Kann eine deutsche Strafkammer einen Ukrainer verurteilen unter dem Vorwurf, dass er russisches Eigentum in internationalen Gewässern zerstört habe?
Die anwaltliche Auskunft wird sie enttäuschen.
Ein deutsches Gericht kann Unglaubliches, wenn es will oder glaubt, wollen zu müssen.
Das Kammergericht Berlin zum Beispiel hatte nach Zeitungsberichten 2017 einen syrischen Staatsbürger unter dem Vorwurf eines in Syrien begangenen Verstoßes gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt. Zur Ehre der deutschen Justiz sei noch hinzugefügt, dass der hessische Generalstaatsanwalt auf eine entsprechende Anklage gegen einen Syrer 2019 nach Zeitungsberichten „verzichtet“ hat. Und dass sich eine spätere Verurteilung aus dem Jahr 2021 gegen eine deutsche Staatsbürgerin richtete.
Eine Verurteilung einer Staatsbürgerin unter dem Vorwuf, da in Syrien mit Kriegswaffen herumhantiert zu haben. Dies ohne dafür die Genehmiging das Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Referat 222, Kriegswaffenkontrolle zu Eschborn eingeholt zu haben;… Ja, das steht tatsächlich so im Gesetz.
Will sagen:
Eine deutsche Strafkammer kann einen Ukrainer unter dem Vorwurf der Beschädigung russischen Eigentums in internationalen Gewässern verurteilen, wenn es die Tat für ebenso verwerflich hält, wie ein Engagement in der Organisation „Islamischer Staat“.
Ja, ist schon richtig:
Deutsches Strafrecht gilt zunächst für im Inland begangene Straftaten. Dann gilt deutsches Strafrecht noch für die in § 5 des Strafgesetzbuches benannten Taten, die einen Bezug zu Deutschland haben. Und es gilt für die in § 6 desselben aufgeführten Taten, die generell von deutschen Gerichten zu ahnden seien. Richtig mag sein, dass grundsätzlich die Zerstörung des Eigentums eines Ausländers, der russischen Gazprom AG, nicht in Deutschland bestraft werden kann, wenn das Eigentum nicht in Deutschland liegt. Allerdings wurde mit der Sprengung auch das Vermögen von 5 westlichen Darlehensgebern in die Unternehmung Gazprom geschmälert. Insgesamt 4,75 Milliarden Euro hatten sie zugeschossen gegen das Versprechen auf Rückzahlung nach der Inbetriebnahme. Diese Summen mußten sie als Verlust abschreiben. Es sind dies die Unternehmen
- Wintershall Dea,
- Uniper,
- OMV,
- Shell und
- Engie.
An der Wintershall AG ist auch die BASF beteiligt, Uniper gehört fast vollständig dem Staat Bundesrepublik Deutschland und an den übrigen Gesellschaften, österreichische und amerikanische und französisch/amerikanische gibt es auch deutsche (Mit-)Anteilseigner.
Dass es um russisches Eigentum gehe und die deutsche Justiz deshalb nicht zuständig sei, vertreten manche ausländische Gerichte, deren Staaten ähnliche Voraussetzungen für die Zuständigkeit ihrer Justiz aufgestellt haben wie wir. Ein polnisches Gericht zum Beispiel.
Und nicht nur nebenbei: Kein israelisches Gericht wird sich mit Tymur Minditsch befassen, der den ukrainischen Staat um 85 Millionen Euro betrogen haben soll. Es ist nicht zuständig.
Deutsche Anklagen können sich meiner Ansicht nach auf § 6 Nr. 2 des deutschen Strafgesetzbuches unter Verweis auf § 308 Nr. 1 desselben begründen. Nach dieser Norm bestraft die deutsche Justiz auch den im Ausland agierenden Täter, wenn er
Deshalb geht es auch um die Frage, welchen bedeutenden Wert Nordstream 2 denn nun gehabt habe. Und mit „Wert“ verbindet sich – jenseits aller juristischen Begriffe – ein Werturteil oder ein Unwerturteil.
Davon hängt es dann ab, ob ein deutsches Gericht „kann“ oder „nicht kann“. Und Justiz ist keineswegs unabhängig von dem, was ringsum geglaubt oder nicht geglaubt wird.
