avatar

Das Jüdische Museum und das Mullah-Regime: Nützliche Idioten, Betrogene – oder …?

Meine Haltung zum Jüdischen Museum Berlin (JMB) ist klar: Selbstverständlich kann, darf und soll das Museum auch ein Ort des Dialogs zwischen Juden, Christen, Muslimen und anderen sein. Nach meinem Dialogverständnis dürften dort sogar auch antisemitische Positionen vertreten werden, solange ihnen sofort, angemessen und entschieden entgegengetreten wird. Das schließt auch antizionistische Positionen ein. Antizionisten sollten im Museum auftreten dürfen, jedoch nur, wenn ihnen mit aller Deutlichkeit entgegengetreten wird. Dass aber Antizionisten hofiert werden: Das geht nicht. Das jedoch kommt leider im Jüdischen Museum immer wieder vor. Zuletzt, so hat es den Anschein, beim Besuch des Kulturattachés der Islamischen Republik Iran, Seyed Ali Moujani.

Die Haltung des Irans zu Israel ist klar: Iran erkennt die Existenz des jüdischen Staates nicht an und will ihn zerstören. Erst im Juni 2018 hat das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Chamenei getwittert.  Israel sei „ein bösartiges Krebsgeschwür in der westasiatischen Region, das entfernt und ausgemerzt werden muss: Es ist möglich und wird geschehen. Dies ist selbstverständlich auch die Position der iranischen Diplomaten in Berlin, auch des Kulturattachés, den der Direktor des JMB vor einigen Tagen „herzlich willkommen“ hieß.

Die Staatsräson der Bundesrepublik ist bekanntlich eine andere. Für uns ist die Sicherheit Israels nicht verhandelbar. Man könnte erwarten, dass der Direktor einer Institution, der immer wieder betont, das Museum stelle die deutsche Sicht auf die Geschichte der Aschkenasim dar, die ja aufgrund bestimmter Ereignisse hier abriss, aber in Palästina und dann Israel weiterging – dass also Professor Peter Schäfer diesen Standpunkt des deutschen Staates klar formuliert.

Wurde das Jüdische Museum von der iranischen Botschaft hereingelegt?

Das tat Professor Schäfer gerade nicht. Jedenfalls, wenn man dem Bericht in „Irankultur“ glauben darf. Das freilich darf man natürlich nicht, deshalb muss bei allen folgenden angeblich wörtlichen Zitaten von Professor Schäfer und Kuratorin Cilly Kugelmann der Zusatz „nach Auskunft der iranischen Seite“ hinzugedacht werden. Da man sich aber kaum vorstellen kann, dass der offizielle Dolmetscher der Botschaft, von dessen Notizen das Gespräch rekonstruiert wurde, durchweg gelogen hat, ist der Befund dennoch höchst bedenklich, zumal sich die Museumsleitung bis heute nicht dazu durchringen kann, dem Bericht Punkt für Punkt zu widersprechen und ihn stattdessen verschwinden lassen will.

Nachdem der Vertreter des Mullah-Regimes vom Direktor in seinem Büro (ich habe bei Interviews mit ihm auf demselben Sofa gesessen) „herzlich willkommen“ geheißen wurde, musste sich der Direktor einen langen Vortrag des Gastes auf Persisch anhören, dessen wesentliche Punkte ich hier zusammenfasse.

Antizionismus ist Antisemitismus

„Ein weiteres Thema, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit richten möchte ist, dass heutzutage über die zwei völlig konträren Begriffe Antisemitismus und Antizionismus neue Töne zu vernehmen sind wie Gleichsetzung beider Begriffe“, so Moujani. Dieses „neue Paradigma“ werfe „wieder einmal einen Schatten über einen Teil von Europa.“

Hier muss man Moujani widersprechen. Es ist dem Vertreter des Mullah-Regimes unbenommen, zu denken, was er will. Jedoch hat der Deutsche Bundestag hat mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Grünen festgestellt, dass „sich Antisemitismus in allen politischen Lagern (findet), und er nimmt mit dem Antizionismus und der Israelfeindlichkeit auch neue Formen an.

Wäre es nicht Aufgabe von Professor Schäfer gewesen, hier zu widersprechen und den Standpunkt von Parlament und Regierung der Bundesrepublik zu betonen, demzufolge der Antizionismus eine Form des Antisemitismus ist? Das tat er anscheinend nicht. Stattdessen hörte er zu, wie Moujani sagte: „So wie wir die Grenze zwischen dem IS und dem Islam durch wissenschaftliche Arbeit und Literatur verdeutlichen, müssen wir auch die Grenze zwischen dem Zionismus und dem Judentum bewahren.“

Zionismus mit einer Terrortruppe verglichen

Man sollte sich diese Aussage einmal auf der Zunge zergehen lassen. Im Büro des Direktors des Jüdischen Museum Berlin darf ein Vertreter der eliminatorischen Israelkritik behaupten, das Verhältnis des Islam zur Terrorgruppe Islamischer Staat sei vergleichbar dem Verhältnis des Judentums zum Zionismus.

Wies der Direktor des Jüdischen Museums diese Ungeheuerlichkeit zurück? Beendete er das Gespräch? Warf er den unverschämten Gast heraus? Nichts von alledem. Schäfer sagte:  „Sie wiesen auch auf einen wichtigen Punkt hin, ein Paradigma welches heute nicht nur in Frankreich zu beobachten ist, sondern auch in Deutschland. Es betrifft die begriffliche Gleichsetzung von Antisemitismus mit dem Antizionismus, dieses sollte unbedingt Beachtung finden und unter die Lupe genommen werden. Ich war sehr froh, als ich hörte, wie Sie das mit der Grenze zwischen dem Islam und dem IS verdeutlicht haben.“

„Den Juden ist Jerusalem nicht so wichtig“

Anschließend wurde der Gast von der Kuratorin Cilly Kugelmann durch die umstrittene (na, sagen wir es klar heraus: von den meisten Juden abgelehnte) Jerusalem-Ausstellung des Museums geführt. Beim Rundgang durch die Ausstellung sagte Kugelmann: „Nach der allgemeinen Vorstellung der Juden ist das Land wichtig und nicht die Stadt, deshalb ist für sie das Land Abrahams heilig.  Für sie gibt es keinen Unterschied zwischen Jerusalem und anderen Städten.“ Eine erstaunliche Feststellung. Jedem ist der Spruch bekannt, den sogar nichtgläubige Juden alljährlich beim Seder am Pessach-Abend seit der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung einander sagen: „Nächstes Jahr in Jerusalem!“  Wie kann man einem Vertreter des Regimes, das alljährlich die antisemitischen „al-Quds-Demonstrationen“ unterstützt, solchen Unsinn erzählen?

Weiterhin behauptete die Kuratorin: „Aufgrund der exzessiven Diversität christlicher Sekten und aufgrund religiöser, politischer, parteiischer und gesellschaftlicher vielfältiger Strömungen (Aschkenasim etc.) gibt es viele Probleme.“ Ähm, nein. Die Probleme Jerusalems in der Gegenwart (und es sind gar nicht so viele, wie jeder Besucher dieser wunderbaren Stadt feststellen kann) haben fast ausschließlich mit arabischem Terror zu tun; nichts aber mit den vielen christlichen „Sekten“ oder mit den europäischen Juden (Aschkenasim).

Wer gründete Jerusalem? Wer machte sie zur heiligen Stadt?

Die Kuratorin weiter „Unserer Ansicht nach ist die Stadt Quds eine interreligiöse Stadt. Sie ist die Stadt des Islams, des Christentums und der Juden, die möglicherweise nicht den gleichen Anteil an der Geschichte dieser Stadt haben.“ Ach ja? In der von König David gegründeten Stadt wo der Tempel Salomons stand, der zweite Tempel und der von Herodes dem Großen erbaute dritte;  wo der Jude Jesus von Nazareth gekreuzigt wurde, wodurch erst das Christentum entstand und (zunächst im Verständnis der Christen und Juden als eine Häresie des Christentums) der Islam; die fast ununterbrochen auch von Juden bewohnt wurde – da spielten  Juden „nicht eine so große Rolle“ wie die Usurpatoren und Appropriatoren der jüdischen Tradition, die Christen und Muslime?

„Deshalb ist es nicht ganz unbegründet, dass wir von höchster israelischer Stelle und von vielen Juden, die unser Museum besuchten, kritisiert wurden.“ So Kugelmann. Stimmt.

Alles ein Missverständnis?

Mit diesen Zitaten konfrontiert, schrieb mir die Pressesprecherin des Jüdischen Museums, Katharina Schmidt-Narischkin:  „Der iranische Kulturattaché war zu einem Gespräch bei Direktor Peter Schäfer, um über eine mögliche Ausstellung einer Fotosammlung iranischer Juden aus dem 19. und 20. Jh. sowie über ein Musikarchiv synagogaler und säkularer Musik zu sprechen. Anschließend hat er die Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ besucht, durch die er von Cilly Kugelmann geführt wurde.

Der Kulturattaché hat Persisch gesprochen; seine langen Ausführungen wurden von einem Dolmetscher übersetzt, der sich Notizen gemacht hat.

Weder das Gespräch noch das Foto waren für eine Veröffentlichung vorgesehen. Keine der Ausführungen im Gespräch gibt wieder, was wörtlich gesagt wurde – was auch leicht an dem teilweise unverständlichen Deutsch zu erkennen ist. Es handelt sich durchweg um die Zusammenfassungen des Dolmetschers – teilweise aus dem Zusammenhang gerissen, teilweise unverstanden. Wir hatten die Botschaft daher schon am vergangenen Freitag um eine Löschung der Aussagen und des Fotos gebeten.“

Was jetzt geschehen muss

Gewiss, der Propaganda eines verbrecherischen Regimes darf man nicht auf den Leim geben. Es ist ungeheuerlich, dass die iranische Botschaft dieses Gespräch veröffentlicht hat, ohne mit dem Jüdischen Museum Rücksprache zu halten. Andererseits reicht es nicht, wenn das JMB „die Aussagen und das Foto“ löschen lassen will; ja das geht nicht. Das Treffen hat ja stattgefunden, und aufgrund meiner Erfahrungen mit dem Museum zweifele ich nicht daran, dass der Dolmetscher nicht alles missverstanden hat. Es ist jetzt an Schäfer und Kugelmann, um weitern Schaden vom Museum abzuwenden, zu jeden einzelnen der hier aufgeführten Punkte klar Stellung zu beziehen und die Lügen – so es Lügen sind – aus der iranischen Botschaft Punkt für Punkt öffentlich zurückzuweisen.

 

Nachtrag: Wer jetzt auf den Link von „Irankultur“ klickt, findet im Artikel folgenden Passus:

„Als Antwort auf die Äußerungen des Kulturrates merkte Herr Prof. Peter Schäfer, Direktor des Museums der jüdischen Geschichte Deutschlands folgende Gesichtspunkte an:

[…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………( Auf Wunsch der Leitung des Museums ist dieser Teil mit den AussageAnsichten n von Prof. Dr. Peter Schäfer und das Foto des Gesprächs aus der Meldung entfernt worden.)]“

Rein zu Dokumentationszwecken ergänze ich hier also die auf Wunsch der Museumsleitung zensierten Teile der Unterhaltung. ohne zu unterstellen, sie gäben die Positionen des Museumsdirektors wörtlich wieder (s.o.). Es steht Prof. Schäfer frei, seine Position klarzustellen:

„Als Antwort auf die Äußerungen des Kulturrates merkte Herr Prof. Peter Schäfer, Direktor des Museums der jüdischen Geschichte Deutschlands folgende Gesichtspunkte an:

  • Für mich als Experte des Bereichs jüdischer Studien besteht kein Zweifel darüber, dass ein beträchtlicher Teil der Geschichte des Judentums im Zusammenhang mit dem Iran entdeckt werden kann, da dieser ein Stück des früheren persischen Reichs war.
  • Sie erwähnten einen großen Namen, Kyros, der im Heiligen Buch genannt und auch bei den Juden als großer Erlöser  „Messias“ verehrt wird. Eine Persönlichkeit, die in den vergangenen Jahrhunderten und noch vor Christus diese Religion am Leben erhielt.
  • Ihre Kenntnisse und Hinweise im Zusammenhang mit der jüdischen Gemeinschaft in Iran waren für mich wirklich bemerkenswert, interessant, neu und gleichzeitig hoffnungsgebend. Unser Ziel ist in wissenschaftlichen Zentren, das Vorhandene ohne jegliche Beurteilung den Besuchern zu präsentieren. Das Museum für jüdische Geschichte Deutschland, gegründet 2001 ist das größte jüdische Museum in Europa. Da es unter den Gesetzen Deutschlands steht wird es bezüglich politischer Orientierungen von jeder Betrachtungsweise der Realitäten hinsichtlich der jüdischen Welt abgeschirmt.
  • Im Jahre 2020 wird es mit wesentlichen Veränderungen im Baustil und in den Zielen neu eröffnet. Es wird aus zwei Bereichen bestehen. Der eine betrifft die Erforschung von Dokumentationen über einen Zeitraum von 1700 Jahren und betrifft die jüdische Geschichte,  wobei der andere Bereich sich voll und ganz den Kindern widmet. Durch die Rekonstruktion der Geschichte der Arche Noahs (a.), durch einen Teil der Religionsgeschichte und der Rettung der Menschheit wird versucht die Kinder mit dem Heiligen Buch und dessen historischen Lesart sowie über die Erkenntnisse vertraut zu machen.
  • Für mich ist es eine Freude, wenn ich Sie über museale und wissenschaftliche Materialien sprechen höre, welche quantitativ gesehen die jüdische Geschichte beleuchten und verhindern, dass man sich nur auf Beurteilungen der Überlieferungen beschränkt. Das Verständnis hinsichtlich der Beziehungsmodalitäten der Muslime im Orient mit den Juden ist am Beispiel Iran gut zu erkennen, worauf Sie auch hingewiesen haben, denn es gibt genug Bilder und Dokumentationen, welche uns das alles deutlich machen können.
  • Sie wiesen auch auf einen wichtigen Punkt hin, ein Paradigma welches heute nicht nur in Frankreich zu beobachten ist, sondern auch in Deutschland. Es betrifft die begriffliche Gleichsetzung von Antisemitismus mit dem Antizionismus, dieses sollte unbedingt Beachtung finden und unter die Lupe genommen werden. Ich war sehr froh, als ich hörte, wie Sie das mit der Grenze zwischen dem Islam und dem IS verdeutlicht haben.
  • Mit der Besichtigung unserer Ausstellung werden Sie feststellen, dass wir uns bemühten diese so gut wie möglich, objektiv und ohne Vorurteile, nur basierend auf den wahren Realitäten der Stadt Bait al-Muqaddes (Jerusalem) vor den Augen vieler zu präsentieren. Aufgrund des Einwands gegenüber uns, bekundeten wir eine deutliche und definitiv genaue Antwort seitens der Kultur- und Medienministerin Deutschlands Frau Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
  • Obwohl wir den Namen Museum für jüdische Geschichte tragen, möchten wir nicht unter dem politischen Einfluss irgendeines Staates stehen, daher sind aus unserer Sicht solche Einwände inakzeptabel. Ihr großzügiger Vorschlag gibt Hinweis auf die kulturelle Mentalität und der vollen Hand des Iran bei der Meinungsänderung gegenüber den Realitäten, und dies ist für mich sehr lobenswert. Ich werde den Vorschlag in Kürze im Stiftungsrat des Museums zur Diskussion stellen und hoffe, dass wir ab dem Jahre 2020, nach der offiziellen Eröffnung den Boden für eine derartige Zusammenarbeit bereiten können.
  • Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unserer Kuratorin erlauben würden Sie bei der Besichtigung der Ausstellung „Willkommen in Jerusalem“ zu begleiten. Sie kann Ihnen mit ihren Erläuterungen unsere Haltung bezüglich dieser Ausstellung vermitteln.“

Und hier ist das Bild, das die Museumsleitung gelöscht sehen will:

 

Anmerkung: Das große Beitragsbild zeigt den zentralen Raum der Ausstellung „Welcome to Jerusalem“. Das Foto erschien in „Irankultur“ zur Illustration des Berichts über den Besuch bei Direktor Schäfer.

 

 

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

13 Gedanken zu “Das Jüdische Museum und das Mullah-Regime: Nützliche Idioten, Betrogene – oder …?;”

  1. avatar

    Betr.:Poseners Antwort auf “ 68″ v. 20.3.
    68er:“ Die isl. Staaten nutzen die gemeinsame Ablehnung des isr. Staates als einigendes Band“.
    AP:“ D a s w a r n i e d e r F a l l“
    Ich: Wie können Sie so ein Unsinn behaupten? Die m.E. bedeutendsten musl. Organisationen “ Arabische Liga und die OIC (Org.for Islamic Cooperation die ca.70 Mitgliedsländer umfasst) wurden.
    wg.Israel gegründet. Die permanenten Verurteilungen von IL bei UNO werden gemeinsam von musl. Ländern organisiert.

    1. avatar

      Gewiss doch, Frau Havel, aber die Türkei, Jordanien und Ägypten haben diplomatische Beziehungen zu Israel, und es gibt eine enge verteidigungspolitische Kooperation zwischen Israel und den Golfstaaten gegen den Iran. Die Vorstellung, die islamischen Staaten bildeten einen einheitlichen Block, hält der Realität nicht stand.

  2. avatar

    Lieber Herr Posener,

    auch wenn Sie es von mir eigentlich wissen müssten, ich verurteile die iranische Regierung im Hinblick auf ihre Haltung zum Existenzrecht Israels, aber auch was ihre Haltung zu Frauen, zur Demokratie und zur Meinungsfreiheit, zur Todesstrafe etc. betrifft. In diesen Fragen, glaube ich, habe ich eine klare Haltung, die ich auch im Bezug zu anderen Regierungen zum Ausdruck bringe.

    Was der Kulturattache und was der Professor gesagt haben, weiss ich sowenig wie Sie. Was ich aber weiss, ist, dass der Bundestag Antizionismus und Antisemitismus nicht gleichgesetzt hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, wird vom Bundestag zum Ausdruck gebracht, dass sich der Antisemitismus auch im Antizionismus zeigt. Wie Sie wissen, gibt es auch Juden und Israelis und auch jüdische Israelis, die sich gegen den Zionismus aussprechen. Es wäre doch ziemlich vermessen, wenn ausgerechnet der deutsche Bundestag diesen Menschen Antisemitismus unterstellt. Ich gebe gerne zu, dass es Menschen gibt, die ihren Antisemitismus hinter einem Antizionismus verstecken, sowohl hier in Europa als auch im Iran oder in den arabischen Staaten.

    Auch mir tut der Vergleich zwischen dem Zionismus und dem IS weh, weil der Zionismus – besonderes nachdem in Deutschland unter Hitler zunächst mit der Vertreibung und später mit der Vernichtung der Juden begonnen worden war – unter Berücksichtigung einer besonderen existentiellen Bedrängnis zu bewerten ist.

    Eigentlich jedem Vergleich liegt immanent der Vorwurf inne, die zu vergleichenden Sachverhalte könne man nicht vergleichen, weil sie verschieden seien. Das ist, wie Sie wissen, Unsinn, denn wenn etwas offensichtlich identisch ist, muss man es nicht vergleichen. Deshalb ist auch der Spruch mit den Äpfeln und Birnen meist falsch. Je nach Situation kann es sogar sinnvoll sein, Äpfel mit Dosenöffnern zu vergleichen. Aus meiner Sicht kann ich nachvollziehen, dass sich der Iran, der sich als islamischer Staat versteht, vom Terror des IS abgrenzen möchte, was ich ihm auch einigermaßen abnehme. Wenn ich richtig informiert bin, wurde der IS ja auch weitgehend aus mit der NATO verbündeten Staaten finanziert.
    Wenn die Aussagen so gefallen sind, wie sie zitiert wurden, kann ich allein in dem Satz, dass das Judentum mit dem Zionismus nicht gleichgesetzt werden darf, keine falsche Aussage finden. Sie echauffieren sich, wenn ich Sie richtig verstehe, ja nicht wegen diesem Teilsatz sondern wegen des Vergleichs zwischen dem IS und dem Zionismus. Auch ich fände eine Gleichsetzung des IS und des Zionismus unerträglich, da der IS eine menschenverachtende brutale Bewegung ist, die allen meinen Werten konträr entgegen steht.
    Aber Sie verschweigen dabei, dass ein Teil der zionistischen Bewegung auch mit terroristischen und menschenverachtenden Mitteln für ihre Ziele gekämpft hat und dafür zum Teil noch heute in Israel geehrt wird. Wenn man also diesen Satz liest, könnte man sich ja auch fragen, wieso z. B. Netanjahu keinen Wert darauf legt, sich von Shamir, Begin, Irgun und Leishi bzw der Stern-Gang zu distanzieren.

    Tatsächlich glaube ich auch zu wissen, wieso das so ist, weil diese Menschen glauben, dass man als Nation oder als religiöse Gruppe zusammen stehen muss. So wie es einen jüdisch-israelischen Gründungsmythos gibt, nutzen die Islamischen Staaten die gemeinsame Ablehnung des israelischen Staates als einigendes Band. Dass dies nicht gut, ja geradezu fatal ist, brauche ich nicht zu betonen. Die Gräben zu überwinden, hat Obama in einer seiner wenigen positiven aussenpolitischen Bemühungen versucht. Derzeit wird offenbar von allen Seiten das Trennende gesucht und mit aller Macht jedwede Art des Dialogs torpediert. Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben müssen, dass Sie auch schon von dem einen oder anderen Ihrer Bekannten die Forderung gehört haben, so lange nicht Ruhe zu geben, bis dass das „Mullahregime“ im Iran notfalls mit Gewalt gestürzt ist. Sie werden jetzt wieder mit der Unvergleichbarket von Israel und dem Iran kommen, aber ist das wirklich ein Argument, wenn nach Jugoslawien, Afghanistan, dem Irak, Libyen und Syrien auch noch der Iran in Chaos und Tod gestürzt werden soll? Das alles ist menschliches Leid, das, egal wie Sie es versuchen zu rechtfertigen, immer gleich viel wiegt.
    Es mag vielleicht nicht angenehm sein, miteinander zu reden, ich bin mir aber sicher, es tut Not.

    Mit freundlichen Grüßen

    68er

    1. avatar

      Lieber 68er, vielen Dank für diese wohldurchdachte Replik.
      Der Reihe nach:
      1. „Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben müssen, dass Sie auch schon von dem einen oder anderen Ihrer Bekannten die Forderung gehört haben, so lange nicht Ruhe zu geben, bis dass das “Mullahregime” im Iran notfalls mit Gewalt gestürzt ist. Sie werden jetzt wieder mit der Unvergleichbarket von Israel und dem Iran kommen, aber ist das wirklich ein Argument, wenn nach Jugoslawien, Afghanistan, dem Irak, Libyen und Syrien auch noch der Iran in Chaos und Tod gestürzt werden soll? Das alles ist menschliches Leid, das, egal wie Sie es versuchen zu rechtfertigen, immer gleich viel wiegt.“
      Ich lasse einmal die Frage beiseite, wer „Jugoslawien, Afghanistan, den Irak, Libyen und Syrien“ in „Chaos und Tod gestürzt“ hat. Ich habe Srebrenica besucht, und … egal. Nicht jetzt. Tatsächlich gab es nach dem US-Einmarsch im Irak Stimmen, die vorschlugen, man sollte gleich nach Teheran weitermarschieren. Ob das eine gute Idee gewesen wäre, weiß ich nicht. Tatsächlich aber kenne ich niemanden, der heute den gewaltsamen Regime Change im Iran befürwortet. Ich ganz bestimmt nicht.
      2. „Die Islamischen Staaten nutzen die gemeinsame Ablehnung des israelischen Staates als einigendes Band.“ Das war nie der Fall – die Türkei war vor Erdogan ein enger Verbündeter Israels, Jordanien und Ägypten haben diplomatische Beziehungen zu Israel, wie jetzt auch Mali, und fast alle arabischen Staten haben mehr Angst vor dem Iran als vor Israel und kooperieren inzwischen längst unter der Hand mit Israel bei der Abwehr der vom Iran gesteuerten Destabilisierung der Region. Es sind übrigens nicht immer angenehme Verbündete, man denke an Saudi-Arabien, aber leider liegt es nicht in Israels Macht, sich seine Freunde auszusuchen.
      3. „Was ich aber weiß, ist, dass der Bundestag Antizionismus und Antisemitismus nicht gleichgesetzt hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, wird vom Bundestag zum Ausdruck gebracht, dass sich der Antisemitismus auch im Antizionismus zeigt.“ Nun, Sie können zu wissen meinen, was Sie wollen. Der Beschluss des Bundestags ist aber klar: „Allerdings findet sich Antisemitismus in allen politischen Lagern und er nimmt mit dem Antizionismus und der Israelfeindlichkeit auch neue Formen an.“ Das heißt: Der Antizionismus ist eine neue Form des Antisemitismus. Er ist natürlich nicht „identisch“ mit dem Antisemitismus, weil der den christlichen und islamischen Antijudaismus ebenso umfasst wie den Rassenantisemitismus diverser Ausprägung. Aber: Antizionismus ist eine Form des Antisemitismus, und genau das leugnen Schäfer und der Kulturattaché. Erlauben Sie mir eine kurze persönliche Anmerkung: Mein Großvater Moritz und mein Vater Julius waren – in den 1920er Jahren – „Antizionisten“ in dem Sinne, dass sie den Zionismus meines Onkels Ludwig ablehnten und sich darüber lustig machten. Mein Vater hat darüber in seiner Autobiographie „Heimliche Erinnerungen“, die Sie sicher irgendwo ausleihen können, S. 113ff geschrieben. Dieser „Antizionismus“ (in dem Sinne, dass man die Idee, alle Juden müssten nach Palästina, um eine Nation zu werden, falsch, lächerlich oder gefährlich fand) ist etwas ganz Anderes als der heutige Antizionismus. 1937 musste mein antizionistischer Vater dann doch nach Palästina, weil man ihn im gewählten Exilland Frankreich nicht mehr dulden mochte, und das hat ihm das Leben gerettet. Er ging dann doch nach dem dienst in der britischen Armee nach Europa zurück, aber Millionen blieben in Israel, darunter mein Onkel und seine Nachfahren. Praktisch hat der Zionismus den Streit für sich entschieden: Es kam viel, viel schlimmer,als es sich Theodor Herzl oder Ludwig Posener hätten vorstellen können. Der heutige Antizionismus leugnet das alles, bezeichnet die israelischen Juden als „Siedler“ (alle, nicht nur die Siedler in der Westbank), stellt sie mit den weißen Praktikern der Apartheid in Südafrika oder Simbabwe gleich, fordert die Auflösung des jüdischen Staates, was, wie jeder weiß, zu einem Massaker an den Juden führen würde. Kurzum, die Frage ist heute nicht mehr theoretisch, und darum sind selbst diejenigen Juden, die Nichtzionisten sind und nicht nach Israel auswandern, zu weit über 90 Prozent der Ansicht, es müsse diesen Staat geben: als Rettungsboot für den Fall, dass es sich die netten Nachbarn – siehe Pittsburgh, siehe Toulouse – einmal anders überlegen sollten mit der Toleranz. Auch darum ist der Antizionismus eine Form des Antisemitismus, weil er auch jene Juden trifft, die selbst keine Zionisten sind, ja auch Nichtjuden wie mich, die dort Verwandte haben und sich durch den ganz normalen Antisemitismus hierzulande zuweilen bedroht fühlen.
      4. Selbstverständlich sind Judentum und Zionismus nicht identisch. Aber Judentum und Judentum sind auch nicht identisch. Es gibt die Religion. Es gibt das, was die Nazis „Rasse“ nannten: mein Vater war Jude, obwohl er nie in die Synagoge ging – nicht nur für die Nazis, auch in seinen eigenen Augen. Es gibt Juden, religiöse, wie nichtreligiöse, die den Zionismus problematisch finden, aber Israel lieben usw. usf. Das Verhältnis zwischen Judentum und Zionismus ist aber nicht vergleichbar jenem zwischen Islam und IS, und es sind die Feinde des Islam, die ein vergleichbares Verhältnis unterstellen. Noch einmal: 90 Prozent oder mehr der Juden – und sie sind ein winziges Volk von vielleicht 14 Millionen Menschen – stehen zu Israel. Ich würde hoffen, dass 90 Prozent der Muslime – die in den Hunderten von Millionen zählen – den IS ablehnen. Ja, es hat beim Kampf um den Staat Israel Terroraktionen gegeben, aber sie waren „bugs, not features“: Fehler, nicht Wesen des Systems. Israel wäre ohne die Terroraktionen entstanden, und es gibt zahlreiche Historiker wie Tom Segev, Autoren, Politiker, die diesen Terror thematisieren und verurteilen, wie er übrigens damals von der zionistischen Führung in den meisten Fällen verurteilt wurde. Hingegen war der Terror wesentliches Element des IS, dem es ja auch nicht darum ging, einen kleinen „islamischen Staat“ für ein paar Millionen Opfer des größten Völkermords der Geschichte zu schaffen, sondern der ein weltweites Kalifat errichten und die Ungläubigen vom Erdboden vertilgen wollte. Klar kann man Äpfel und Birnen vergleichen. Beides sind Obst. Aber hier handelt es sich nicht um Äpfel und Birnen, sondern um Wesensverschiedenheiten.
      Meine Familie – stolze Berliner Juden – ging nach Palästina und blieb – mit Ausnahme meines Vaters – dort. Wenn Sie dort deren Häuser besuchen, finden Sie tausend Zeugnisse deutsch-jüdischer Geschichte. Das heißt: ein „Jüdisches Museum Berlin“ kann nicht so tun, als ginge Israel und die Israelis es nicht an. Die Geschichte der deutschen Juden geht dort weiter.
      In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Klarstellungen behilflich gewesen zu sein –
      Ihr
      apo

      1. avatar

        Das ist ja eigentlich ein Kompliment, vielen Dank dafür.
        Was ich allerdings – möglicherweise zu sehr verkürzt – zum Ausdruck bringen wollte:
        Wenn jemand etwas macht, daß Sie zurecht als politischen Fehler und moralische Unmöglichkeit empfinden, stecken da nicht zwangsläufig politisches Taktieren oder falsche ethische Maßstäbe dahinter.
        Manchmal wird eine Dummheit wirklich aus Dummheit gemacht. Gerade Leute, die ansonsten alles andere als dumm sind haben dann ihre Probleme damit, ihren Fehler und damit ihre Dummheit einzugestehen.
        Da ich- im Gegensatz zu Ihnen – keine der betreffenden Personen persönlich kenne, ist das von meiner Seite aus natürlich nur Spekulation.
        Manche Sachen werden auch mit Absicht und aus bösem Willen gemacht.

      2. avatar

        Ein Dialog soll ja eine Pointe haben, deswegen sucht man sich Gesprächspartner, von denen man annimmt, dass sie über eine bestimmte Bandbreite an Pointen verfügen würden. Was glaubt man eigentlich, mit wem man am Tisch sitzt, wenn das Gegenüber der iranische Kulturatache ist?

  3. avatar

    Ein Skandal, eine Schande… ich weiß nicht, wie ich benennen soll, was im JMB geschieht. Unfaßbar! Weder Fr. Kugelmann noch Prof. Schäfer besitzen Rückgrat. Das ist das eine. Das andere ist eine Frage: Wissen die beiden nicht, daß es eine Menge antike Literatur gibt, wo es ausdrücklich festgestellt wird, daß Jerusalem von den Juden gebaut wurde, manche sagen sogar, von Moses.
    Und das, obwohl sie mehr oder weniger (eher mehr) negativ über die Juden schreiben. Sollten sie es nicht wissen, dann sind sie m.E. völlig ungeeignet für den von ihnen besetzten Posten. Einmal von allem anderen abgesehen.
    lg
    caruso

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top