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Wie geht es weiter mit dem Brexit?

Wenn man sich fragt, wie es mit dem Brexit weitergehen soll, muss man sich zuerst fragen, wie Großbritannien in den Schlamassel hineingeraten konnte, in dem es sich jetzt befindet.

Mir geht es nicht darum, die Schuld am Brexit – also am Beschluss Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen – zwischen der EU  und GB aufzuteilen. Das ist unproduktiv (und ich würde es begrüßen, wenn wir solche Diskussionen hier vermeiden könnten). Es kann Gründe geben, die EU verlassen zu wollen; die EU hat das mit dem Lissabon-Vertrag anerkannt und einen entsprechenden Mechanismus bereitgestellt, der nun zum ersten Mal auf die Probe gestellt wird. Eigentlich ist das eine einfache Sache: eine Regierung stellt den Antrag auf Ausscheiden aus der EU. Danach haben beide Seiten zwei Jahre, um den künftigen Status zu klären und die entsprechenden Regeln, Gesetze usw. zu verabschieden. Modelle für diesen Status gibt es auch: Norwegen, die Schweiz, Grönland, die Türkei – oder Kanada, die USA, Russland usw.

Theresa Mays Fehler

Warum hat das bei Großbritannien nicht geklappt? Der Hauptgrund ist der, dass die Regierung Theresa Mays, statt sich vom Parlament ein Mandat zu holen für die Verhandlungen, etwa in Gestalt eines dem Parlament vorgelegten und vom Parlament gebilligten Vertragsentwurfs, zwei Jahre lang mit der EU verhandelt hat, und dann erst – und erst unter Druck – das Parlament eingebunden hat. Ursprünglich hatte May das Parlament gar nicht am Austrittsprozess beteiligen wollen; nun hat das Parlament das Heft des Handelns an sich gezogen und ihr die Macht entzogen, wenn auch – noch – nicht das Amt.

Man stelle sich vor, May hätte vor zwei Jahren dem Parlament den Deal vorgelegt, den das Parlament nun zweimal abgelehnt hat und über das es nächste Woche ein drittes Mal abstimmen soll. Wenn es damals nicht durchgekommen wäre, hätte May dann eben so lange mit den verschiedenen Fraktionen verhandeln müssen, bis ein Kompromiss ausgearbeitet worden wäre – und dann erst den Antrag auf Austritt stellen sollen. Und wenn sich das Parlament als unfähig erwiesen hätte, sich auf irgendeinen Vorschlag der Regierung oder der Opposition zu einigen, dann hätte man einen Brexit-Wahlkampf führen müssen, um eine entsprechende Mehrheit zustande zu bekommen, und dann erst den Antrag auf Austritt stellen sollen. Es stimmt ja, dass das britische Volk – genauer: eine knappe Mehrheit derjenigen, die abgestimmt haben, 17, 4 Millionen aus einer Bevölkerung von 66 Millionen – für den Brexit gestimmt haben, aber weder haben sie für einen sofortigen Brexit gestimmt, noch ist klar, was für einen Brexit – norwegisches Modell, Schweizer Modell, privilegierte Partnerschaft, No Deal – die knappe Mehrheit jener 72 Prozent der Wahlberechtigten, die tatsächlich abgestimmt haben, eigentlich wollten. Es war also Zeit da, und es war Zeit nötig, um das in Großbritannien zu klären, bevor man sich an die Europäer wandte. Und genau das tat Theresa May nicht. Der jetzige Schlamassel ist also zuallererst Ergebnis eines undemokratischen Versuchs, Parlament und Volk zu überrumpeln. Und das, nachdem eine der Hauptlosungen der Brexiteers war: „Wir wollen die Kontrolle über unser Land zurückgewinnen.“

Ein problematisches Wahlsystem

Doch geht das Problem tiefer. Ich war immer ein Anhänger des in Großbritannien und den USA herrschenden Mehrheitswahlrechts, auch weil es den Einzug von Populisten ins Parlament erschwert. Doch zeigen die Wahl Donald Trumps in den USA und der Sieg der Brexiteers in Großbritannien, dass genau dies eine Schwäche des Systems sein kann. In den USA konnte ein Populist zuerst seine Partei, die ihn auf keinen Fall haben wollte, umgehen und dann kapern und nach seinem Bilde gestalten. Und in Großbritannien konnte eine gar nicht im britischen Parlament vertretene Partei – nämlich UKIP – nicht nur die stärkste britische Partei im Europäischen Parlament werden, da Großbritannien die Europawahlen nach dem Verhältniswahlrecht durchführen muss, sondern auch ihre Agenda im Referendum durchsetzen können, obwohl alle im Parlament vertretenen Parteien gegen den Brexit waren. Möglicherweise hätte eine im Parlament vertretene UKIP eine ähnliche Rolle spielen können wie die dort ebenfalls vertretene schottische Unabhängigkeitspartei SNP. Jedenfalls scheint mir, dass man die Rolle des Mehrheitswahlrechts, das nicht nur UKIP, sondern auch die Grünen ausschließt und die Liberalen zu einem Schattendasein verurteilt, und das auch deshalb zu einem Parlament führt, in dem das, was die Nation bewegt, offenbar nicht die Abgeordneten bewegt, überdenken muss.

Doch liegt die tiefste Ursache für die Katastrophe eben in jener Volksabstimmung, mit der die Briten – na ja, „die Briten“: Siehe oben – den Abgeordneten eher als der EU ihr Musstrauen ausgesprochen haben. Diese Volksabstimmung wäre illegal gewesen, wenn ihr Ergebnis bindend gewesen wäre. Denn in Großbritannien – anders als etwa in Deutschland – ist nicht „das Volk“ (was auch immer man darunter verstehen mag) der Souverän, sondern eben das Parlament. Und das Parlament hat gar nicht das Recht, diese Souveränität aus der Hand zu geben. Das hat es aber faktisch, indem es sich bereiterklärt hat, das Ergebnis der Volksabstimmung als bindend zu akzeptieren.

Volksabstimmungen sind undemokratisch

Volksabstimmungen sind aber eine stumpfe Waffe. Die wenigsten Fragen lassen sich binär auf ein Ja/ Nein reduzieren, und wenn sie das werden, ist das Ergebnis oft unsinnig. Um ein völlig anderes Beispiel zu nehmen: Der Senat von Berlin wollte nach der Schließung des Flughafens Tempelhof einen Teil des riesigen Areals bebauen – mit einer Zentralbibliothek und mit Wohnungen. Eine Volksabstimmung gegen jegliche Bebauung des Flugfelds trägt dazu bei, dass die Bodenknappheit in der Stadt verschärft wird, womit Bodenpreise und Mieten steigen. In wiederholten Umfragen benennen die Berliner die steigenden Mieten als wichtigstes Problem der Stadt, haben aber nicht nur für die Nichtbebauung von Tempelhof gestimmt, sondern in einer weiteren Volksabstimmung für die Offenhaltung des Flughafens Tegel, obwohl das Areal zwischen Wasser, Wald und Stadt wie geschaffen ist für das Bauen eines neuen Stadtviertels. Die Berliner wollen keinen Fluglärm, aber einen stadtnahen Flughafen; einen riesigen Park in der Mitte einer Stadt, die zu den grünsten Europas zählt, aber günstige Mieten; und so weiter und so fort. Kurz: Sie wollen ihren Kuchen behalten und ihn zugleich aufessen wollen. Und so sind die Menschen überall, und das ist in Ordnung so und der Grund, warum das mühsame Geschäft der Politik, das mit Abwägen und Ausgleichen, mit Kompromissen und Deals, aber auch mit Fachwissen, Juristerei und Prinzipien zu tun hat, an Berufspolitiker delegiert wird. Demokratie bedeutet eben nicht, wie schon Karl Popper festgestellt hat, „Volksherrschaft“, weil die ja ein Unglück wäre, sondern die Möglichkeit, die Regierung in regelmäßigen Abständen ohne Revolution loszuwerden.

Deshalb war das Brexit-Referendum eine Farce, denn niemand wusste, worüber abgestimmt wurde. Hinzu kommt, dass ein Referendum das Volk eines seiner elementaren Rechte beraubt: des Rechts, seine Meinung zu ändern. Ich kann heute CDU wählen und in vier Jahren SPD oder AfD, Linke oder Grüne. Aber ein Referendum soll mich auf ewig an mein Geschwätz von gestern binden? Inwiefern ist das demokratisch?

Bitte kein zweites Referendum!

Das klingt wie ein Plädoyer für ein zweites Referendum, diesmal mit klaren Alternativen, vielleicht sogar mit mehreren Stufen: Bleiben oder Gehen, und dann: Mays Deal oder nicht. Und dann: Norwegen oder No Deal? (So etwa.) Immerhin wäre dann klar, worum es geht. Aber ich bin – siehe oben – aus grundsätzlichen Erwägungen gegen Volksabstimmungen. Es ist Aufgabe des Souveräns, und das ist, ich wiederhole es, in Großbritannien das Parlament, über die Zukunft des Landes zu entscheiden, also auch über die Zukunft des Brexit. Zwei Fehler ergeben keine richtige Antwort.

Deshalb sollte die Europäische Union Großbritannien so viel Zeit geben, wie das Parlament braucht, um sich zu entscheiden: Sechs Wochen, sechs Monate, sechs Jahre. Gewiss, indem man einen zweiten Volksentscheid ausschließt, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der Brexit abgewendet wird. Das  Parlament wird nicht den Mumm finden, seine Souveränität gegenüber den ca. 17 Millionen Brexiteers  zu behaupten und deren Empfehlung nicht zu folgen. Die Rechten drohen ja in dem Fall mit Gewalt in den Straßen und ungezügeltem Populismus, und haben bislang das Parlament damit erfolgreich erpresst.

Nehmt euch Zeit. Gebt ihnen Zeit.

Die beste Lösung für Großbritannien wäre, unter den gegebenen Bedingungen, eine Lösung wie für Norwegen: Mitgliedschaft im Gemeinsamen Markt, aber nicht Euro-Raum und – anders als Norwegen – auch nicht im Schengen-Raum. Die radikalen Brexiteers um die „European Research Group“ in der Konservativen Partei wären isoliert, das Lager der Brexiteers also gespalten, und man kann damit rechnen, dass mit der Zeit das Thema seine Brisanz verlieren dürfte. Aber auch für die EU wäre diese Lösung am besten. Handel und Wandel wären nur minimal beeinträchtigt, und die Union könnte sich, ungestört von den Briten, endlich der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft zuwenden.

Erratum: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt eine missverständliche Formulierung, die suggerierte, Norwegen sei nicht Mitglied des Schengen-Raums. Sorry.

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103 Gedanken zu “Wie geht es weiter mit dem Brexit?;”

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      Ja. Das war damals richtig und ist heute richtig. Nur leider wird sich das Parlament nicht ermannen, und wenn es sich ermannt und Johnsons stürzt, wird es den Fehler machen, ein zweites Referendum anzusetzen, mit den in beiden Artikeln skizzierten folgen.

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        Do or die – wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Illiberale Demokratie klingt nett, nach etwas Harmlosen, womit man sich arrangieren kann. Von der Norwegen-Lösung des Referendums bis zur der no-deal Flucht aus EU (von der nicht mal Farage gesprochen hat) haben BoJo, Murdock und Moog nur 3 Jahre gebraucht. Ich hoffe, dass sie sich nach der Machtergreifung (und wenn die EU nachgibt) mäßigen, hat mit Milosevic bei seiner Suspendierung der Parlamente 88 ja fast funktioniert. Ja, UK ist was Besonderes und der Balkan sowieso:
        https://www.youtube.com/watch?v=bwDrHqNZ9lo
        Naja, wenn ich zwischen einem antiparlamentarischen Putsch und der Verstaatlichung einer lokalen Bimmelbahn wählen müsste, würde ich mich für das Parlament entscheiden und für die Bahnkarte ein Pfund mehr bezahlen. Ich finde nicht, dass alle im Parlament irgendwie schuld sind, es ist eine konservative Revolution. Do or die. Corbyn ist so inspirierend wie der Reichstagsbrand, aber genauso wenig schuld an der Machtergreifung.

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    @Roland Ziegler
    „Um es etwas klarer zu sagen, was ich sagen wollte: Mit der EU wird nicht gleich das Paradies auf Erden errichtet (aber es bricht auch keine zentralistische Hölle aus). Das sollte man aber auch nicht erwarten.“

    Führte die Brexit-Diskussion dazu, zu hinterfragen, was „Europa“, die EU eigentlich ist bzw sein soll, würde sie wenigstens etwas nützen.
    Neben unbestreitbaren Vorteilen gibt es aber auch das Europa, das möglicherweise bald einen Flugzeugträger hat. Das sich in innere Angelegenheiten anderer Länder einmischt, wie aktuell in Venezuela (warum eigentlich wird Maduro ein „Diktator“ genannt, Xi Jinping oder Orban aber nicht? Warum gratuliert unser Bundespräsident den Mullahs zum Jahrestag? Naja, die Antwort liegt auf der Hand.). Hier werden als „Fluchtursachen“ vor allem „kriminelle Schleuserbanden“ identifiziert. Hier stehen womöglich bald wieder atomare Mittelstreckenraketen. Schlimmer noch: Man denkt über europäische, d.h. EU-eigene Kernwaffen zumindest nach.
    Nein, lieber Roland Ziegler, das „Paradies“ bricht hier demnächst bestimmt nicht aus. Die Richtung, in die sich das „Projekt EU“, ob nun mit oder ohne UK, entwickelt, ist meiner Ansicht nach höchst bedenklich.

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    Stevanovic ./. den lieben Herrn Ziegler: „Wir“ sind die, die die Überschüsse in der Handelsbilanz als Errungenschaft feiern, aber nicht bereit sind, sich über die Finanzierung der Partner Gedanken zu machen.

    … ach allerliebster Herrr Stevanovic und Freunde, das lass ich mir mal auf der Zunge zergehen, von wegen Handelsbilanzüberschuss und so. Sie tun, als hätten Sie noch vom ‚Target‘-System gehört/gelesen. Allein Italien steht mit etwa 500’000’000’000 €uro (500 Milliarden) beim deutschen Steuerzahler in der Kreide. Italien kauft deutsche Waren, die Deutschen bezahlen. Das funktioniert wie ein Dispo ohne Zinsen.

    Wer glaubt Deutschland sieht die Target-Salden, mittlerweile bei knapp 900 Milliarden €uro, jemals wieder?

    Erich Kästner meint dazu: ‚Was immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.‘

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    APo ./. Klaus: … Nein, es steht: “Liebe deine Feinde.”
    Wenn es einen Fortschritt in der Menschheitsgeschichte gibt, dann den, dass der Kreis derjenigen, die ich zu meinen Nächsten zähle, ausgeweitet wurde. Und daran hat auch die Botschaft des Jesus von Nazareth einen Anteil.

    “Liebe deine Feinde.” … ahem, werter APo, … ‚die christliche Glaubenslehre kennt ein Naturrecht auf Notwehr und Selbstverteidigung. Das ist keine Perversion der Friedensbotschaft Christi‘, … ff im Link.

    Das hatten wir hier schon anno ’14 ähnlich.

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      Jesus hätte sich wehren können, befahl aber Petrus, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken. Alle Märtyrer folgten seinem Beispiel. Die Katholische Kirche aber, einmal Staatskirche geworden, beschloss, die Spielregeln zu ändern. Luther trieb das bis hin zur Forderung nach dem Völkermord. Nachvollziehbar. Ich bin kein Anhänger der Feindesliebe. Aber auch nicht der Heuchelei. Statt „Pharisäer“ sollte man ehrlicherweise „Christ“ sagen.

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        APo: ‚Jesus hätte sich wehren können, befahl aber Petrus, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken. Alle Märtyrer folgten seinem Beispiel.‘

        … ganz einfach, werter Pilatus APo, seine Jünger waren versorgt – Lukas 10; 3-5: ‚Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus!‘ – und er selbst zu Pilatus in Johannes 18; 36: ‚Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.‘ DAHER!

        … aaaber, in der Zeit der Abwesenheit des Herrn, muss kein Mensch auf natürliche Schutz- und Versorgungsmaßnahmen in dieser Welt verzichten. Das steht auch im 1. Link, weiter oben; … die praeparatio cordis (Haltung des Herzens), wie Augustinus es nannte. Die innere Haltung des Christen sagt ihm: Krieg ist ein Übel, auf das nur nach Ausschöpfung aller friedlichen Mittel zurückgegriffen werden darf.

        … dazu auch 2. Link noch einmal, er war nicht korrekt platziert.

      2. avatar

        @APo, Nachtrag

        … ‚wir‘ erinnern uns auch an Matthäus 5; 17: ‚Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. … und damit Ezechiel 11; 8-9: ‚Das Schwert fürchtet ihr; darum werde ich das Schwert über euch bringen – Spruch Gottes, des Herrn. Ich vertreibe euch aus der Stadt, ich liefere euch den Fremden [sic!] aus und halte ein Strafgericht über euch ab.

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      Lieber Alan Posener, ich denke, daß es mir aufgrund meiner mangelnden theologischen Kenntnisse nicht gelingen wird, etwas Programmatisches aus der Bibel in eine Richtung, die mir passt, abzuleiten, allerdings glaube ich, daß die Schriften, Religionen und deren Auslegung unsere Gefühle und Absichten in den europäischen und amerikanischen Gemeinwesen nach wie vor auflisten und sortieren. (Sorry 68er, aber ich befürchte, wir kommen um das Thema nicht wirklich herum.)
      Dieser Ausspruch mit dem ‚Übernächsten‘ kommt m.E. aus der katholischen Seelsorge, also das, was heutzutage Psychologen leisten sollen, wenn sie nicht von ihren Klienten zwecks Selbstoptimierung gebucht wurden. Nämlich Unterstützung und Beistand in schwierigen Alltagsfragen zu geben, z.B. wenn Ehepartner einander pflegen, Kinder ihre Eltern usw. Also Dilemma-Situationen, dem Schema entsprechend: Ab wann ist die Selbstaufgabe dysfunktional für alle Beteiligten, bzw. was bedeutet ‚liebe deinen Nächsten, wie dich selber‘ (hatten wir ja schon mal hier). Insbesondere Frauen sind ja bei solchen Fragen besonderes bereit, sich selber hintenan zu stellen und fanden genau hier, also beim Pastor oder Pfarrer, Hilfe dabei, Kriterien zu finden, sich selber abzugrenzen.
      Das Ganze ist natürlich Auslegungssache (Exegese) und da diese Fragen das Gemeinwesen betreffen auch immer politisch. Und schon richtig, der Katholik Martin Luther war ein Haßprediger und der Jude Jesus von Nazareth ein Sozialreformer und ‚Gutmensch‘, der das, was er erreichen wollte vorgelebt und mit seinem Leben bezahlt hat (eine Charakterstärke, die ich bei heutigen Apologeten von Gutmenschentum und Weltrettung eher weniger vermute). Letzterer Gründer oder Protagonist einer jüdischen Sekte, deren moralischer Anspruch (später? – ich weiß es nicht) von der Mehrheit nur unter Aufbringung einer erheblichen Doppelmoral zu ertragen war (..mir fällt es tatsächlich schwer zu glauben, wenn mir jemand sowas sagt, wie „ich bin frei von Rachegelüsten, weil ich Christ bin“).

      Was die moralische Entwicklung der Menschheit, insbesondere jedoch die Ausweitung der Gruppe, für die sich der Einzelne mit verantwortlich fühlt, betrifft, so dürfen wir, sicher, wie Sie mir mal schrieben, „nicht hinter Kant zurückfallen“, bzw. war ja auch schon ‚das römische Imperium‘ und später ‚die Nation‘ eine erfolgreiche Manifestation dieses zivilisatorischen Willens. Moralische Rück- und Fehlschläge inclusive. D’accord soweit? Allerdings kann (und darf) eine moralische, sozialistische oder überhaupt politische Avantgarde diese Entwicklung weder vorgeben, noch bestimmen, sondern nur die Evolution (@hans: Die Evolution ist Gottes Werkzeug).
      Und genau an dem Punkt sind wir jetzt und immer wieder und auch beim Brexit: Daß doch eine erhebliche Zahl von Programmatikern und top-down-Denkern enorme Probleme mit der Demokratie haben, also einem prinzipiell erratischen System (wie es sich derzeit im UK zeigt und in der Häme, die sich derzeit über das britische Parlament ergießt).

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        Ja, Klaus J. Nick, weitgehend d’accord. Wenn Gesellschaften in etwa 50:50 gespalten sind, wie Großbritannien in Sachen Brexit, USA in Sachen Trump (und beides ist ja nur ein Symptom), so ist das Regieren fast unmöglich. Schuldzuweisungen (Stichwort „Elitenversagen“) sind nur bedingt hilfreich.

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        Naja, ob Regierbarkeit tatsächlich etwas erstrebenswertes ist, bezweifle ich wohl, wenn ich mir zusammenfasse, was unsere Kanzlerin so angestellt hat.

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        Würden Sie in einem nichtregierbaren Land leben, würden Sie sich nach der verhältnismäßig stabilen deutschen Ordnung zurücksehnen. Staatsfeinde, ob neoliberal, marxistisch, populistisch oder schlicht naiv, haben immer Unrecht.

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        Also, lieber AP, wenn Sie statt von Regierbarkeit, von funktionierender Verwaltung (administration) sprechen würden, könnte ich mich dazu durchringen, Ihnen zuzustimmen. Diese funktionierende Verwaltung aber ist nicht das Ergebnis der jetzigen Regierung, deren Entscheidungen uns alle in Zukunft sehr, sehr teuer kommen.

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        Nein, lieber KJN, ich meine etwas Anderes. Man sieht in Großbritannien, dass die Regierung seit einem Jahr zu nichts kommt wg. Brexit. Und dieses an und für sich lösbare Problem (Mays Deal ist durchaus vernünftig) nimmt nur deshalb solche bizarren Formen an, weil das Volk 50:50 gespalten ist, so dass die Parlamentarier sich nicht trauen, ihrem Gewissen zu folgen. Das Land wird nicht regiert, das Parlament entzieht der Regierung die Kontrolle und erweist sich als unfähig, einen Kompromiss zu finden: weil der „Volkswille“ nicht erkennbar ist – nicht vorhanden ist.

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        Stimme zu, aber 50/50, also die weitgehend unversöhnliche Spaltung der Gesellschaft bei bestimmten Fragen hat ja Gründe. Beim Brexit eben nicht nur der Populismus der Brexiteers, sondern auch die Reformunwilligkeit der EU-Funktionäre. Und in D halte ich auch eine solche Spaltung, wohl bei anderen Fragen, als der EU-Mitgliedschaft, für möglich oder schon weit verbreitet. Und zeigen solche Unregierbarkeitskrisen aufgrund von Spaltungen in der Bevölkerung nicht etwas an? Einen Generations- oder Paradigmenwechsel? Ist das alles wirklich so schlimm, oder ist das alles in allem nicht ein längst überfälliger Anstoß zu realitätsnäherer und weniger idealistisch geleiteter Politik? Die ja im kleineren möglich zu sein scheint, z.B. bei dieser offensichtlich vernünftigen Abwägung z.B. beim Urheberrecht.

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    Von Franklin D. Roosevelt stammt sinngemäß der Satz, daß in der Politik nichts aus Zufall geschehe, sondern alles so geplant war, wie es dann eintritt.
    Vielleicht unterschätzen wir alle Frau May, und das von ihr angerichtete vermeintliche Chaos war Absicht, um genau das zu ermöglichen, was dann eintritt.
    Die derzeitige Frage ist ja nur noch, will sie den harten Brexit, oder will sie den Brexit über ein neues Referendum komplett verhindern ?

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      Lieber Don Geraldo, mich würde sehr wundern, wenn ausgerechnet FDR den Unsinn verzapft hätte, den Sie ihm zuschreiben. Sage ich als jemand, der zwei Bücher über FDR geschrieben hat.

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    Lieber Herr Posener,

    ich finde es als fast zu spät, nun, da das Kind in den Brunnen gefallen ist und kurz davor ist auf dem Grund aufzuschlagen, sich Gedanken darüber zu machen, wie es mit dem Brexit weiter gehen soll.

    Ich hatte in der damals von mir als teilweise sehr unangenehm empfundenen MEME-Debatte anlässlich des Todes von Frank Schirrmacher hier auf diesem Blog angeregt, darüber zu diskutieren, wie UKIP funktioniert, wie die Innensicht der verschiedenen Schichten in GB war und wie es zu dem Wahlerfolg der UKIP kommen konnte.

    https://starke-meinungen.de/blog/2014/06/17/das-ende-von-etwas/comment-page-4/#comment-27007

    Mit den Enthüllungen über die Machenschaften der Brexit-Campaigners die Verbindungen von UKIP zu Camebridge Analytica hat sich gezeigt, dass meine Nase, dass sich da eine Gedanken- oder Meinungs-manipulations-Machinerie in Gang gesetzt hatte, die mit Hilfe von „Memen“ oder wie immer man es nennen will, vor allem über die sozialen Netzwerke Partikularinteressen durchsetzten wollten, die den tatsächlichen Interessen der Manipulierten, wie man heute immer mehr erkennen kann, fundamental entgegen stehen.

    Daraus kann man Lehren ziehen, das stimmt, im Moment möchte ich aber nur kurz auf eine Diskrepanz hinweisen, die für mich sehr bildlich veranschaulicht, wieso das britische Parlament bzw. das gesamte britische Regierungssystem sich derzeit selbst demonstriert.

    Auf der einen Seite arbeiten die Gegner der EU und die Gegner einer freien und offenen Gesellschaft mit hochtechnisierten und von KI-Logarithmen gesteuerten Manipulationssystemen über die internetbasierten „sozialen“ Netzwerken. Und auf der anderen Seite sehen wir nun seit Wochen britische MPs, die sich nach endlosen Debatten immer wieder zum Hammelsprung anstellen, um ihre eigentlich gar nicht geschätzte Meinung kundzutun. Mr. Bercow beruft sich bei seinem aktuellen Hinweis auf eine mögliche Unzulässigkeit einer 3. Abstimmung über den selben Mayschen Vorschlag auf einen Präzedenzfall aus dem 17. Jahrhundert und heute kommt sogar die Queen ins Spiel, wenn überlegt wird, ob diese, um eine neuerliche Abstimmung zulässig zu bekommen, möglicherweise eine neuen Parlamentszyklus eröffnen könnte.

    Ich frage mich da, passt eine solche Nation wirklich zu Europa? Wäre diese Verfassungskrise nicht ein Anlass darüber nachzudenken, dass es so eigentlich auf lange Sicht nicht weiter gehen kann. Ist ein Case-Law nicht ein Fremdkörper im europäischen Recht? Sollte die Monarchie nicht ganz aus dem politischen System verbannt werden? Gibt es tatsächlich noch ein „Great Britain“? Sollte die EU nicht gesonderte Verhandlungen mit Schottland und Wales führen? Wie lange soll man sich dieses Gemurxe noch anschauen? Wäre es für die nächsten 100 Jahre nicht besser für England, es würde sich an China verpachten, damit die Chinesen dort eine Freihandelszone einrichten kann (im Gegensatz zu den Briten würden diese sich aber nach den 100 Jahren eine Kaufoption einräumen lassen)?

    Für mich hat das ganze UKIP- und BREXIT-Theater gezeigt, dass die allermeisten sowohl in der Politik als auch in den Medien, und dazu zähle ich auch Sie Herr Posener, die Probleme und die Folgen, die durch die Leute um und hinter Farage, Johnson & Co. für Europa entstanden sind, aus Dummheit, Fahrlässigkeit oder Eigeninteresse übersehen, verharmlost oder eben verschleiert haben.

    Und das ist ein Muster, das man auf viele Konfliktsituationen die uns derzeit beschäftigen, übertragen kann. Das gilt auch für die Situation im Norden von Südamerika, es gilt für die aktuellen Diskussionen über Russland, die Krim, das Wettrüsten, den israelisch-palästinensischen Konflikt, für den Syrien-Konflikt etc. pp.

    So long!

    68er

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      Lieber 68er, ich verbringe heute viel Zeit mit Ihnen; haben Sie Verständnis dafür, dass das nicht immer geht. Ich muss auch Geld verdienen. Aber:
      „Ich frage mich da, passt eine solche Nation wirklich zu Europa? Wäre diese Verfassungskrise nicht ein Anlass darüber nachzudenken, dass es so eigentlich auf lange Sicht nicht weiter gehen kann. Ist ein Case-Law nicht ein Fremdkörper im europäischen Recht? Sollte die Monarchie nicht ganz aus dem politischen System verbannt werden? Gibt es tatsächlich noch ein “Great Britain”? Sollte die EU nicht gesonderte Verhandlungen mit Schottland und Wales führen? Wie lange soll man sich dieses Gemurxe noch anschauen? Wäre es für die nächsten 100 Jahre nicht besser für England, es würde sich an China verpachten, damit die Chinesen dort eine Freihandelszone einrichten kann (im Gegensatz zu den Briten würden diese sich aber nach den 100 Jahren eine Kaufoption einräumen lassen)?“
      Ich nehme an, dass Ihr China-Szenario nicht ernst gemeint ist. Was die anderen Fragen betrifft: 1. Auch in anderen Ländern gibt es Monarchien. Wollen Sie die Belgier und Holländer, Dänen, Schweden und Spanier auch rausschmeißen? Woher diese deutsche Überheblichkeit? 2. Case Law mag ein Fremdkörper sein auf einem von Napoleon und seinen Rechtsvorstellungen geprägten Kontinent, aber wer will sagen, welches Modell besser ist? Woher diese deutsche Überheblichkeit? 3. Gibt es Great Britain noch? Die Briten sagen eigentlich immer „Britain“. 4. Sollte die EU nicht gesonderte Verhandlungen mit Schottland und Wales führen? Sie haben Nordirland vergessen. Aber nein. Wir verhandeln auch nicht mit Katalonien. Oder mit den Flamen und Wallonen getrennt, oder mit den Südtirolern usw. usf. Sollte sich Schottland unabhängig erklären, mit oder ohne Referendum, würde sich eine neue Situation ergeben. Über die diskutieren wir dann.
      Großbritannien gehört für mich genau so „zu Europa“ wie etwa Ungarn oder Serbien, Griechenland oder – irgendwann – die Ukraine und Georgien. Aber nicht, wenn es nicht will.
      Weiter:
      „Für mich hat das ganze UKIP- und BREXIT-Theater gezeigt, dass die allermeisten sowohl in der Politik als auch in den Medien, und dazu zähle ich auch Sie Herr Posener, die Probleme und die Folgen, die durch die Leute um und hinter Farage, Johnson & Co. für Europa entstanden sind, aus Dummheit, Fahrlässigkeit oder Eigeninteresse übersehen, verharmlost oder eben verschleiert haben.“
      Wenn Sie vor allem meine Artikel im „Guardian“ im Vorfeld des Referendums gelesen hätten, würden Sie nicht behaupten, ich hätte die Probleme verharmlost oder „verschleiert“. Auch zu Boris J. habe ich das Nötige geschrieben. Wenn Sie sagen, ich hätte die Stärke der Brexit-Bewegung – und der Kräfte, nicht zuletzt aus Russland, die sie befördert haben – unterschätzt, dann haben Sie völlig Recht.

      1. avatar

        Lieber Herr Posener,
        mein blödes Autokorrektur-System will aus Ihnen immer einen Professor machen.

        Ich glaube die meisten hier haben noch einen Beruf und müssen Geld verdienen.

        Da ich hier zum privaten Gedankenaustausch schreibe, und keine Wahlen oder Kunden gewinnen muss, schreibe ich so wie es mir Spaß macht, auch wenn oft ich weiss, worauf Sie „anspringen“ und worüber Sie lieber schweigen. Der ganze letzte Absatz war mehr oder weniger ironisch gemeint. Ich habe eine Zeit lang in Wales gelebt und schätze die Engländer, Schotten und Waliser als Menschen sehr (Iren habe ich fast gar keine kennen gelernt, so dass ich zu denen nichts sagen kann.). Mir wäre es am liebsten, wenn alle in der EU blieben. Es mag sein, dass die Briten das Great meist weglassen, ich kann mich aber auch daran erinnern, dass die meisten von „Here in Britain“ und „There in Europe“ sprachen.

        Es mag ja sein, dass Sie im Guardian etwas über BJ (seinen Namen werden Sie in diesem Zusammenhang nie aus….) geschrieben haben. Als das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen war, hatten Sie noch um Themenvorschläge gebeten. Als ich auf das UKIP-Phänomen hinwies und dass dort möglicherweise Meme eine Rolle spielen könnten, kam nix. Dass jetzt mit einem Nebensatz alles dem bösen Ivan in die Schuhe schieben zu wollen und damit den Blick von den Brexit-Hardlinern und deren finanziellen Interessen abzulenken, ist kein wirklicher Beitrag zur Analyse. Ich hatte eigentlich gedacht, Sie würden mir das disfunktionale EU-Rechtssystem um die Ohren hauen, so muss ich mich eben selbst kasteien.

        Im Gegensatz zu Ihnen, habe ich aus dem Desaster Lehren gezogen und glaube, dass z. B. ein Austritt Schottlands, der dort ernsthaft diskutiert wird, nur dann störungsfrei und einigermaßen glimpflich funktionieren kann, wenn zuerst unter 6 und dreimal unter 4 Augen verhandelt wird und danach eine Entscheidung getroffen wird, ob und wie man sich trennt. Zuerst den Austritt erklären und danach verhandeln, das zeigt die aktuelle Misere, scheint nicht so Recht zu klappen.

        Und nur so nebenbei, ich halte das britische Verfassungssystem für nicht ideal. Es gibt britische Lehrbücher zum Verfassungsrecht, da kommt das Wort „democracy“ nicht vor und die Souveränität des Volkes, gibt es, wie Sie richtig sagen, in Britain nicht. Deshalb wird nach meinem Gefühl auch davor zurück geschrecht ein zweites Referendum durchzuführen. Das erste war eigentlich für das Establishment eines zu viel. Das ständige Gerede, von May und Co., man wolle den Wählerwillen respektieren, hat daher nach meiner Sicht mehr mit „Hypocracy“ denn mit „Democracy“ zu tun.

        Beste Grüße

        Ihr 68er

        P.S. Wenn Sie nicht antworten, stört mich das nicht. Wenn ich Ihnen den Eindruck vermittelt haben sollte, ich hielte Sie für einen Pfarrer oder Therapeuten, war dies nicht intendiert.

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        Ganz kurz, 68er: Was wir damals unter „Memen“ diskutiert haben, wird heute, wenn ich nicht irre, unter „Framing“ diskutiert. Ich schiebe nicht alles dem „bösen Ivan“ zu; russische Einmischung war ebenso eine Tatsache wie die Millionenausgaben von Leuten, die größtenteils ihr Vermögen irgendwo steuerfrei untergebracht haben oder wie Staubsauger-Dyson sich jetzt mitsamt ihren Firmen aus dem Staub machen. Am Ende erklären Verschwörungstheorien wenig. Stevanovich hat etwas zu den sozialen Verschiebungen geschrieben, die letztlich ausschlaggebend waren. Trotzdem ist das hier nicht uninteressant:
        https://en.wikipedia.org/wiki/Russian_interference_in_the_2016_Brexit_referendum

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        Noch ein kurzer Nachtrag:

        Weil es derzeit auf der anderen Seite des Kanals ja immer „der Russ“ gewesen sein soll, möchte ich darauf hinweisen, dass in allen „Deutschen Blättern“ eifrig über Arron Banks und seine russischen Verbindungen berichtet wird, über Peter Hargreaves, den größten Einzelspender und seine heutige Einstellung zum Brexit wird nirgendwo berichtet. Passt halt irgendwie nicht ins „Narrative“:

        https://www.reuters.com/article/uk-britain-eu-donors-exclusive/exclusive-leading-brexit-donors-say-britain-will-reverse-decision-to-leave-eu-idUSKCN1P50UU

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        Das stimmt so nicht, lieber 68er. Googeln Sie mal Peter Hargreaves. Sie finden jede Menge Berichte.

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        Lieber Herr Posener,
        Sie haben Recht, das stimmt ganz genau genommen „so“ nicht, aber es stimmt.

        Wenn Sie auf google.de nach Peter Hargreaves googlen und die Suche auf deutschsprachige Ergebnisse im letzten Jahr beschränken, bekommen Sie eine Handvoll Ergebnisse zum Teil aus Österreich oder von irgendwelchen Blogs. Die gleiche Suche mit Arron Banks liefert unzählige Treffe bei den sogenannten „Leitmedien“ sowohl im Online- und Printbereich als auch bei den Fernseheanstalten.

        So funktioniert das System eben. Sie können teilweise sehr erhellende Dokumentationen sogar über die CIA oder die Rüstungslobby bei ARTE sehen, bei Kleber und Co landet das so gut wie nie und wenn dann in einem Nebensatz, der im nächsten Satz wieder in Frage gestellt wird. Die breite Masse weiss von alldem nichts.

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        Lieber Herr Posener,

        und wenn Sie von der Polizei als Geisterfahrer auf der Autobahn angehalten werden, kenne ich schon Ihre „Rechtfertigung“:

        „Aber die Rechten, Herr Polizist, aber die Rechten, die fahren doch alle rechts, da kann ich doch nicht auch rechts fahren!“

        Irgendwann wird es anstrengend.

        Allen ein schönes Wochenende!

        Mein Tipp für die nächste Woche:

        Wenn die Briten ein letztes Stück Würde behalten wollen, entscheiden sie sich für:

        Revoke Article 50!

        Wenn Frau May schlau ist macht sie es kraft Ihres Amtes selbst.

        Und dann muss man im UK auch einmal darüber nachdenken, ob in diesem speziellen Fall eine große Koalition mit der SNP und den Liberal Democrats eventuell aus dem Schlamassel herausführen kann. Danach werden Labour und die Tories zwar nicht mehr die selben Parteien sein, aber es wäre eine Chance, der Bevölkerung zu zeigen, dass „die da oben“ willens und in der Lage sind, ihre Zukunft zu gestalten.

        Ihr 68er

      7. avatar

        Tja, lieber 68er, Sie sind also wie ich gegen Volksabstimmungen. Gut. Oder sind Sie nur gegen Volksabstimmungen, die anders ausgehen, als Ihnen passt? Jedenfalls hat das mit rechts, links, Geisterfahrer, Polizei usw. nichts zu tun.

      8. avatar

        Hallo Herr Posener,

        habe gerade Ihren Artikel über die Gleichstellungsbestrebungen in Brandenburg gelesen.

        https://www.welt.de/debatte/kommentare/article188326513/Gleichstellungsgesetz-Wo-die-AfD-recht-hat-hat-sie-recht.html?wtrid=onsite.onsitesearch

        Vielen Dank! Dann muss ich mich nicht immer etwas Neues ausdenken, wenn Sie mir einen Gleichklang mit „den Rechten“, „der AfD“ oder sonstwelchen finsteren Gesellen unterstellen wollen. Ein Link genügt.

        Ihnen einen geruhsames Wochenende!

        Ihr 68er

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        Lieber 68er, ich weiß nicht, warum Sie so aggressiv sind. ich begegne Ihnen immer möglichst freundlich. Aber wie meine Freunde vom rechten Rand scheinen Sie es nötig zu haben, sich in Rage zu reden. Die von Ihnen zitierte Glosse ist, wenn Sie mehr lesen als bloß die Überschrift, unschwer als Kritik der AfD und ihrer Forderung nach Volksabstimmungen zu allem und jedem zu erkennen.
        In der Sache Paritätsgesetz allerdings befürchte ich, dass auch da CDU und AfD Recht bekommen werden. Hier eine juristische Meinung dazu:
        https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/paritaetsgesetz-brandenburg-verfassungswidrig-quoten-wahlrecht-geschlecht-landesliste/

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        Lieber 68er, hätten Sie mein Buch „Die empörte Republik“ gelesen, Sie hätten ein ganzes Kapitel gefunden, das sich den üblen Folgen der „Aufmerksamkeitsökonomie“ widmet, verbunden mit einer Selbstkritik. Übrigens können Sie das Buch noch lesen, wenn Ihnen daran gelegen ist, meine Positionen wirklich kennen zu lernen. Es ist als e-Book erhältlich.
        Ich stimme also Monbiot vollinhaltlich zu. Er ist allerdings gerade NICHT wie Sie der Ansicht, man habe Arron Banks zu viel Aufmerksamkeit gewidmet:
        „Last June, the scandal merchant Isabel Oakeshott was exposed for withholding a cache of emails detailing Leave.EU co-founder Arron Banks’ multiple meetings with Russian officials, which might have been of interest to the Electoral Commission’s investigation into the financing of the Brexit campaign. During the following days she was invited on to Question Time and other outlets, platforms she used to extol the virtues of Brexit. By contrast, the journalist who exposed her, Carole Cadwalladr, has been largely frozen out by the BBC.“

        Was denn nun? Wer hat Recht? Sie oder Monbiot?

        Im übrigen können Sie gern etwas tun, um guten Journalismus zu unterstützen, außer etwas aufmerksamer lesen. Ich zum Beispiel überweise dem „Guardian“ monatlich eine gewisse Summe, weil ich es schätze, dass die KollegInnen ohne Paywall operieren. Ich fände es auch nett, wenn Sie mal vorbeischauen würden bei WELT, sich die oft hasserfüllten (rechten) Kommentare unter meinen Artikeln anschauen und sich dort einbringen würden. Und so weiter.

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        Ich weiss nicht, wo ich in den letzten Kommentaren aggressiv geworden sein soll? Wenn Ihnen meine Argumente weh tun, und Sie nicht anders reagieren können, als mir in jedem zweiten Kommentar eine Nähe zur AfD zu unterstellen, können wir den Dialog auch gerne beenden.

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        Noch kurz zu Monbiot:

        Er schreibt nirgendwo davon, dass Arron Banks zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird, möglicherweise ist er dieser Auffassung, das wissen Sie vielleicht besser, er beschreibt lediglich, dass nicht die Journalistin, die den Skandal über den zurückgehaltenen Skandal bei der BBC interviewt wurde, sondern Frau Isabel Oakeshott, die ihre Recherchen über Arron Banks, aus welchen Gründen auch immer, nicht sofort veröffentlicht hat.

        Und kurz zu den rechten Kommentaren auf Welt:

        Hasskommentare und auch Morddrohungen sind leider Begleiterscheinungen, die in einer freien Gesellschaft immer wieder vorkommen. Ich glaube auch, dass man an deren Stärke und Häufigkeit ablesen kann, wie gut eine Gesellschaft es geschafft hat, ein inneres Gleichgewicht herzustellen. Solche Reaktionen sind, glaube ich, recht häufig Frustrationsreaktionen, die ich aber in keiner Weise rechtfertigen oder relativieren will. So etwas kann jeden, der davon betroffen ist, schwer treffen und ist in keiner Weise entschuldbar.

        Was ich aber nicht glaube, ist dass die Häufigkeit solcher Kommentare in irgend einer Beziehung zum Wahrheitsgehalt der Aussagen stehen, die derjenige gemacht hat, den diese Angriffe treffen. Wenn ich mich richtig erinnere, werden derzeit gerade Politiker der AfD mit Morddrohungen und Hassmails bedrängt. Damit werden deren Positionen aber in keiner Weise richtiger.

      13. avatar

        Und zum allerletzten Abschluss noch einmal zum Thema „Lückenpresse“, einem Terminus, den Sie und nicht ich in die Debatte eingeführt haben:

        In dem von mir zitierten Artikel von Hernn Monbiot wird detailliert beschrieben, wie die etablierten Medien gezielt bestimmte Themen pushen und andere Stimmen ausklammern. Wie Sie das nennen, ist Ihre Sache. Ich habe den Artikel auch nicht für den konkreten Fall der Brexit Finanzierung zitiert, sondern dafür, dass es eigentlich unter vernünftigen Intellektuellen, unter denen einige auch beim Guardian arbeiten, Konsens ist, dass auch in unseren modernen Demokratien Medien häufig selektiv arbeiten und damit im Zweifel auch manipulativ wirken. Die Gründe, wieso dies geschieht, sind meiner Meinung vielschichtig. Bei Anne Will und Co. hat die Gier nach Einschaltquoten die Themen der AfD und deren Spitzenpersonal erst dahin gepusht, wo sie heute sind. Wieso die Zeit berichtet, wie die Zeit, die Welt wie die Welt und die Sun, wie die Sun, wissen Sie sicherlich besser als ich.

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        Lieber 68er, es gibt in der Medienwelt wie anderswo Zwänge. Und was Monbiot anspielt, ist der Zwang zur Erzielung von Aufmerksamkeit. Er beschreibt das sehr genau, eben ohne zu behaupten, dass „die etablierten Medien gezielt bestimmte Themen pushen und andere Stimmen ausklammern“. Es ist eben nicht „gezielt“.
        Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Da ich mich mehr in den sozialen Medien herumtreibe als viele meiner Kollegen, habe ich recht früh darauf hingewiesen, dass dass der UN-Flüchtlingspakt ein Thema ist und habe einen Artikel gegen die kursierenden Verschwörungsthesen im Zusammenhang mit dem Pakt geschrieben:

        https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus183095614/Umstrittenes-Abkommen-Der-Migrationspakt-bedroht-uns-nicht.html

        Er lag mehrere Tage in der Redaktion herum, bis er schließlich veröffentlicht wurde. Das lag nicht daran, wie es in den rechten Medien hieß, dass „die Mainstream-Medien“ im Bunde mit der Merkel-Regierung den Pakt, der die „große Umvolkung“ steuern soll, verschweigen wollten, bis er unter Dach und Fach gebracht worden war. Das lag daran, dass bis dahin Konferenzen der UN ausweislich der Klicks selten unsere LeserInnen interessierten. „Die UN beschließt einen nichtbindenden Pakt über Flüchtlinge. Und in China fällt ein Sack Reis um.“ So etwa. Es ist der Rechten gelungen, daraus ein Thema zu machen, weil sie mittlerweile dank RT und Sputnik, den sozialen Medien, den Regierungen Orban und Kurz über die entsprechende Propaganda-Infrastruktur verfügt. Wir haben das einfach nicht kommen sehen.

        Es wird unterstellt, dass die meisten Journalisten eher linkssgrün ticken; so sagte der Springer-CEO Mathias Döpfner:
        „Es ist klar, dass Journalisten grösstenteils dem linksliberalen Meinungsspektrum zuzuordnen sind. Das ist kein Klischee, es ist durch Umfragen und Forschung belegt. Zum Beispiel zitiert Professor Hans Mathias Kepplinger, einer der bekanntesten deutschen Kommunikationsforscher, in einem Medienseminar der Bundeszentrale für politische Bildung eine Statistik, nach der die Parteipräferenzen deutscher Journalisten zu 36 Prozent bei den Grünen und zu 25 Prozent bei der SPD, aber nur zu 11 Prozent bei der CDU/CSU und nur zu 6 Prozent bei der FDP liegen. 23 Prozent entfallen auf «Sonstige» oder «ohne Parteineigung». Mehrere Studien zeichnen ein ähnliches Bild: Deutsche Journalisten fühlen sich weit überwiegend linken Parteien nah, während die Verteilung unter den Bürgern – also Lesern – anders aussieht.“ Was WELT betrifft, so sagte er: „«Die Welt» galt früher in manchen Kreisen als Hort des reaktionären Denkens und der konservativen Finsternis. Als ich 1998 Chefredaktor wurde, wollte ich herausfinden, wie die Redaktion wirklich tickt. Also habe ich eine geheime Wahl durchgeführt. Das Ergebnis hat mich sehr überrascht: Rot-Grün wäre nach dem Votum der Mitarbeiter zu einer absoluten Mehrheit gekommen. Etwas besser als bei der Bevölkerung schnitt bei uns die FDP ab. Die CDU dramatisch schlechter.“
        https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/springer-ceo-doepfner-viele-verhalten-sich-unjournalistisch-ld.1457143
        Diese Statistiken werden uns von der AfD und ihren Sympathisanten ständig um die Ohren gehauen. Döpfner meint in dem zitierten NZZ-Interview, die etablierten Medien würden an der Bevölkerung links vorbei schreiben. Ihnen sind die „etablierten Medien“ nicht links genug. Setzen Sie sich mit Döpfner auseinander. Ich habe keinerlei Macht. Ich bemühe mich, die Dinge zu erkennen, mir eine Meinung zu bilden, diese verständlich aufzuschreiben und darüber fair zu diskutieren.

      15. avatar

        @Freunde (… zum Thema “Lückenpresse”)

        … schreibt doch einfach ‚Wahrheitspresse/Wahrheitsmedien‘ – das glauben euch dann alle … muhahaha!

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      Und weil wir gerade über die politischen Manipulationen Russlands jammern, die sicherlich geschehen sind, ich bin ja nicht naiv, passiert gerade in Venezuela das gleiche mit umgekehrten Vorzeichen. Auch dort werden mit US-Geldern und mit Geldern von Exil-Venezuelanern und Exil-Kubarnern die selben Kampagnen gekauft und finanziert. Darüber wird aber nirgendwo berichtet oder diskutiert. Erst wenn der Umsturz akut wird, gibt es kurz vielleicht mal eine konzertierte Medien-Hurra-Kampagne, dann herrscht erst einmal wieder Stille und wenn der Staat ins Chaos gestürzt ist, wieder die Berichte darüber und die Beteuerung, es war ja nie so gewollt gewesen.

      Und täglich grüßt das Murmeltier.

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      Was am Brexit anschaulich beobachtet werden kann, sind die neuen Kommunikations- und Manipulationswege, die genutzt werden. Bei der ersten Obama-Wahl wurden diese neuen Wirkmechanismen noch naiv unkritisch begrüßt. Seit dem Brexit und der Trump-Wahl kann man erleben, wozu es führen kann, wenn aus meiner Sicht illegal erlangte, und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit illegal weiter gegebene persönliche Daten in Wahlkämpfen missbraucht werden und dabei irgendwelche unbekannte „Spender“ diese Manipulationen finanzieren.

      Wenn dann sofort „der Russe“ für alles verantwortlich sein soll, werde ich hellhörig. Es gibt viele, die an bestimmten Entwicklungen ein Interesse haben und dazu zählen neben den von mir benannten Grossspekulanten dauch diverse Geheimdienste.

      Wir müssen uns daher in Europa Gedanken machen, ob wir unser politisches System wirklich an die Wirkmechanismen von Facebook und Co. ausliefern lassen wollen.

      Ich habe anlässlich der heutigen „Nötigung“ von Wikipedia überlegt, ob ich nicht die Anregung von Wikipedia aufgreifen und meine EU-Parlamentarier dazu auffordern sollte, die Kontrolle von Nicht-EU-Internetdienstleistern erheblich zu intensivieren. Wenn die EU klare nachvollziehbare Regeln für diesen Bereich aufstellt und auch dafür sorgt, dass diese eingehalten werden, mag das vielleicht dazu führen, dass Wikipedia, Google, Facebook und Co. ihre Dienstleistungsangebote für Europa überdenken. Und wenn sie darauf verzichten, werden diese „Lücken“ ganz schnell von europäischen Diensteanbietern geschlossen. Denn es ist eine Mär, dass alle Neuentwicklungen alle aus dem Silicon Valley kämen. Gerade hinter Facebook stecken Ideen von vielen klugen Köpfen aus Europa. Einer der Gründe, wieso der Boom in den USA stattfand, sind die dort erheblich niedrigeren Rechtsstandards im Bereich Datenschutz,Urheberrecht etc.

      Wohin man kommt, wenn man dort keine klaren Regeln aufstellt, zeigen die aktuellen Entwicklungen. In Deutschland gelten immer noch die Gesetze zum Jugendschutz und diese werden gegenüber lokalen Spielhallen und Sexshops konsequent durchgesetzt. Im Internet gibt es dass alles ohne Kontrolle für jeden frei Haus.

      Wer in Deutschland Fernsehen senden will, muss einen langwierigen Genehmigungsprozess durchlaufen. Bei YouTube darf jeder ohne vorherige Identifierung live streamen was er will, vom eigenen Liedchen bis zum Amoklauf.

      Ich will das so nicht und das werde ich meinen Abgeordneten auch so schreiben.

      Die Tendenz, dass nun auch unsere Regierungen glauben, dabei mitzumachen, finde ich auch sehr fraglich. Frau May hat ihre peinliche Rede von gestern wohl auch mit einigem Kostenaufwand in die „sozialen“ Medien gepusht.

      https://www.theguardian.com/politics/blog/live/2019/mar/21/brexit-latest-news-eu-summit-article-50-extension-theresa-may-appeal-to-nation-backfires-as-mps-accuse-her-of-stoking-hate-politics-live?page=with:block-5c9382bfe4b0e8eadf7818b4#block-5c9382bfe4b0e8eadf7818b4

      Und das Wirtschaftsministerium hat ein „Nachrichtenzimmer“ eingerichtet und dadurch angeblich seine Follower verdoppelt. ( Von 2 auf 4?)

      Und wer jetzt ernsthaft behauptet, das ginge nicht, der hat keine Ahnung. Alternativsysteme zu Facebook und WhatsApp können heute mit kostenlosen Open Source Lösungen ohne Probleme nachgebildet werden. Wenn die Systeme von unabhängigen Stiftungen z. B. unter dem Schirm der Chaos Computer Club Bewegung betreut würden und z. B. dem deutschen Anwaltverein, wäre dies um einiges sicherer als bei Facebook und Co, die im Zweifelsfall alle meine Daten Eis zu eins an die NSA weitergeben oder an Trumps Wahlkampfteam verkaufen.

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    … Imperien haben fertig. Die ‚EU‘ ist nicht legitimiert für Europa in irgendeiner Form zu sprechen, geschweige zu handeln. Nicht Großbritannien, die sozialistischen Kommissare in Brüssel sind die Crux. Wer gegen die EU stimmt, stimmt für Europa. Großbritanniens Wähler haben mehrheitlich für den BREXIT und für Europa gestimmt. Ich fordere DAHER! für alle souveränen [sic!] Staaten der europäischen Völker ein Referendum zum Verbleib oder Austritt in der ‚EU‘, ähnlich den politischen Abstimmungen in der Schweiz.

    … und Theresa May? … na ja.

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      Und was, blonderhans, wenn diese Abstimmungen nicht so ausgehen, wie Sie sich das wünschen? In Großbritannien hat der Betrüger Farage (assistiert von Johnson) die Abstimmung vor allem deshalb gewonnen, weil er dem Wahlvolk weismachte, jede Woche verließen 350 Megapfund die Insel in Richtung Brüssel, nur um eine Stunde nach seinem Erfolg zuzugeben, daß die Zahlen wohl doch nicht stimmten (https://www.telegraph.co.uk/news/2016/06/24/nigel-farage-350-million-pledge-to-fund-the-nhs-was-a-mistake/); aber da hatte die Lüge ihren Dienst getan. Ich denke, angesichts dessen sind die meisten Europäer in den Nettozahlerländern – zumindest diejenigen, die weiter als von zwölf bis Mittag denken – gewarnt, wenn irgendwelche Zahlen in den Raum geworfen werden. Und ihnen dürfte auch klar sein, daß ihre jeweiligen Nationalstaaten keine Chance haben, auf Augenhöhe mit Schwergewichten wie den USA oder China zu verhandeln. Daß Großbritannien dies derzeit erleben muß und bei den Austrittsverhandlungen keinen Britenrabatt bekam, verdeutlicht die mißliche Lage, in die man sich bringen wird, noch zusätzlich. Nur zur Erinnerung: Die Bundesregierung vertritt 80 Millionen Menschen; in China gibt es drei Provinzen, deren Gouverneure jeweils für mehr Einwohner sprechen. Ein einzelnes europäisches Land hat keine Chance, eine adäquate Drohkulisse aufzubauen, falls die US-Administration es auf einen protektionistischen Handelskrieg anlegt – die EU schon. Alles da haben die Europäer in den vergangenen drei Jahren mitbekommen – es sei denn, sie haben sich auf Seiten wie achgut.com herumgetrieben und deren Texte für voll genommen.

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        … schön, Opa, Sie stimmen mir zu; die ‘EU’ ist nicht legitimiert für Europa in irgendeiner Form zu sprechen, geschweige zu handeln … aaaber meinetwegen, diskutieren wir im Konjunktiv; ich wette mit Ihnen um ’nen Zentner Bockwurst und ’ne Kiste Hafenbrühe, würde ein Referendum die Allmacht der EU-Kommissare bestätigen, wäre es längst angesetzt. Es geht nicht um Brutto oder Netto, das ist selbst der Ex egal;

        den Sozialisten, den EU-Kommissaren und der Ex geht es um Macht – den Völkern in Europa um Demokratie und Selbstbestimmungsrecht. [sic!]

        Und dass ein europäische Land, egal welches, nicht mit den USA – was Trump hinsichtlich Deutschland sogar bedauert – oder China auf Augenhöhe verhandeln kann, würde, wenn, dann daran liegen, dass die ‚BRD‘-Regierung mittlerweile sich nicht entblödet die ohnehin schon katastrophale Schulbildung von Kindern – das ist übrigens die Zukunft – um sage und schreibe 20% herunterfährt – ‚aspergert‘ oder eben mal die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands ‚leyenisiert‘.

        … Opa, wenn Sie aufs Datum und die Uhrzeit achten, werden Sie bemerken, dass ich vor HMBs heutigen ‚Spieglein an der Wand‘ hier geschrieben habe. Nix desto trotz, ich mag ‚achgut‘.

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        Nun, blonderhans, die Europäische Union ist die Europäische Union ist die Europäische Union. Sie spricht nicht für Europa als Kontinent, aber für sich. Und sie ist zwar nicht berechtigt, für die in Europa gelegene Republik Weißrußland zu sprechen, schon allein deshalb, weil Weißrußland kein Mitglied ist, aber sie ist durchaus befugt, für ihre Mitgliedsstaaten zu sprechen und zu handeln, und zwar exakt in jenem Rahmen, der durch die EU-Verträge festgelegt ist und ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen. (Art. 3 AEUV – https://dejure.org/gesetze/AEUV/3.html). Die von Ihnen angedeutete Allmacht der EU-Kommissare ist vielleicht das Wunsch-Feindbild Ihrer Lieblingsautoren, entspricht aber nicht der Realität.

        Zweitens: Wenn Sie meinen, daß es den Völkern Europas um Demokratie und Selbstbestimmungsrecht gehe, liegen Sie leider falsch. Den Völkern Europas geht es zunächst einmal darum, nicht zu hungern und ein Dach überm Kopf zu haben, in dem sie wenn möglich Breitbandanschluß an die große weite Welt haben. Das Hemd ist ihnen nämlich doch näher als der Rock.
        Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Orban oder Kaczinski mit ihrer jeweiligen Partei zwar Wahlkampf gegen die EU-Kommission machen, aber eben nicht die EU-Mitgliedschaft Ungarns infrage stellen? – Der Grund ist einfach: Die Älteren wissen noch um die Verwaltung des Mangels, die herrschte, bevor Ungarn der EU beitrat und die Milliardenbeträge aus Brüssel zu fließen begannen, und die Jüngeren wollen die Vorzüge der Reisefreiheit nicht mehr missen – was analog für andere EU-Länder gilt und unter anderem auch erklärt, warum der Brexit bei der jüngeren Generation das reinste Kassengift war, bei der älteren Generation aber attraktiv, weil die Zeit vor der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens eben nicht mit wirtschaftlichem Mangel in Verbindung gebracht wurde.

        A propos achgut: Mag sein, daß Sie das mögen, mich stößt es ab, daß mich deren Autoren permanent für dumm verkaufen wollen. Allein schon die Suggestivfrage, mit der Ihr Idol HMB seinen Beitrag schließt, zeigt, daß er offenbar nicht bereit ist, sich mit der Sache auseinanderzusetzen und einen Schritt weiter zu denken und auch nicht erwartet, daß seine Leser das tun. Ansonsten wäre ihm aufgefallen, daß es auch bei der Bundestagswahl Landeslisten gibt, man z.B. als in Hessen wahlberechtigter keine Partei wählen kann, die nur in Bayern antritt. Das Prinzip, das dahinter steckt, nennt sich Föderalismus. Das Gegenteil ist Zentralismus; der hätte aber beispielsweise zur Folge, daß eine europaweit antretende Partei – sagen wir einmal die EVP – einen Landesverband gezielt unterdrücken könnte, wenn ihr dessen Richtung nicht paßt – etwa indem in unserem Beispiel kein ungarischer EVP-Kandidat auf der europaweiten Liste erschiene, um Orban zu disziplinieren. Und das ist das Gegenteil dessen, was unter innerparteilicher Demokratie zu verstehen ist.

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        Richtig, Opa Krempel. Kleiner Hinweis am Rande: Ungarn verleiht serbischen Staatsbürgern, die halbwegs glaubhaft eine ungarische Abstammung nachweisen können, die Staatsbürgerschaft. Win-Win-Situation: Die ungarischstämmigen Serben bekommen Reise- und Niederlassungsfreiheit in der ganzen EU, und Orbán bekommt (das jedenfalls ist sein Kalkül) dankbare Wähler. Allenfalls Serbien findet das nicht ganz so gut, aber selbst da gilt: Wenn unsere Bürger in die EU gehen, verdienen sie so viel, dass sie mit den nach Hause überwiesenen Geldern die Alten und die Kinder unterstützen und unser Sozialsystem entlasten.

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        Opa: ‚Wenn Sie meinen, daß es den Völkern Europas um Demokratie und Selbstbestimmungsrecht gehe, liegen Sie leider falsch. Den Völkern Europas geht es zunächst einmal darum, nicht zu hungern und ein Dach überm Kopf zu haben, in dem sie wenn möglich Breitbandanschluß an die große weite Welt haben. Das Hemd ist ihnen nämlich doch näher als der Rock.‘

        … mehr ‚konjunktiver Populismus‘ geht nicht, Opa. Sie wollen Sozialismus halt immer wieder ‚probieren‘. Für immer schweigen täte den Sozialisten aaaber besser. Wie sozialistischer Zentralismus Hunger ‚bekämpft‘, dafür gibt es in der Historie beschämende Beispiele.

        Das Dach übern Kopf habe ich selber sozialistisch vergammeln erlebt. Und weil mir das Hemd näher als der Rock ist, wähle ich Souveränität und Demokratie. Die ‚EU‘ ignoriere ick nicht einmal mehr. Sie hat fertig.

        (Bei Merkels ‚Breitbandanschluss‘ entschlüpfte meinem Hamster mal wieder ein Bäuerchen … echt jetzt … das sind Altmeiers Planwirtschafts-Menetekel. Oder?)

        … das noch Opa, ich meine HMB erwartet, dass seine Leser auch mitdenken, dass das derzeit geltende Wahlsystem fundamentale Demokratiedefizite aufweist und eine demokratische Wahlreform überfällig ist, schreibt selbst die Bundeszentrale für politische Bildung.

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        Nun, lieber Opa Krempel, ich stimme Ihnen ja bei der Analyse der Beweggründe der jeweiligen EU-Kritiker und Austrittswilligen zu, daß also Brexit-Befürworter die vor-EU-Zeit eben nicht in schechter Erinnerung haben, Ungarns EU-Kritiker aber schon, was zu unterschiedlicher Politik der demokratisch gewählten Akteure führt. Ja, demokratisch, auch wenn Sie die nicht mögen. Nun „treibe“ ich mich auch bisweilen auf ‚Achgut‘ „herum“, was ja schon eine bemerkenswerte Wortwahl ist (‚Gesindel‘ treibt sich herum, also bin ich in Ihren Augen ‚Gesindel‘), bin aber trotzdem in der Lage, Ihrer in meinen Augen plausiblen, bzw. wahrscheinlichen Analyse zuzustimmen, obwohl Ihr Text ansonsten vor Unterstellungen (Betrüger usw.) trieft. Aber klar, als Achgut-Leser sollte man ja gelernt haben, Emotionales auszublenden. So fällt es mir nicht schwer, Ihnen auch bei dem Punkt: ‚Vorsicht vor in die Diskussion geworfenen Zahlen‘ zuzustimmen, denn Zahlen sind keine Fakten, wenn die fundierte Interpretation fehlt. Könnte man natürlich auch in ganz andere Richtungen sagen. Allerdings möchte ich schon – klar, als Achgut-Leser – darauf hinweisen, daß eine mehrheitlich geteilte und verbreitete Einschätzung nicht dadurch zur Wahrheit wird, daß sie mehrheitlich geteilt und in den öffentlich-rechtlichen Medien verbreitet wird, d.h. in diesem Fall wird auch der Brexit Gründe haben, die nicht nur in der Verantwortung der ‚Brexit-Verbrecher‘ liegt, sondern auch in der Reformunwilligkeit einer sich mit kleinteiligsten Regelungen und Gängeleien beschäftigenden EU-Institutionen. Und wie die Geschichte ja zeigt, sind allzu sichere Meinungen und allzu einleuchtende Betrachtungen gerade die, die kurz vor ihrer krachenden Widerlegung geäußert werden. Für mich zumindest ist eine allzu einhellige ‚Haltung‘ zu einem Thema schon daher ein Alarmsignal, weil es die Kontroverse abwürgt. Und mangels Kontroverse wird jedes System unglaubwürdig, weswegen bekanntermaßen in der wissenschaftlichen Publikation der peer review eingeführt wurde, der aber bei allzu verbreiteter Meinungskonformität bei einem Thema auch nicht ausreicht. Großbritannien jedenfalls wird durch einen Brexit auch Vorteile haben, z.B. durch neue (alte) Allianzen im Commonwealth, vielleicht mehr, als die EU, vor allem, wenn letztere sich nicht grundlegend reformiert. EU-Arroganz ist das letzte, was in dieser Situation vernünftig ist. Sollte man wissen – gerade ‚wir als Deutsche‘ – was ja immer nur dann gerne angeführt wird, wenn die Vergangenheit bekämpft werden soll.

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        Die Unternehmenszentralen in Luxemburg zahlen wenige % Steuern, die Niederlande sind eine der größten Steueroasen, Irland ist legendär. Dort brummt das Geschäft. Kroatien versinkt dafür im Dreck, weil, wegen der europäischen heiligen Dreifaltigkeit, nach der Kapital, Waren und Arbeitskräfte sich frei bewegen dürfen, es eben nur Anreize, vulgo Steuersenkungen, geben kann. Der kroatische Staat hat keinerlei Steuerungsmöglichkeiten, außer Sozialleistungen zu kürzen und die zu besteuern, die nicht abhauen können. Was den Wunsch, diese shithole countries zu verlassen, zusätzlich verstärkt. Dem Wohlstandswachtum in diesen Ländern, zu denen wir Südeuropa getrost dazuzählen dürfen, steht eine unglaubliche Auswanderungswelle gegenüber. Die positiven Aspekte des Binnenmarktes sind mit den positiven Aspekten der mittelalterlichen Pest vergleichbar. Der Kuchen wird auf weniger Leute verteilt. Gesundschrumpfen ist auch so ein schönes Wort. Hatte früher das Wetter noch für Missernte und Migration gesorgt, sind es heute die Steuersätze, also politische Entscheidungen. Um Westeuropa herum gibt es einen Ring von Zulieferstaaten, die langsam aber sicher ausbluten. Alle diese Symptome sind vom europäischen Binnenmarkt verstärkt und institutionalisiert worden. Heute denkt sich keiner mehr was dabei, wenn eine ganze Generation Griechen ihr Land verlässt. Wenn Spanier in einem Land arbeiten, in dem sie niemanden kennen oder Rumänen ohne Eltern aufwachsen. Was früher ein Ausweis schlechter Politik war, wird heute als europäische Öffentlichkeit schöngeredet. Ich kann mich noch gut an die Vor-EU Zeit in Osteuropa erinnern. Einer Schicht von Funktionären ging es gut, die meisten schlugen sich durch und viele wollten weg. Mit der EU geht es einer Schicht von Unternehmern gut, die meisten schlagen sich durch und viele sind schon weg. Nein, ich bin nicht gegen die EU. Aber vielleicht sollten wir aufhören, die EU als Motor einer positiven Entwicklung zu verklären und auch aufhören, sie als alleinige Lösung für die europäischen Probleme zu sehen. Umwelt und Verbraucherschutz sind keine Erfindung der EU. Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur ist wegen der NATO weder möglich noch nötig. Entscheidungsprozesse sind im europäischen Rahmen noch intransparenter, der Binnenmarkt macht eine Kompensation der Verlierer der Umbrüche fast unmöglich. Italien wurde verbal gelyncht oder von der EZB konkret gestraft. Und letztlich ist europäischer Handel auch keine Erfindung der EU. Vor allem sollten wir aufhören, die europäische Binnenmigration als Stärke zu betrachten. Die Migration ist ein Ventil, um Ungleichgewichte auszugleichen, richtig. Sie ist kein Ersatz für Politik. Pflegeberufe besser bezahlen? What for? Wir kaufen uns jetzt einfach für billig Geld welche im Kosovo, da die billigen EU-Länder schon leer sind. Die EU ist in der Krise, weil das System der Liberalisierung der Märkte an seine Grenze gestoßen ist und Ungleichgewichte nicht ausgleicht, sondern verstärkt. Die hohe europäische Binnenmigration ist ein Versagen der Steuerung und keine Manifestation eines europäischen Bewusstseins. Solange wir nicht darüber reden, sondern jedes Mal Schreckgespenster von Krieg, Chinesen, Reaktion, Venezuela und US-Imperialisten an die Wand malen, lassen wir den 50Jährigen Briten ohne Job und den um ihre Zukunft fürchtenden Familien in Ungarn keine Wahl, außer die Reißleine ganz zu ziehen. Die heile Dreifaltigkeit der Freizügigkeit macht weite Teile Europas kaputt. Die Argumente für diese EU haben sich abgenutzt. So einfach ist das. Und ganz am Schluss: Das Musterland Deutschland macht ein Außenhandelsplus von 7,5% des BIP pro Jahr. Hat jemand den Eindruck, das wir 7,5% pro Jahr reicher geworden sind?

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        Ich sehe das ein wenig anders, Stevanovic. Serbien ist nicht Mitglied der EU. Trotzdem hauen alle ab, die abhauen können, ob mit ungarischem oder rumänischem Pass oder eben ohne. Das Gleiche gilt für Albanien und das Kosovo. Sicher profitieren die reichen Länder mehr von der Freizügigkeit; aber wie hat es Polen zum Beispiel geschafft, trotz Brain Drain (und was wichtiger ist: Handwerker-Flucht) nach Frankreich und Großbritannien ein Wirtschaftswunder zu inszenieren? Wie haben es die Iren und Spanier, die Esten und Letten geschafft? Ich habe keine Antwort, aber dass sie es geschafft haben (in Spanien gab es 2008ff einen Rückschlag, in Irland auch, aber die Iren haben sich erholt, die Spanier nicht), scheint dafür zu sprechen, dass es möglich ist. Italien ist nicht an der Unternehmensbesteuerungsüpolitik Hollands gescheitert, und auch nicht an der Arbeitsmigration, die in den 1950er und 1960er Jahren stärker war. Auf den ersten Blick erscheint Ihre Analyse einleuchtend, auf den zweiten eher nicht.

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        @dbh: Täusche ich mich, oder sind Sie der einzige, der hier Wahnvorstellungen vom Sozialismus hat?

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        Von dem angeblichen Boom haben die meisten einfachen Leute in Polen aber wenig:

        http://www.radiodienst.pl/wiev.....die-polen/

        Die Iren sind ja das beste Beispiel für unsolidarische Steuergesetzgebung. Und trotzdem hatten die teilweise erhebliche Probleme. Das funktioniert für ein oder zwei Länder ganz gut, aber eben zu Lasten der anderen. Auch Monheim hat sich saniert. Aber wenn alle auf Monheim machen, klappt es schon rein mathematisch nicht.

        Bei den Spaniern war es eine Blase.

        Zu den baltischen Staaten kann ich wenig sagen, die kenne ich zu wenig. Auf den ersten Blick würde ich sagen, es handelt sich um kleinere Staaten mit teilweise recht hoher städtischer Bevölkerung und einem guten Bildungsniveau, geringen industriellen Altlasten. Müsste ich mir aber noch genauer anschauen.

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        Opa: @dbh: Täusche ich mich, oder sind Sie der einzige, der hier Wahnvorstellungen vom Sozialismus hat?‘

        … Opa, einfache Frage, einfache Antwort, Wahnvorstellungen ich habe ich bestimmt nicht, aaaber ich sehe wie in Deutschland geltendes Recht ‚gebeugt‘ wird. Wer das nicht sieht, der halluziniert oder nutznießt.

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        Natürlich habe ich es sehr knallig formuliert. Jemand anderes hat so zusammengefasst: https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus190568563/Olaf-Scholz-Sein-Goetzendienst-am-Altar-der-Schwarzen-Null.html
        Die Austeritätspolitik hat Folgen. Serbien macht heute schon EU-Konforme Haushaltspolitik (niedrige Inflation, ausgeglichener Haushalt). Weil die Löhne niedrig gehalten werden, ist es selbst für China ein Billiglohnland. Das Durchschnittseinkommen von 400€ ist Unsinn, das verdienen gut bezahlte Facharbeiter und Akademiker. Investors Liebling, aber dafür flüchtet die Bevölkerung. Von der positiven Entwicklung profitiert nur der Speckgürtel mit kurzen Wegen, Tschechien und Polen zu Deutschland, Estland durch die Verbindung zu Skandinavien (und selbst da sprechen wir von einer Schicht in einer Stadt). Die Austeritätspolitik hat in der Eurozone gesetzesrang, der sich die kleinen Länder nicht entziehen können. Deutschland dominiert in dieser Hinsicht und es gibt keine deutsche Parteienkonstellation, die dieses ändern möchte. Ganz in Gegenteil, dank medialem Dauerfeuer von Jahren hätten wir morgen eine Dexit-Debatte, sollte jemand versuchen, dies zu ändern. Ich habe die Kommentare Ihrer Kollegen zu Macron (so schwach auch er sein mag) gelesen – Deutschland wird sich nicht bewegen. Ja, Deutschland will den Kuchen essen und behalten – und das hat nicht nur den Euro fast ruiniert, es zerstört den Süden und Osten nachhaltig. Die Erfolge der EU wurden schlicht vernichtet. Italien hat einen zaghaften Versuch unternommen, die Politik zu ändern. Schlimmer als Salvinis Rassismus wurde nur das Überschreiten der Defizitgrenze um lächerliche 0,8% aufgenommen. Nicht anonyme Märkte haben Italien abgestraft, es war die EZB, weil sie der Markt für Staatsanleihen ist. Das einzige Land ohne Populisten ist Portugal, ausgerechnet das einzige Land, das sich erfolgreich der Austerität wiedersetzt. Die Schwäbische Hausfrau hat Europa erwürgt, immer mit dem erhobenen Zeigefinger, die Regeln der EU seien nun mal so. Make an educated guess welche Überlegung dann als nächste kommt. Wir können ja abwarten, bis auch Frankreich abschmiert und dann alle zusammen über den autoritären Zug des französischen Volkscharakters schwadronieren. Wie gesagt, ein erster Schritt wäre es, die europäische Migration nicht als Ausweis europäischer Stärke zu beschreiben, sondern als das, was sie ist – Flucht vor Armut und Hoffnungslosigkeit, die sich flächendeckend breit gemacht haben. Das intensive Nutzen der Freizügigkeit ist doch nicht Life-Style, es ist der Ausweis eines fundamentalen Ungleichgewichts, das schlimmer und nicht besser wird. Und das ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer von Deutschland dominierten EU-Wirtschaftspolitik. Fun fact am Rande: Wenn die Target 2 Salden etwas zeigen, dann dass diese Politik nicht mal für Deutschland nachhaltig funktioniert. Ich kann nur noch mal fragen, wo sind die 7,5% Überschuss am BIP, die die rationale, den Naturgesetzen folgende deutsche Wirtschaftspolitik generiert hat?

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        Naja, den Artikel schrieb ich ja unter Ihrem Einfluss, lieber Stevanovic …
        andererseits, nicht ganz: ich habe vor Jahren in einem fast vergessenen Buch den Euro als Mittel imperialer Disziplinierung beschrieben. Damals allerdings positiv. Inzwischen sehe ich das kritischer.

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        Oh, lieber Herr Posener, ich habe Merkel für einige Monate geradezu bewundert. Die Krise habe ich als große Chance gesehen, alte Strukturen aufzubrechen, Länder zu reformieren und eine Dynamik nach Europa zu bringen. Die Austerität habe ich zunächst als Entmachtung korrupter nationaler Pfeifen-Eliten interpretiert und mit dem Euro ein Instrument gesehen, Wohlstand via Europa in die kleinste Hütte zu bringen. Ich kann eine gewisse Euphorie damals nicht leugnen. Nur, den imperialen Möglichkeiten steht kein imperialer Wille gegenüber, die schwäbische Hausfrau hat sich durchgesetzt. Und die schwäbische Hausfrau sollte keine imperialen Möglichkeiten haben. Die Konstruktion des europäischen Hauses muss zum Geist passen, der in ihm wohnen soll und da wissen wir alle 2019 deutlich mehr als 2009.

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        In der Tat. In etwa so, wie Sie es schreiben, habe ich die Maastricht-Kriterien gefeiert, so waren sie sicher auch gedacht. Es ist anders gekommen, wie wir alle wissen, die Kriterien gelten nicht mehr, und es ist eine andere Politik gefordert. Macron hat das begriffen.

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        Lieber Stevanovic,

        es freut mich immer wieder, dass Sie in den time lags die dieses Blog uns bietet, zu ähnlichen Einschätzungen kommen wie ich.

        Sie beschreiben richtig, dass die EU für die am wenigsten handwerklich ausgebildeten und wissenschaftlich gebildeten und denen, die sozial oder körperlich behindert sind, oft keine Hilfen anbietet und deren Lebenssituation teilweise sogar verschlechtert als verbessert. Sicherlich gibt es positive Mobilität in der EU, ein großer Teil jedoch ist Armutsmigration aus der not, der gesamtvolkswirtschaftlich weniger Nutzen als schaden bringt und sich zudem verheerend auf die soziale Aktzeptanz der EU auswirkt. Und das gilt nicht nur für Kroation, den Kosovo oder Rumänien, das war auch einer der Haupfaktoren, wieso die abgehängten Gebiete Englands und Wales mehrheitlich für den Brexit gestimmt haben.

        Das Paradoxe dabei ist, dass auch und gerade in den Gebieten, in denen Thatcher die Miners in den 80ern in den Dreck hat prügeln lassen , konnten die Medienkampagnen gegen die EU teilweise ihre größten Erfolge feiern. Für mich zeigt das nicht, dass die EU für die Menschen schlechter wäre als ein unabhängiges UK, sondern dass in allen Systemen, die den neoliberalen Wirtschaftsdoktrinen verpflichtet sind, die Ärmsten und Benachteiligten am Ende das Nachsehen haben. Das kann man auch gut daran erkennen, dass ein harter Brexit nach den aktuellen Prognosen wieder die Abgehängten und Entrechteten treffen würde. Die einzige Lösung wäre eine Abkehr vom bisherigen Kurs und eine Rehabilitierung der alten sozialdemokratischen Traditionen in Europa, der Aufbau einer schlagkräftigen europäischen Gewerkschaftsorganisation, einer gemeinsamen Wirtschafts-, Sozial und Finanzpolitik und vor allem Bildungspolitik auf den unteren Ebenen. Vielleicht müsste man es wie die Profiklubs im Fußball machen. Für jeden in Deutschland arbeitenden Arzt zahlt die BRD an Griechenland eine monatliche Ausbildungspauschale von z. B. 2.000,– EURO. Für jede Pflegekraft an Polen z. B. 500,– Euro.

        Das alles wird aber nicht passieren, denn eher trinkt der Teufel Weihwasser, als dass in den Medienhäusern von Springer, Murdoch, Mohn und Burda mehrheitlich „Stimmung“ oder wie man früher sagte: „Propaganda“ gegen Austerität und den derzeit herrschenden aggressiven Verdrängungskapitalismus gemacht wird.

        Und all die angeblich so großen Europäer, wie Juncker und Macron, wollen im Zweifel keine starken Gewerkschaften. Macron redet vielleicht von einer gemeinsamen Sozialpolitik, aber wenn man schaut, wie seine Sozialpolitik in Frankreich ausschaut, dann weiß man, auch, was das für Europa bedeuten würde.

        Und so bleibt es leider bei der traurigen Erkenntnis:

        „Nur die allergrößten Kälber wählen ihre Metzger selber!“

        Die fälschlicherweise Bertolt Brecht zugeschrieben wird, tatsächlich aber aus der Schweiz im Jahre 1874 stammt.

        Aber man kann Brecht zitieren, wenn man die Folgen ermessen will, die entstehen werden, wenn die derzeitige politische, mediale und wirtschaftliche Führungselite weiter glaubt, ihre Agenda auf den Rücken der Entwürdigten und Entrechteten durchdrücken zu können. Ein Blick nach Ungarn und Italien auf Frau Le Pen und die AfD genügt, um sich auszudenken, wohin das führen kann.

        Und wenn das traurige Lied von Bertolt Brecht wieder aktuell ist, ist es dann auch wieder einmal zu spät:

        https://www.youtube.com/watch?v=1P3hPdw6MCY

        Ihnen wünsche ich ein sonniges Wochenende!

        Ihr 68er

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        ..vielleicht doch noch ein paar Worte zu hans‘ „Wahnvorstellungen des Sozialismus“
        Das sind offensichtlich keine Wahnvorstellungen, genau in diesen Pathologisierungsversuchen verrät sich der totalitäre Impetus derer, einerseits stets mit ihrer blitzblanken humanistischen ‚Haltung‘ meinen, andere belehren zu dürfen, denen Fremde wichtiger sind als der Nachbar, denen Gender-Vielfalt wichtiger ist als die Familie, denen ‚das Klima’ wichtiger ist, als Wachstum und Wohlstand auch für Unterpreviligierte, denen ökologische Gleichgewichte wichtiger sind als die daran beteiligten Tiere, denen nicht weiter begründbare Grenzwerte für Mikroverunreinigungen wichtiger sind, als das mühsam erarbeitete Eigentum und Vermögen, denen, bei Ihrem Festklammern an Begriffen, wie ‚Gerechtigkeit‘, ‚Solidarität‘, ‚Gleichheit‘ vergessen haben, mit welchem Inhalt diese Begriffe tatsächlich in der Praxis zu füllen wären, die also kurz gesagt Wegweiser sind oder sein wollen, die so überhaupt keine Anstalten machen, diesen Weg mitzugehen. Gleichere unter Gleichen sozusagen und man muss schon einen ziemlichen Tunnelblick entwickelt haben, um diesen (ja sicher doch..) hallizunierten weißen Elefanten Sozialismus nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen.
        Ein mir bekannter und bereits verstorbener Theologe schrieb: In der Bibel steht: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst, aber es steht nicht dort, liebe deinen Übernächsten. Ein anderer, befreundeter Autist, bestätigte mir, daß Autisten dazu neigen, Beziehungen durch abstrakte Begriffe und die Sorge um die Welt zu ersetzen, weil sie ihre Liebe aus verschiedenen Gründen sonst nicht unterbringen können und nur an dem Punkt würde ich hans widersprechen, der Linke als Autisten charakterisierte: Autisten können nicht anders, Sozialisten wollen nicht anders.

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        Lieber Klaus J. Nick, ich will mich nicht in die Unterhaltung einmischen; aber hierüber bin ich gestolpert: „Ein mir bekannter und bereits verstorbener Theologe schrieb: In der Bibel steht: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst, aber es steht nicht dort, liebe deinen Übernächsten.“ Nein, es steht: „Liebe deine Feinde.“
        Wenn es einen Fortschritt in der Menschheitsgeschichte gibt, dann den, dass der Kreis derjenigen, die ich zu meinen Nächsten zähle, ausgeweitet wurde. Und daran hat auch die Botschaft des Jesus von Nazareth einen Anteil.

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        Lieber 68er,
        ich hätte mir vor einigen Jahren etliches nicht vorstellen können, vor allem war in vielen meiner Standpunkte eine starke Hoffnung eingepreist, man würde es nicht so weit kommen lassen. Hat man aber. Die Argumente, warum das alles so passieren musste, sind ernüchternd. Sie lassen wenig Hoffnung zu. Damals in den 90ern und 00ern wurde Grundstein für das Framing gelegt, an dessen Ende für dbh alles Sozialismus ist, Wutbürger dem Staat nicht vertrauen, Europa sowieso nichts taugt und der Staat nur dann funktioniert, wenn es ihn gar nicht gibt. Das war damals ja auch nicht ganz falsch, die Liberalisierung war richtig, nur in der Zwischenzeit haben sich einige Versuchsaufbauten geändert. Wir haben Erfahrungen mit dem Euro, wir Erfahrungen mit der heiligen Dreifaltigkeit des Binnenmarktes und wir kennen nun die Lücken, die ein staatlicher Rückzug offenlässt und die Privaten nicht füllen können. Wir haben Erfahrungen mit den verbliebenen Instrumenten und wir haben Erfahrungen mit den richtigen Anreizen. In dieser Situation nun fällt nun den Sprachrohren des deutschen Bürgertums nichts anderes ein, als Herrn Merz aus dem Hut zu zaubern, der, ohne jeden Selbstzweifel, die alten Lieder von damals wieder anstimmt. Agenda für die Fleißigen, klingt wie die Internationale in den 70ern. Um gerecht zu sein, er hatte sich für eine europäische Arbeitslosenversicherung ausgesprochen, wollte diese aber nicht mehr verteidigen, als es um den CDU Vorsitz ging. Das ist der Rahmen, in dem sich das Bürgertum und die Publizistik bewegen – es ist politischer Extremismus. Ohne Draghi wäre der Euro und mit ihm die EU tot. Machen Sie eine Umfrage, was den Leuten zu Draghi einfällt – ich wette, es fällt nur das Wort Enteignung der deutschen Sparer ein. Deutschland bewegt sich nicht und hat dies (siehe Merz) auch nicht vor. Wie Lindner richtig sagte, liberaler als unter Macron wird Frankreich nicht mehr und trotzdem blockiert Deutschland jede pragmatische Lösung, weil es nicht der reinen Lehre Hayeks oder eines anderen Ayatollahs entspricht. Um uns herum versinken Länder, Rechte übernehmen die Macht und hier will man auf der Titanic nochmal Gas geben. Wenn das hier die Mehrheit ist – Inshallah. Aber dann macht es Sinn, andere Länder ihren Weg gehen zu lassen. Ich möchte nie wieder so eine Dreckskampagne wie gegen Italien erleben. Wenn das der europäische Weg ist, dann ist es der Holzweg. Es ist deutscher Selbstbetrug mit dem Finger auf die Briten zu zeigen, die waren nur ehrlicher. Die heilige Dreifaltigkeit (Freizügigkeit von Kapital, Waren und Menschen) gekoppelt mit der Austeritätspolitik, lässt wenig Spielraum für Experimente. Das Beispiel Italien mit den 0,8% überm Budget gibt ihnen Recht. Vertiefen wollen sie nicht und haben die Konsequenzen gezogen. Wir haben ein Jahrzehnt mit europäischen Bekenntnissen auf der einen und Demontage von allem, was Europa sein könnte, auf der anderen Seite vor uns. Heuchelei als Politikstil. Dann lieber Nachdenken über Dexit.

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        Oh ja, hier und auch mit weniger Drama als bei mir:

        https://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article190852457/Europa-muss-die-Spielregeln-aendern.html

        Aber im Ergebnis beschreibt auch er es nicht weniger dramatisch. Halten wir mal fest: die EU scheitert nicht am Populismus, am Nationalismus, an Gegensätzen oder einer äußeren Bedrohung. Es scheitert an der ideologischen Verbohrtheit einer Denkschule, die Europa als Experimentierfeld benutzt.
        Die Idee sei gut, sie muss nur richtig umgesetzt werden, die sollen ihre Strukturreformen machen. Als ehemaliger Jugoslawe und Tito-Pionier habe ich da ein Déjà-vu.

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        Man kann über den Dexit nachdenken, klar, warum nicht, hauptsache man denkt überhaupt. Aber wenn man dann als Ergebnis herausbekommt, dass Deutschland austreten sollte, würde ich nicht nur am Sachverstand zweifeln. Und nicht nur die Großen und Reichen, auch z.B. Polen und Ungarn sind in der EU. Sie reichen aber keinen Austrittsantrag ein. Sind jetzt Orban und Kaczynski keine echten Nationalisten, sollte man den Polen bzw. Ungarn raten, neben den regierenden Nationalisten noch eine weitere, wahre nationalistische Partei zu gründen? Oder liegt es nicht doch daran, dass die EU auch diesen Ländern insgesamt guttut?
        In den letzten Monaten hatte ich die Gelegenheit, sowohl Polen als auch die Ukraine zu bereisen. Polen sieht gut aus, glänzend teilweise, die Ukraine dagegen ist noch richtiger Osten, voller Armut und wenig funktioniert. Das ist nicht nur Oberflächenkosmetik auf den Straßen. Man besinnt sich auf die österreich-ungarische Tradition und gründet Kafeehäuser überall. Die EU würde hier guttun. Die umgekehrte Vorstellung, den Polen ihre Freizügigkeit einfach wieder wegzunehmen, damit die Armut besser wird, ist dagegen keine so überzeugende Idee.

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        Von Nordstream2, über die Flüchtlingspolitik und Wirtschaftspolitik, bis zur Europolitik handelt Deutschland doch ziemlich allein. Es gibt auf Macron keine Antwort, weil es tatsächlich keine Antwort gibt. Im militärischem wird dann von mehr Verantwortung übernehmen gesprochen, wenn man nicht weiß wofür. Das betrifft zuerst die NATO, aber auch eine europäische Sicherheitsarchitektur – man kann nicht mal formulieren, warum etwas gut wäre. Der europäische Diskurs dreht sich in Deutschland nur um Regelverletzungen und Unzulänglichkeiten anderer Länder. Spanien zerbricht an der Austeritätspolitik, in Italien regieren Halbfaschisten wegen der Austeritätspolitik, in Frankreich ist die Nummer Zwei eine Faschistin und Nummer Drei ein Linksradikaler, wegen der Austeritätspolitik. Alle zusammen stöhnen unter der deutschen Lohnpolitik. Und der Brexit erfolgt, weil man den Briten keine Pause im Zuzug in den Arbeitsmarkt gönnen wollte. Geld verdient Deutschland außerhalb der EU, den Handel innerhalb subventioniert es über Target 2. Es sorgt doch selbst dafür, dass keine Waren eingeführt werden und hält an einem System fest, das erodiert. Wann wäre es an der Zeit, sich über grundsätzliches zu unterhalten? Wenn Le Pen endlich Präsidentin ist? Italien Insolvenz anmeldet und ausscheidet? Wir sehen unsere Nachbarn doch längst nicht mehr als Partner, vielleicht noch als irgendwas zwischen Patient und Strauchdieb und wir sind uns parteiübergreifend einig, dass man da wohl so nichts machen kann, so sind nun mal die Regeln. Das ist der Zustand des heutigen Europa. Deutschland hat den Dexit innerlich doch schon längst vollzogen. Wir merken es nur nicht, weil wir vor jedes Wort reflexartig das Adjektiv europäisch setzen.

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        „Geld verdient Deutschland außerhalb der EU, den Handel innerhalb subventioniert es über Target 2.“ Könnten sie das bitte erläutern, Stevanovic?

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        Da möchte ich doch mal nachfragen, wer da alles „wir“ sind, die den EU-Nachbarn nicht mehr als Partner sehen und den Dexit bereits innerlich vollzogen haben? Ich bin das jedenfalls nicht. Vielleiocht Hans oder KJN? Aber sind die die Mehrheit? und nur darauf kommt es an.
        Als ich in der Schlange stand, um aus der Ukraine nach Deutschland zurückzureisen, vom Zoll wegen einer Geige rausgewunken wurde und mit Zöllnern, die keiner Fremdsprache mächtig waren, absurde Kommunikation gemacht hatte, dachte ich, als ich dann rechtzeitig die Zollschranke passierte: „Gottseidank ist dieser Mist hier für mich die Ausnahme. In der Regel bewege ich mich nicht mehr aus der EU heraus.“

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        Target 2 ist das Geld, das die Bundesbank im Verrechnungssystem der EZB gegen Forderungen an die Zentralbanken vorgelegt hat und die durch Käufe und Investitionen Deutschlands in den betreffenden Ländern wieder abgebaut werden sollten. Da Deutschland zu wenig kauft und auch zu wenig in diesen Ländern investiert, stapeln sich die Forderungen der Bundesbank und am Zahltag, dem Ende des Euro, werden diese Forderungen aufgrund der schieren Höhe abgeschrieben werden müssen. Solange aber zu wenig Waren und Dienstleistungen aus diesen Ländern nach Deutschland gehen, werden diese Forderungen nicht abgebaut und die Wahrscheinlichkeit einer Euro Grätsche wird immer wahrscheinlicher, womit die Bundesbank ihre neue Karriere mit einer gigantischen Abschreibung beginnt. Damit letztlich die Bundesrepublik. Am Ende hilft halt alles nichts, wenn Deutschland das Defizit weiter ausbaut, klappt dann weder der Euro noch der Binnenmarkt.

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        Lieber Herr Ziegler, „Wir“ sind diejenigen, die gerne eine EU, Euro und Binnenmarkt hätten, aber konsequent eine Staatlichkeit der EU ablehnen. „Wir“ sind die, die die Überschüsse in der Handelsbilanz als Errungenschaft feiern, aber nicht bereit sind, sich über die Finanzierung der Partner Gedanken zu machen. Es sind die, nicht falsche Anreize setzen wollen. Es sind die, die Steuern nicht harmonisieren und auch nicht an europäischen Projekten interessiert sind. Das sind nicht nur die bekannten EU-Skeptiker, das sind auch die EU-Befürworter, die den Status Quo der EU eigentlich recht passabel finden und nach deren Meinung die Verlierer in der EU eigentlich nur etwas zu doof oder zu faul sind. Die EU, besonders der Euro, ist in der institutionalisierten Krise. Die Krise geht über in ein langsames Sterben. Wenn ich von Dexit spreche, dann mag das nach dem Selbstmord aus Angst vor dem Tod klingen, aber wenn sie die Gruppen, auf die meine Beschreibung zutrifft, zusammenzählen, dann sind Sie nicht in der Mehrheit (Spoilerwarnung: Die FDP will einen Bundesstaat Europa, aber keine Transferzahlungen, auch Steuerwettbewerb – also eigentlich nichts, was einen Bundesstaat ausmacht). Laut dem Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche wird Osteuropa bis 2045 über 20% der erwerbsfähigen Bevölkerung verloren haben. Ich glaube, das wären 10Millionen Deutsche im besten Alter, die das Land verlassen. Stellen sie sich vor, ihr Arzt ist weg, die Lehrer, der Busfahrer und sie bleiben hier mit dbh. Wenn Sie Kinder und Anhang mitrechnen, können Sie die Zahl verdoppeln. D.h. bis 2045 wären 20 Millionen Deutsche weg. Meinen Sie nicht, dass da vielleicht etwas grundsätzlich schiefläuft? Die Auswanderungswellen früherer Jahre waren durch hohe Geburten, Missernten etc getrieben – das hier ist was anderes. Die Geburtenraten sind niedrig, es gibt durchaus Arbeit und Aufgaben, es gibt aber kein Geld dafür. Die Leute gehen dem Geld nach und da Geld mobil ist, könnte man auf die Idee kommen, das Geld zu bewegen, statt ein Viertel mehrerer Völker. Diese Länder werden shithole countries bleiben und wir werden über Willkommenskultur debattieren. Es ist also nicht alles gut in Europa, nur weil Sie nicht in einer Schlange stehen oder kein Geld wechseln müssen. Und nur weil alle es toll finden, nicht in der Schlange zu stehen und kein Geld wechseln zu müssen, heißt das noch lange nicht, dass Sie hier eine Mehrheit haben, irgendetwas zum besserem zu ändern. Meine Formulierungen sind im Moment polemisch und überdreht (Danke für das Sparring und nichts für Ungut), aber schreiben Sie auf einen Zettel, was in Europa passieren müsste, damit es besser wird, damit nicht halb Europa aus shithole countries besteht und dann überlegen Sie sich, wie viele in Deutschland für diesen Zettel einstehen würden. Billige Arbeitskräfte, Entschärfung des demographischen Problems, trotzdem hohe Beschäftigung, Exportweltmeister, vielleicht Zinsen zu niedrig, dafür ist das Haus mehr wert – ja, läuft alles gut, oder? Ich glaube, dass es eben nicht gut gehen wird, weder für die einen noch die anderen.

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        Naja, Roland Ziegler, es gibt auch nicht EU-Staaten, wo man bei der Ein- oder Ausreise in der Regel nicht willkürlich behandelt wird, mir fällt da z.B. Kanada ein. Also bitte nicht Bange machen, das ist purer Populismus.

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        Ich hab leider gerade wenig Zeit und muss daher populistisch antworten,

        @KJN: Es mag sein, das ich problemlos nach Kanada ein- und ausreisen kann. Das wäre ja schön. Aber in die Ukraine kann ich das nicht, zumindest nicht mit Geige. Keine Ahnung, wieso Sie das „Bange“ macht. Finden Sie es populistisch, dass ich nicht aus Ukraine nach Deutschland einfach so reisen kann? Dann haben Sie vermutlich recht. Oder finden Sie es populistisdch, wenn ich davon erzähle?

        @Stevanovic: Viele Polen wollen in England arbeiten. Daraus leiten Sie ab, dass es in Polen schlecht ist und man daher mehr Geld hinleiten sollte. Solange bis niemand mehr woanders hinfährt um dort zu arbeiten. Vielleicht. Aber man sollte die Polen jedenfalls nicht daran hindern, nach England zu fahren und dann als große Leistung und Verbesserung der Lage der Polen verkaufen. Nein, es ist eine Leistung, dass innerhalb der EU jeder überall hinfahren kann – und dies auch tut. Das war früher anders. Was Sie ansonsten zur Vertiefung und zur Verstaatlichung der EU sagen, ist ja alles richtig. Die Mehrheitsverhältnisse schätze ich allerdings anders ein. Vielleicht täusche ich mich. Aber wir werden bei der nächsten Wahl sehen können, wer zukünftig hier die Politik bestimmen wird – EU-Befürworter oder EU-Gegner. Ich vermute, es werden die EU-Befürworter sein. Dann wird es keinen Dexit – implizit oder explizit – geben, sondern eine Weiterentwicklung der „Work-in-Progress-EU“. Was mich freuen würde.

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        …übrigens haben wir hier durchaus darüber nachgedacht, ein oder zwei Jahre oder sogar länger nach Spanien oder Frankreich zu ziehen. Nicht des Geldes wegen – das würde dadurch nur noch weniger – aber weils so schön ist und die Kinder davon profitieren. Ich hoffe, KJN, dass Überlegungen, bei denen das Geld so gar keine Rolle spielt, nicht zu populistisch sind. Um jetzt aber wirklich und fraglos populistisch zu werden: die ganze Zeit im eigenen Land zu schmoren, patriotische Nabelschau zu betreiben und das auch noch ideal zu finden ist saumäßig dämlich.

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        Ich muss doch nochmal ran, denn Stevanovic, ich habe Ihre Argumentation übersehen bzw. unterlaufen: Sie sagen ja, dass die EU stirbt, selbst wenn die EU-Befürworter siegen. Tja also, ich teile diese pessimistische, ja fatalistische Sichtweise nicht. Ich bin Ihrer Meinung, was die Notwendigkeit von koordinierter Steuerpolitik, Wirtschaftspolitik usw. angeht (alldas, was man „Vertiefung“ nennt). Klar, dass man noch lieber nur die Früchte einstreicht, ohne was für den Dünger zu zahlen (um mal wieder populistisch zu sprechen). Aber es ist ja auch nicht so, dass wir gar nichts zahlen, im Gegenteil. Außerdem glaube ich, dass diese Dinge sich ändern werden und dass es dafür auch noch genügend Zeit dafür gibt. Vorläufig reicht es festzustellen, dass die EU allen Mitgliedern guttut, selbst Griechenland. Stellen Sie sich einfach mal vor, was aus Griechenland geworden wäre, wenn es die EU NICHT gegeben hätte. Oder was aus Italien ohne EU werden würde. (Und wechseln Sie dabei nicht plötzlich den Pessimismusmodus, mit dem Sie die EU betrachtet haben.) Wenn die Vorstellungskraft dafür nicht ausreicht, fährt man z.B. in die Ukraine und guckt sich dort um. Dann weiß man es.

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        (…und jetzt bitte nicht die Schweiz zitieren…weder Griechenland noch Italien noch die Ukraine sind wie die Schweiz, könnten wie die Schweiz sein und sollten daher auch nie versuchen, wie die Schweiz zu funktionieren, es können nicht alle überall nur Banken aufmachen…)

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        Um es etwas klarer zu sagen, was ich sagen wollte: Mit der EU wird nicht gleich das Paradies auf Erden errichtet (aber es bricht auch keine zentralistische Hölle aus). Das sollte man aber auch nicht erwarten. Die Frage ist: Für welche Staaten ist es besser in der EU, für welche ist es besser, sie blieben draußen? Und – was ist für die EU am besten?
        Ganz eindeutig ist es für folgende Staaten besser, in der EU zu sein: Deutschland, Frankreich, Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Österreich. Nach meiner Meinung ist es auch für Griechenland, Italien und Spanien besser. Um das zu beurteilen, muss man versuchen sich vorzustellen, was wäre, wenn diese Staaten auf sich alleine gestellt wären. Nach meiner Meinung wäre dann die Katastrophen, die vielleicht auch so kommen, schon längst eingetreten.
        Beim Brexit sind die EU-Länder ja in der komfortablen Lage, ein Versuchskaninchen vor sich zu haben, an dem man studieren kann, wie es einem starken Land ergeht, das sich gegen die EU entscheidet. Wir werden sehen, was da passiert. Hier groß zu spekulieren ist sinnlos. Bislang sieht es aber nicht gut aus. Aber vielleicht irre ich mich und die Briten werden nach anfänglichen Schwierigkeiten richtig florieren, machen tolle bilaterale Verträge usw. und alles wendet sich zum Guten ! Dann ändert sich die Situation auch für die EU-Länder und man kann über einen Dexit nachdenken. Aber bis dahin möchte ich (und m.E. auch die Mehrheit) in der EU bleiben. Also: nix Dexit.

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        Ich kann mir richtig vorstellen, wie die EU die Kaffeehauskultur in der Ukraine fördert (Jean-Claude: alor, mon cher Vladimir, die Crema schäumt, wenn du auf die Maschin ON drückst. Danke nischt mir, danke der EU). Spaniens EU Beitritt war 1986, der Somalier-Einsatz war 1992, 6 Jahre später. Heute haben beide Länder Gemeinsamkeiten, beide haben Internet, ein Mobilfunknetz und sind Auswanderungsländer. Sie können nicht die Entwicklung eines Landes über Jahrzehnte nehmen und dann sagen, dass die Entwicklung in diesem Zeitraum einem politischen System anzurechnen sei. Meine Oma verteidigte die Kommunisten, weil ich ja nicht wüsste, wie es 45 ausgesehen hätte. Da waren wir in den 80ern. Kommunisten haben Eisenbahnen gebaut. Stimmt, das haben aber 200 Länder in diesem Zeitraum auch. Auch können Polen saubere Straße und Wirtschaft von ganz allein und letztlich ist grenzübergreifende Zusammenarbeit nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Selbst im Kosovo arbeiten albanische und serbische Bürger wirtschaftlich zusammen, sonst könnten Politiker sich ja keine Sanktionen verhängen. Seien Sie doch etwas ambitionierter in Ihren Vergleichen: Wo war China 1986, wo war Süd-Korea, wo war Chile – die hatten alle nicht die EU. Mexico hat weder EU dafür einen Drogen-Bürgerkrieg und trotzdem entwickelt und modernisiert sich das Land. Indien hat gerade einen Satelliten abgeschossen. Sie rechnen das Leben zu den Errungenschaften der EU und sagen dann, dass hätte man alles nicht. Und mal nebenbei – mein Herr Papa hat schon 1973 in einem anderen Land gearbeitet, das hat auch nicht die EU erfunden. Sie setzen den Maßstab zu niedrig an.

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        Die Frage, lieber Stevanovic, lautet: Geht es Kroatien und Slovenien besser als Serbien und Mazedonien, Rumänien und Bulgarien besser als Georgien und Moldawien und wenn ja, hat das etwas mit der EU zu tun? Indien und China sind die falschen Vergleichsmaßstäbe. Die EU schickt übrigens seit Jahrzehnten Satellitens ins All.

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        Die EU ist kein Selbstzweck. Die EU-Befürworter haben ihre Ansprüche sehr, sehr weit heruntergeschraubt. Ich habe in London Pfund mit meiner EC-Karte gezogen, in Serbien ziehe ich Dinar – ich habe den Euro nicht vermisst. An innereuropäischen Grenzen stand ich schon Tage und bin trotzdem angekommen – das hat alles Anekdotenwert, ist aber kein substanzieller Mehrwert. KJN beschreibt die Argumentation durchaus richtig als Bangemachen. Zugegeben, ich klinge gerade auch nicht gemäßigt, aber wenn Sie die Karikatur der EU der Rechten oder Linken als Maßstab nehmen, ist das Stöckchen, über das die EU springen sollte (EUdSSR usw) zu niedrig. Die jetzige EU, der work in progress, löst nicht nur Probleme, sondern schafft auch welche. Der Binnenmarkt produziert nicht nur hippe Esten und reisefreudige Berliner, sondern auch arbeitslose Engländer und perspektivlose Kroaten. Wer für die EU ist, muss zeigen, wie deren Probleme in der EU gelöst werden, sonst ist eben der Gedanke, einen anderen Weg zu suchen, gar nicht abwegig. Und das muss etwas mehr sein, als die Aufforderung, einfach auszuwandern.

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        Lieber Stevanovic, der Euro ist aber auch kein Selbstzweck. Erstens ist er zu groß, um von großen Währungsspekulanten wie Soros (!) angegriffen zu werden. Zweitens ist er, wenn auch nicht so hart wie die D-Mark, doch so hart, dass es einheimischen Populisten möglich wäre, ständige Haushaltsdefizite durch Abwertung auf die Sparer und Kreditgeber abzuwälzen. Drittens, was mit erstens und zweitens zusammenhängt, sind innereuropäische Geschäfte, sofern in Euro getätigt, vor Währungsschwankungen gesichert. Klar kann man am Geldautomaten in Belgrad Dinar ziehen oder einfach, wie überall auf der Welt, mit Plastik zahlen. Das konkrete Geld – Münzen, Scheine – ist eigentlich nur noch für Trinkgelder da.
        Ihre Beobachtungen sind richtig. Aber – ich wiederhole mich – man muss sich fragen, wie die Iren es geschafft haben, die Esten und Letten, die Polen und Portugiesen, bevor man die Kroaten und Serben bejammert.

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        Ergänzend zu den Antworten von Herrn Posener möchte ich noch sagen, dass China und auch Indien alles andere als „ein Land“ im europäischen Sinne sind. Chinas und Indiens Erfolge sprechen für die EU. Das sind Riedsengebiete, Vielvölkerstaaten. Gerade das von der kommunistischen Partei regierte China ist ein Beispiel dafür, wie man sich durch massive Koordination und Kooperation international durchsetzen kann. Das ist wie eine EU in Extremform, ein inhumaner Zusammenschluss (den zurecht keiner übernehmen will) unterschiedlichster Gebiete und Regionen.

        Ich denke, dass man Polen und Ukraine sehr gut miteinander vergleichen kann. Beide Länder sind benachbart, postsozialistisch und haben ähnliche Voraussetzungen. Die Ergebnisse sind heute sehr unterschiedlich. In einem Land gibt es Krieg, im anderen nicht. Das eine Land ist relativ reich, das andere das ärmste Land Europas. Und nun kommen Sie und sagen, das habe mit der EU nichts zu tun?

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        Und wo Sie jetzt auch von Bangemachen sprechen (der Ausdruck erinnert mich formal und inhaltlich an meine Oma): Das verstehe ich nun wirklich nicht. Meinen Sie, dass es einige Leute (wen?) bange machen könnte, wenn man bei einem EU-Austritt befürchtet, dass Einkommen und Beschäftigungslage eine negative Entwicklung durchlaufen werden und man sich an die Zollgrenzen von früher erinnert? Dies alles kennt man ja gut und kann es einschätzen, d.h. ist ja nun keine Horrorvorstellung, bei der man mit den Zähnen klappert?
        Es ist einfach so, dass ich für meinen Teil die EU angenehmer und komfortabler finde und nicht gegen die Form, die doch eher alt (Old Europe) aussieht, zurücktauschen möchte. Aber nicht aus Angst vor dem Nationalstaat. Das Leben im Nationalstaat kenne ich, ich habe meine ganze Jugend darin verbacht, das war auch in Ordnung. Man würde da auch jetzt irgendwie herumwursteln können, da bin ich gar nicht bange und ganz optimistisch. Es wäre nur ganz einfach schlechter: ökonomisch ärmlicher und beschwerlicher, was das Reisen und den internationalen Austausch betrifft. Also mit Bangemachen hat das nichts zu tun. Eher: Auf dem mit der EU dazugewonnenen Komfort will ich nicht verzichten, nur weil es Leute gibt, die sich selbst und ihre spezielle Kultur unbedingt im abgegrenzten Nationalstaat feiern wollen. Mir machen solche Nationalfeiern einfach keinen Spaß, ich finde die langweilig.

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        Noch eine Kleinigkeit: „Wer für die EU ist, muss zeigen, wie deren Probleme in der EU gelöst werden“ – gegen diesen Satz sträubt sich der Konservative in mir. Es ist umgekehrt. Die EU ist da und wir sollten nicht immer gleich alles auf den Kopf stellen, wenn uns irgendwas nicht passt, sondern sehen, wie man Lösungen schafft, ohne allzuviel umzustellen und dabei Kollateralschäden zu erzeugen. Wenn die EU abgeschafft werden soll, muss gezeigt werden, warum das dann besser läuft. Sonst werde ich als Opa meinen Enkeln erzählen, dass es einst eine Zeit gab, da brauchte man keinen Pass und nur eine einzige Währung und vielen Leuten ging es gut, aber sie meinten, es müsse ihnen besser gehen, und damit begann die Misere (hoffentlich hab ich mit diesem Schauermärchen jetzt nicht bangegemacht…).

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        Was uns der Brexit lehren könnte, könnte die Einsicht sein, dass auch über Jahrhunderte erprobte Verfahren keine guten Ergebnisse bringen, wenn die Mitspieler in diesen Prozessen keine Bereitschaft zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu zeigen. Den No-Deal will eine Minderheit im Parlament. Sollte der kommen, müsste sich die Mehrheit selbstkritisch fragen, wie es dazu kommen konnte. Auch Labour mit der Strategie, eher Neuwahlen als einen Kompromiss zu erreichen.

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        Zumindest kann man hier auch beobachten, wie weit populistische Strategien tragen. Wären die Konservativen und Labour etwas mehr in Stimmung Systemparteien, Establishment oder auch nur Weicheier zu sein, wäre ein Kompromiss wahrscheinlich schon längst gefunden. Stattdessen sind es radikale Parteistrategen. Der Glaube, hier zu stehen und nicht anders zu können, sieht im Augenblick, da man das No! schmettert sehr sexy aus, aber was ist danach? Gegen Kompromissunfähigkeit hilft kein Wahlsystem der Welt und die sollte auch eine der Messlatten sein, die man an politische Akteure anlegt.

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        Noch eine Kleinigkeit: “Wer für die EU ist, muss zeigen, wie deren Probleme in der EU gelöst werden” – gegen diesen Satz sträubt sich der Konservative in mir. Es ist umgekehrt.

        Stimmt.

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        Lieber Roland Ziegler, Sie sind ja ein richtiger ‚framing‘-Meister:

        „Aber wir werden bei der nächsten Wahl sehen können, wer zukünftig hier die Politik bestimmen wird – EU-Befürworter oder EU-Gegner.“

        Mir ist nicht bekannt, daß eine der im Bundestag vertretenden Parteien ein „EU-Gegner“ oder gar Befürworter des „Dexit“ wäre.

        „Um jetzt aber wirklich und fraglos populistisch zu werden: die ganze Zeit im eigenen Land zu schmoren, patriotische Nabelschau zu betreiben und das auch noch ideal zu finden ist saumäßig dämlich.“

        Wer macht denn das? Ich kenn solche Leute nicht. Ist das Ihre Voodoo-Figur?

        „Wenn die Vorstellungskraft dafür nicht ausreicht, fährt man z.B. in die Ukraine und guckt sich dort um. Dann weiß man es.“

        Das ist die Argumentationsweise, Ist-Zustände, Vergangenheit und mögliche Zukunft zu vergleichen. Machen z.B. auch die Leute (Soziologen, wie Heinssohn), die sagen Zuwanderung z.B. aus muslimischen Ländern, bedroht unsere Wirtschaftsform, Demographie und Arbeitswelt. Gleiche logische Denkstruktur, daraus folgende Analyse unplausibel (->Einwanderungsland USA).

        „Beim Brexit sind die EU-Länder ja in der komfortablen Lage, ein Versuchskaninchen vor sich zu haben, an dem man studieren kann,..“

        Das „Versuchskaninchen“ leidet vor allem darunter, daß es seine Umgebung nicht beeinflussen kann, der Vergleich insinuiert, ‚die EU‘ wäre ein Absolutum. Ist sie nicht.

        „..wie es einem starken Land ergeht, das sich gegen die EU entscheidet“

        Ja klar, „ein Angebot, das sie nicht anlehnen können“, wie Corleone dereinst sagte..

        ..und hier zünden Sie die 2. framing-Stufe, um die Atmosphäre gänzlich zu verlassen:

        „Aber vielleicht irre ich mich und die Briten werden nach anfänglichen Schwierigkeiten richtig florieren, machen tolle bilaterale Verträge usw. und alles wendet sich zum Guten ! Dann ändert sich die Situation auch für die EU-Länder und man kann über einen Dexit nachdenken.“

        Ja, lieber Roland Ziegler, das sind die Spiegelfechtereien, Inszenierungen, die so üblicherweise in Spiegel, TAZ usw. goutiert werden und das wissen Sie auch. Sie erhalten damit den Befall derer, die sowieso so denken wollen, wie Sie. Damit, was tatsächlich durch eine Aufklärung 2.0 zu erhellen wäre, um vernünftige Politik zu machen, hat derlei Polemik (oder gar ‚Satire‘?) natürlich nichts zu tun: Im Zweifel muss das böse, böse China herhalten, damit die EU gerettet wird. Ohne Feinbild geht eben auch bei der hyperhumanistischen Linken gar nichts. ‚Es‘ denkt dann und denkt und denkt und plötzlich ist man*frau da:

        Chinas und Indiens Erfolge sprechen für die EU. Das sind Riedsengebiete, Vielvölkerstaaten. Gerade das von der kommunistischen Partei regierte China ist ein Beispiel dafür, wie man sich durch massive Koordination und Kooperation international durchsetzen kann. Das ist wie eine EU…

        ..oops..

        ..in Extremform, ein inhumaner Zusammenschluss (den zurecht keiner übernehmen will) unterschiedlichster Gebiete und Regionen.

        Naja, die EU hat ja jetzt ‚das Klima‘, um zu disziplinieren. Und damit wird natürlich gar nicht Bange gemacht, oder?

        „In einem Land gibt es Krieg, im anderen nicht. „

        Ja klar, ‚fällt‘ die EU, marschiert D bei seinem Erbfeind ein.

        Nun ist es aber so, daß wir einen Generationswechsel haben und es schon zu erwarten ist, daß so einiges auf den Prüfstand kommt, auch wenn die derzeitige besitzstandswahrende Klasse das befürchtet und deswegen sträubt sich der „Konservative“ in Ihnen so erkennbar:

        Meinen Sie, dass es einige Leute (wen?) bange machen könnte, wenn man bei einem EU-Austritt befürchtet, dass Einkommen und Beschäftigungslage eine negative Entwicklung durchlaufen werden und man sich an die Zollgrenzen von früher erinnert?

        tatsächlich ist es eben nicht so..

        „Die EU ist da und wir sollten nicht immer gleich alles auf den Kopf stellen, wenn uns irgendwas nicht passt, sondern sehen, wie man Lösungen schafft, ohne allzuviel umzustellen und dabei Kollateralschäden zu erzeugen. Wenn die EU abgeschafft werden soll, muss gezeigt werden, warum das dann besser läuft.“

        .. denn die EU müsste vom Kopf erst mal auf die Füße gestellt werden, d.h. wenn der Euro erhalten werden soll, wofür es ja Gründe gibt (einheitlicher Wirtschaftsraum), müsste Südeuropa massiv unterstützt werden. Warum baut China die Bahnlinie Piräus-Belgrad? Und damit das und so vieles ähnlich Dringende bei der noch klar denkenden Bevölkerung (z.B. in Osteuropa) Akzeptanz findet, muss die EU-Bürokratie aufhören, sich auf geheiß Deutschlands mit Umwelt-Gimmiks, Kinder-Demos, Glühbirnen und ähnlichem Schwachsinn zu beschäftigen und die Re-Industrialisierung fördern. Mit Stahl, Kohle, Kernkraft und Fracking. Und ein eigenes Cape Canaveral bauen. Damit lässt sich auch der technologische Fortschritt wieder in Gang bringen, bzw. dessen Takt angeben. Von mir aus auch in Richtung Windkraft, Photovoltaik und Desertec. Mit der deutsch-merkelschen hasard Politik, sehe ich da nur in eine dunkle Sackgasse, oder wie man da sagt.

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        Lieber KJN, auf die Schnelle:

        „Mir ist nicht bekannt, daß eine der im Bundestag vertretenden Parteien ein “EU-Gegner” oder gar Befürworter des “Dexit” wäre.“

        -> Dann sieht es für die EU-Gegner ja schlecht aus. Aber das können Sie den EU-Befürworten nicht anlasten. Vielleicht sollten sie mal eine Partei aufstellen? Statt zu jammern.

        “ Ist das Ihre Voodoo-Figur?“

        Nein, das sind die sog. „Identitären“ und Teile der AfD.

        „Das ist die Argumentationsweise, Ist-Zustände, Vergangenheit und mögliche Zukunft zu vergleichen. “

        -> Klar. Warum nicht.

        „Das “Versuchskaninchen” leidet vor allem darunter, daß es seine Umgebung nicht beeinflussen kann, der Vergleich insinuiert, ‘die EU’ wäre ein Absolutum.“

        -> Verstehe ich nicht. Missverständnis? Nichtverstehenwollen? Klar kann man am Brexit sehen, was passiert, wenn ein starkes Land austritt.´Nichts anderes wollte ich sagen.

        „das sind die Spiegelfechtereien, Inszenierungen, die so üblicherweise in Spiegel, TAZ usw. goutiert werden“

        -> Dinge werden nicht falsch, nur weil die TAZ sie sieht und aufschreibt. (Ich lese die nicht.)

        „..oops..“

        -> Hab ich den falschen Schalter gedrückt? Vielleicht überlegen Sie nochmal, was gemeint sein könnte.

        „Naja, die EU hat ja jetzt ‘das Klima’, um zu disziplinieren. Und damit wird natürlich gar nicht Bange gemacht, oder?“

        -> Dieses „Bange“ ist ein anderes Thema. Dazu habe ich nichts gesagt. Klar kann man mit irgendetwas bangemachen. Z.B. mit einem Horrorfilm. Aber womit habe ich bangegemacht? Das war die Frage, der Sie hier ausweichen. Wobei: Wenn Sie einen Moment mal annehmen, dass das mit der Klimakatastrophr stimmt, dann werden Sie zustimmen, dass man dann nur Chancen haben kann in einem größeren Verbund. Nicht im kleinen Nationalstaat.

        „Ja klar, ‘fällt’ die EU, marschiert D bei seinem Erbfeind ein.“

        -> Wieso? DE marschiert doch gar nicht. Russland marschiert.

        „besitzstandswahrende Klasse das befürchtet und deswegen sträubt sich der “Konservative” in Ihnen so erkennbar“

        -> so ist das nunmal bei Konservativen: „Ich möchte, was ich habe, behalten.“ Kennen Sie doch auch. Es ist gar nicht viel, könnte aber trotzdem weniger werden oder ganz verschwinden.

        „.. denn die EU müsste vom Kopf erst mal auf die Füße gestellt werden“

        -> Aber immer schön langsam und bedächtig, damit nichts umkippt und verschüttet wird! So haben wir Konservative es am liebsten.

        „d.h. wenn der Euro erhalten werden soll, wofür es ja Gründe gibt (einheitlicher Wirtschaftsraum), müsste Südeuropa massiv unterstützt werden.“

        -> Ja, natürlich. Daher bin ich ja auch für Vertiefung / Transfers.

        „Umwelt-Gimmiks, Kinder-Demos, Glühbirnen und ähnlichem Schwachsinn“

        -> Ich finde gut, was die Kinder da tun. Die Glühbirne interessiert doch niemanden, nicht mal Sie (ist ein reines Symbol).

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        So, jetzt konnte ich mir Ihre Replik nochmal durchlesen, eigentlich um was möglichst Vernünftiges dazu zu sagen, aber – leider fällt mir nichts ein.
        „Ohne Feinbild geht eben auch bei der hyperhumanistischen Linken gar nichts. ‘Es’ denkt dann und denkt und denkt und plötzlich ist man*frau da“
        Bei Ihnen denkt „es“ sicher nicht, allerdings ist man sich auch nicht sicher, ob da überhaupt was denkt. Ist da irgendwo ein Gedanke versteckt und ich kann ihn nur nicht sehen? China ist nicht mein Feindbild. Wie kommen Sie darauf? Nur weil ich nicht wie in China leben will? Das wollen Sie doch auch nicht? Ich habe ich zu China geäußert, weil Stevanovic China als erfolgreiches Modell angesprochen hat. China dient meist nicht als Feindbild, sondern im Gegenteil dazu, als Beispiel für wirtschafltiche Entwicklung bewundert zu werden. Mir gefällt China nicht, aber es ist trotzdem der EU ähnlich, nur zentralistischer, straffer, ohne Menschenrechte und Liberalität. Das hatte ich bereits vorher gesagt, aber Sie haben das überlesen. Da ist kein Feindbild herauszulesen, sondern ein Pro und ein Contra. Hätte ich gesagt, China wäre erfolgreich und die EU sollte sich daran ein Beispiel nehmen, hätten Sie gesagt: „Oops! Typisch für die zentralistische Linke!“ Kopf – Sie gewinnen. Zahl – ich verliere. Differenzierung – Fehlanzeige. Gedanken – keiner.

      45. avatar

        …ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn jemand gegen die EU ist. Und wenn die Mehrheit zukünftig so entscheiden wird, dann sei es so. Aber mir geht dieser larmoryante und aggressive Ton auf den Geist – der an vielen Orten anzutreffen ist, wo Sie ihn offenbar aufgegriffen und übernommen haben – , mit dem die Deutschen (und im Grunde die kompletten Westeuropäer) als gehirngewaschene Vollidioten und Deutschland als Irrenhaus oder umgekehrt: die Osteuropäer pauschal als einzig Klardenkende bezeichnet werden. Nur weil man in der Debatte nicht Recht bekommt. Wenn so Ihre „Aufklärung 2.0“ aussieht, halte ich es lieber bei der stinknormalen Aufklärung 1.0, wie sie seit Jahrzehnten betrieben wird.

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        Wissen Sie, lieber Roland Ziegler, „larmoyant“ sind immer die anderen. Und daß Sie wahrnehmen, daß ich einen Ton von anderen übernommen hätte, unterstellt erstens, daß ich nicht fähig wäre, selber diesen Ton anzuschlagen, aufgrund von eigenen Schlussfolgerungen – und zweitens scheinen Sie nur den Ton wahrzunehmen und nicht den Inhalt.
        Aber Sie haben recht, ich habe in den letzten Jahren einiges für mich vormalig selbstverständliche überdenken müssen, wo wir zwei vielleicht mal einig waren, übrigens mit erheblichen beruflichen Folgen und Veränderungen, weswegen mir der Konsens, das framing der letzten jahrzehnte in vielen Fragen fragwürdig erscheint. Kurz gesagt, musste ich erkennen, daß wir unseren Wohlstand, der auf einem bestimmten Vorsprung in Technik und Produktion basiert, gerade verspielen, weil in der Politik und politischen Berichterstattung vorwiegend und lautstark über Nebensächlichkeiten debattiert und abgestimmt wird oder es zumindest so erscheint. Mit erheblichen negativen Folgen für den Produktions- und Dienstleistungsstandort, sowie nicht zu vergessen, den Löhnen. Zum Brexit werden auch diese Erkenntnisse beigetragen haben, neben einem massiven antideutschen Ressentiment, der das ganze noch beförderte.
        Ihnen wollte ich eigentlich mit den vorhergehenden posts sagen, das die Axiome, die unser Denken bestimmen (auch und gerade das das logische) natürlich einem Weltbild, also einem framing folgen. Das jetzige (tiefere EU, Genderpolitik, Umweltregulierungen, usw.) mag in Wachstumszeiten funktional sein, ich meine, jetzt ist es das nicht mehr. Und wenn – z.B. – ein Freund und alter Mitstreiter mir bei einer Diskussion bei einer Flasche Wein auf meinen Einwand, wir würden und mit der Abschaltung von Kohle- und Kernkraft zu sehr abhängig von einer Lieferquelle machen, weil Windkraft und Photovoltaik nicht ausreichen, die Antwort erhalte „dann müssten sich die Physiker und Ingenieure eben etwas ausdenken“, sagt das so ziemlich alles über den derzeitigen Horizont der Politologie. (Sorry H.W. du weißt hoffentlich, wie es gemeint ist).
        Was Großbritannien angeht, haben wir eine Entfremdung der Befürworter und Gegner, eine Entfremdung von der EU. In Deutschland haben wir eine Entfremdung, die unser Disput eigentlich ganz gut umreißt und zwischen den Visegrad-Staaten und Merkel-Deutschland/Macron-Frankreich eine Entfremdung kultureller Art. (Daß gerade Orban und Erdogan Merkel mit Zaun und Flüchtlingsdeal beisprangen, sollte doch darüber zu denken geben, wie die Abhängigkeiten sich aufgrund schlechter Politik verschieben.)
        Die EU steckt wirklich in einer desaströsen Krise und es wäre alles andere, als Selbstgefälligkeit und ein ‚weiter so‘ anzuraten, aber ehrlich gesagt habe ich auch andere Sorgen bzw. Wichtigeres zu tun, als Sie provozieren zu wollen. Würden wir bei einer Flasche an meinem Tisch sitzen, würden wir uns auch nicht an die Gurgel gehen.

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        Nochmal speziell zu den zwei Punkten, die Sie beantwortet haben wollten, lieber Roland Ziegler:
        1) Bangemachen: Es ist ja ein großer Fortschritt, daß wir in der EU Reisefreiheit und mittlerweile eine weitgehende Residenzfreiheit haben, aber das steht doch gar nicht zur Disposition. Im Moment gibt es allerdings eine große Unsicherheit z.B. in meinem Bekanntenkreis bei einem Britisch-Deutschen Ehepaar, wo der Ehemann in England arbeitet und mit dieser Unsicherheit wird eben auch Politik gemacht und das mag ich nicht, wenn man mit den Gefühlen der Leute spielt.
        2) Versuchskaninchen: Ich meine, die EU ist genauso Versuchskaninchen in dem Szenario, wie Großbritannien. Und es ist keineswegs allein die Schuld der Brexiteers, das das ganze Projekt EU hinterfragt wird. Die vertiefte EU, die Sie fordern, wird alle noch mehr überfordern und wäre ein Sprengsatz. Klare ordnungspolitische Rahmenbedingungen und liberal verstandene Subsidiarität nützen der Wirtschaft in der EU mehr, als der kleinteilige Brüsseler Regelungslobbyismus. Gerade ich finde ja reparierbare Elektrogeräte gut, aber das Thema gehört doch nicht in die EU. Ich weiß auch, daß das ganze so ist, weil es politisch nicht anders durchsetzbar war, aber jetzt, wäre der Zeitpunkt, mal gründlich zu reformieren und nicht den Briten alleine die Schuld zu geben. Ja – und eben auch sehr deutsche und skandinavische Prioritäten, wie eine spezielle Form des Umweltschutzes nicht anderen aufzudrücken. das sind nämlich auch nur partikuläre Industrieinteressen.

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        Das sind alles nachvollziehbare Überlegungen, KJN. Ich kann Ihnen in fast allem folgen. Allerdings ist für mich dieser neudeutsche Begriff Framing unverständlich, der plötzlich überall auftaucht. Kurz gesagt glaube ich nicbt an Framing, sofern der Begriff etwas anderes meint als althergebrachte Manipulationstechniken. Ich halte nicht von Weltbildern, sondern glaube, ganz altmodisch, an die Wahrheit, eine einzige, die für alle gilt, ob Eskimo, Hottentotte oder Mitteleuropäer. (Genauer gesagt „glaube“ ich nicht an Wahrheit, sondern lasse mich von ihr überzeugen.) Es kann sein, dass die Wahrheit mal nicht zu sehen ist, in solchen Fällen sagt man dann, die Aussage hinge vom Weltbild ab. Aber das ist nur eine höfliche Vereinfachung oder ein achselzuchendes Aufsichberuhenlassen, eigentlich müsste man die scheinbar unentscheidbaren – nicht klar beantwortbaren – Fragen weiter differenzieren und solange nachdenken, bis die Anwort nicht mehr vom Weltbild, sondern von der Welt abhängt. Wir leben alle in einer einzigen, gemeinsamen Welt.

        Aber das ist eine alte philosophische Diskussion (die übrigens in neuester Zeit eine Wiederauflage feiert (vgl. z.B. Paul Boghossian: „Angst vor der Wahrheit“, ein interessantes und relevantes Buch, dem ich allerdings nicht überall zustimme) und Sie mögen das gerne anders sehen. Womit ich es bewenden lassen möchte.

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        Na gut, ich habe mir den Brexit angeschaut und damit meine ich nicht den politischen Prozess. Da es die EU gibt, müsste eine ernstzunehmende Alternative mindestens in einigen Teilen eine Verbesserung versprechen. Von Rechter Seite ist in diesem Punkt unglaublich dummes Zeug zu vernehmen, nach der Abstimmung hat diese Seite alle Versprechen abgeräumt und entfernt sich immer weiter von der Realität. Sie Argumentieren nicht mal mehr. UK wird ohne Binnenmarkt auch im noch freierem Freihandel nicht interessanter, zumal ein EU-Austritt eben nicht mehr Freihandel, sondern mehr Regeln bedeuten werden. Aber auch die Linke träumt von Dingen, die alle nicht passieren werden, wenn UK die EU verlässt. Es wird nach dem Ausscheiden aus dem Binnenmarkt mehr Bewegungsfreiheit für staatliches Handeln geben. Die Chancen einer sozialen Politik durch Verstaatlichung der Daseinsvorsorge können den wirtschaftlichen Einbruch auf breiter Front bei weitem nicht ausgleichen. Der Wohlstandsverlust der Mittelschicht wird auch nicht durch aggressive Umverteilung zu kompensieren sein. Beide Ideen gehen im Kern vom Status Quo aus, dass es nämlich in der realen Welt kaum Veränderungen geben würde. Im Grunde sei es nur eine Verlagerung von Entscheidungsebenen, dann aber mit zusätzlichen Optionen, sei es mehr Staat oder mehr Deregulierung. Nach allem, was ich nun zum Brexit erfahren habe, ist das Unsinn. Es wird gravierende Veränderungen in der realen Welt geben. Egal von welcher Seite man die Sache betrachtet, eine Auflösung oder ein Ausstieg aus dem Binnenmarkt, wird die schlechteste aller Welten bewirken. Beim Euro sieht die Sache anders aus, darum geht es beim Brexit nicht. Ich muss zugeben, dass es zum Binnenmarkt keine Alternative gibt, außer, man nimmt für Prinzipien zynisch einen gewaltigen Wohlstandsverlust in Kauf. Will man Dinge verbessern, kann dies nur in der jetzigen EU geschehen. Alles andere wird Ragnarök und das werden genau die Leute bezahlen, für die man ja das ganze machen will. Bald sind Wahlen.

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    Es ist für alle Länder sehr wichtig, den Schaden bei der Abwicklung der EU so gering wie möglich zu halten. Auch Deutschland will den europäischen Kuchen essen und behalten, der Flugzeugträger für Macron erinnert doch stark an Blumen von der Tanke, um nicht Schuld an der Scheidung zu sein. Im Vergleich zu den Zeitungskommentaren war das echt nett gemeint. Bei allen Fehlern Mays, ein EU Austritt ist eine tiefe Zäsur, auf die sich kein Land in nur zwei Jahren vorbereiten kann. Ja, selbst Schuld, aber es ist eben ein Präzedenzfall. Weitere Brüche werden folgen und es wäre grob fahrlässig, den Brexit als vorübergehenden Betriebsunfall zu bagatellisieren und sich keine Zeit zu nehmen, ein funktionierendes Protokoll zu entwickeln. Aufgabe von Berufspolitikern ist es, Alternativen auszuarbeiten und vorzuschlagen, da hat sowohl das Parlament als auch Regierung in UK versagt. Nur, stehen „wir“ anderen mit der Alternativlosigkeit wirklich besser da? Was wenn Aussitzen, Belehren und anderer Länder Strukturen aburteilen nicht mehr reicht? Jetzt wäre die Zeit über Großes zu sprechen und dann anhand von Alternativen zu entscheiden, sonst stehen wir auch nicht besser da als die Briten. Eine bizarre Idee, aber ein Europawahlkampf wäre doch kein schlechter Zeitpunkt.

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      Ich muss Ihnen widersprechen, lieber Stevanovic. Gestern sprach ich mit dem britischen Diplomaten Lord Kerr, der den Artikel 50 im Lissaboner Staatsvertrag ausgearbeitet hat und heute im Oberhaus sitzt. Er sagte: „Gedacht war, dass ein Land, das austreten will, zuerst klärt, unter welchen Bedingungen es das tun will und dann die Zweijahresfrist durch Artikel 50 einleitet. Es war nie gedacht, dass ein Land zuerst die Zweijahresfrist durch eine Austrittserklärung auslöst und sich dann erst überlegt, welchen künftigen Status es will.“ Die EU wird nur überleben, wenn sie auf Zeit setzt. Dazu gehört, dass man im Inneren der Union mit großen Differenzen lebt, aber versucht, nach außen eine gemeinsame Politik zu entwickeln (wie das in der Handelspolitik seit Jahrzehnten geräuschlos funktioniert). Der Flugzeugträger hat dabei eine große symbolische Bedeutung, denn eigentlich woll(t)en Frankreich und England zusammen eins bauen. Es signalisiert den Willen, Macht zu projizieren, „Imperium der Zukunft“ zu sein.

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        Zugegeben, der Brexit läuft, wie er läuft, nicht wegen der EU oder der festgelegten Verfahren, die Regie führt die britische Innenpolitik oder besser gesagt, sie führt sie eben nicht. Die Reihenfolge der Entscheidungsfindung war in jeder Hinsicht seltsam. Die großen Differenzen innerhalb der EU sind tatsächlich noch größer, als der Begriff große Differenzen vermuten läßt. Angefangen mit Osteuropa, für die eine europäische Machtprojektion die Diktatur der karolingischen Achse ist, über die Wirtschaftsordnung, die Südeuropa verarmen und Deutschland Exportweltmeistet sein läßt, die Steuerpolitik, wegen der Irland und Luxemburg boomen, aber die Gesundheitsversorgung anderer Länder kollabieren und letztlich die Freizügigkeit und Migration, die perfekt zu den sozialen Missständen der Herkunftsländer und den Bedürfnissen der hippen Metropolen passt. Das wird Folgen haben. Wenn etwas besser wird, haben wir ja noch die Schwäbische Hausfrau, die Druck macht, dass niemand über seine Verhältnisse lebt. Das sind nicht nur Differenzen, das wird für viele Länder zu einer Überlebensfrage und damit zur Sinnfrage der EU. In dem Zusammenhang ist ein fescher Flugzeugträger tatsächlich ein Symbol – aber kein positives.

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    Ich bin auch skeptisch gegenüber Volksabstimmungen. Andererseits muss ich seit einigen Jahren feststellen, dass die sogenannten Profi-Politiker nicht unbedingt besser informiert sind und auch nicht bessere Ergebnisse produzieren als der Plebs. Man betrachte nur: Euro-Einführung, Euro-Politik, überstürzter Atomausstieg, Energiepolitik, Migrationspolitik, Umweltpolitik, Industriepolitik. Fast alle Themen sind derart ideologisch aufgeladen, dass hier auch von den Parlamentariern keine pragmatischen Entscheidungen mehr kommen. Dazu gesellt sich dann noch eine Presse, die ihre eigentliche Aufgabe, kritische Beleuchtung der Regierungsarbeit, nicht mehr wahrnimmt. Das Ideal des in der Sache kundigen Politikers, Ist, quer durch alle Parteien, durch Populismus ersetzt worden.

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      Das halte ich für eine Pauschalisierung, die unzutreffend ist. Man müsste bei jedem der von Ihnen angesprochenen Themenfelder genauer hingucken.

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        „Die wenigsten Fragen lassen sich binär auf ein Ja/ Nein reduzieren, und wenn sie das werden, ist das Ergebnis oft unsinnig. “
        Wenn das nicht auch eine Pauschalisierung ist, weiß ich nicht was sonst.
        Und auch in einem Parlament ist es vollkommen egal, was in einer Vorlage steht, letztlich geht es auch bei diesen Abstimmungen um die Frage Ja oder nein, Zustimmung oder Ablehnung.
        Die Sache mit dem Brexit ist doch deshalb so in die Hose gegangen, weil die Vorlage viel zu vage war. Dafür waren Berufspolitiker verantwortlich, und die gleichen Politiker schaffen es auch jetzt nicht vernünftige Vorlage im Parlament zur Abstimmung zu bringen.
        Der Erfolg des Schweizer Gemeinwesens zeigt ja, daß vernünftige Politik und vorausschauende Politik und Volksabstimmungen kein Widerspruch sein muß.

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        Lieber Don Geraldo: „Die Sache mit dem Brexit ist doch deshalb so in die Hose gegangen, weil die Vorlage viel zu vage war. Dafür waren Berufspolitiker verantwortlich, und die gleichen Politiker schaffen es auch jetzt nicht vernünftige Vorlage im Parlament zur Abstimmung zu bringen.“ Stimmt.
        Die Schweizer sind in vielerlei Hinsicht eine besondere Nation, und ihr Regierungssystem ist völlig anders als bei uns oder in Großbritannien. Vielleicht beschäftigen Sie sich einmal damit und fragen sich, ob Sie wirklich gern auf Dauer von einem Parteienkartell regiert werden wollen. uns reicht die Große Koalition schon lange. Jenes Kartell sorgt dafür, dass über die wirklich wichtigen Sachen keine Volksabstimmungen stattfinden, und dass Ergebnisse, die nicht passen kassiert werden. Fragen Sie nach der Volksabstimmung zur Grenzkontrolle, die eigentlich den Austritt aus dem Schengen-Raum beinhaltet. Oder fliegen Sie einfach nach Zürich.Sie zeigen dort keinen Pass. So viel zum „Erfolg des Schweizer Gemeinwesens“.

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