt muss das Land endlich auf eigene Beine kommen. Der ökonomische Reformbedarf ist gewaltig. In der Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit liegt Ägypten von 144 Volkswirtschaften nur auf Platz 119. Zwölf afrikanische Staaten belegen bessere Plätze (Quelle: Weltwirtschaftsforum 2015). Die wirtschaftliche Gesundung gelingt nur, wenn das Land nicht mehr von Bürgerkrieg und Terroranschlägen erschüttert wird. Vor allem die darbende Tourismusbranche sehnt sich nach Ruhe und Sicherheit – den wichtigsten Garanten für einen Aufschwung des leidgeprüften Wirtschaftszweigs. Bei einer Wachstum der Bevölkerung um jährlich 2,3% ist Ägypten eine junge Gesellschaft. Die jungen Menschen verlangen Arbeitsplätze und die Perspektive, wie die europäische Jugend in Wohlstand leben zu können. An diesen Zielen werden sie die gegenwärtige Militärregierung in den nächsten Jahren messen.

Nach meiner Einschätzung müssen wir uns von der Hoffnung auf eine kurzfristige Einführung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im westlichen Sinne verabschieden. Solange kein finanziell gut gestellter und gut ausgebildeter Mittelstand existiert, hätte die Demokratie ohnehin keine Basis. Staatliche Institutionen können, wie das Beispiel der Muslimbruderschaft zeigt, leicht von radikalen (klerikalen) „Bewegungen“ usurpiert und ihres demokratischen Kerns beraubt werden. Gerade wir Deutschen dürfen nicht vergessen, dass auch Adolf Hitler durch Wahlen an die Macht kam. Die „Machtergreifung“, wie der NS-Mythos behauptete, war in Wahrheit eine Machtübertragung – durch die Wählerschaft und die konservativen Eliten in Politik und Wirtschaft. Deshalb muss alles getan werden, um in Ägypten eine funktionierende Zivilgesellschaft aufzubauen, die allein Garant dafür sein kann, dass die Demokratie (mittelfristig) auf festen Beinen steht. Das sollten die in Deutschland lebenden Ägypter bedenken, die bei Sisis Besuch   vor dem Kanzleramt skandierten: „Sisi – Mörder!“. Vielleicht wäre es angebrachter, mit den demokratischen Erfahrungen aus Deutschland in ihr Heimatland zurückzukehren, um dort den Aufbau einer demokratischen Kultur zu unterstützen.

In Staaten ohne ein demokratische Tradition und eine zivilgesellschaftliche Kultur ist es sehr schwer, die Demokratie nachhaltig zu verankern. Am besten kann man das am Beispiel Russlands verdeutlichen. Das Land bekam 1917 nach dem Sturz des Zaren keine Demokratie im westlichen Sinne, sondern eine kommunistische Diktatur. Diese konnte über 70 Jahre lang die Mentalität des russischen Volkes prägen. Leitbild war der gefügige Sowjetbürger. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahre 1990 gab es zwar eine kurze Zwischenperiode mit demokratischen Institutionen und rechtsstaatlichen Verfahrensweisen. Diese Zeit war jedoch zu kurz, als dass das russische Volk die Demokratie hätte „erlernen“ können. Als Putin im Jahre 2000 russischer Präsident wurde, gelang es ihm Stück für Stück die Demokratie auszuhöhlen und in ein autokratisches Herrschaftssystem umzuwandeln. Auf nennenswerten Widerstand im Volk stieß er dabei nicht. Heute gibt es in Russland manipulierte Wahlen, eine politisch gesteuerte Justiz, staatlich gelenkte Massenmedien und politische Morde, die nie aufgeklärt werden. Nur eine kleine liberal geprägte (städtische) Intellektuellenschicht leistet noch zaghaften passiven Widerstand. Die Ukraine-Krise hat außerdem gezeigt: Bei einem Volk ohne demokratische Verwurzelung ist es ein Leichtes, Zustimmung für den „Führer“ mittels nationalistischer Aufwallungen zu erzeugen – selbst dann, wenn es dem einzelnen Bürger wegen der westlichen Wirtschaftssanktionen materiell schlechter geht als zuvor. Patriotismus siegt über Wahrheit und Anstand.

Demokratie braucht einen langen Atem. Wir sollten ihn in Bezug auf Ägypten aufbringen. Dieses Land, dem die Deutschen von jeher viel Sympathie entgegen gebracht haben, hat unser aller Unterstützung verdient.

 

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12 Gedanken zu “Ägyptens Präsident Sisi – Bad guy oder Hoffnungsträger?;”

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    In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Europa, inzwischen verheiratet mit dem IWF, reitet den Stier und der zickt: ‚Ne Verheiratete wollte er nicht.

    Falls Sie mal wieder Schule machen, Sie oder Posener:
    Hier zeigt sich überdeutlich die Auswirkung der heutigen Schulbildung, ja, oder die Auswirkung des Gymnasiums für alle: Keinerlei Abstraktionsvermögen, völlig blanco. Mangelnde Unfähigkeit, einen Gesichtsausdruck deuten zu können, noch dazu. Musste die jetzt Abi machen, weil bei Aldi sonst abends die Kasse nicht gestimmt hätte?:
    http://www.spiegel.de/kultur/t.....38943.html

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    Hanna Rosin hat jede Menge starke Meinungen publiziert, mit denen ich meistens nicht übereinstimme. Trotzdem muss die Familienkasse nicht ganz ohne mich auskommen, weil ich den Reißer ihres Mannes gekauft habe, den ich für humorvolle Stunden empfehlen kann: „Good Book“ von David Plotz. Hier ein Beispiel:

    Abram and his wife, Sarai, travel to Egypt to avoid famine. To trick Pharaoh, Sarai pretends to be Abram’s sister. The Egyptian ruler, clearly hoping to score, admire’s Sarai’s beauty and presents her and Abram with livestock. At this point God, perhaps warming up for the ten Egyptian Plagues to come, „afflict(s) Pharaoh and his household with mighty plagues on account of Sarai.“ This seems unfair of the Almighty. It’s Abram and Sarai who tricked Pharaoh – why should the Egyptian get punished for ogling Sarai? A few chapters later, the couple (now Abraham and Sarah) pull exactly the same „she’s my sister“ con: This time the mark is King Abimelech. He’s about to seduce Sarah when God appears to him in a dream and tells him that Sarah and Abraham are actually married and Abraham is a prophet. Abimelech begs forgiveness and buys off Abraham and Sarah with land, livestock and silver (not explained –
    why would Abimelech want to seduce Sarah, who’s at that point nearly ninety years old?)
    God makes a covenant with Abraham, promising him „all the land of Canaan, as an everlasting holding.“ God is a kind of celestial Donald Trump: He can’t go a chapter without a new real-estate deal.

    Gute Sommerlektüre. Auch zum Nachlesen im „Best Book“ geeignet.
    Als weitere Lektüre empfehle ich Griechische Sagen, z.B. wie Zeus Europa reitet (vergewaltigt). Wir erleben gerade ein da capo.

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    Und dieser Amerikaner tut mir richtig leid. Ich würde viel lieber in Amerika leben als in Finnland:
    http://www.theatlantic.com/int.....nd/385140/

    No leftover. Das würde mich dazu verleiten, mir eine Tüte Chips mit zur Arbeit zu nehmen und das Mittagessen ausfallen zu lassen. Nichts ist quälender, als den Teller zu leeren, wenn man gesättigt ist. Und nichts macht dicker, auch keine Tüte Chips. Ein Amerikaner, der in einem politisch korrekten Staat lebt (liest sich wie ein Polizeibericht). No leftover, no talking, no extra politeness, no empty promises. Nur lesen, wenn man Amerika mag, denn nur dann spürt man den Sadismus.
    Falls Sie das Problem auch kriegen, steigen Sie am besten auf Ihr eigenes Essen um. Und vielleicht ist das der Hintergrund.

  4. avatar

    Hier mal ein hoffentlich interessantes OT. Ich interessiere mich grundsätzlich sehr für besondere Frauen. Diese können sehr verschieden voneinander sein und zeichnen sich vornehmlich durch Charakter aus. Was ihnen fehlt, meinen Frauengestalten, ist dieses zeitgenössische schrille Element (outcry und fordern, fordern, fordern). Hier eine Frau, von der wir in Zukunft noch öfter hören werden. Sie ist extrem klein, extrem schön und, wie ich glaube, extrem charmant und vielleicht ein wenig schüchtern. Jedenfalls hatte sie für große Staatsdiners und öffentliche Darstellung nie etwas übrig und verschwand plötzlich im Rahmen der Beerdigung von Johannes Paul II bei der Besichtigung des Petersdoms aus ihrer Delegation. Man fand sie kniend in einer Seitenkapelle wieder. Beschrieben mit Sympathie von einer ebenfalls interessanten, aber ganz anderen Frau, was der Beschreibung eine besondere Würze verleiht: Hanna Rosin über Columba Bush:
    “She is not somebody who is reading any political reporting or interested in being in the room to strategize tactics. She is completely uninterested in that,” says Jim Towey, a friend of the couple’s who served in George W. Bush’s administration. “In politics you get a lot of clone people. And she is so not the clone.”
    http://www.theatlantic.com/mag.....sh/392090/

  5. avatar

    @ 68er
    Hahahahaha, hoffentlich komme ich wieder auf den Stuhl ‚rauf. Das ist ja ein irrer Vergleich.

    Sie wollen also Kindern mit Ägyptern vergleichen, nach dem Motto Kinder sind Fellachen oder alle Ägypter sind Kinder? Nee, 68er, oder. Aber Kinder an die Waffe gibt es anscheinend schon, siehe KiTa-Skandal in Mainz, „Täter“ < sechs Jahre. Die Infantisisierung der Kriminalität als Folge
    des Wegschauens der 68er (ja!) gegenüber Kriminaltaten, insbesondere auch im muslimischen Milieu. Das müssen Sie Sisi selbst schicken, der wird staunen, wie Leute hier denken. Oder auch nicht staunen. Die Verdummung des Westens durch "Liberalität" genannte permissive Infantilisierung, kombiniert mit Narzissmus und Hedonismus, ist im Nahen Osten sicher schon vor Jahren zur Kenntnis genommen worden.
    Was sagen meine kids dazu: Kinder? Vielleicht. Aber sicher nicht in Deutschland. Und diese Entscheidung ganz sicher nicht wegen fehlender KiTa-Plätze, sondern wergen fehlender Möglichkeiten, Kinder dort selbst großzuziehen und ihnen etwas Besseres einzupflanzen als Sie offenbar bekommen haben, wenn Sie mit solch dämlichen Vergleichen aufwarten.
    Aber danke sehr für den guten Witz.

  6. avatar

    Wenn sich deutsche Politiker emsig an der Verstärkung des – vor allem auch – wirtschaftlicher Kontakte mit dem Iran arbeiten, ohne daß dagegen gewichtige politische Stimmen erheben würden, dann sollen sie sich – auch nicht einer – nicht in den moralischen Schmollwinkel zurückziehen, wenn al-Sisi zu Besuch kommt.
    Iran beging und begeht unvergleichlich mehr Menschenrechtsverletzungen als
    Ägypten. Und das stört kaum einen Politiker. Zumindest nicht hör-oder lesbar.
    Wenn doch, sind das leere Worte. Denn nach den Worten kommt kein den Worten entsprechendes Handeln.
    lg
    caruso

  7. avatar

    Das Argumentationsmuster hätten Sie auch bei Ihrem Odenwalschulen-Artikel nutzen können. Nach dem Motto, die Kinder dort hatten es im Gegensatz zu den Fritzl-Kindern vergleichsweise gut, denn die Kinder in der OSO bekamen ja eine gute Schulbildung…

  8. avatar

    Wenn wir Migration lenken wollen, sind wir in Nord-Afrika auf Strukturen angewiesen, die unter ärmlichen Bedingungen in der Lage sind, Migrantenströme mit einfachsten Mitteln zu lenken. Uns feindlich gesonnene Systeme, wie Islamisten, oder Systeme, die nicht genug Sicherheitssysteme aufbieten können oder wollen (was ohne Frage bei erfolgreicher Demokratisierung der Fall wäre), machen alles das, was im Vorgängerartikel über gelenkte Migration geschrieben wurde, zur Makulatur. Das macht autoritäre Staaten, die sich ja noch entwickeln (man fühlt sich schmutzig, wenn man so was sagt), für Europa so wertvoll. Ein freies Nord-Afrika? In dem Polizisten nicht schikanieren, schlagen und vergewaltigen? Migranten nicht auch mal in der Wüste aussetzen?

    Das alles ist bei Putin nicht der Fall. Die Migrationsströme aus Russland könnten Europa, der Westen leicht absorbieren (so viele sind es nicht). Deswegen kann uns ein Fall Putins, auch wenn danach (vielleicht) richtige Krypto-Faschisten an die Macht kommen, ziemlich egal sein. Seit Libyen wissen wir aber, dass auch die beschießendste Diktatur in Nord-Afrika für uns besser ist, als offene Grenzen in diesen Ländern. Alleine Ägypten und der Sudan haben zusammen 125 Millionen Einwohner, Tendenz steigend, Russland hat 144Millionen, Tendenz fallend.

    Und das ist der Unterschied zwischen Putin und as-Sisi.

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    He may be a son of a bitch, but he’s our son of a bitch. In der Deutschen Übersetzung klingt das dann so: Demokratie braucht einen langen Atem. Wir sollten ihn in Bezug auf Ägypten aufbringen.

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    Lieber Alan Posener,
    Sie müssten nach diesen Ausführungen eigentlich konsequent sein und konstatieren, dass es verkehrt war, gegen Ghaddafi vorzugehen, ja, sogar fragwürdig, Saddam zu beseitigen, was Bush Vater wusste, und dass man Assad unterstützen sollte, dass ohne Assad schwerlich wieder Ruhe in Syrien einkehrt, denn was z.B. gestern in Weltonline über Mossul zu lesen war, klingt katastrophal. Und was für den Tourismus und die Altertümer in Ägypten gilt, müsste, wenn man beispielsweise Palmyra betrachtet, für Syrien ebenfalls gelten. Jedenfalls erscheint es doch unsinnig, Assad und Al Nusra oder IS gleichzeitig zu bekämpfen. Daraus ergibt sich logisch, dass man sich im Grunde mit Putin einigen müsste, um das weitere Vorgehen abzustimmen.
    Nur leider wird jeder, der diese Logik sieht, sofort als „Putinversteher“ diffamiert, selbst wenn er nur sieht, dass der Westen mit einer Kooperation mit Russland besser dran war und wieder sein würde, auch wirtschaftlich.

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    Lieber Herr Werner,

    Sie gebrauchen in Ihrem Beitrag zwei mal das Wort „rechtmäßig“:

    Zum einen für die derzeitige Regierung in Libyen und zum anderen für den Machthaber im Jemen.

    Wie kommen Sie darauf, daß diese Figuren irgendeine Legitimation hätten ? Sie hatten bestenfalls die Macht, bzw. jetzt noch nicht einmal mehr das.
    Im Vergleich dazu ist der von ihnen ausführlich kritisierte Putin wirklich ein lupenreiner Demokrat.

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