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Wie „Mackie Messer“ die Geschichte verfälscht

Der Film „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ gibt vor, die Geschichte der Verfilmung der Dreigroschenoper durch die Nero AG wiederzugeben. Doch er verfälscht diese Geschichte auf groteske und bezeichnende Weise.

Würde man nichts über die Geschichte des Films in der Weimarer Republik wissen, müsste man nach dem Besuch des Films „Mackie Messer“ von Joachim A. Lang zum Ergebnis kommen, Brechts Kunst sei dem Kommerz zum Opfer gefallen, der Künstler von geldgierigen Managern ausgetrickst worden, die im Interesse des Geschäfts einen unpolitischen Film gedreht hätten, ja sich den reaktionären Kräften gebeugt hätten. Die Vertreter der Nero-Film sind bei Lang aalglatte Manager-Typen, Brecht und seine Frauen sind politisch wache Künstler, die zudem visionär den kommenden Faschismus ahnen.

Das ist Unsinn. Die Nero-Film – zuerst GmbH, später AG – war eine progressiv-demokratische Produktionsgesellschaft, die dem künstlerische ambitionierten Film verpflichtet war und einige der bedeutendsten Filme der Weimarer Republik verantwortet hat, etwa „Westfront 1918“, „M“ und „Das Testament des Dr. Mabuse“. Für Nero arbeiteten die bedeutendsten Regisseure der Zeit, etwa Fritz Lang und G.W. Pabst, der beim Dreigroschenfilm Regie geführt hat. Das Drehbuch stammte von Autoren, die mit Brecht zusammengearbeitet hatten. Carola Neher, die im Film „Mackie Messer“ als Geliebte Brechts auftritt und ihn beim Prozess gegen die Nero AG unterstützt, spielte im Film ebenso mit wie der bekennende Kommunist Ernst Busch.

Weit davon entfernt, unpolitisch und harmlos zu sein, war der Dreigroschenfilm von 1931 den Nationalisten ein Dorn im Auge. Sie störten wiederholt Aufführungen des Films und ließen ihn 1933 verbieten. Was sich freilich zwischen 1930 und 1933 änderte, war Brechts Einstellung. Unter dem Einfluss von Marxisten wie Ernst Bloch, Fritz Sternberg und Karl Korsch, aber auch der sich „bolschewisierenden“ KPD, radikalisierte sich Brecht, wovon das „Badener Lehrstück vom Einverständnis“ oder das stalinistische Stück „Der Jasager“ ebenso Zeugnis ablegen wie der „proletarische“ Film „Kuhle Wampe“ von der Prometheus AG. In diesem Sinne wollte Brecht auch den Dreigroschenfilm gegenüber dem Theaterstück verändern. Dagegen wehrte sich die Nero-Film zu Recht, und die veränderte Linie der KPD nach 1935, als man die dogmatische, linksradikale Politik der frühen 1930er Jahre kritisierte und eine Strategie der antifaschistischen „Volksfront“ verfolgte, gibt der Produktionsgesellschaft auch vom linken, ja kommunistischen Standpunkt Recht. Brecht war zum Sektierer geworden. Nichts von alledem ist in „Mackie Messer“ zu spüren.

Noch etwas anderes fehlt. Die Gründer der Nero-Film, Richard Oswald und Heinrich Nebenzahl, waren Juden, die nach der Machtübergabe an die Nazis aus Deutschland fliehen mussten. Die Nero-Film musste den Betrieb einstellen. Die drei Drehbuchautoren des Dreigroschenfilms waren ungarischstämmige Juden. Wer das verschweigt und den Konflikt zwischen Brecht und der Filmgesellschaft 1:1 so beschreibt, wie es Brecht tat, der nie die Rolle des Antisemitismus in der deutschen Geschichte begriff, um es vorsichtig auszudrücken, der verfälscht diese Geschichte. Ein derartige Unempflindlichkeit für die wahren Verhältnisse in der Weimarer Republik hätte man dem deutschen Film eigentlich nicht zugetraut. Oder vielleicht doch. Aber das ist eine andere Geschichte.

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9 Gedanken zu “Wie „Mackie Messer“ die Geschichte verfälscht;”

  1. avatar

    Mir hat der Film gefallen und den Eindruck, Brecht habe die Kommerzialisierung befürchtet, hatte ich nicht. Die platten antikapitalistischen Einfälle von Brecht während der Verfilmung waren doch „Scheinradikalismus“. Dass seine Produktionsfirma jüdisch war, dass die Aufführungen 1933 sofort verboten wurden, weißeigentlich jeder, der sich ein bisschen auskennt, vgl. wikipedia:

    „Ausführende Produktionsgesellschaft war Nero-Film für Tobis-Klang-Film und Warner Brothers. Für die Filmfassung wurde zunächst Bertolt Brecht verpflichtet, doch dieser schrieb in Abweichung von seinem Theaterstück schärfere antikapitalistische Haltungen ins Drehbuch. Er wurde daraufhin von der Produktion ausgeschlossen und aus der Handlung des Bühnenstücks und Brechts „Die Beule“ genannten Aufzeichnungen für den Film entstand diese romantisierende Verfilmung. Brecht und Weill strengten gegen die Art der Verfilmung einen Zivilprozess an, der in erster Instanz erfolglos blieb; die Parteien einigten sich jedoch dann in einem Vergleich. (siehe auch: Die Dreigroschenoper#Der Dreigroschenprozess)….“

  2. avatar

    Lieber AP,

    es lebe die Freiheit der Kunst. Kunst darf überzeichnen, verzerren, polemisieren; ja die Kunst muss es gerade zu, denn große Kunst ist in erster Linie große Unterhaltung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Wenn Künstler sich ins politische wagen, geht dies meisten schief. Adolf Hitler ist nur eines von vielen Beispielen.

    Wenn die Kernaussage des Films ist, dass Brecht von skrupellosen Raffkes an seiner revolutionären Botschaft gehindert wurde, dann wandern die Produzenten eben in den Spuren der Zwanziger und das Publikum muss sich den Rest denken.

    Was mich am Antisemitismus der Linken immer wieder wundert, ist dieses zwanghaft Unterdrückte. Während Höcke und Gauland die Schwarte richtig krachen lassen und dem Volk sagen, wo der Bartel den Most holt, müssen sich Linke hinter Free Palestine Shirts auf Kirchentagen oder der Kunst verstecken. Das kann doch auf Dauer nicht gesund sein.

    Ich verstehe wirklich nicht, wie Sie diesen Leuten noch die Fahne halten können?

    „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran.“

  3. avatar

    Aber Hallo !
    Ich habe den Film noch nicht gesehen, deshalb maße ich mir kein Urteil an über seine filmischen Qualitäten, wenn Sie sich dazu geäußert hätten wäre ich still geblieben.
    Aber der Film ist ein Unterhaltungsfilm, und keine Geschichtsstunde.
    Ansonsten gibt es einige interessante Internetseiten die sich mit Filmfehlern beschäftigen, dabei geht es nicht nur um technische. sondern auch um offensichtliche inhaltliche Fehler (wie das Ende von Inglorious Bastards).

    1. avatar

      Lieber Don Geraldo, ich kann den Film als Unterhaltung nur empfehlen. Er versteht sich aber auch explizit als politischen Film,und da versagt er vollends. Es geht hier nicht um „Filmfehler“. Schon Shakespeare ließ im alten Rom die Uhren schlagen. Aber das Problem der Demokratie und des Populismus erfasst er in „Julius Cäsar“ genau. Bei „Mackie Messer“ stimmen die Kulissen (nein, sie stimmen auch nicht, aber das ist egal): hier geht es um das, was der Film sagen – und was er bezeichnenderweise nicht sagen – will.

    2. avatar

      Ich hab die erste Folge, bzw. den ersten Block in der ARD gesehen. Langweilig, unlogisch, typisch deutscher Müll. Erst reden alle hochdeutsch, dann wienert ein Aussi, dann berlinern sie plötzlich kurz. Das Lied ist schlecht, ohne Strophe, nur Getrommel, und die Clubbesucher zappeln eine Tüff Tüff Choreo, oder was das sein soll.
      Und bis zum Ende der zweiten Staffel scheint auch nix weiter zu passieren. Ein Zug fährt von Russland aus hin und her, das wars an Handlung. Tykwer von Donnersmark und Co. sind talentfreie Clowns.

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