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Die verlorene Ehre des Gerhard Gundermann

Andreas Dresen will mit „Gundermann“ einen Gegenentwurf abliefern zum Stasi-Film „Das Leben der Anderen“. Das ist ihm gelungen, auch dank der überragenden Leistung von Alexander Scheer in der Titelrolle. Ästhetisch ist „Gundermann“ ein Meisterwerk. Politisch ist der Film so fragwürdig wie es sein Held moralisch war.

In einem Beitrag hier auf „Starke Meinungen“ schrieb ich: „Interessanterweise sind deutsche Filmemacher oft erfolgreicher – inhaltlich und ästhetisch erfolgreicher, meine ich – bei der Darstellung des Kommunismus; vielleicht weil einige von ihnen die DDR-Realität am eigenen Leib erlebt haben, während sie die Nazi-Zeit nur aus Wochenschauen und anderen Nazi-Propagandamaterial und aus fiktiven Darstellungen kennen.“

Das gilt sowohl für Leander Haußmann („Sonnenallee“, „NVA“)  wie auch für Andreas Dresen, den Regisseur von „Gundermann“, interessanterweise aber nicht für Florian Henckel von Donnersmarck, den Regisseur von „Das Leben der Anderen“, oder Friedemann Fromm, der mit „Weißensee“ die bisher beste, weil schonungsloseste Abrechnung mit dem Bespitzelungsstaat DDR ablieferte.

Weiter schrieb ich: „Der Kommunismus wurde den Deutschen von den Russen aufgedrängt und von den meisten Ostdeutschen abgelehnt, auch wenn sie nicht aktiv gegen das Regime opponierten. Das macht es für Filmemacher leichter, Helden und Schurken zu identifizieren; und selbst einige der Schurken können als irregeleitete Idealisten dargestellt werden, was sie oft genug auch waren.“

Ein sympathischer Nazi geht nicht. Oder noch nicht?

So wird auch der Liedermacher und Baggerfahrer Gerhard Gundermann von Dresen dargestellt. Ein überzeugter Kommunist, der gerade wegen seiner Überzeugungen mit der Partei in Konflikt gerät, aber trotzdem – oder deshalb? – für die Stasi arbeitet, Freunde und Kollegen denunziert, und nach der Wende nicht wirklich versteht, warum er das gemacht hat.

Es ist natürlich deutschen Regisseuren kaum möglich, ja eigentlich unmöglich, einen Nazi als „irregeleiteten Optimisten“ darzustellen, obwohl auch sie es zuweilen waren. Ein Baggerfahrer, der einem Parteibonzen sagt: „Ich bin natürlich für den Aufbau des Sozialismus und die Diktatur des Proletariats, aber doch nicht so, Genosse…“ kann Sympathieträger sein, selbst wenn er eine Stasi-Täterakte hat. Ein SA-Mann, der sagt: „Klar bin ich für die Reinheit unserer Rasse und den Aufbau der Volksgemeinschaft, aber doch nicht so, Herr Obergruppenführer …“ irgendwie nicht, selbst wenn er sich ansonsten wenig zuschulden kommen lässt.

Und das hängt auch damit zusammen, dass die Ideale der Nazis, die einst populärer waren als jene der Kommunisten, gründlich diskreditiert sind, während man auch heute noch bis weit in die Mitte der Gesellschaft den real existierenden Sozialismus von den Idealen des Sozialismus abtrennt, denen man immer noch eine gewisse Sympathie entgegenbringt. Mag sein, dass der Aufstieg der Rechtspopulisten hier etwas in Bewegung setzt. Aber bisher hat man jedenfalls noch keinen sympathischen Nazi im Kino gesehen. Gundermann jedoch ist ein sympathischer Kommunist.

Und wie gesagt, das finde ich völlig in Ordnung. Ich war ja selbst mal Kommunist, und ich war, obwohl Anhänger einer unmenschlichen Ideologie, kein Unmensch. Freilich sehr jung, aber das entschuldigt nicht alles. Später, als ich kurz vor der Wende Schülerfahrten in die DDR organisierte, traf ich mehrere überzeugte Anhänger des Regimes – oder Befürworter einer freundlicheren Version davon – und seiner Ideale, und wir wurden Freunde, obwohl ich da längst flammender Antikommunist und FDP-Mitglied war.

Schild und Schwert der Partei – und Selbstbeweihräucherungsapparat

Als nach der Wende die Jagd auf die Stasi-Spitzel losging, war ich irritiert. Warum war es in Ordnung, in der SED zu sein, die Diktatur des Proletariats zu propagieren, die ja die Stasi – „Schild und Schwert der Partei“ – einschloss, ja voraussetzte; nicht aber, tatsächlich für die Stasi zu arbeiten? Allenfalls fand ich die Haltung „Kommunist OK, Spitzel unmöglich“ inkonsequent, wenn nicht gar heuchlerisch. Seitdem habe ich meine Meinung geändert. Intellektuell mag ja stimmen, was ich gerade geschrieben habe, und gerade diese intellektuelle Stimmigkeit und Konsequenz mag viele, insbesondere junge, Kommunisten dazu gebracht haben, für die Stasi zu arbeiten. Moralisch aber tut sich dort ein Morast auf, wo ich Kollegen, Freunde, Familienmitglieder bespitzele und mich ihnen nicht offenbare.

Niemand im Westen sollte sich persönlich über jene erhaben fühlen, die in diesen Morast geraten sind. Man weiß ja nicht, wie man sich selbst verhalten hätte. Und es ist vermutlich gerade ein Gefühl der moralischen Überlegenheit gewesen, die perverserweise viele zur Stasi führte: man tat ja etwas für seine Ideale. Auch intellektuelle Überlegenheit mag eine Rolle gespielt haben: die unteren Parteibonzen waren oft Knallchargen, die oberen nicht viel besser, aber in der Stasi war man diesen Leuten entrückt, musste sich nicht um die alltägliche Normerfüllung kümmern, sondern um spannendere Dinge wie das Aufspüren versteckter Klassenfeinde.

Und ich gebe zu, einige dieser Überlegungen sind Produkt der Auseinandersetzung mit „Gundermann“ und dem überragenden Darsteller des Protagonisten: Alexander Scheer ist beängstigend gut. Der Film ist hervorragend. Und dennoch ging ich aus dem Kino mit einem Unbehagen, das ich erst nach einigen Gesprächen in Worte fassen konnte.

Die halbe Täterperspektive

Der Film nimmt nämlich die Täterperspektive ein. Und die auch nur bedingt. Man sieht, erstens, nur zwei von Gundermanns Opfern, und zweitens niemals, wie Gundermann seinem Führungsoffizier von den Ergebnissen seiner Spitzeltätigkeit berichtet. Die zwei Opfer: der Eine lacht nur, denn der war seinerseits von der Stasi auf Gundermann angesetzt und hatte immer Angst, dass „Gundi“ das rauskriegt. Der Andere, ein Puppenspieler, lebt offenbar gut: großbürgerliche Wohnung, anders als Gundermanns Bergarbeiterhäuschen in Hoyerswerda. „Ich habe dir nicht geschadet“, sagt Gundermann. „Nein“, sagt der Puppenspieler, „aber das hast du nicht gewusst.“ Richtig. Ein entscheidender Satz. Kommt er an?

Man sieht zwar, wie Gundermann angeworben wird: fast könnte man die Szene so deuten, dass der Sänger sich als IM verpflichten musste, damit seine Singegruppe „Brigade Feuerstein“ auch die Erlaubnis zum West-Auftritt – bei Festen der DKP und dergleichen – bekommt. Man sieht auch, wie er seinen ersten Auftrag – er soll einen Fluchthelfer in die DDR lotsen, damit ihn die Stasi schnappen kann – vermasselt, weil er beim Treff in Budapest zu viel trinkt und anfängt, auf die CIA zu schimpfen, was den Fluchthelfer abschreckt, aber immer noch beim Kinopublikum gut ankommt. Man sieht, wie er dafür trotzdem als Anerkennung von der Stasi eine Obstschale überreicht bekommt, die als Running Gag immer wieder im Film auftaucht.

Man sieht aber nicht, wie er Kollegen denunziert, die mit ihm im Westen aufgetreten sind, wie er Westkontakte von Bekannten meldet, wie er die ideologische Unzuverlässigkeit von Freunden meldet. Wie er dafür mit der „Arthur-Becker-Medaille“ ausgezeichnet wird. In der einzigen Szene, wo seine Tätigkeit kurz zur Sprache kommt, ist es eine Journalistin, die ihm Vorwürfe gemacht: eine als unsympathisch und oberflächlich gezeichnete Frau, für die „Gundi“ bloß der Stoff für eine Story ist. Die Journaille als Buhmann, das geht immer: Die verlorene Ehre des Gerhard Gundermann.

Man stelle sich vor, Dresens Film hätte Gundermanns Opfer und ihr Schicksal zuerst vorgeführt; hätte Szenen enthalten, in denen der ansonsten liebenswert wirre, spontane, offene und ehrliche Liedermacher mit Präzision seine Spitzelberichte anfertigt und abliefert oder seinem Führungsoffizier in die Schreibmaschine diktiert: Wäre es da noch möglich gewesen, Gundermann als Held zu zeichnen? Denn der Film ändert heldenhaft: Gundermann ist zwar seinen West-Plattenvertrag wegen der „Kiste mit der Stasi“ los, aber er geht auf die Bühne vor sein Ost-Publikum, bekennt, dass er für die Firma gearbeitet hat, und singt dann sein Lied „Hier bin ich geboren“: „Hier sind wir alle noch Brüder und Schwestern / Hier sind die Nullen ganz unter sich“ – das trotzige, ewige Lied von der DDR als Kollektivopfer erst der Kommunisten, dann des Westens. Und die Zuhörer, erst beklommen, dann gelöst, feiern den Spitzel als einen der Ihren. So war es übrigens auch in der Wirklichkeit. Aber ein Film muss nicht so aufhören.

Problematische Rezeption

Nun könnte man sagen: bloß weil Posener – der ewige Stalinist und Politkommissar – die ideologische Klarheit vermisst, wird der Film doch nicht von anderen missverstanden. Ach nein? In einer Filmbesprechung des MDR heißt es: „Der Baggerfahrer und Liedermacher Gerhard Gundermann war ein verborgener Held.“ Ähm, nein, er war ein verborgener IM. Die „Hannoversche Allgemeine“ schrieb: „Sobald Gundermann erkennt, dass er seine Vergangenheit nicht dauerhaft verdrängen kann, wird dieser Film zu einer Art Lebensbeichte. Fortan zieht der Ex-IM kreuzunglücklich umher und stellt sich dem, was war. Jedem erzählt er von seiner Stasi-Tätigkeit…“ Ähm, nein. Sobald seine Akte auftaucht, rennt er herum. Bis dahin klappt es mit dem Verdrängen so gut, dass der Film-Gundermann gar nicht weiß, was er alles getan hat.  Der Berliner „Tagesspiegel“ schwärmte: „Wunderbar sind die Szenen mit Kathrin Angerer als Opportunistin von gestern, die ihm als Journalistin und Opportunistin von heute seine Täterakte zugänglich macht und schnell zur alten Selbstgerechtigkeit findet. Sie fährt einen roten Sportwagen, während der Mann, auf den sie herabschaut, noch immer in seinem alten Takraf-Bagger hockt, 4000 Tonnen Lebendgewicht, 40 Meter hoch.“ Ähm, nein, Gundermann fährt im Film einen ziemlich schicken roten französischen Kombi, Renault Espace, glaube ich. Und überhaupt: seit wann ist Baggerfahren ein Zeichen moralischer Überlegenheit? Na, und so weiter und so fort. Die „taz“ immerhin war irritiert:„Gundermann kann (oder will) sich erst nicht erinnern, dann kann (oder will) er sich nicht entschuldigen, nicht erklären. Und Dresen lässt ihn.“

Genau.

Die Sehnsucht nach der Opferrolle

Im Gespräch mit dem MDR sagte Dresen, „Das Leben der Anderen“ habe den Anstoß zu „Gundermann“ gegeben.  Donnersmarcks Film sei ein „gut gemachter Thriller, der aber mit dem Leben im Osten, wie wir es kannten, nicht so viel zu tun hatte. Wir dachten: Es muss auch die originäre Ostsicht geben dürfen.“

Wer sind „wir“? Seit wann ist die Tätersicht die „originäre Ostsicht“? Man erinnert sich: kaum war die Mauer weg, waren die Unterdrücker schon dabei, trotzig festzuhalten: „Alles war ja nicht schlecht“ und „wir lassen uns unsere Biographien nicht wegnehmen“. Dresens „dürfen“ ist verräterisch: das ist das deutsche Ressentiment-Signalwort links wie rechts: „Man wird ja noch sagen dürfen, dass …“ Und dann folgt die Sauerei.

Der wirkliche Gundermann stilisierte sich – darin ganz Ossi nach 1989, ganz Wessi nach 1945, ganz Deutscher – auch noch zum Opfer um:  In „Ich mache meinen Frieden“ singt er: „Wer mich angeschissen hat / will ich nicht mehr wissen.“ Mag sein. Er wollte aber auch nicht mehr wissen, wen er selbst angeschissen hat. Und in „Sieglinde“ heißt es: „Sie sagen / Du hast mich belauscht / doch außer Dir hat mir nie einer zugehört / und schneller als das Wasser rauscht / hab‘ ich dir meine paar Geheimnisse diktiert“.  Übrigens sind die ersten beiden Zeilen große Poesie. Trotzdem muss ich der Ehrlichkeit halber bekennen, das mich weder Gundermanns Musik noch seine Texte mich anrühren.Aber ich mag auch nicht Herbert Grönemeyer.

Gundermann ist tot. Ihm etwas nachzutragen, wäre kleinlich. Er flog ja später wegen Renitenz aus der SED und der Stasi raus. Wie es scheint, hat ihn niemand verteidigt. Warum Dresen das nicht thematisierte, wäre auch eine interessante Frage. Vielleicht, weil dann die Gleichsetzung von Tätersicht und „originärer Ostsicht“ ins Wanken gekommen wäre? Noch einmal: Gundermann werde ich weder verteidigen noch verurteilen. Aber Dresen, der auf Vorschlag der Linkspartei Verfassungsrichter in Brandenburg ist … ihm verzeihe ich diesen brillanten, blendenden Film nicht.

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82 Gedanken zu “Die verlorene Ehre des Gerhard Gundermann;”

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    Lieber Alan,
    Vielen Dank für ihre konstruktive Antwort. Leider ist sie so enttäuschend wie sie zu erwarten war. In alter „Na geh doch in den Osten“-Manier haben sie reflexartig die Stalinismus und Pol-Pot-Karte gezogen ohne eigentlich zu lesen was ich geschrieben hatte. An keiner Stelle habe ich die DDR verherrlicht sondern ganz deutlich geschrieben, dass „…Die Jahre der Regierungszeit der Unidad Popular in Chile von 1970-73 waren wahrscheinlich das einzige Mal in der Geschichte, wo wirklicher demokratischer Sozialismus, zumindest ansatzweise, real umgesetzt wurde und funktioniert hat.“
    Daher möchte ich auch nicht die DDR oder Polen mit Franco oder Pinochet vergleichen, obwohl die grosse Anzahl von Folterungen, Verschleppungen und Ermordungen im damaligen Spanien/Chile im krassen Gegensatz zu den wenigen der DDR und des komm. Polens stehen.

    Und ich denke wir sind uns einig, dass der Agrarstaat der Khmer Rouge mit ihren ca. 2. Millionen ermordeten Intelligenzlern nichts mit den Ideen von Karl Marx zu tun hatte, auch wenn sich sich ein Pol Pot (wie auch Stalin, die Kims, Mao …) darauf bezogen hat.

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      Ich habe geantwortet auf Ihre allgemeine Feststellung, dass Sie eine Gleichsetzung – im Sinne von „gleich schlimm“ – von Kommunismus und Faschismus ablehnen. Von “Na geh doch in den Osten” war bei meiner Antwort gar nicht die Rede. Vielmehr habe ich Systeme verglichen, die m.E. vergleichbar sind, also den gemäßigten Faschismus des Generalissimus Franco mit dem gemäßigten Kommunismus des Erich Honecker.
      Was Allende angeht, so vereint gerade er in seiner Position faschistische und sozialistische Positionen:
      https://www.dw.com/de/der-mythos-salvador-allendes-br%C3%B6ckelt/a-1578405

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    Bei mir kommen immer sofort Zweifel an der Ernsthaftigkeit eines Autor auf, wenn dieser Faschismus gleich Kommunismus setzt.
    Vor wenigen Tagen habe ich die Doku „Der Fall Salvador Allende“ gesehen. Die Jahre der Regierungszeit der Unidad Popular in Chile von 1970-73 waren wahrscheinlich das einzige Mal in der Geschichte, wo wirklicher demokratischer Sozialismus, zumindest ansatzweise, real umgesetzt wurde und funktioniert hat. Wir hatten eine demokratisch gewählte Regierung, mit Pressefreiheit, Sozialleistungen, steigendem Wohlstand der breiten Massen, steigender Produktivität.
    Und was machen die Verteidiger der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung wie Richard Nixon, Henry Kissinger, Pepsi Cola, ITT und Co? Die Kreditwürdigkeit Chiles wird auf Junkniveau abgestuft, es wird bestochen, bedroht, intrigiert, manipuliert, geheimdienstlich operiert, Militärhilfe für einen Sturz bereitgestellt. Es wird solange keine Ruhe gegeben, bis der Diktator Pinochet an der Macht ist, der bis zu 40.000 Menschen umbringen lässt.
    Aber auch die Bundesregierung hat dort bei der Verteidigung der Demokratie kläglich versagt. Der Auswärtige Amt, welches damals noch mit Ex-Nazi-Diplomaten durchzogen war, hat stillschweigend den Horror in der Colonia Dignidad geduldet.
    Herr Posener, wenn sie wieder mal Menschen wie G. Gundermann mit seinen Verfehlungen (die ich verurteile) kritisieren und seine Weltanschauung, wenn auch bewusst provokativ, in die Nähe von Nazis und Massenmord rücken, dann sollten sie das vielleicht im Hinterkopf haben.
    Ihr Beitrag aus der Position „Wir sind die Guten“ ist fehl am Platz. Wie war das doch? „…Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. … „

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      Lieber Laurent, über Allende ließe sich einiges sagen, aber bestimmt war er nicht die Lichtgestalt, die Sie hier zeichnen. Ob es deshalb richtig war, gegen ihn zu putschen, steht auf einem anderen Blatt. Ihre sehr einseitige Darstellung der Rolle der USA allerdings lässt sich nicht halten. Wenn bei Ihnen „immer sofort Zweifel an der Ernsthaftigkeit eines Autor aufkommen, wenn dieser Faschismus gleich Kommunismus setzt“, dann müssten Sie mir erklären,worin die DDR besser war als etwa Francos Spanien. Oder das kommunistische Polen besser als das faschistische Spanien. Oder Pol Pots Kambodscha besser als Pinochets Chile. Ich bin gespannt.

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    Paßt nicht ganz zum Originalbeitrag aber das Lesen der Kommentare und der Antworten war eh interessanter.
    Man sagt ja Konvertiten sind die schlimmsten „Hexenjäger“.
    Bei Ihnen lieber Herr Posener scheint das durchaus zuzutreffen.
    Wenn Sie – was durchaus nachvollziehbar ist – dem Kommunismus entsagt haben weil seine real existierende Verwirklichung nicht so richtig gelungen ist, wie können Sie dann (das unterstelle ich aufgrund Ihrer neuen Parteizugehörigkeit) dann ein Kapitalist sein? Dessen real existierende Verwirklichung sieht doch nicht wirklich besser aus, oder sehen Sie das anders?

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      Lieber Herr Zwerschke, Ihre Konvertiten-These trifft auf mich nicht zu, denn wir Maoisten betrachteten die DDR bekanntlich als sozialfaschistisches Kolonalregime der sowjetischen Sozialimperialisten.
      Ich habe mit dem Kommunismus nicht gebrochen, weil „seine real existierende Verwirklichung nicht so richtig gelungen ist“, sondern weil der Marxismus theoretisch falsch und der Leninismus eine Anleitung zur Diktatur ist; der real existierende Sozialismus hat Millionen Menschen auf dem Gewissen, mehr als der Faschismus. Das habe ich alles mehrfach und in gebührender Länge aufgeschrieben, und ich muss das hier nicht wiederholen.
      Der Kapitalismus hingegen ist keine Ideologie, die dann in der Wirklichkeit mehr oder weniger gut funktioniert, sondern das in der Welt seit etwa 1750 vorherrschende Wirtschaftssystem. Er entwickelt sich ständig, nicht immer zum Besseren, wie man etwa in China sieht. Auch darüber habe ich sehr viel geschrieben.
      Ihre simple Sicht der Dinge passt also weder auf mich, noch auf die DDR noch auf die kapitalistische Gegenwart.

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        Das hat jetzt etwas gedauert, aber ich bin nicht ganz so häufig bei Ihnen.
        Es stimmt schon, daß der Kapitalismus (auch) ein Wirtschaftssystem ist aber eben nicht nur. Auch ein Wirtschaftssystem braucht, nennen wir es, ein politisches Umfeld und ist somit nahezu zwangsläufig ideologisch geprägt. Beim Kapitalismus nun prägt – zumindest nach meiner Auffassung – aber schon lange nicht mehr das politische Umfeld die Wirtschaftsform sondern genau andersherum. Deswegen halte ich den Kapitalismus für eine Ideologie. Und diese Ansicht wird in in der kapitalistischen Gegenwart ja ständig bestätigt.
        Manchmal ist es doch so einfach.

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        Lieber Rainer Zwerschke, die Basis, sagen Marx und Engels, bestimme den Überbau. Sie wiederholen das. Und schreiben dazu: „Manchmal ist es doch so einfach.“ Aber wie Engels an Joseph Bloch schrieb: „Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökono­mische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus – politische Formen des Klassenkampfs und seine Resultate – Verfassungen, nach gewonnener Schlacht durch die siegende Klasse festgestellt usw. – Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form. Es ist eine Wechselwirkung aller dieser Momente, worin schließlich durch alle die un­endliche Menge von Zufälligkeiten (d. h. von Dingen und Ereignissen, deren innerer Zusammenhang untereinander so entfernt oder so unnachweisbar ist, daß wir ihn als nicht vorhanden betrachten, vernachlässigen können) als Notwendiges die ökonomische Bewegung sich durchsetzt. Sonst wäre die Anwendung der Theorie auf eine beliebige Geschichtsperiode ja leich­ter als die Lösung einer einfachen Gleichung ersten Grades.“
        http://www.mlwerke.de/me/me37/me37_462.htm

        Es ist eben nicht „so einfach“.

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    Die Demokratie-Simulation des Kapitalismus zerstört grad den Planeten…Umweltverheerung, Hunger, Armut, Elend, Krieg inmitten der unausweichlichen Lohnsklaverei, die sich dank der Produktivitätsexplosion filigran gestaffelte Korrumpierung der ehrgeizig-selbstbezogenen Anpassungsgeilen leisten kann. In der gehijackten Arbeiterbewegung/Emanzipationsbewegung des „Realsozialismus“ wurde postrevolutionäre finale Demokratie-Verhinderung bis zum Exzess, bis in die persönlichsten Untiefen der Seele betrieben, um den in historischer Massenbewegung gestärkten Stachel der Selbstermächtigung herauszutreiben, der bei den Zöglingen des Wertewestens schon im Uterus verkümmert und durch die Prothese rivalisierender systemimmanenter Selbstbehauptung ersetzt wird. Nur massivste jahrzehntelange Intervention konnte die historische ‚Fehlentwicklung‘ SOZIALER Emanzipation restlos diskreditieren.
    Das Plappermäuler-Demokratiesurrogat lärmt, maximal mobil u infantil-‚individualistisch‘, dem menschheitlichen Untergang entgegen und demonstriert sich im Vorfeld in Orwellscher Verblendung vorher selber von der globalen verschleierten in die zunehmend offene globale, z.Zt. vorrangig klimatologisch gerechtfertigte Wohlverhaltensdiktatur. Traumhaft.

    Lüge und Selbstbetrug in der unaufhörlichen faktengefluteten „Diskussionsorgie“ verhindern die einfachste fundamentale Selbsterkenntnis der absoluten Machtlosigkeit. Sie haben nichts zu melden, überlassen per Wahl alle Macht fremden Onkels und fremden Tanten und bestimmen buchstäblich NICHTS mehr. Wirkliche tägliche Macht im Gemeinwesen ist absolut verzichtbar, wenn man aber das Maul aufreißen (und mit etwas Glück selber ein paar Abhängige rumschubsen) kann. Sie haben Repräsentanten für ihr Schicksal!!! Repräsentanten für ihr Leben… Unglaublich.
    Infantilisierte Menschhülsen fällen ihr intelektuell ausuferndes, akademisch zertifiziertes Urteil über geradezu ALLES. Außer ihre eigene klägliche Unmündigkeit unter der sittenwidrig ermächtigten Merkelei. Millionen Ameisen können ihr frank und frei vor die Füße kotzen oder nach Wartezeit, die dem Betriebsablauf nötige Kontinuität sichert, einen anderen Koloss-Lakaien der Erbengemeinschaft „wählen“ und dann bei Bedarf vor die Füße kotzen… ;)) Was’n Krabbeln.

    Gundermann war ein faustischer Charakter in einer agoniezugedachten demokratiefeindlichen Umgebung. Dass er als unbrauchbar ausgespuckt wurde von der „realsozialistisch“ antikommunistischen, antiemanzipativen Machtmaschine deutet auf ein Potential der Redlichkeit und Authentizität, um das ihn Milliarden durchkonditionierter Helden des Plappermaul-Machtverzichts nur beneiden können.

    Eine andere Art Riese freilich, dem vor die Füße gekotzt wird.

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    Den Film »Gundermann« habe ich mir nun (gleich mehrmals) angesehen. Ein Film als Zeitmaschine. Das man einiges nicht zu sehen bekam, was die Zusammenarbeit mit der Stasi wahrscheinlich auszeichnete (Schulungen, geheime Treffen), da haben Sie Recht. Das ändert allerdings nichts an meinem Einwand, dass es hier einen Missbrauch an einem jungen Menschen gegeben hatte. Das befreit nicht von Schuld, ist aber m. E. für das Verständnis und vor allem für die Prävention notwendig. Nun erfährt man im Film sehr wenig von dem Kind Gundermann. Allein die Abwesenheit des Vaters seit seinem 12. Lebensjahr, das Fehlen jeglicher Kommunikation über die „Schuld“ des Kindes wird kurz thematisiert. Überhaupt halte ich die Sprachlosigkeit im Sozialismus für symptomatisch. Es gab ein lautes Schweigen in Form von Phrasendreschen. Das hatte er manchmal unterbrochen.
    Ich kann am Ende des Filmes auch keinen Helden Gundermann sehen. Es stimmt, aufrecht steht er, irgendwie erleichtert. Niemand pfeift ihn aus oder verlässt den Saal. Er singt sein Lied: „Hier bin ich geboren“. Und wenn er doch ein wenig heldenhaft dasteht, in den Augen des Kinobesuchers, dann vor allem, weil er sich zu seinen Fehlern bekannte, in einer Zeit großer Empörung und viel westlicher Selbstgerechtigkeit. Sein Opponieren in der DDR gegen den Personenkult, die Arbeitsbedingungen und die Planerfüllungszahlen, machte ihn irgendwie zum traurigen Helden in der DDR. Weil der Film-Gundi aber wie Don Quichotte gegen die Windmühlen des Sozialismus kämpft, scheint er mehr Opposition in sich zu haben, als jeder andere. Mit seinem »Wahrheitsfanatismus« entblößt er die Starre, die Phrasen und Verlogenheit des Systems. Diesem »Wahrheitsfanatismus« scheint er auch später noch zu folgen, er geht selbst zur BstU, auch wenn man sieht, dass er manchmal gern davon zurücktreten würde. Man sieht die typischen Ablenkungs- und Ausweichrituale. Einmal bestätigt der Film-Gundi den Satz der Journalistin und sagt: »Ich hatte ein anderes Bild von mir«. Verdrängung gehört zum Leben, wie sonst sollen wir mit Schuld, der eigenen oder der aufgeladenen, weitermachen. Ich finde auch nicht, dass die Journalistin als oberflächlich gezeichnet wurde. Sie ist Gundermann alles im allem zugewandt, denkt sogar für ihn ihre Leser mit, baut Gundermann Brücken, über die er auch diesmal, genauso wenig wie zu DDR-Zeiten, nicht gehen will. Das ist dann wirklich Charakter, während ich die Aussage des BstU-Mitarbeiters eine IM-Tätigkeit hätte charakterliche Ursprünge für falsch halte. Es sei denn, man hält einen Mangel an Werteerziehung für eine Charakterschwäche.

    Ich weiß auch nicht, was den Film »Gundermann« als Gegenentwurf zum Stasi-Film »Das Leben der anderen« auszeichnen soll, über den ich vor ein paar Tagen folgenden Artikel las. https://www.sueddeutsche.de/kultur/donnersmarck-hein-das-leben-der-anderen-1.4300244 Vielleicht, weil er sich mit genau einer realen Person beschäftigt und damit mehr Authentizität erlangt. Eventuell könnte man die Wahl der Protagonisten, Produktionsarbeiter im Braunkohlenrevier bei »Gundermann« vs. Schriftsteller und Schauspieler in Berlin im Zentrum der Macht in »Das Leben der anderen « als Gegenentwurf begreifen. Allerdings schien sich seine IM-Tätigkeit auch vor allem auf den kulturellen Bereich (Puppenspieler, Singeklub) zu erstrecken. Erneut stellte sich mir die Frage: Gab es wirklich eine allgegenwärtige Überwachung, auch in der Produktion, in der DDR? Selber wollte ich dies an Hand meiner eigenen Stasiakte überprüfen, bin dabei jedoch kläglich mit meinem eigenen »Wahrheitsfanatismus« oder vielleicht auch an den zu hohen Erwartungen, die ja auch von den Medien (Berichterstattung, Filme »Das Leben der anderen«) regelmäßig befeuert wurden, gescheitert, auch weil sich die BstU als desinteressierte, überforderte Behörde erwies, die die Antragsteller scheinbar nur für ihre Statistiken benötigte.
    Aber auch beim Film »Gundermann« könnte man der These: „… ein Melodram habe nicht allein der Wahrheit zu folgen, sondern vor allem den Gesetzen des Kinos.“ gefolgt sein, denn wie viel Gundermann wirklich im Film-Gundi steckt, ob es also vor allem um Botschaften ging, weiß ich natürlich nicht. Denn auch dieser Film spielt mit einigen Klischees: der IM, der seine Kritik ausgerechnet zur Stasi trägt; der IM, der die Agententätigkeit (Abenteuer) vor Augen hat; der IM, der seiner Singegruppe einen Auslandsauftritt ermöglichen will. Gundermann scheint sie alle zu bestätigen.
    Das die CIA an einigen Putschversuchen beteiligt war, das sich daraus auch ein eindeutiges Feindbild ergab, wird wohl kaum jemand bestreiten, befanden wir uns noch im »Kalten Krieg«, gibt es auch Bücher dazu. Nicht selten endete solche Einmischung in Militärdiktaturen. Gut kann ich mich noch an das Erstellen von Wandzeitungen und die Solidaritätsbekundungen mit Chile (Luis Corvalan) in der Schule erinnern. Dies war unser Weltwissen als Kinder. Unsere Überzeugungen gewinnen wir aus unserem Umfeld. Natürlich hätten Sie in diesem Zusammenhang auch kritisch feststellen können, dass ausgerechnet Che Guevara als Posterbild an der Wand im Jugendzimmer hing, dass die Jugend sich ihre eigenen Helden suchte, ganz und gar nicht im Sinn der Partei und doch sozialistisch. Genau über solche Widersprüche wollte ich selbst Auskunft geben, doch daran ist niemand wirklich interessiert, auch weil Analyse schnell in Selbstentschuldung abgleiten kann.
    Unabhängig von der Stasi-Erzählung fühlte ich mich in vielem an meiner Erfahrungen in der chemischen Produktion mit seinen Neubausiedlungen, Kulturhäusern und Singeklubs erinnert. Während Gundermann seinen Platz in der Produktion, fast zwanghaft, nicht hergeben wollte, konnte ich selbst nicht schnell genug aus der Chemie fliehen.

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    Ich habe den Film gesehen und war sehr irritiert angesichts der Einseitigkeit und Verklärung, der Sprachlosigkeit und dem ungeklärten Konflikt am Ende zudem noch in Verbindung mit dem Ostidentitätslied „hier bin ich gebor’n“. Dann habe ich versucht mich mit anderen zu unterhalten – eigentlich alle fanden den Film völlig in Ordnung, Gundermann toll, ehrlich, die Aussage differenziert. Auch die Kritiken im Netz sind voll des Lobes.
    Aber die Aussage ist nicht differenziert, sie verklärt und vereinseitigt. Ich bin sehr froh, Ihre Kritik, Herr Posener, gefunden zu haben, die mir sehr treffend erscheint. Ich frage mich, wie sehen echte Stasi Opfer diesen Film, warum gibt es keinen Protest aus „dem Osten“, dass die Geschichte hier so in der Einseitigkeit bleibt. Entweder wird eine Biographie erzählt, dann fehlen wesentliche Elemente und Fragen bleiben offen oder es wird symbolisch eine Geschichte erzählt, warum sind dann die Figuren so einseitig und undifferenziert. Wo gibt es ein echtes Opfer, wo jemanden, der wirklich auf Aufarbeitung besteht, warum wird durch die (tolle) Musik die Emotion des Zuschauers so gelenkt in die „ist schon in Ordnung“ Richtung.
    Der Film-Gundermann wird von allen, mit denen ich gesprochen habe als geradlinig, ehrlich und prinzipientreu wahrgenommen, der halt Fehler gemacht habe, aber diese ja einsehe und versuche, mit den Betroffenen aufzuarbeiten, was geschehen sei. Nein, es gibt im Film eine große Sprachlosigkeit und eine „Schwamm-drüber-Haltung“, die wirklich aufstößt. Vielleicht ist es ein Stück Realität, dass im Osten bis heute eben nicht darüber gesprochen wird, aufgearbeitet wird, aber das als Regisseur und Drehbuchautorin das alles so zufrieden zu inszenieren und das als „Ostsicht“ wahrzunehmen ist ja gerade Teil des Problems. Man hätte auch ohne Zeigefinger mehr echte Differenziertheit erzeugen können, das was der Film macht bleibt auf einer Pseudoebene.
    Danke für Ihre Filmkritik, dadurch fühle ich mich nicht so alleine!

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      Den Film selbst habe ich nicht gesehen, nur den Trailer, doch Alan Posener hat ja auch schon Bücher an Hand von Klappentexten kritisiert. Den Trailer fand ich toll, jeder Satz saß und machte neugierig. Nun warte ich auf die DVD. Vielleicht werde ich dann Ihre Meinung teilen. Vor 10 Jahren war ich noch heftiger Kritiker der »Ostalgie«, da wollte ich noch verstehen, warum sie in mir Abwehrreaktionen auslöste, dies obwohl ich mich nicht als Opfer der DDR sah. Auch damals kam die Ostalgie mit Musik daher. Ich glaube, es liegt auch daran, wie wir uns erinnern. Musik, die wir mögen und vielleicht kennen, löst in uns schöne Erinnerungen aus. Natürlich kann man diese Effekte auch ausnutzen, dann wandelt man auf dem schönen Schein und die Opfer werden brüskiert. Es gab natürlich auch Schönes zu erinnern. Diese Feststellung allein reicht dann aus, indem man den Menschen den Satz »Alles war ja nicht schlecht.« in den Mund legt, die DDR mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Auch dies löst dann bei mir Abwehrreaktionen aus. Als Kind wuchs ich in einer Opfergemeinschaft (nicht jüdisch) auf. Deren Botschaften sind nicht immer richtig, manchmal reaktionär, freiheitsfeindlich und rückwärts gewandt. Mich hat von Anfang an die Rolle des Opfers in der politischen Auseinandersetzung interessiert (damals und heute), deren Instrumentalisierung und Selbstinszenierung. Denn das Opfer kann schnell zum Statisten ((selbst-)ausbeutbares Objekt) in der politischen Auseinandersetzung verkommen. Allein der Opferbegriff wird heute ambivalent verwendet. https://www.deutschlandfunkkultur.de/ueber-die-konjunktur-des-opferbegriffs-zwischen-mitleid.1270.de.html?dram:article_id=414385 Auch die DDR hat Opfer produziert, viele (Doping, Politische) wurden inzwischen staatlich anerkannt.
      Ich könnte von meinem Leben in der DDR zwei vollständig gegensätzliche Narrative erzählen: von einer behüteten Kindheit, von beruflicher Förderung, vom „Friedenstaat“, der keinen Krieg vom Zaun brach und keinen Holocaust zu verantworten hatte, als Reaktion auf die Gleichsetzung. In meiner zweiten Erzählung würde ich von gesellschaftlichen und politischen Zwängen, Paternalismus, einem ehemaligen Mitschüler, der an der deutsch-deutschen Grenze starb, einer Freundin, die ins Gefängnis kam, weil sie in den Westen wollte, von der chemischen Industrie mit der Umweltzerstörung und der Zwangsarbeit und der Präsenz vom militärischem Denken und der Stasi im alltäglichem Leben berichten. Man muss schon Schriftsteller, Filmschaffender usw. sein, um ein solches Projekt in Angriff zu nehmen. Die Geschichte alleine reicht eben aus. Inzwischen gibt es einen Dokumentarfilm zum Grenztoten und ein Buch von Mark Schiefer über die Arbeit des MfS in der chemischen Industrie. Es wurde deren Geschichte erzählt. Nicht in einem umworbenen Kinofilm, aber immerhin.

      Das sogenannte Ostidentitätslied “hier bin ich gebor’n” kannte ich im Übrigen genauso wenig, wie den Sänger G. Gundermann. Ob ich es bei seinem Erscheinen gut gefunden hätte, weiß ich nicht. Wie G. Gundermann heute darüber denken würde, können wir ihn nicht mehr fragen. Eventuell würde er es peinlich finden.

      @Alan Posener: Man kann die Kritik von Alan Posener an den Filmen so sehen, doch kommt diese ebenfalls oft klischeehaft daher. Die Serie »Weißensee« fand er gut, ich auch. Mit der letzten Staffel von »Weißensee« hatten er es nicht so. Das war ihm wohl zu »kapitalismuskritisch«, als gezeigt wurde, wie die einfachen Leute über den Tisch gezogen wurden?

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    @Alan Posener: Es gäbe viel zur DDR oder die IM´s zu schreiben, allein es macht keinen Sinn, wenn die Urteile bereits gefällt und verkündet sind. Gundermann kannte und den Film kenne ich nicht. Dafür glaube ich einiges über den Umgang mit der DDR-Geschichte zu wissen. Egal. Ich möchte Sie bitte, meine Blockierung bei Ihrer Facebook-Seite aufzuheben, damit ich meine sämtlichen Texte dort löschen kann. Danach (48 Stunden später) können Sie mich gern wieder blockieren. Denn, das Mädchen lernte seine Rolle früh, es hat dagegen gekämpft und gibt nun die Niederlage zu.: Stefanie Heinzmann – The Unforgiven
    https://www.youtube.com/watch?v=HP0-wMUxW1o Kerstin U.

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        Viele Seite schrieb ich in meinem Tagebuch, um eine Antwort auf ihre Frage ringend, voll. Die Texte sind getränkt mit Traurigkeit, Wut und Selbstanklage. Dass Sie mich bei Facebook blockierten, nahm ich als Zeichen, fühlte ich mich schon lange, wie ein Stalker. Es musste endlich ein Ende haben. Im Film Gundermann, den ich später als DVD erwerben will, war ich nicht, weil Kinosäle, mit riesigen Leinwänden, auf meiner Liste zu vermeidenden Dinge gehören.
        Der Trailer zum Film »Gundermann« zeigt einen naiven, offen und sympathischen jungen Mann, einen der sich zunehmend am System reibt. G. Gundermann suchte nach der Aufdeckung seiner IM-Tätigkeit seinen Rückzugsraum am bekannten und vertrauten Ort. Was war daran falsch? Wer spricht ein gerechtes Urteil?
        Als ich begann mich mit einem Abstand von 20 Jahren noch einmal mit der DDR, zu beschäftigen und dazu einen Antrag auf Akteneinsicht bei der BstU stellte, da las ich zur Überbrückung der langen Wartezeit und aus Interesse am Thema »Juden und Antisemitismus in der DDR« das Buch »Ich sehe was, was du nicht siehst« von Anetta Kahane, jener Frau die von rechten Blogs, achgut.com und damit von ihrem Freund H. M. Broder als Pappkamerad diente, wenn es darum ging die »totale« Meinungsfreiheit in den sozialen Medien (Facebook) und damit die Verbreitung von Hassnachrichten zu verteidigen. Ob sich hinter der Wahl des Pappkameraden auch »Antisemitismus« verbarg, darüber dachte ich eine Weile nach. Da ich selbst einmal einem Anwerber der Stasi, eine ganze Stunde um eine Antwort ringend, gegenübersaß, wofür es in meiner offensichtlich ausgedünnte Akte keinen Beweis gibt, konnte ich die Erklärungen von Anetta Kahane gut nachvollziehen, weshalb ich sie manchmal verteidigte. Anetta Kahane hatte auch ihre Stasimitarbeit zunächst verschwiegen, dann jedoch das erwähnte Buch geschrieben und sich damit sogleich erneut zur politischen Arbeit empfohlen. Der Renegat findet sein Brot. Ich will damit nicht behaupten, dass bzgl. Rassismus und Antisemitismus in den neuen Bundesländern kein Aufklärungsbedarf bestand, trotzdem war ihre jetzige Tätigkeit angreifbar. Doch es scheint Unterschiede zu geben. Für mich ist Gundermann zugleich Täter und Opfer, nicht weil er später Auftrittsverbot bekam und eine Opferakte anhäufte, sondern weil man seine Ideale benutzte, die man uns auch in der Schule vermittelte, um ihn zur Stasimitarbeit zu motivieren. Ein bisschen Abenteuerlust war vermutlich auch dabei. An dieser Stelle, sollte ich wohl feststellen, dass man in der späteren DDR die operative Psychologie https://de.wikipedia.org/wiki/Operative_Psychologie anwandte. Wenig davon konnte man als DDR-Bürger zu jener Zeit sehen, dafür lasen wir Bücher, wie »Sonjas Rapport« als Pflichtliteratur. Immer, wenn später mal wieder ein »IM« enttarnt und der Stab über diesen gebrochen wurde, da erinnerte ich mich an dieses eine Gespräch, zunächst mehr als Gefühl glücklich davon gekommen zu sein. Jetzt können Sie mich auch hier blockieren.

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        Liebe Kerstin, ich weiß nicht, wer Sie sind, ich habe Sie auf Ihren Wunsch hin bei Facebook entblockiert, kann mich aber auch nicht erinnern, weshalb ich Sie blockiert habe. Vielleicht nehmen Sie sich ein bisschen zu wichtig?

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        Lieber Herr Posener,

        da schreibt die gute Dame einen sehr persönlichen Beitrag und Sie haben nichts anderes beizutragen als sie der Wichtigtuerei zu bezichtigen.

        Ich dachte Sie seien ein Gentleman.

        Mit besten Grüßen

        Ihr 68er

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        @Alan Posener: Das mag sein. Man soll sich nicht so wichtig nehmen, dass bekamen wir schon in der (DDR-)Schule beigebracht. Das berührt meine Affekte, da will ich Widerspruch einlegen. Egal. Ich erspare Ihnen die dazugehörige Erinnerung.
        Doch eigentlich war es umgekehrt. Ich nahm Sie, Alan Posener, (wie zunächst Ihren Freund H. M. Broder) zu wichtig. Nicht, dass Sie nicht wichtig wären, sitzen Sie ja in Fernsehsendungen und sind Journalisten bei Springer. Nein, ich nahm Sie beide in Ihrem Engagement gegen »Antisemitismus« zu wichtig für mich. Ich wollte verstehen, was er bedeutet, was in Deutschland passiert und was dies mit der DDR zu tun hatte. Welche Konsequenzen dies für mich und meine Familie hat.
        Ich hatte Angst. Ich hatte so viel Angst vor einer Wiederholung der Geschichte, dass ich hier 1 3/4 Jahre unter dem Name »Kerstin«, mir selbst Mut machend, kommentierte. Dies, obwohl ich eigentlich aller Politik entsagt hatte. Die Demokratie ist stärker als 1933 (als meine Familie in Emigration gehen musste) usw.. Dabei war ich mir nicht sicher, wohin die Reise eigentlich gehen sollte, auch die »DDR« wollte ich nicht zurück. Vielleicht können Sie ja meine Kommentare hier bei SM löschen, gab ich in meinem Willen zur Aufklärung unnötig viel Persönliches preis, weil ich es immer mit persönlichen Erinnerungen unterlegte. Woher diese Angst, zunächst vor dem »Antisemitismus« und später auch vor der »Islamophobie«, rührte, das hatte ich damals geschrieben. Ich war im Alter von 15 Jahren in der Gedenkstätte Auschwitz gewesen. Ich analysierte, was das mit mir gemacht hat und welchen Einfluss (oder auch nicht) dies auf mein Denken hatte. Vielleicht, wenn ich vor 10 Jahren den Blick zurück nicht gewagt hätte, wäre ich heute in einem bezahlten Job, anstatt ein Trauma wiederbelebt zu haben. Ich bin mir wichtig genug, dies einmal festzustellen. Der wichtigste Grund sich zu erinnern, sind allerdings die Kinder. Sie sollten von unseren Erfahrungen profitieren können.

        Als ich nicht mehr öffentlich kommentieren konnte, weil ich damit das Trauma ständig reanimierte, schrieb ich mein Tagebuch voll. Doch die äußeren Umstände bezüglich »Islamophobie« verschlechterten sich noch, trafen uns 2015 dann auch privat. Die Angst um meine Familie kroch durch meinen Verstand. Ich las, kommentierte und glaubte mich von Ihnen (@AP) verstanden, klammerte mich an Ihre Texte, wie eine Ertrinkende an einen Rettungsschwimmer.

        Ich nehme mich nicht wirklich wichtig, nur was ich zu sagen hatte, das war mir schon wichtig.

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        Sie sollten sich wichtig genug nehmen, liebe Kerstin, um wegen Ihrer Ängste professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Niemand sollte sich an die Texte eines Fremden „wie eine Ertrinkende an einen Rettungsschwimmer“ klammern. Wie sang schon Bob Dylan: „It ain’t me, babe.“

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        Was an „guter Dame“ herablassend ist, müssen Sie mir erklären. Das sind bei mir zwei Begriffe mit rein positiven Bedeutungen, ähnlich wie „Gentleman“.

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        Alles gut. Lesen Sie einfach die Beiträge. Ich bin da überfordert; da braucht jemand Zuwendung, nicht Auseinandersetzung. Nicht mein Job.

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        Prima Empfehlung. Die kommt allerdings Jahre zu spät. Ich weiß auch nicht, was einem ein Psychologe angesichts von über 20000 PEGIDA-Demonstranten und eines Verbalangriffes ins Private hätte beschönigen sollen.
        Diese Empfehlung sollten Sie dann jedoch auch gegenüber all jenen (auch Juden, besonders H. M. Broder) aussprechen, die hinter jeder Kritik immer wieder »Antisemitismus« erkennen, uns ständig auf den Weg in den 2. Holocaust sehen und damit den Resonanzraum für die Retraumatisierungen lieferten. Geht zum Psychologen, da wird Euch geholfen. Wahrscheinlich würden diese dann empört mit dem Hinweis antworten, dass die äußeren Umstände damit noch lange nicht beseitigt sind. Das Schwierige mit der sogenannten „Islamkritik“ war, fast alles ließ sich spiegeln und übertragen, so dass ich schon an eine (Teil-)Transformation von »Antisemitismus« in die »Islamophobie« dachte. Über diese äußeren Umstände und die Rolle von achgut (H. M. Broder, V. Lengsfeld) schrieb ich auf Ihrer Facebook-Seite, nicht wissend, ob Sie es je gelesen haben. In guten Stunden rechnete ich diesen Affektjournalismus (H. M. Broder, V. Lengsfeld) einem Trauma zu, ansonsten konnte ich darin nur Manipulation des Lesers zum speziellen Zweck sehen. Nun habe ich ja meine Texte auf Facebook gelöscht.
        Jetzt können Sie sich Wichtigerem widmen.

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        @Alan Posener: Einmal „spielte“ ich sogar selbst in einem echten DDR-Film über meine Schulklasse mit. Ich war jedoch in der Endfassung nur noch als Statist zu sehen. Der Fernsehfilm schien mir ein Zeitdokument (Original DDR) dafür zu sein, welches Selbstbild die DDR (Berufswahl, Erinnerungskultur in der politischen Bildung, Freund und Feind) hatte und wie wir aufs Leben vorbereitet wurden. Ich dachte früher, dass dies auch Ihr Thema sei.
        Es ist schwer in Zeiten, da eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad gefordert wird, das Thema Erinnerungskultur, sei es nur die der DDR, anzusprechen. Heute, so wurde mir aus berufenen Mund beschieden, gäbe es ja den »Beutelsbacher Konsens«.
        Über den Film wurden damals im ND berichtet. Den Originaltitel weiß ich leider nicht mehr. Ich finde »Gefühlsstau« (Prof. Maaz) wäre wohl ein Passender.

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    Liebe Frau Frommel,
    lieber AP,

    ihren Aussagen muss ich mit der gebotenen Höflichkeit widersprechen. Die von ihnen als Nazis bezeichneten waren bloße Mitläufer.
    Das ist angesichts der von Beginn an gezeigten Realität nicht einmal besonders verwerflich.
    Mit dem harten Kern an Nazis dürften weder Sie, lieber AP, noch ihr werter Herr Vater auch nach 45 wenig Kontakt gehabt haben.
    Glauben Sie mir einfach.

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      Lieber PP, es gibt ein deutsches Sprichwort: „Mitgegangen, mitgehangen“. Ihre Unterscheidung zwischen Mitläufern und einem „harten Kern“ in der NSDAP ist willkürlich. Meinem Vater begegneten nach 45 nur angebliche Mitläufer. Nur hat er ihnen in den meisten Fällen, da er ja vor 33 auch schon da gewesen war, kein Wort geglaubt. Woher Sie es angeblich besser wissen, verraten Sie nicht; deshalb werde ich den Teufel tun, Ihnen „einfach zu glauben“.

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    Wie würde es wirken, wenn man den Nazi 33 als normalen, im Zeitgeist verhafteten Menschen zeigen würde? The great femine war gerade 3 Generationen her, Millionen Chinesen waren Opiumsüchtig, Belgien hat abgehackte Hände als Inspiration für Schokospezialitäten genutzt, vor einer Genration sind Millionen Menschen im Graben verreckt, das Arbeiterparadies war eine Todesfabrik, die Eugenik in den USA. Und fast nichts davon konnte man in Friedenszeiten als Durchschnittsbürger sehen. In der Umgebung fällt das Schwadronieren leicht und es wurde schwadroniert, was das Zeug hält. Dabei geht es nicht um den NS, sondern um eine Umgebung, die Brutalität und Rücksichtslosigkeit als Instrumente der Gesellschaftsbildung nicht nur anerkennt, sondern auch permanent theoretisch durchspielt. Nicht immer und alle, klar. In dieser Atmosphäre des allgemeinen Irrsinns, bei der sich krude Theorien am Fließband abwechselten, könnte das Geheimnis des netten Nazis liegen. Er war 33 nicht irrer als der Durchschnitt.

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    Liebe Frau Frommel,
    lieber AP,
    70 Jahre nach Kriegsende sollte eine entideologisierte Debatte möglich sein.
    Niemand macht heute die Russen für die Völkermorde an Ukrainern, Tataren oder Wolgadeutschen verantwortlich. Es ist allgemein anerkannt, dass die Russen selber am stärksten unter der sozialistischen Diktatur gelitten haben.
    Für uns Deutsche sollten wir keine anderen Standards akzeptieren.
    Warum greift diese Erkenntnis bloß so langsam Raum in Deutschland?

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    Tja, erst taten die Alt-Nazis so, als seien sie „verführt“ worden, und nun wird die Sehnsucht nach der Opferrolle verfilmt, also plausibel inszeniert. Die Falschheit beider Positionen vereint die Deutschen nun auf groteske Weise.

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    Hallo Herr Posener!

    Warum wird immer der Begriff Nationalsozialismus verwendet?
    Ist es nicht eine Wortschöpfung der Faschisten?

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      Ist das eine ironische Frage? „Antisemitismus“ ist ja auch eine Wortschöpfung der Antisemiten, „Faschismus“ eine Wortschöpfung der Faschisten, „Bolschewismus“ eine Wortschöpfung der Bolschewisten usw. usf.

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    EJ: ‚Die Verbrechen des Kommunisten sind in gewissem Sinne verzeihbar, weil bzw. insofern sie “das (moralisch) Gute”, den “guten Menschen” zum Ziel hatten. Der Täter war optimistischer Idealist. Insofern taugt er zur Identifikationsfigur und zum Sympathieträger, zum Heiligen geradezu.‘

    … klar, dass Kommunisten sich selber verzeihen. Das müssen sie auch, EJ, die sitzen ja noch im Deutschen Bundestag. Ich sehe die linkssozialistische Ideologie als besonders infam, gerade weil sie das “das (moralisch) Gute”, den “guten Menschen” vorgaukelt. Wolf Biermann hat das erkannt. Die Opferzahlen sind der Beweis. Jesaja meinte in 5,20 dazu: ‚Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen, die das Bittere süß und das Süße bitter machen.‘

    Einzig kindlich/jugendlicher Idealismus, der indoktriniert wurde und wird, ist verzeihbar nachvollziehbar.

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    Lieber AP,
    „Ein sympathischer Nazi geht nicht. Oder noch nicht?“
    Nein, das geht wirklich nicht. Sie scheinen nur rudimentäre Kenntnisse über das Leben im Dritten Reich zu besitzen.
    Die SS war ein Staat im Staate, der man am Besten aus dem Weg ging, und der die meisten Deutschen auch aus dem Weg gingen. Bis Kriegsbeginn waren immerhin mehr als 100.000 Deutsche in KZs interniert worden. Witze waren ein sicherer Weg in eines dieser Lager. War Ihnen dies nicht bekannt?

    Auch das Leben in der SED war bei weitem nicht so freundlich, wie es gerne von unverbesserlichen Linksextremisten dargestellt wird.
    Die DDR war ein Unrechtsstaat, der seine Bürger schon mal an der Zonengrenze verbluten ließ.

    Nichtsdestotrotz bleibt es den Künstler unbenommen, die Dinge darzustellen, wie sie es für richtig halten, es muss ja nichts mit der Realität zu tun haben.

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      Lieber PP, ja, ich habe nur „rudimentäre Kenntnisse über das Leben im Dritten Reich“, weil mein Vater 1933 emigrierte und ich erst 1949 geboren wurde. Mein Vater kannte einige sympathische Nazis, sprach oft und schrieb auch darüber. Lesen Sie zum Beispiel: „In Deutschland“, über seine Zeit als Besatzungsoffizier. Mein Schwiegervater war von 1932 bis 1945 Parteimitglied, und obwohl ich ihn nicht kannte, sagen alle, die ihn kannten, dass er ein herzensguter Mensch war. Sie mit ihren tiefgründigen Kenntnissen scheinen die Legende verbreiten zu wollen, die Nazis seien Aliens, die hier gelandet sind und die Deutschen unter ihre Knute gezwungen haben. Es war nicht so.

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        Ach, PP, und von den „100.000 Deutschen, die bis 1939 in KZ interniert worden waren“, gehörten auch jene 30.000 Juden, die nach der Kristallnacht ins KZ kamen. Laut Wikipedia bestand nach den ersten wilden Festnahmen zigtausender politischer Gegner 1933, von denen die meisten wieder frei kamen, die KZ-Bevölkerung hauptsächlich aus „Asozialen“ (allein 10.000 bei einer einzigen Aktion), „Arbeitsscheuen“, mehrfach vorbestraften Kriminellen, Homosexuellen und Zeugen Jehovas. Politische Gegner des Regimes – hauptsächlich Kommunisten – machten kaum mehr als 7.000 aus, und wegen eines Witzes kam man nicht ins KZ. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Das erzählten die Deutschen später, um den Mangel an Widerstand zu rechtfertigen. Eine Zwecklüge.

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    Der tragische Irrtum (die unschuldige Schuld, schuldige Unschuld) hat in unseren Breiten uralte Tradition. Iphigenie müssen wir zwar vielleicht „studieren“. Die christliche Version ist uns aber völlig selbstverständlich.

    Die Verbrechen des Kommunisten sind in gewissem Sinne verzeihbar, weil bzw. insofern sie „das (moralisch) Gute“, den „guten Menschen“ zum Ziel hatten. Der Täter war optimistischer Idealist. Insofern taugt er zur Identifikationsfigur und zum Sympathieträger, zum Heiligen geradezu.

    Nazis wollten genau das nicht, auch gerade ihrem Selbstbild nach nicht: Idealist sein. Sie meinten pessimistische Realisten zu sein, wollten nicht „das Gute“, sondern die überlegene Macht (des Führers, des Volkes, der Rasse, der Nation) erlangen und – mit denselben Methoden, Mitteln – gegen jedermann auf Dauer behaupten. Das Ziel des Kampfs ums Dasein war das Überleben: die Fortsetzung des Kampf ums Dasein.

    Nach der „Endlösung“ war für Nazis Weg und Ziel identisch. Kampf, ad infinitum! Insofern waren sie absolut modern. Ein Film ohne Anfang und ohne Ende, ein Film nach dem Ende der Geschichte. Ein Dauer-Drama ohne Dramaturgie. Die ewige Wiederkehr des Gleichen. Das B-Movie in Endlosschleife.

    Kommunisten waren demgegenüber absolut von gestern. Für Kommunisten führte der (eigene und der anderen zugemutete) Leidensweg, das Kreuz, zum Heil, zur Erlösung: descendit ad inferos … ascendit ad caelos. Das hat Anfang und Ende. Das lässt sich verfilmen. Als langweiliger (linientreuer) Kitschfilm mit Happyend. Aber auch anspruchsvoll und spannend als tragischer Irrtum – als Kreuz.

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    Vielleicht können wir den „sympathischen Nazi“ nicht darstellen, weil „Nazi“ als etwas Außermenschliches stilisiert und damit abgespalten wurde. Menschlich bzw. psychologisch nachvollziehbar aber wohl kaum realistisch, wie z.B. Reich-Ranicki in einer dieser Literatursendungen treffend bemerkte:“Natürlich war Hitler ein Mensch und kein Elefant..“.
    Erwartbar wurde auch an dem Film ‚Der Untergang‘ (Darsteller Bruno Ganz) vor allem kritisiert, daß Hitler darin als zu menschlich dargestellt wurde.
    Natürlich gelingt es eher, einen IM sympathisch zu inszenieren, weil real zwischen dem DDR-Unrechtsregime und der NS-Tötungsbürokratie und -Industrie ein nicht nur quantitativer Unterschied besteht. Die weitaus größere – abgespaltene – Scham über letztere verhindert seit Jahrzehnten weitere Aufarbeitung des NS-Regimes: Rechte fordern die „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ und Linke wollen mit „Willkommenskultur“ und dem Propagieren der moralischen Supermacht kompensieren und auf beiden Seiten das offensichtlich unstillbare Bedürfnis, Ländern, wie den USA, Frankreich, Großbritannien, Israel ihre imperialistischen Verbrechen und Apartheid vorzuwerfen.
    Diese Abspaltung ist auf Dauer nicht gesund und nützt auch niemandem, außer einer sich verbreitenden Schein-Moralität und Überheblichkeit.
    Der Frage, warum es den sympathischen Nazi-Protagonisten im Film nicht geben kann / darf / oder doch geben sollte usw. wird nur dann zu beantworten sein, wenn man sich von diesem (allzu) bequemen Nazi=Monster -Klischee wieder löst und weiter aufarbeitet. Also nicht ‚Wer war/ist ein Nazi, sondern wer hat sich wie schuldig gemacht und welche persönliche Befindlichkeit führt zu solchem Verhalten.
    Angenähert hat man sich in der Filmkunst doch bereits ‚Nazi‘-Protagonisten, bzw. besser Protagonisten dieser Zeit, aufrichtig mit Petersens ‚Das Boot‘, oder eben Spielbergs ‚Schindlers Liste‘, wenn auch Schindler ein eher unumstrittener Held ist. Die deutschen TV-Produktionen ‚Unsere Väter unsere Mütter‘, sowie der durchaus spannende Roman ‚Das kalte Blut‘ erscheinen mir zu voll mit Klischees, was aber ja schon oft so befunden wurde.

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      Ja, so etwa sehe ich das auch, Klaus J. Nick. Hitler kann man nicht mehr menschlich darstellen, aber Charlie Chaplin konnte das noch. Da war der Holocaust noch undenkbar. Und nun nehmen wir „Berlin Babylon“: 1929 wissen auch die Nazis selber nicht, was sie anstellen werden. Da wäre es schon möglich, einen idealistischen Nazi zu zeigen, der gar nicht so anders reden würde als ein AfDler heute…

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    Warum es möglich ist, einen Kommunisten sympathisch darzustellen, während dies bei einem Nazi nicht gelingt ?
    Vielleicht, weil man beim Kommunismus im Gegensatz zum Nationalsozialismus nicht ständig und ausschließlich mit den Verbrechen konfrontiert wird.
    Gibt es auch nur einen einzigen Hollywoodfilm, der sich mit den Verbrechen Stalins, Maos und anderer Kommunisten befaßt ?
    Mir fällt nur „Kiling Fields“ ein, ein großartiger Film, aber nicht vergleichbar mit der Massenwirkung von Filmen wie „Schindlers Liste“ oder der Fernsehserie „Holocaust“, es gibt ja kaum ein Jahr, in dem kein Film erscheint, der die Nazi-Verbrechen thematisiert.
    Dazu kommt, daß viele Film- und Kulturschaffende dem Kommunismus sympathisierend oder gleichgültig gegenüber stehen, während der Nazismus wenig Sympathie und viel Ablehnung erfährt.
    Eine Ausnahme gibt es vielleicht in der Filmgeschichte:
    In „Inglourious Basterds“ sind die von Christoph Waltz und Daniel Brühl gespielten Nazi-Figuren weitaus sympathischer dargestellt als die von Til Schweiger und Brad Pitt dargestellten Nazi-Gegner.

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        Lieber Alan Posener,

        vielen Dank für die Liste, die ich so noch nicht kannte.
        Einige der Filme kannte ich schon, und möglicherweise wurde der Antikommunismus in Toy Story 3 und Captain America: Civil War zu subtil behandelt und deshalb von mir nicht als solcher erkannt. Auch in anderen Filmen muß man den Antikommunismus schon suchen oder hineininterpretieren, während Anti-Nazi-Filme sehr leicht als solche erkennbar sind.
        Außerdem ist die Liste recht kurz und bestimmt nicht vollständig, The Killing Fields fehlt zum Beispiel.
        Eine wirklich aufklärerische Aufarbeitung der kommunistischen Massenverbrechen in den populären Massenmedien steht immer noch aus, selbst der Archipel Gulag von Solschenizyn wurde mehr im Feuilleton gefeiert als wirklich gelesen.

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    … nicht wenige IM (informelle Mitarbeiter der Stasi), waren ertappte Kleinkriminelle, die, beispielsweise in Volkseigenen Betrieben, durch Diebstahl aufgefallen sind und dann von der Stasi, für einen Straferlass zur Bespitzelung anderer ‚überredet‘ wurden. Andere IM haben den ‚Zeitgeist‘ genutzt und sich aus Machtgründen selber überhöht. Idealisten, die tatsächlich glaubten für eine bessere Welt etwas tun zu müssen, habe ich, zumindest bei Anhängern der sozialistischen Ideologie, nicht kennengelernt. In ganz Deutschland nicht. Das ‚Informationszeitalter‘, ist, nach meiner Meinung, das Ende der sozialistischen Ideologie. Die Genossen haben das nur noch nicht begriffen.

    Den Verrat innerhalb der Familie habe ich bis heute nicht verstanden.

    Wie schon mal geschrieben, eine Diktatur besteht aus Begünstigten. Der Rest, die Mehrheit, sind Befehlsempfänger mit – leider – nur wenig ‚Befehlsverweigerern‘.

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    Lieber Herr Posener,
    Ich sehe Ihren Beitrag hier als Anregung, den Film anzuschauen. Zu Ihrer Aussage, im Kino gäbe es keinen „sympathischen Nazi“ könnte ich Ihnen die Figur des Nazis und Verbrechers Albert Speer im Film „Der Untergang“ verweisen. Obzwar dessen Untaten im „Dritten Reich“ zur Entstehungszeit des Films hinlänglich bekannt waren, feierte dessen erfolgreiche Selbststilisierung als „verführter Bürger“ (H.Schwendemann) und unpolitischer Technokrat auch mit Hilfe des Spiritus Rector des Films, J. Fest, einen späten Triumph. Insofern stimmt Ihre Aussage nicht ganz.
    Viele Grüße
    S. Trute

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      Ja. Das ist eine Empfehlung. Der Punkt bei Albert Speer ist eben, dass er, wie Sie sagen, als „verführter Bürger und Technokrat“ dargestellt wurde, nicht als der Nazi, der er ja war. Was mir fehlt, ist der leidenschaftliche Nazi, der Identifikationsfigur wird. Es geht nicht, ich weiß, aber warum geht dann der Kommunist?

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        Lieber Herr Posener,

        der „gute“ Kommunist geht hier in Deutschland, weil „wir nicht so nah dran waren“. Für den „gemeinen Ostdeutschen“ und noch mehr für „den Wessi“, sind die Gulags nur aus Erzählungen bekannt. Das normale Leben für den durchschnittlichen angepassten Bürger der DDR war aber, gerade nach der Wende, gar nicht so schlecht. In meiner Jugend hat ja auch immer die Sonne geschienen. Ich glaube das Leben in der DDR war für die meisten zwar unfreier als heute, aber in keiner Weise vergleichbar mit dem was im kollektiven Gedächtnis zurecht mit er Nazizeit verbunden ist.

        Im übrigen gab es leidenschaftliche Nazis, die früh enttäuscht wurden und ausstiegen. Spätestens nach der Reichsprogromnacht gibt es für mich aber keine gutmeindenden Nazis mehr. Wer danach noch mitgemacht hat, war solange er weiter mitmachte ein Schuft, egal, ob er später noch im Widerstand war und egal wie er gestorben ist.

        In der ganz frühen Zeit der NSDAP gab es dort wirklich sozial bewegte Leute, die aber, schnell merkten, was das für ein Verein war und enttäuscht ausstiegen. Das kann man keinem vorwerfen.

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        Lieber 68er, ich würde Ihnen nur halb zustimmen, aber immerhin halb. Den meisten Leuten (wenn sie nicht Juden waren oder im Widerstand) ging es in Nazideutschland vergleichsweise besser als in der DDR – bis zum Angriff auf Russland und dem Beginn der Flächenbombardements der Engländer und Amerikaner. Ich sage es ungern, aber ich kann verstehen, wie jemand, der – wie Sie es beschreiben – als junger Mensch für die Nazis war, dann enttäuscht oder angewidert ist, dennoch bis zum Schluss kämpft, weil er glaubt, es den Vaterland schuldig zu sein. Es ist halt alles nicht so einfach – und ändert nichts am historischen Urteil über das Naziregime.

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        Der Kommunist kann deshalb zu einer Identifikationsfigur werden, weil die dazugehörige Ideologie besser ist (= zur Identifikation geeigneter ist). Sie ist eine egalitäre Ideologie, im Gegensatz zur nicht-egalitären Ideologie der Nazis. Eine nicht-egalitäre Ideologie führt automatisch zu unsymphatischen Standpunkten („Ich bin etwas Besseres“). Rinks und lechts kann man zwar trotzdem velwerchsern, aber das liegt am Auge des Betrachters.
        Wie siehts denn eigentlich mit Oskar Schindler aus? Der ist ja am Anfang des Films zwar kein überzeugter Nazi, aber trotzdem zumindest ein Geschäftsfreund. Er macht gern mit den Nazis Geschäfte und lässt sich das Luxusleben unter Nazis gefallen. Gerade weil das so ist, bekommt der Film, während sich seine Hauptperson ändert und moralisch zu empfinden beginnt, eine so starke emotionale Wucht

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        Es gibt diesen „Spruch: „Wer mit 20 nichts links ist, hat kein Herz, wer mit 40 noch immer links ist, hat keinen Verstand.“ Dieser Spruch beantwortet, wieso ein Kommunist einen guten Filmhelden abgeben kann. Helden sind meistens jung, haben ein großes Herz und benötigen nicht so viel Verstand. Als Nazi hat man weder Herz noch Verstand.

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        Lieber Roland Ziegler, Sie vergessen, dass die Nationalsozialisten eine Jugendbewegung darstellten, und dass sie ihre frühesten Erfolge unter der akademischen Jugend hatten. Ich rede mir in Deutschland den Mund fusselig, den Deutschen etwas zu erklären, was alle anderen Nationen wissen: die NS-Ideologie war in Deutschland bis 1945 beliebter, als es der Kommunismus je war und wurde. Warum? Wenn wir das nicht begreifen, dann begreifgen wir nichts.

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        …und nco heine Bemerkung, ohne den Film gesehen zu haben: Weil der Kommunismus wie gesagt die bessere Ideologie ist – mit der man sich als Filmheld und Zuschauer viel besser identifizieren kann – kann er seine Anhänger umso einfacher verführen und korrumpieren, so wie auch der Gundermann offenbar verführt und korrumpiert wurde. Der Film scheint diesen Zusammenhang: „starke, einnehmende Ideologie -> moralische Korruption z.B. durch Petzen“ leider nicht zu zeigen.

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        Man schaue sich nur einmal an, wie alt Hitler und Co. zum Zeitpunkt der „Machtergreifung“ 1933 waren:

        Hitler 43
        Göring 40
        Rosenberg 40
        Heß 38
        Goebbels 35
        Bormann 32
        Himmler 32
        Hans Frank 32
        Heydrich 29
        Speer 28
        Schirach 25

        Und Hitler und Goebbels setzten mit ihren Jugendorganisationen auch ganz gezielt darauf, die Jugend aus dem hergebrachten Werte- und Sozialsystem zu lösen. Ähnliches geschah ja auch im „real existierenden Sozialismus“. Der Versuch des Staates schon in der Krippe Zugriff auf die die Kinder zu bekommen und sie so direkt „einzunorden“.

        Und anders, als es oft dargestellt wird, war auch der Nationalsozialismus im Ansatz, d.h. für die eigenen „Volksgenossen“, eine egalitäre Ideologie. Der Nationalsozialismus packt die Jugend daher von zwei Seiten. Auf der einen Seite werden innerhalb der „Volksgemeinschaft“ die jugendlichen Ideale der Solidarität und Gleichheit bedient, durch die Heraushebung der „arischen Rasse“ wird gleichzeitig aber auch das jugendliche Bedürfnis nach besonderer Geltung und Distinktion bedient. Ein ziemlich perverses System. Besonders interessant finde ich dabei, dass die Leute nach 1945, ausser vielleicht im direkten familiären Umfeld, zu 99,99 Prozent unauffällig blieben und auch in der BRD „funktionierten“ ohne groß aufzufallen. Sie haben dabei aber in vielen Bereichen mit dem Sediment ihrer Sozialisierung unsere Gesellschaft geprägt. Gerade im juristischen Bereich ist da noch viel zu spüren, ich glaube auch im Gesundheits- bzw. Ärtztebereich, in dem, nach dem was ich so mitbekomme, teilweise noch ziemlich autoritär und obrigkeitsorientiert funktioniert.

        Was die Behauptung von Herrn Posener angeht, weiß ich nicht, ob es wirklich stimmt, dass es den Leuten in der DDR schlechter ging, oder sie unzufriedener waren, als zur Anfangszeit des Nationalsozialismus. Das ist ja alles ziemlich relativ. Viele fühlten sich gegen Ende der DDR sicherlich gegenüber den Westdeutschen benachteiligt, aber wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ging die Lebenszufriedenheit bei denen, die nach 1989 nicht den Anschluss fanden noch weiter in den Keller. Aber was wohl stimmt, ist dass die „Bewegung“ dazu geführt hat, dass eine Art Hype wie vielleicht heute auch in den USA bei denen entstand, die glaubten, durch die Starke Hand des „Führers“ werde am Ende alles gut. In den USA soll es ja auch schon ein paar neue Jobs in der Kohleindustrie geben und selbst der durch die chinesischen Zölle gebeutelte Farmer steht erst einmal noch hinter Trump. Das Problem ist aber, dass die Subventionen an die Farmer nur eine gewisse Zeit finanziert werden können. Wie Hitler das Problem gelöst hat, ist ja allgemein bekannt… Mal schauen, was heute bei den Midterms rauskommt.

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        Eben, 68er: Eine egalitäre Bewegung, wie Sie sehr richtig schreiben, eine Jugendbewegung auch, und, ja, ein durch und durch perverses System. Einer der Wenigen, der sich überhaupt dem gestellt hat, war Günter Grass.

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        Warum die NS-Ideologie damals unter den jungen Deutschen so beliebt war, ist eine andere Frage. Es war jedenfalls eine Ausnahme, in der Regel ist die Nazi-Ideologie unter jungen Leuten nicht beliebt. Weder in Deutschland noch anderswo. Was ja auch kein Wunder ist. Deswegen eignen sich ihre Vertreter nicht zu Filmhelden (höchstens zu Saulus-Paulus-Helden wie Schindler). Bei den Kommunisten ist es etwas anders, die eignen sich, wie man an Gundermann sieht, trotzdem zu Helden, trotz der historischen Verbrechen der Linken. Allerdings auch nicht, wenn sie glatte, stolze Links-Ideologen sind, sondern sie müssen gebrochen sein, so wie Gundermann.

        Seine Verse, die Sie oben zitiert haben, sind ja wirklich bemerkenswert: “Sie sagen / Du hast mich belauscht / doch außer Dir hat mir nie einer zugehört / und schneller als das Wasser rauscht / hab’ ich dir meine paar Geheimnisse diktiert“. Das sagt einer, der Lauscher war. Und er weiß auch, dass es eine Sauerei war. Man kann aber eben Filmheld sein, obwohl man Sauereien getan hat. Gerade dann. Wobei in diesem Film anscheinend die real existierenden Sauereien arg abgeblendet werden, wie Sie ja kritisieren.

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        Ja klar, lieber Roland Ziegler, ich rede von damals. Der Faschismus in Italien, die NS-Bewegung in Deutschland. Lesen Sie Stefan Zweig, „Revolte gegen die Langsamkeit“ (1930), wo er den Erfolg der NSDAP als eine „vielleicht nicht kluge, aber im Innersten natürliche und durchaus zu bejahende Revolte der Jugend gegen die Langsamkeit und Unentschlossenheit der ‚hohen‘ Politik“ bezeichnet.

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        @68er: Die Nazis waren nach „Innen“ auch nicht egalitär, denn da gab es ganz oben den Führer und darunter dann allerhand Ober-, Mittel- und Untersturmbannführer usw., deren Urteile & Meinungen absteigend wertloser wurden -, aber man darf vor allem die Bedeutung des „Außen“ nicht unterschätzen. Die Nazis ziehen eine Grenze: Drinnen sind die hochwertigen Arier, draußen der ganze „Abschaum“. Die „sozialistische Internationale“ zieht keine solche Grenze. Dies ist der Unterschied zwischen egalitär und nicht-egalitär. Das allgemeine Filmpublikum findet Leute, die sich für hochwertige Arier und daher für etwas Besseres halten, nicht gut. Das sind keine historischen Gründe, sondern liegt in der Natur der Sache.

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        Allenfalls müsste man umgekehrt argumentieren: Nicht die Nazis waren egalitär, sondern der real existierende Linkssozialismus war ebenfalls nicht-egalitär, d.h. korrupt von Anfang an. Das ist auch das Problem, das Gundermann, wenn ich es richtige verstehe, mit der DDR und seinen Stasidiensten hatte.

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        Ein Teil der gesuchten Antwort auf die Frage nach dem Erfolg der frühen Nazis ist vermutlich, dass man den jungen Leuten früher ihr „Herz“ – d.h. z.B. ihre Mitmenschlichkeit, Emotionalität, Empathie – dem noch der Urdeutsche Schopenhauer seine ganze Philosophie verschrieben hatte – so restlos ausgetrieben hat. Im Elternhaus, in der Schule und auch in der ganzen Kultur (man schaue sich z.B. den üblen Tonfall in den Zeitungen der Weimarer Republik an). Auch die frühen Nazis hatten schon weder Hirn noch Herz und hätten (unter freien Marktbedingungen) nie einen vernünftigen Filmhelden zustande gebracht.

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    Hallo Herr Posener, dieser Text hat mich auch noch einmal zum Nachdenken gebracht. Beim ersten Mal hat mich die Atmosphäre des Films überwältigt. Beim zweiten Mal blieb auch bei mir tatsächlich ein schaler Beigeschmack, so dass ich sagte: „Gut, es reicht jetzt mit Gundi“. Mit Ihrem Text haben Sie dieses Unbehagen in Worte gekleidet: Die Opferstilisierung des Täters. Vielleicht haben mich deshalb auch als Ossi, der zur Wende 19 war, die Texte nie wirklich interessiert – ich teilte dieses Lebensgefühl nicht. Obwohl ich dieses „Wir“ schon sympathisch fand, aber auch eben ein wenig fremd. Im Osten waren Stasileute und Parteileute für mich stets suspekt, Singeklubs ebenso. „Gundi“ ist ein toller großer Poet, aber eben auch ein Musiker, der unbedingt Erfolg wollte – und er lebte voll und ganz in seinem System. Ich sah aber schon mit 16, 17 dass es da draußen vor der Mauer noch was ganz anderes gibt. Die Sehnsucht nach dort draußen – die Suche ich in seiner Musik vergebens. Die Mugge klang auch damals längst nicht so gut, wie jetzt in dem Film, sie war eben richtig ossig produziert – selbst noch in den 90ern. Die Musik im Film lässt Gundermann so unglaublich heutig klingen – eine bequeme und kuschelige Lüge.

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    „Ein SA-Mann, der sagt: „Klar bin ich für die Reinheit unserer Rasse und den Aufbau der Volksgemeinschaft, aber doch nicht so, Herr Obergruppenführer …“ irgendwie nicht, selbst wenn er sich ansonsten wenig zuschulden kommen lässt.“
    Man könnte die Erinnerungskultur um die Operation Walküre und des militärischen Wiederstandes als genau das sehen.

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      Jjjaaa, daran habe ich auch gedacht. Aber die Männer haben dafür auch den höchsten Preis bezahlt, darum stimme ich dem Text zu, der auf dem Mahnmal im Hof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand steht:
      „Ihr trugt die Schande nicht
      Ihr wehrtet Euch
      Ihr gabt das große
      Ewig wache
      Zeichen der Umkehr
      Opfernd Euer heißes Leben
      Für Freiheit
      Recht und Ehre“

      1. avatar

        Lieber 68er, wer mit dem Leben für den Widerstand zahlte, der „trug die Schande nicht“. Auch nicht der Abenteurer und Antisemit Helldorf. DER wäre übrigens ein Film wert.

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        Und was ist mit Arthur Neben, der hatte wohl mehrere tausend Juden auf dem Gewissen. Ziemlich hoher Kriminalbeambter, glaube im RSHA. Dem wurde von Ihrem „Kollegen“ Augstein 1949/50 im damals noch teil-braunen SPIEGEL in einer 30-teiligen Serie ein PERSIL-Loorbeerkranz geflochten. Ziemlich ekelhaft. Hab beim googeln, glaube in der ZEIT einen Artikel zum 50 Jahrestag gefunden, in dem, wenn Ich mich richtig erinnere, ein Sohn von Stauffenberg gefordert hat, vor dem Jubiläum müsste eine Ausstellung über das NKFD in der Gedenkstätte beendet werden, den das sei kein Widerstand gewesen, Widerstand hätte man nur in Deutschland leisten können und nicht, wie z. B. Thomas Mann im Exil.
        Was mich an der ganzen Sache stört, ist die gezielte Propaganda der damaligen „Qualitätsmedien“ die eine Legende des ehrbaren Widerstands gestrickt hat und mit allen Mitteln davon ablenken wollte, dass der eigentliche Widerstand bereits 1933 inhaftiert, erschlagen und in die ersten KZ gesteckt würden. 1933 als die meisten der Verschwörer vom 20. Juni noch „Sieg Heil!“ rufend auf die große Karriere hofften. Das hat ja auch ganz gut geklappt. Von Stauffenberg haben die meisten Leute mal was gehört, aber wer kennt schon Erich Mühsam oder wer kennt einen der Sozialdemokraten, Gewerkschafter oder Kommunisten, die vor 1933 Widerstand geleistet haben und dann nach der“Machtergreifung“ ermordet wurde?

        https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Todesopfern_des_nationalsozialistischen_Terrors_während_der_Machteroberungsphase_1933/1934

        Wer Arthur Neben zum „Widerstand“ rechnet, schlägt damit denjenigen ins Gesicht, die 1933/34 Freunde oder Familienangehörige durch den braunen Terror verloren haben. Ich sehe nur graduelle Unterschiede zwischen Neben in Himmler, der ja bekanntlich, das nahende Ende vor Augen, glaubte, via Bernadotte einen Friedensvertrag schließen zu können und sogar mit Norbert Masur vom WJC verhandelt hat. Dafür wurde er zwar nicht zum Tode verurteilt, aber immerhin von Hitler aus der Nsdap ausgeschlossen und allen Parteiämtern enthoben. Nach der gängigen 20. Juli Legende war dann Himmler auch ein Teil des Widerstandes??

        By the way, ich konnte auf meinem Smartphone gerade auf der Yadvashem.org Seite nur eingeschränkt suchen, aber wenn ich es richtig gesehen habe, wird dort der linke Widerstand um 1933 auch unter den Tisch gekehrt, sogar mit dem Kollateralschaden, dass der Jude Erich Mühsam zumindest über die normale Suchfunktion nicht zu finden ist. Aber wenigstens erhält Arthur Neben dort seine verdiente Ehrung (Sarkasmus-Modus aus):

        https://www.yadvashem.org/untoldstories/Documents/Perpetrators/Nebe_Arthur.pdf

        Um wieder zu Gundermann zu kommen, hier wird aus politischen Gründen gezielt mit zweierlei Maß gemessen. Die politischen Untaten der Nazis stehen auf einer ganz anderen Ebene wie die Verbrechen von Mielke, Honecker, Ulbricht und Co. Aber Herr Gundermann wird trotzdem mit dem Verhalten der Deutschen „nach 1945“ von Herrn Posenee verglichen. Und das ist aus meiner Sicht gezielte Propaganda. Das selbe gilt für den Vergleich mit dem Parteibonzen und dem SA-Mann.

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        Lieber 68er, ich stimme Ihnen ja zu 99 Prozent zu, das habe ich gesagt, und es liegt mir fern, die Verschwörer des 20. Juli zu Heiligen zu erklären. Und, gewiss doch, sie wurden in der jungen BRD instrumentalisiert, sozusagen als Gegenstück zur östlichen Heldenlegende um die KPD, die ihrerseits unter den Tisch kehrte, dass die Genossen noch 1932 beim BVG-Streik mit der NSDAP gegen die „Sozialfaschisten“ der SPD kämpften. Geschichtsschreibung und erst recht Gedenkkultur sind, aber da sind wir uns ja einig, immer interessegeleitet.
        Da werden wir uns, ich wiederhole es, schnell einig. Nun aber zum Punkt, wo Sie sich wieder in Rage schreiben:
        „Um wieder zu Gundermann zu kommen, hier wird aus politischen Gründen gezielt mit zweierlei Maß gemessen. Die politischen Untaten der Nazis stehen auf einer ganz anderen Ebene wie die Verbrechen von Mielke, Honecker, Ulbricht und Co. Aber Herr Gundermann wird trotzdem mit dem Verhalten der Deutschen “nach 1945” von Herrn Posenee verglichen. Und das ist aus meiner Sicht gezielte Propaganda. Das selbe gilt für den Vergleich mit dem Parteibonzen und dem SA-Mann.“
        Nein, ich messe nicht mit zweierlei Maß, schon gar nicht „gezielt“. Ich lege den gleichen Maßstab an. Und da ist es klar, dass Gundermann als Kommunist in der Spätphase der DDR (und Posener fast gleichzeitig als Kommunist in einer Winz-Sekte in der BRD) sich viel weniger zuschulden haben kommen lassen als viele Millionen Deutsche, Parteigenossen und Parteilose, in der Zeit zwischen 1933 und 1945.
        Trotzdem gibt es da etwas, das erklärungsbedürftig ist, weil der Leninismus nun einmal eine antidemokratische und geschichtlich gesehen mörderische Ideologie war und ist. Und weil die SED-Herrschaft nun auch nicht gerade menschenfreundlich war, oder warum gab es dagegen eine Revolution? Ich habe mir nach dem Austritt aus der KPD 1976 20 Jahre Politik- und Journalismus-Abstinenz auferlegt, weil ich meinte, nach einem solchen Versagen des moralischen und politischen Urteils müsste ich erstmal Lebenserfahrung sammeln und ein wenig nachdenken und -lesen. Was ich getan habe.
        Vielleicht werden wir uns hier aber einfach nicht einig. Ich bin stark beeinflusst vom Gedankengut meines Vaters, Jahrgang 1904, der nach der Wende einen Aufsatz schrieb, „Der deutsche Umbruch“:
        https://www.zvab.com/Deutsche-Umbruch-Vortrag-Potsdam-wurde-Mai/22533842836/bd

        Darin gibt er seinem Unbehagen Ausdruck über ein Verhalten, das er als typisch deutsch empfand, nämlich dass nach den Umbrüchen 1919, 1933, 1945 und 1989 niemand sich bekennen wollte zu dem, was er davor geglaubt hat. Er hat all diese Umbrüche erlebt, ich nur den einen, und insofern ist er mir über die Vaterrolle hinaus eine Autorität gewesen.
        Mich würde interessieren, was Sie zu dem Essay meinen. Wenn Sie in Berlin leben, kommen Sie bei mir vorbei, ich leihe Ihnen ein Exemplar aus.
        Möglicherweise können Sie das alles nicht nachempfinden, aber nachdem ich versucht habe, Ihnen meine Gedanken zu erklären, einfach in die enragierte Haltung zu verfallen und mir „gezielte Propaganda“ (wofür denn?) vorzuwerfen, das empfinde ich als – wie würde Frau Merkel sagen? – „nicht hilfreich“.

  22. avatar

    Herr Posener, sehr guter Beitrag über den Film und Gundermann.
    Ich höre seine Lieder sehr gern.
    Sein Verhalten hat ihm das Leben gekostet.

    Und auch Ihre sehr persönliche Antwort auf 68er hat mich beeindruckt.

  23. avatar

    Lieber Herr Posener,

    um es noch einmal kürzer zu fassen. Mein kurzer „Einwurf“ war offensichtlich ironisch gemeint. Sie wissen, dass ich die Gleichsetzerei von Kommunisten und Nationalsozialisten seit Noltes Zeiten für falsch halte. Deshalb hatte ich auch keine Antwort auf meine Frage erwartet. Die kennen Sie und ich ja. Ich wollte Ihnen nur mit einer Transformation klar machen, was die Konsequenz Ihrer Logik wäre. Und ich bin mir sicher, Sie hätten sich schrecklich aufgeregt, wenn ich meinen „Einwurf“ mit der Überschrift „Die verlorene Ehre des Alan P.“ überschrieben hätte, die man nach Ihrer Logik (“ Intellektuell mag ja stimmen“) ja auch nicht ganz falsch wäre. Ich wiederhole, nach Ihrer eigenen rein intellektuellen Argumentation. Ich halte die Überschrift für Herrn Gundermann nicht gerechtfertigt und für Sie wahrscheinlich noch ungerechtfertigter.

    Mit herzlichem Gruß

    Ihr 68er

    P.S.: Noch ein kurzer Beleg für meine These der vaterlosen „Stasi-Anwerb-Kandidaten“. Sowohl Wolfgang Schnur als auch „Ibrahim“ Manfred Otto Böhme waren Waisenkinder und auch Ihr Ex-Genosse Horst Mahler, dessen Vater ein überzeugter Nationalsozialist gewesen sein und sich 1949 erschossen haben soll, passt auch in dieses Schema, was erklären könnte, wieso auch bei ihm die Stasi einen Anwerbungsversuch unternommen haben soll.

  24. avatar

    Lieber Herr Posener,

    mir ging es um folgenden Passus:

    „Es ist natürlich deutschen Regisseuren kaum möglich, ja eigentlich unmöglich, einen Nazi als „irregeleiteten Optimisten“ darzustellen, obwohl auch sie es zuweilen waren. Ein Baggerfahrer, der einem Parteibonzen sagt: „Ich bin natürlich für den Aufbau des Sozialismus und die Diktatur des Proletariats, aber doch nicht so, Genosse…“ kann Sympathieträger sein, selbst wenn er eine Stasi-Täterakte hat. Ein SA-Mann, der sagt: „Klar bin ich für die Reinheit unserer Rasse und den Aufbau der Volksgemeinschaft, aber doch nicht so, Herr Obergruppenführer …“ irgendwie nicht, selbst wenn er sich ansonsten wenig zuschulden kommen lässt.“

    Da setzen Sie Dinge gleich, die nach meiner Meinung nicht gleich gesetzt werden können.

    Und ich darf anmerken, dass nicht ich Ihre politischen Aktivitäten in den 60er-70er-Jahren in die Diskussion eingebracht habe, sondern Sie selber:

    “ Ich war ja selbst mal Kommunist…“

    Da habe ich auf nichts „angespielt“ und ich wollte Ihnen auch nicht „auf die billige Tour eins auswischen“. Ich denke nur, dass man vielleicht als ehemaliger Kader ein wenig mehr Verständnis für einen ehemaligen IM haben könnte. Wenn man Ihre frühere Logik auf Ihre Biografie übertragen würde, macht es ja keinen Unterschied, ob man „nur“ Mitglied einer sozialistischen Partei war oder für die „Große Bewegung“ seine Freunde und Verwandten bespitzelt hat (Ich sehe das übrigens nicht so und habe das auch noch nie so gesehen.).

    Es ist ganz menschlich, dass man sich selbst verklärt. Sie schreiben mir:

    „Dass ich Kader der KPD war, habe ich nicht nur nie geleugnet, sondern wiederholt geschrieben, hier und anderswo, und nie zu rechtfertigen versucht;“

    Und im Artikel schreiben Sie:

    „Ich war ja selbst mal Kommunist, und ich war, obwohl Anhänger einer unmenschlichen Ideologie, kein Unmensch. Freilich sehr jung, aber das entschuldigt nicht alles.“

    Damit Sie mich nicht missverstehen, ich sehe das ähnlich wie Sie, Sie waren damals jung, da macht man Dinge, die sich später als falsch herausstellen. Aber Gundermann war, als er sich von der Stasi als IM anwerben ließ, auch erst Anfang 20. Mit Ihren Worten, könnte man vielleicht sagen, das entschuldigt einiges, aber auch nicht alles. Und vielleicht wollen Sie noch berücksichtigen, dass Herr Gundermann anders als Sie zum Zeitpunkt seiner Anwerbung als IM – faktisch seinen Vater verloren hatte. Und gerade auf vaterlose junge Menschen hatte es die Stasi bei ihren Rekrutierungen abgesehen.

    Sie wissen, dass ich Sie nicht für einen Nazi halte, aber ich finde es auch wenig rühmlich, wie Sie hier gegen die Herren Dresen und Gundermann „smearen“, wobei sich letzterer noch nicht einmal wehren kann.

    Herzliche Grüße

    Ihr 68er

    1. avatar

      Lieber 68er, ich erzähle über Gundermann nichts, was nicht ergoogelt werden kann. Und ich schreibe ausdrücklich – deshalb meine ich, dass Sie den Text nochmal und langsam lesen sollten -, dass ich Gundermann nicht verurteilen will. Um ihn geht es nicht, sondern um die Kunstfigur „Gundermann“ im Film von Dresen. Das zum ersten.
      Zweitens: ich schreibe auch ausdrücklich, dass ich meine frühere Haltung „Parteimitglied sein bedeutet, die Stasi akzeptieren“, überdacht habe, auch wegen des Films. Im Falle meiner Biographie hätte das bedeutet: Wenn ich jemanden aus meiner Genossen- und Freundeskreis (das war damals fast identisch) hinter dessen Rücken denunziert hätte, das wäre auch nach meinen kommunistischen Maßstäben schofel. Ich zum Beispiel fand in meiner Verfassungsschutzakte (ja…) eine Menge Informationen, die vermutlich von einem Genossen stammten. (Die Namen werden nicht herausgegeben.) Einerseits finde ich es richtig, dass uns der Staat bekämpfte, wir bekämpften ihn schließlich auch. Andererseits habe ich ein Problem damit, dass jemand, dem ich vertraut habe, zum Verfassungsschutz gelaufen ist. (Ich glaube, es gab 5 DM pro Meldung: „War auf dieser Demo, hielt diese und jene Rede“ usw.)
      Drittens habe ich Kommunisten und Nazis nicht gleichgesetzt. Es gibt Kommunisten, die so schlimm sind wie die schlimmsten Nazis, und es gibt Nazis, die sich wenig haben zuschulden kommen lassen. Mein Schwiegervater zum Beispiel, so weit ich es feststellen konnte. Und ganz gewiss war die DDR, jedenfalls nach Chruschtschow, nicht annähernd so schlimm wie Nazideutschland. Ganz abgesehen davon, dass sie sich mit einer bezeichnenden Ausnahme nicht außenpolitisch aggressiv benahm.
      Viertens: Das Stück habe ich überschrieben „Die verlorene Ehre des Gerhard G.“, in Anspielung an Bölls Roman und den Film (auch meisterhaft übrigens), die fälschlicherweise den Terror – den Mord, den Katharina Blum begeht – als Ergebnis der Hetze der Lügenpresse hinstellen. Das bezieht sich zum einen auf die im Film kritisch gesehene Rolle der Medien, die Gundermanns Stasi-Akte ausgegraben und seine West-Karriere zerstört haben. Zum anderen aber auf den Film selbst, der sich auf die Erzählung des missverstandenen Stasi-Manns kapriziert, statt (etwa) Gundermanns Ausschluss aus Partei und Stasi zu untersuchen, was vielleicht dazu beigetragen hätte, ihn tatsächlich zu rehabilitieren. Gut, man kann immer einen besseren Titel finden, darauf will ich nicht beharren.

  25. avatar

    … eine Diskussion über polit. Filme in Deutschland erinnert mich immer an den noch ‚kleinen blonden hans‘ der Sonntagmorgens gern zu seiner Mama und seinem Papa ins Bett gekrochen ist und seinen Papa quälte, er möge ihn doch eine Geschichte erzählen. Dabei streichelte er über verheilte Narben, die die Splitter einer amerikanischen Panzergranate auf Papas Rücken hinterlassen haben.

    Da fing der Papa, leise und spannend, an (zu erzählen). Es war einmal ein Vater, der hatte sieben Söhne, die sieben Söhne sprachen, Vater, erzähl und doch mal eine Geschichte. Da fing der Vater an. Es war einmal ein Vater, der hatte sieben Söhne, die sieben Söhne sprachen, Vater, erzähl‘ und doch mal eine Geschichte. Da fing der Vater an. Es war einmal ein Vater, der hatte sieben Söhne, die sieben Söhne sprachen, Vater, erzähl‘ und doch mal eine Geschichte. Da fing der Vater an. Es war einmal ein Vater, der hatte sieben Söhne, die sieben Söhne sprachen, Vater, erzähl‘ und doch mal eine Geschichte. Da fing … hier nun, ungefähr jedenfalls, sind Mama, Papa und der ‚kleine blonde hans‘ noch einmal für ein gutes Stündchen ins Land der Träume … gääähn!

    ‚Die Brücke‘ ist für ich einer der wenig guten deutschen Filmproduktionen. Er fasst zusammen, was Ideologie bei Kindern/Jugendlichen anrichtet.

    Das letzte Mal war ich zu ‚Walk the Line‘ eine Filmbiografie aus 2005 über Jonny Cash im Kino.

  26. avatar

    Lieber Herr Posener,

    Sie haben recht, links und rechts, Kommunisten und Nazis, das ist alles das selbe und daher waren Sie in Ihrer Jugend ja auch links, oder rechts? Kommunist, oder Nazi?

    Herzliche Grüße

    Ihr 68er

    1. avatar

      Lieber 68er, Ironie und Sarkasmus sind scharfe Waffen, wenn man sie zu handhaben weiß. Sie müssen noch etwas lernen. Vor allem sollten Sie den Text noch einmal lesen, dann sehen Sie, dass Ihre Aussage, Kommunisten und Nazis seien dasselbe, von mir jedenfalls nicht geteilt wird.

      Was aber stimmt, ist dass junge Menschen oft von radikalen Ideologien angezogen werden, unabhängig von deren konkretem Inhalt. Mein Vater etwa hat wiederholt beschrieben, wie sehr auch ihn der deutsche Faschismus faszinierte, und dass diese Faszination auch seinen Cousin erfasste, der nicht nur Jude wie mein Vater, sondern auch Kommunist war.
      Wenn Sie mich sarkastisch fragen, ob ich Kommunist oder Nazi war, so antworte ich: ich war Kommunist, wie Sie wissen, und ich habe als Kommunist Verbrechen verteidigt, die genauso schlimm waren wie jene der Nazis: denken Sie an Stalin, Mao, Pol Pot. Als ich die KPD verließ, antwortete ich auf die entsetzte Frage eines mit uns sympathisierenden Professors der Germanistik, warum ich das tue: „Weil wir, wenn wir an die Macht kämen, KZ bauen würden.“
      Dass ich Kader der KPD war, habe ich nicht nur nie geleugnet, sondern wiederholt geschrieben, hier und anderswo, und nie zu rechtfertigen versucht; was aber eine bestimmte Sorte von Menschen nicht hindert, immer wieder darauf anzuspielen, um mir auf die billige Tour eins auszuwischen, bislang vor allem auf der Rechten, aber wie ich nun erfahren darf, auch auf der Linken.

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      Dresens Film, den ich nie sehen werde, scheint natürlich ein Propagandafilm zu sein, wie gehabt. Von SEDs Gnaden ist Dresen also Richter, OMG.
      Donnersmarcks Film hab ich auch nie gesehen, die beknackte Story hat mich schon abgeschreckt. Statt die interessante Familie/Freunde Spitzelei zu zeigen, sitzt ein Fremder im Nebenhaus und lauscht mit Kopfhörer die Wanzen ab, gähn. Dafür hab ich „The Tourist“ gesehen, der zurecht in Hollywood mit Hohn und Spott übergoßen wurde, was in der BRD-Lückenpresse verschwiegen wird. Donnersmarck ist ein Langweiler.

      1. avatar

        Lieber Gert Weller, Sie sagen in der Essenz: Ich bilde mir meine Urteile ohne Anschauung der Realität, und die decken sich ohnehin mit meinen Vorurteilen. Aber das wissen wir doch schon.

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