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Aus Wahlen lernen – aber das Richtige

Der Wahlerfolg der rechtsradikalen AfD und die Verluste auch der Union verführen zu dem Kurzschluss, „mit etwas mehr AfD wäre das nicht passiert.“ Man sagt das so natürlich nicht expressis verbis, aber die Botschaft ist klar. Die Union müsse vor allen Dingen „die rechte Flanke schließen“.

Aber dieser Ansatz ist rein defensiv. Er übersieht außerdem, dass die Union an die FDP mehr verloren hat (1,3 Mio) als an die AfD (1 Mio). Die Wähler haben die Union in entgegengesetzte Richtungen verlassen. Erst dieser Blick hilft zu richtiger Analyse: die Bindungskraft der Union hat insgesamt nachgelassen. Allein die Bindungskraft der Kanzlerin, deren Zustimmungswerte etwa 15 Prozent über denen der Union liegen, reicht nicht aus.

Es rächt sich, dass vor allem über das Krisenmanagement gesprochen und gestritten wurde und nicht über Zukunft. Aber am Krisenmanagement (Griechenland/Euro, Flüchtlinge) werden sich immer die Geister scheiden, egal wie man’s macht. Vor allem: wer damit nicht einverstanden ist, entzieht der Regierung seine Stimme. Aber auch für diejenigen, die mit dem Krisenmanagement im Großen und Ganzen einverstanden sind, entwickelt sich daraus keine besondere Bindungskraft für die Zukunft. Denn die Krisen lagen in der Vergangenheit, auch wenn sie wiederkommen können und noch nicht wirklich gelöst sind.

Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben – so hieß der Wahlslogan der CDU. Leider hat die Union den Menschen viel zu wenig erklärt, was denn genau passieren muss, damit das auch in Zukunft der Fall ist.

Man weiß doch, dass viele das Gefühl haben, ihren Kindern werde es schlechter gehen als ihnen. Die Menschen spüren die ständig wachsende Veränderungsgeschwindigkeit durch Digitalisierung und Globalisierung. Viele fragen sich, ob sie da noch mitkommen.

Es wird auch Verlierer bei diesen Prozessen geben und es ist Aufgabe der Politik, das deutlich zu sagen und auch für Verlierer  Perspektiven für ein gutes Leben zu eröffnen. Denn insgesamt werden die Vorteile von Globalisierung und Digitalisierung bei weitem überwiegen. Auch deshalb lassen sich diese Prozesse nicht aufhalten.

Was konkret muss geschehen, dass Deutschland auch in Zukunft ein Land ist, wie es die CDU beschreibt? Wie will die Union eine offene, freiheitliche und pluralistische Gesellschaft bewahren angesichts der Herausforderungen, die Globalisierung und Migration an uns stellen? Wie will die Union dazu beitragen, genug Arbeitsplätze für alle zu sichern und zu schaffen, obwohl durch das Internet und die Digitalisierung gleichzeitig in Industrie und Handel, bei Banken und Versicherungen zehntausende von Arbeitsplätzen wegfallen werden. Sicher, es werden auch zehntausende neuer Arbeitsplätze entstehen. Aber das werden andere sein und sie werden von den arbeitslos gewordenen nicht ohne weiteres wahrgenommen werden können. Was wiederum die Frage nach dem Schicksal der Modernisierungsverlierer aufwirft.

Auf diese und andere Zukunftsfragen muss die CDU nicht unbedingt sofort perfekte Antworten haben. Aber sie muss deutlich machen, dass und wie sie sich mit diesen Fragen beschäftigt. Und sie muss die Gesellschaft einladen, gemeinsam mit der CDU darüber nachzudenken und nach Lösungen zu suchen. Man nennt das auch „Mitwirkung an der politischen Willensbildung der Bevölkerung“. So beschreibt das Grundgesetz in Artikel 21 ABS. 1 den Verfassungsauftrag an die Parteien.

Wenn die CDU das auf allen Ebenen (!) tut, vom Ortsverein bis zum Bundesvorstand, dann wird sie nicht nur die Aufmerksamkeit der Menschen finden. Sie wird auch ihre Bindungskraft wieder erhöhen. Denn die Menschen werden merken, dass es ihre Fragen sind, die die CDU beschäftigen.

 

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Über Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz (68) gehörte von 1994 bis 2013 dem Deutschen Bundestag an und war 2000 Generalsekretär der CDU. Von 2005 bis 2013 war der Politiker aus Münster Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) und Dean des Global Diplomacy Lab. Der Jurist ist verheiratet und hat mit seiner Frau vier erwachsene Kinder.

4 Gedanken zu “Aus Wahlen lernen – aber das Richtige;”

  1. avatar

    QUistorp: Die Union hat die Aufgabe, zur Mitte hin zu integrieren. Sie ist nur Volkspartei mit allen drei Wurzeln: konservativ – liberal – sozial. Das C sollte helfen, die drei jeweils handlungsfähig zusammenzubringen. Wir erleben gerade eine grundlegende Veränderung des politischen Koordinatensystems. Statt rechts/links je nach Einstellung zur sozialen Frage geht es im 21. Jhd um die Einstellung zur Globalisierung und offen/geschlossen heißen die neuen Pole.

    Monika Frommel: Die CSU wird für Jamaika arithmetisch gebraucht. Außerdem wissen wir seit Kreuth, dass eine Trennung der Unionsparteien eher eine loose-loose-Situation wäre.

    Andreas Müller: Zwar werden FDP und AfD rechts neben der Union im Bundestag sitzen. Und Lindner hat in der Tat manche zweifelhaften Signale ausgesandt. Trotzdem bleibt die völkisch-nationalistische AfD zum Glück deutlich etwas ganz anderes als die FDP. Man darf auch nicht vergessen, dass die Union 2013 über 2 Mio Wähler von der FDP gewonnen hatte.

  2. avatar

    Sehr geehrter Herr POlenz, Sie selbst sind ja ein Vertreter der LIberalisierung der CDU und ein sehr ehrenwerter Aussenpolitiker und Friedens und Europapolitiker,mit dem ich gern koaliiere,doch es muss ernsthafter darüber nachgedacht werden, welches Vakuum die LIberalisierung der CDU hinterlassen hat und man kann die konservative Lücke,die sie hinterlassen hat nicht einfach zu rechts erklären-da hat man einfach keine Themen und kein Personal mehr zugelassen vor allem nicht in dem Euro und Flüchtlingschaos,was ja eben gar nicht immer Politik war,sondern Gewurschtel,,Wenn Merkel jetzt keinerlei Fehler klar eingesteht,schadet dass der CDU und der Demokratie, denn Fehler eingestehen kann man auch, ohne auf das Geschrei der AFD bzw Pegidaleute einzugehen-Mal sehen, ob SIe die Grünen, die ja Merkels Grenzöffung nur bejubelt haben und die FDP ,die es ein Jahr danach immerhin klar kritisiert hat, also auch deswegen Stimmen gewonnen hat,zu einer vernünftigen Grenzsicherungs und Abschiebe und Einwanderungspolitik im Koalitonsvertrag bringen können und die CSU auch-SChon bei der Gründung der Grünen habe ich gelernt,den werkonservativen Flügel der Grünen nicht zu vergraulen und arrogant aus meiner eigenen linksliberalen grünfeministischen Sicht zu behandeln besserwisserisch, sondern auch auf sie zuzugehen und zu versuchen einzubinden.Das wurde dann durch den Einfluss der K gruppen,zu denen auch HErr Trittin u,a, die heute an der SPitze der Grünen seit 20 jahren stehen, unterbrochen-doch jetzt reden sie wieder über Heimat, als ob das ein neues Thema sei und als ob man christliche Werte vertreten könnte, ohne auch wertkonservative einzubinden und zu achten in der eigenen Partei-Verstehen Sie das?

  3. avatar

    Wieso eigentlich keine Koalition ohne die CSU? Dann hat die CSU ihre Stabilität, wie die jetzigen Verantwortlichen meinen, und die CDU kann sich bewegen. Die Idee, es dürfe „neben der Union keine rechte Kraft geben“, ist doch absurd. Aber bis das in der CSU gelernt wird, ist Weihnachten, das dauert zu lange.

  4. avatar

    „Die Wähler haben die Union in entgegengesetzte Richtungen verlassen.“
    Diese Aussage ist nach meiner Meinung nicht richtig. Die FDP stand in der entscheidenden Flüchtlingsfrage immer eher zwischen CDU und AfD, und ist dafür von links und gerade auch von Peter Tauber scharf kritisiert worden. Christian Lindner hat diese Postionierung aber in der Schlussphase des Wahlkampfs nochmals deutlich (u.a. in BILD) pointiert und damit mutmaßlich nochmals viel Wählerbewegung verursacht, zur FDP, aber eben auch zur AfD.

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