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Sonderbehandlung oder: Wir dürfen das, wir sind Deutsche

Der „Spiegel“ brachte es auf den Punkt: im täglichen Newsletter „Die Lage“ konnte ich lesen: Das Eklat um Sigmar Gabriels Israelreise „zeigt vor allem eines: Die historisch bedingte Sonderbehandlung Israels stößt mit der Regierung Netanyahu an ihre Grenzen.“

Wie deutsche Redakteure das Wort „Sonderbehandlung“ und „Israel“ zusammenbringen können, ohne innerlich zu erschrecken, ist mir ein Rätsel. Nein, es ist kein Rätsel. In Deutschland glauben alle, keine Antisemiten zu sein, weil sie erstens nicht gleich nach dem Zyklon B rufen, wenn sie einen Juden sehen, und zweitens angeblich in der Schule den Holocaust bis zur Vergasung – sorry, bis zum Abwinken – durchgenommen hätten. Trotzdem wissen sie nicht, was Sonderbehandlung bedeutet.

Und diese Unempfindlichkeit bei schrecklich gutem Gewissen, einem so guten Gewissen, das man glaubt, die Juden nun auch noch Mores lehren zu müssen, das ist das Gesicht des arischen Antisemitismus heute. (Der Antisemitismus vieler türkischer und arabischer Mitbürger sieht ein wenig anders aus, ist nicht besser, aber auch nicht schlimmer, wie manche rechte Gutmenschen – „indem ich mich der Muslime erwehre, kämpfe ich für die Juden“, so in etwa die Ex-Frontfrau der AfD, Frauke Petry – uns einreden wollen.)

Dabei hätte Israel nichts lieber als das: nicht mehr von den Deutschen „sonderbehandelt“ zu werden, das heißt mit zusammengebissenen Zähnen „aus historischen Gründen“ unterstützt, sondern – wie von den USA oder Großbritannien – als das behandelt zu werden, was es aktuell  ist: ein Bollwerk des Westens, ein Leuchtturm des Kapitalismus und eine Insel der Demokratie in einer Region, die – nein, ihr AfD-Rassisten, nicht wegen des Islam – chronisch instabil, wirtschaftlich unterentwickelt und für Diktaturen anfällig ist.

Der Ton macht die Musik. So verteidigte Innenminister Thomas de Maizière Gabriels Auftritt mit den Worten: „Das war eine kleine Machtprobe und der Außenminister hat Nerven bewahrt. Und so gehört sich das für einen deutschen Außenminister“. Jawollja. Wir sind seit langem wieder wer, ein 80-Millionen-Volk, und wir lassen uns nicht von der Regierung eines winzigen Landes irgendwo hinter der Türkei, wo die Völker aufeinanderschlagen, sagen, was wir in ihrem Land zu tun und zu lassen haben. Wo kämen wir da hin?

Regierungssprecher Stefan Seibert erklärte im Namen Angela Merkels: „Wir sind der Meinung, dass es möglich sein muss, in einem demokratischen Land auch kritische Nichtregierungsorganisationen zu treffen, ohne dass das solche Folgen hat.“  Auch bei Reisen der Kanzlerin stünden regelmäßig Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft auf dem Programm.

Ach ja? Wie war das, als Merkel neulich bei Donald Trump war? Hat sie sich mit Vertretern von „Black Lives Matter“ getroffen? Mit Vertretern der 11 Millionen illegalen Einwanderer? Mit Gegnern der Todesstrafe? Mit Leuten, die gegen die Spionagepraktiken der NSA kämpfen? Mit Gegnern neuer Öl-Pipelines? Natürlich nicht, und das wird sie auch nicht tun. Die USA sind ein mächtiger Staat, ohne den wir uns nicht verteidigen könnten, außerdem ein riesiger Markt, es flogen wichtige Wirtschaftsführer mit, und man wollte und wird keinen Ärger machen.

Da ist Israel was Anderes. Das Land hat kein Öl, es ist ein kleiner Markt, und es ist auf deutsche Militärlieferungen angewiesen. Für den Jungen, der auf dem Spielplatz vor den Großen kuscht, aber auf die Kleinen eindrischt, gibt es ein Wort. Es passt auf das Verhalten dieser Bundesregierung.

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43 Gedanken zu “Sonderbehandlung oder: Wir dürfen das, wir sind Deutsche;”

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    Naja, es ist schon ein starkes Stück, B’Tselem, eine international anerkannte und geförderte Organisation, die sich für universelle Menschenrechte in den besetzten Gebieten einsetzt, mit „Black Lives Matter“ zu vergleichen.

    Es ist schon seltsam: Der Moskauer Bürgermeister Sobjanin hat sich im März anlässlich seines Besuchs in Berlin mit Vertretern der AfD und Teilen des regierungskritischen neurechten Spektrums getroffen. Etwas merkwürdig, aber in einer Demokratie kein Problem. Ebenso ist es in einem Land wie den USA schwer vorstellbar, dass die Trump-Administration drastisch auf ein geplantes Treffen Merkels mit BLM reagiert hätte. Für Netanjahu hingegen war es ein unverzeihlicher Affront, dass sich der deutsche Aussenminister mit Vertretern einer von ihm verhassten Organisation treffen wollte. Ist das das Verhalten des Regierungschefs eines Bollwerks der Demokratie?

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      Haben Sie meinen Text in der WELT gelesen, „Honkidonki“? Dann nehmen Sie doch zu den dort vorgebrachten Argumenten Stellung. Ich fange doch nicht jedes Mal von vorne an. Nur so viel: Der Moskauer Bürgermeister ist nicht der russische Außenminister, und Sie können statt „Black Lives Matter“ gern irgendeine Ihnen seriös erscheinende Organisation nehmen, die gegen die Politik Trumps opponiert.

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    @ Posener,
    Gabriel hat nichts torpediert, sondern gezwungenermaßen sichtbar gemacht, was bislang nicht so offenkundig war. Wieso Israel so agiert, wie es agiert, weiß ich auch nicht. Bislang habe ich jedenfalls keine Analyse gelesen, die verständlich macht, was Netanyahu glaubt sich leisten zu können und wie der Konfrontationskurs weiter gehen soll.

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      Liebe Monika Frommel, die Sphinx lebte davon, in Rätseln zu reden. Sie sind keine Sphinx. Was meinen Sie?
      „Gabriel hat nichts torpediert, sondern gezwungenermaßen sichtbar gemacht, was bislang nicht so offenkundig war.“ Häh? Was wurde „sichtbar“? Warum „erzwungenermaßen“?
      „Bislang habe ich jedenfalls keine Analyse gelesen, die verständlich macht, was Netanyahu glaubt sich leisten zu können.“ Häh? Wem gegenüber?
      „Wieso Israel so agiert, wie es agiert, weiß ich auch nicht.“ Was meinen Sie damit? Wissen Sie „wieso Deutschland / Russland / Amerika / Frankreich so agiert, wie es agiert“? Was ist an Israel so anders?

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    Nachdem einigermaßen klar ist, dass Gabriel mit seinem Manöver die antisemitischen Kräfte für den Wahlkampf an seine Partei binden will, stellt sich die Frage, ob Israels innenpolitisch motivierte Eskalation geschickt war.

    Die Achse in Deutschland beginnt sich zu verschieben, oder wie Augstein triumphierend behauptet: „Israel Rechts-Premier Netanyahu hat für eine Wende in der deutschen Israel-Politik gesorgt: Die unverbrüchliche Verantwortung für die Geschichte und die klare Kritik an der Gegenwart gehen jetzt Hand in Hand.“

    Was meine an Sie gerichtete, unbeantwortete Frage beantwortet, allerdings neue Fragen aufwirft.
    Kann es sein, dass sie „linken“ Antisemitismus als Teil der, nennen wir es, linken Folklore akzeptieren? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?

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    Ich möchte wetten, dass er bei gleichem Vorgang im Iran oder in der Türkei seine Treffen mit NGO’s oder Oppositionellen abgesagt hätte.
    Wenn es für Wahlen war, was ich bezweifle, weil das Wählergedächtnis kurz ist, war’s für Muslime. Diese schaffen ja, was niemand schafft: In der Türkei für Erdogan, hier für Grüne und Sozis, anders ausgedrückt: Dort für Odysseus (wenn ich mir den auch anders vorstelle), hier für’s Trojanische Pferd, in Doppelfunktion Dukatenscheißer, nicht unclever, aber an sich schizoid.

    Ich halte den Mann jedoch für so instinktlos und selbstverliebt, dass er nicht mal den Unterschied zwischen einem Bundespräsidenten und einem Außenminister begreift. Als Bundespräsident kann man das möglicherweise eher machen, als Außenminister muss man das Diplomatische vorziehen.

    Mich wundert aber doch, dass hier niemand zu der (verschwundenen) Formulierung im Spiegel schreibt.

    Übrigens nein: “ und zweitens angeblich in der Schule den Holocaust bis zur Vergasung – sorry, bis zum Abwinken – durchgenommen hätten. Trotzdem wissen sie nicht, was Sonderbehandlung bedeutet.“
    Das ist nicht mehr die Regel und von Schule zu Schule unterschiedlich und wird oft oberflächlich abgehandelt. Herr Schuster will ja KZ-Besuche für Asylanten einführen. Besser wäre es, er würde sich mal für den Geschichtsunterricht einsetzen und für längere und gründlichere Unterrichtung derer, „die schon länger“, auch mittellang hier sind. Hier liegt viel im Argen.

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    Lieber Alan Posener,
    „situativ klug“ heißt nicht, dass man sich in jeder Situation anpasst – im Gegenteil – und etwa – um im Beispiel zu bleiben – sich von der israelischen Botschaft vorschreiben lässt, mit wem man sich treffen kann. Man muss eben wissen, welche Folgen man sich einhandelt und sie bewusst eingehen. Gabriel hat sich das überlegt, und er wird auch in Deutschland nicht getadelt für seine Entscheidung. Auch Merkel hat sich überlegt, wie sie mit diesem politischen Anfänger Trump umgehen soll. Sie hat nun seine Tochter nach Berlin eingeladen; während ihres Besuches hat sie gute Miene zum dilettantischen Spiel gemacht und im Ergebnis die Beziehungen zu den USA verbessert.
    Was nun Israel betrifft, so denke ich, dass säkulare Bürger und Bürgerinnen dieses Staates liberal denken und sehr gut verstehen, wieso Gabriel sich nicht zum Narren hat machen lassen. Die politische Rechte Israels ist nun einmal engstirnig und autoritär, auch nicht gerade fair Dieser Politikstil ist unerträglich. Leider leben wir gerade in einer Zeit, in der dieser Stil Schule macht. Das ist gefährlich.
    Bei Trump merken nun mittlerweile alle, dass er eben ein Anfänger ist. Netanyahu hingegen macht seine Spielchen routiniert und sehr bewusst und hofft auch noch auf dümmliche und auch noch erkennbar eingeschüchterte Anpassung (also das Gegenteil von situativer Klugheit).

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      Liebe Monika Frommel, es würde die auseinandersetzung enorm erleichtern, würden Sie sich zu meinen Argumenten in der WELT äußern. Ob Netanyahu „engstirnig und autoritär“ ist (ich weiß nicht, worauf Sie dieses Urteil gründen, vielleicht führen Sie das aus), ist völlig unerheblich. Es gibt wichtige Dinge zu besprechen. Merkel flog schon vor einigen Monaten nicht zu Konsultationen hin. Nun hat Gabriel die Gespräche auf Außenministerebene torpediert. Zu welchen Zweck? Zu wessen Nutzen? Haben wir in der Region keine größeren Probleme?

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    Tja,
    was wäre passiert, wenn Trump das Treffen mit der Kanzlerin abgesagt hätte, weil sie sich auch mit NGO’s trifft?
    Vermutlich nichts. Auch ein Trump repräsentierte nie und schon lange nicht mehr die amerikanische Zivilgesellschaft. So scheint es in Israel auch zu sein.
    Merkel ist eben – was ihr immer vorgehalten wird – sehr pragmatisch und argumentiert nur sehr selten prinzipiell, etwa bei der Reaktion auf die Unmenschlichkeit der ungarischen Regierung im Sommer 2015 („Menschen in Höchster Not“).
    Als Beobachter kann ich mit ihrer Haltung und mit der von Gabriel gut umgehen. Von beiden fühle ich mich als Bürgerin gut vertreten. Dass Pragmatismus auf „Macht“ reagiert, ist klar. Es geht um situative Klugheit, nicht um Richtigkeit. Gabriel war bescheiden und zurückhaltend, also nicht auftrumpfend. Somit war seine Haltung nachvollziehbar.

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      Es geht, schreiben Sie, um „situative Klugheit“, liebe Monika Frommel. Was ist daran „situativ klug“, die Warnungen der deutschen Botschaft und die Bitten des israelischen Außenministeriums in den Wind zu schlagen, um zwei Gruppen aufzuwerten, deren Beitrag zum Frieden im Nahen Osten gegen Null tendiert?

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    Starke Verhaftung in Religion, hier dem Islam, wirkt rationalitäts- und wissenschaftsfeindlich. Beispielweise lehnt die überwiegende Mehrheit der Muslime die Evolutionstheorie ab, selbst wenn sie im Westen leben. Was an dieser Feststellung „rassistisch“ sein soll, erschließt sich mir nicht.

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      Wenn sie sich die Grafik anschauen, lieber Münsteraner, werden Sie sehen, dass Ihre Aussage, die „überwiegende Mehrzahl“ der Muslime lehnten die Evolution ab, falsch ist. Der Prozentsatz der Ablehner ist nicht viel anders als bei Protestanten und erheblich höher als bei Evangelikalen, Mormonen und Zeugen Jehovas.
      https://en.wikipedia.org/wiki/Level_of_support_for_evolution
      Und solche Märchen unreflektiert in die Welt setzen, das ist allerdings rassistisch, weil es das Ziel verfolgt, eine ganze Gruppe zu diffamieren und herabzusetzen.

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    Auch ich glaube, dass Gabriel hier als Diplomat schlecht war. Ich bin sowieso dafür, in erster Linie die Ergebnisse zu betrachten, um ein Konzept zu beurteilen, und das ist in jedem Fall ein schlechtes Ergebnis, in vielerlei Hinsicht. Es war auch voraussehbar. Gabriel hat es wohl trotzig darauf ankommen lassen und das ist ein Fehler.

    Natürlich kann Gabriel als Außenminister treffen, wen er will. Netanjahu kann ebenfalls nicht treffen, wen er will. Für das Treffen Gabriels mit den beiden NGOs gibt es aber ein paar gute Gründe. Wie ich gelesen habe, werden die beiden NGOs von „staatliche Stiftungen“ aus dem Ausland finanziert. Also auch von deutschen Staatsgeldern. Da kann man als Außenminister schon mal hingehen und nachfragen, was die so sagen und tun.

    Frau Merkel scheint sich nicht mit NGOs in den USA getroffen zu haben. Das sieht also nach Ungleichbehandlung aus. Ist das wirklich ein gutes Argument? Sicher ist es bedauerlich, dass sie nichts z.B. zur Todesstrafe und dem Töten am Fließband, bevor die Medikamente das Haltbarkeitsdatum überschreiten und möglicherwiese gesundheitsschädlich werden, gesagt hat. Aber es macht grundsätzlich einen Unterschied, ob die Kanzlerin oder der Außenminister anreist. Und es kommt natürlich schon auf das Land an, in das man reist. Beim USA-Besuch gibt es sicher Wichtigeres zu besprechen, angesichts des geradezu beängstigend psychotischen Verhaltens von Herrn Trump. Ich denke also, dass man nicht fordern muss, dass Merkel zwecks Herstellung von Gleichbehandlung in USA NGOs trifft, um rechtfertigen zu können, dass Gabriel in Israel NGOs getroffen hat.

    Bei Netanjahu habe ich den Eindruck, dass der meint, wer gegen ihn ist, wäre gegen Israel, und wer eine israelische NGO besucht, wäre gegen ihn, also gegen Israel. Vielleicht tue ich ihm damit unrecht. Aber dies ist wäre jedenfalls ein charakteristisches Verhalten demokratisch legitimierter, aber autoritaristischer Regierungschefs, wie es inzwischen so viele und immer mehr gibt.

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    „ein Bollwerk des Westens, ein Leuchtturm des Kapitalismus und eine Insel der Demokratie in einer Region, die – nein, ihr AfD-Rassisten, nicht wegen des Islam – chronisch instabil, wirtschaftlich unterentwickelt und für Diktaturen anfällig ist. “

    Wenn´s nicht der Islam ist, was dann ?
    Vielleicht der hohe Anteil an europäischstämmigen in Israel, aber das ist ja schon wieder rassistisch.

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      Nun, Don Geraldo, für die Unterentwicklung im arabischen Raum gibt es viele Gründe: Stammesdenken, Osmanische Herrschaft, europäischer Kolonialismus, sowjetischer Einfluss, örtliche Oligarchen, Militärherrschaft – und in der Tat, Fehlen einer eurooäisch gebildeten Elite wie in Israel.

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        Mit den vielen Gründen haben Sie recht, aber der Islam ist eben auch einer dieser Gründe, und auch die osmanische Herrschaft hatte was mit dem Islam zu tun.

        Total „vergessen“ haben Sie erstaunlicherweise (wenn ich´s mir recht überlege erstaunt es mich bei ihnen doch nicht so) den unseligen US-amerikanischen Einfluß.
        Angefangen mit der Operation Ajax (https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Ajax) bis zur jetzigen Unterstützung des Saudi-Regimes (Jemen-Krieg) haben die Amerikaner keine Schweinerei ausgelassen, um korrupte und verbrecherische Banden an die Macht zu bringen oder zu halten.

        Daß sich unter diesen Umständen keine „europäisch gebildeten Eliten“, bilden konnten ist logisch.

        Wobei man nicht zu große Erwartungen an diese europäische Bildung stellen sollte. Pol Pot und seine Bande an Mördern waren das Produkt einer solchen Bildung.

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    Es war eine gezielte Provokation von Gabriel, Gabriel ist Wiederholungstäter und damit vermutlich auch Überzeugungstäter.
    Man muss gar nicht in die USA reisen, so etwas würde sich ein deutscher Außenminister in keinem anderen Land erlauben, außer natürlich in Israel.

    Wie war das noch mit den drei D’s? Delegitimation, doppelte Standards und Dämonisierung. Könnte man alle als erfüllt ansehen.

    Delegitimation – Klar erfüllt. Wer als Außenminister als Gast in ein Land reist und den demokratisch gewählten Regierungschef so verprellt, dass kein Treffen zustande kommt, negiert damit das Existenzrecht, zumindest spricht er ihm das Vertretungsrecht ab. Das ist international ziemlich einmalig. Anständig wäre es gewesen abzureisen, ohne weitere Gespräche.

    Doppelte Standards – Ohne Probleme erfüllt, siehe oben.

    Dämonisierung – Siehe Apartheidsvergleich

    Wie bewerten Sie das jetzt, APO? Ich sage mal, wer solch Freunde hat ..

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        Nein, habe ich nicht.

        Haben Sie den Kommentar von Augstein gelesen? Die Begeisterung über Gabriels Reise kennt keine Grenzen mehr. Jetzt darf er endlich sagen, was er schon immer dachte.

        Gabriel ist zu lange Politiker, um derartige Reaktionen nicht abschätzen zu können. Es ist Wahlkampf und für die SPD stehen zwei extrem wichtige Wahlen an.

        Ich denke, Gabriel hat es genau für diese 40% gemacht. Das sind leicht verdiente Prozentpunkte, die sonst vielleicht bei der Linkspartei oder den Grünen landen würden.

        Aber das wissen Sie auch. Nur warum sind Sie so zurückhaltend?

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    Die Selbsttäuschungen im Journalismus dieses Landes sind gefährlicher, aber auch Absicht.
    Ein schlechter Diplomat, Gabriel? Soll wohl ein schlechter Witz sein. Wäre dieser Kerl auch in Israel Außenminister geworden?
    Es wird keinen Palästinenserstaat geben. Die Presse könnte anfangen ehrlich zu debattieren, anstatt widerliche Lügen unters Volk zu bringen.
    Sie meinen Sozialdemokraten, Berufskollegen, nicht die Deutschen! Die Deutschen brauchen tatsächlich einen anderen Außenminister. Und andere Journalisten, als gegenwärtig in diesem Land zu Propagandazwecken eingesetzt, haben sie allemal verdient.
    Gegen deutschen Imperialismus sind Sie aber schon, oder?

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    Vor kurzem im Iran, als Gabriel die Pole Position im Hintern des Regimes erfolgreich verteidigen konnte, tat er dies als Wirtschaftsminister – it`s ok, pecunia non olet, das ist sein Job, zumal das mit der Zivilgesellschaft im Iran nicht einfach ist. Das erfordert Mut, muss er als Wirtschaftsminister nicht haben. Ob Netanjahu ein guter Außenminister ist (in Doppelfunktion) ist Sache der Israelis (er ist ein lausiger Außenminister). Aber als deutscher Außenminister deutsche Außenpolitik gegen Israel für einen Wahlkampf zu missbrauchen, das ist im besten Fall nur geschmacklos. Gabriel hat nicht als Außenminister gehandelt, er benutzt Antisemitismus als Mittel zur Mobilisierung für den Wahlkampf. Das ist nicht so ungewöhnlich, aber in diesem Fall ungewöhnlich widerlich.

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      Stimmt. Es ist Wahlkampf, und für den lassen die Politiker, die um ihre Wiederwahl kämpfen, andere Regeln gelten als für ein normales Zusammenleben.
      Die beiden wichtigsten Regeln scheinen zu sein:
      a) Sorge für Schlagzeilen, egal wie! – Das hat Gabriel zweifelsohne geschafft. Sein Besuch in Israel wäre sonst keiner Zeitung mehr als halbe Seite wert gewesen, und der Tagesschau höchstens 15 Sekunden.
      b) Für etwas zu werben, ist nett. Aber man hält die Reihen nur geschlossen, wenn es gegen etwas (oder noch besser: jemanden) geht. – Und auch dies mit Bravour gemeistert. Merke: Bestimmte Gegner gehen immer, vor allem, wenn im Hinterkopf ein „Die wollen unser Geld!“ mitschwingt – seien es ALG2-Empfänger (Hallo, FDP!), die „Pleite-Griechen“ (Hallo, CSU!), Flüchtlinge (Hallo, AfD!) oder eben Israel stellvertretend für „die Juden“ (Ihr auch schon wieder, Linke!).
      Es ist in der Tat widerlich, und es bleibt nur zu hoffen, daß es im Berliner und im Jerusalemer Außenministerium genug Leute gibt, die von diesem Auftreten unbeeindruckt sind.

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        Vor allem ist Israel nicht der Sudan oder Nord Korea. Alles, aber wirklich so richtig alles, was diese zwei NGOs zu sagen haben, kann sich Gabriel 24/7 über Skype berichten lassen. Oder telefonieren, oder faxen lassen, Briefe schreiben, sich Mails schicken oder, wenn die Gelenke halten, auch per SMS kommunizieren. Im Mittleren Osten tobt der 30Jährige Krieg, wir haben in Deutschland tausende Flüchtlinge, Europa zerfällt auch deswegen – wir haben 1000Probleme, die auch mit Israel zu besprechen sind. Sorry, es gibt wichtigeres, als zwei NGOs, die arbeiten und arbeiten können und ihre Information verbreiten und verbreiten können. Wenn ich mir den Globus und die Probleme auf ihm anschaue, dann frage ich mich, woher der deutsche Außenminister die Zeit nimmt, gerade diese zwei NGOs als so wichtig zu erachten, dass er nicht das News-Letter liest, sondern mit dem ganzen Tross hinfährt. Er will etwas sagen, es ist natürlich ein symbolischer Besuch – und dann sind wir wieder bei dem Punkt, was machen diese beiden NGOs besser als die 1.000.000 anderer NGOs, für die ein deutscher Außenminister keine Zeit hat, deren News-Letter er nicht liest, geschweige denn als Diplomat Gesprächskanäle mit einem Staat beschädigt, der in der Region nicht unwichtig ist. Und jetzt müsste man politisch im Schuhkarton aufgezogen worden sein, wenn man das gesteigerte Interesse breiter Teile des deutschen Publikums an der Judenfrage und an der Lehre aus der Geschichte, an Guido Knopps Hitlers Hund und der unglaublichen Mobilisierungskraft dieses Themas nicht in einen Zusammenhang mit der Wahl bringt. Das war kein freudscher Versprecher, das war Wahlkampf und er, nun in der Pose des deutschen Eiche, an der sich ein hysterischer Netanjahu gerne reiben kann, hat damit zumindest für einen kleinen Moment vergessen lassen, dass er als Wirtschaftsminister TTIP, ein Projekt für Jahrzehnte, mit an die Wand gefahren hat. Europa hat keinen wirtschaftspolitischen Kurs, Draghi muss Politik machen, und Gabriel war Wirtschafts und nun Außenminister. Der Besuch der NGOs war Hochstapelei.

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        Nee, so einfach ist das nicht. Es gibt gute Gründe, die beiden NGOs zu treffen. Neben dem erwähnten, dass sie mit deutschen Steuergeldern ausgestattet werden und dafür keine Socken stopfen, sondern eine deutliche politische Rolle spielen, geht es auch darum, alle Seiten des Konflikts anzuhören. Das ist kein rein regionaler Konflikt. Da ist es nicht nur schlechter, sondern autokratischer Stil („Autokratismus“ ist unser wichtigstes Zeitproblem) , wenn man wie z.B. Erdogan sagt: Hie risnd die Terroristen, da sind die Volksvertreter und so sind die Dinge. Selbstwidersprüchlich wäre das obendrein, wenn man die, die das Gegenteil sagen, finanziert.

        Allerdings muss man auch keinen Affront provozieren. Gabriel hat eben nicht pragmatiscdh, sondern prinzipiell gehandelt und dies ist das Problem. Er hätte vbielleicht erst Netanjahu und anschließend die NGOs treffen sollen, dann hätte er das Problem vermieden. Netanjahu hätte nur noch meckern können.

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        @ Ziegler
        Zu dem Argument, dass Deutschland ja zahlt und deswegen in Person des Außenministers Investoren-Rechte hat, fällt mir der (zugegeben unsachliche und in der Debatte nicht weiterführende) Reim aus Schultagen ein: If you think, that fuck is funny, fuck yourself and save your money. Aber im Ernst: Mittlerweile ergibt das einen verschwörungstheoretischen Sinn. Die Hamas ändert ihre Charta, die Europäer machen Druck und die nicht existierende Grenze von 1967 schwirrt als logische Konsequenz über den Äther. Ja, könnte alles gut werden, wenn Israel denn nur will. Da braut sich was zusammen und wenn ich Israeli wäre, würden mir die Bekundungen der Europäer, sie würden sich im Hintergrund für den Frieden einsetzen, langsam Kopfschmerzen machen, denn am Ende droht ein Boykott jüdischer Waren in Europa, natürlich nur, weil man sich für Israel verantwortlich fühlt. Schöne Freunde.

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        @Stevanovic: Mir kommt das alles überspannt vor. Wenn die NGOs schlechte Arbeit leisten, soll man aufhören, sie zu finanzieren. Darüber kann man sprechen. Da shat aber mit einem Besuch nichts zu tun. Denn solange man sie finanziert, soll man sie auch besuchen. Das muss nicht der Außenminister machen, klar. Aber wenn das der Außenminister eben doch mal tut, dann kann das nicht sooo ein fürchterliches Drama sein. Dann muss auch nicht die Kanzlerin in USA plötzlich NGOs treffen, um eine Art Ausgleichszahlung zu leisten und die Außenpolitik ins Gleichgewicht zu bringen. Irgendwann ist auch mal gut mit den Symbolen und den hermeneutisch bis lyrischen Fragen, was denn diese Geste, dieser Zungenschlag, dieser Besuch nun wieder zu bedeuten hat und ob das Graswachstum zu hören ist oder die Nachtigall trapst. Der Gabriel hat zwei NGOs besucht, na und. Deswegen kaufe ich auch weiterhin israelische Waren, solange die was taugen. und billig sind. Das halten auch die meisten anderen so. Wer Israel boykottieren will, darf das aber auch tun. Er ist dann vermutlich ein Trottel, aber in einem freien Land gibt es eben auch freidrehende Trottel – die Erfahrung macht man ohnehin ständig.

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        Lieber Roland Ziegler, ich glaube, man darf davon ausgehen, dass alles, was bei einem Staatsbesuch passiert, genau bedacht ist; und in diesem Fall weiß ich das auch. Denn unser Botschafter in Tel Aviv hat dringend vor dieser Geste abgeraten angesichts der Tatsache, dass Merkel erst vor Monaten die Regierungskonsultationen ausfallen ließ. Auch bei Netanjahu schrillten die Alarmglocken, und er bot an, zum Treffen auch andere NGOs einzuladen bzw. „NGO Monitor“, eine Gruppe, die ihrerseits die Arbeit der NGOs unter die Lupe nimmt. Die Warnungen und Bitten wurden in den Wind geschlagen, weil Gabriel sich schon im Wahlkampfmodus befand. Nun muss Parteifreund Steinmeier die Wogen glätten. Der vorsichtshalber Volker Beck mitnahm, der etwas mehr Sensibilität besitzt für israelische Empfindlichkeiten.

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        …mir bereitet aktuell viel eher Sorgen, wie viele Leute hierzulande noch ihre Intelligenz an der Garderobe abgeben und diese populistischen Vollpfosten wählen, die im Namen der Demokratie hier aus purer Eitelkeit alles kaputtmachen wollen. Ob uns am Sonntag womöglich die EU zerbricht. Im Vergleich dazu sind mir die zwei unklugen NGO-Besuche unseres Außenministers vollkommen schnuppe.

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        Ja, das ist bis in die Haarspitzen genau bedacht. Das ist ja da gerade das Problem. Es ist richtig, dass Herr Gabriel mit sowas Wahlkampf zu machen versucht. Was mich betrifft hätte er sich das Mätzchen sparen können. Ich werde aber jetzt auch nicht auf die SPD einhauen oder noch besser auf die Grünen – irgendjemand, Herr Rainer vielleicht, kommt bestimmt noch auf die Idee, dass die schuld sind. Volker Beck scheint eine vernünftige Figur zu sein, wenn er nicht gerade Drogenn nimmt; den kann man auf einer solchen Reise gut gebrauchen. Ein Pluspunkt für die Grünen.

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      …damit ich nicht missverstanden werde: An diesen Konflikt, wer wo wohnen darf – der für Israelis echt lebensbedrohlich ist, aber auch für Bewohner anderer Länder in mehreren Hinsichten eine (Kriegs)Gefahr darstellt und allerbestensfalls nur äußerst auf die Nerven geht – sind auch meiner Ansicht nach größtenteils die Araber schuld. Ihre Gewaltbereitschaft, ihre autoritären Organisationen, ihre Pädagogik und was sonst noch alles. Meinetwegen auch nicht nur größtenteils, sodnern komplett. Aber TROTZDEM können auch die anderen Verbrechen begehen, müssen diese Verbrechen aufgezeichnet werden, müssen diese Aufzeichnungen hinterfragt werden usw. Es reicht nicht, nur die parlamentarische Opposition zu besuchen. Dazu ist dieser Konflikt viel zu verfahren und hat viel zu große Bedeutung jenseits der Region.

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        …und noch was zu der Forderung von Herrn Posener, dass Frau Merkel in USA NGOs hätte besuchen müssen, damit Herr Gabriel in Israel NGOs besuchen darf. Trump warnt vor einem „großen großen Konflikt“, habe ich grad gelesen. Hoffen wi, das er sich auch hier irrt. Ansonsten darf man gespannt sein, was von der Welt übrig bleiben wird. Klar: schuld ist Nordkorea, aber mit dieser Feststellung werden die Toten auch nicht wieder lebendig. Die Schuldfrage ist egal. Ich glaube bei einem solchen Weltpräsidenten muss man sich als Kanzlerin bei einem Staatsbesuch in USA nicht unbedingt mit NGOs beschäftigen. Man hat auch schon mit den kippelnden Witschaftsbeziehungen genug zu tun.

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        Aber das habe ich ja geschrieben, lieber Roland Ziegler. Vor Amerika hat man Angst. Da kühlt man sein Mütchen lieber am kleinen jüdischen Staat.

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        Wo ich gerade dabei bin: die Leute haben in ihrem engen Alltag immer so seltsame Freiheitsfantasien. Die stammen noch aus Zeiten, in denen man üble Ausbeuter mit der Knarre vertreiben wollte und gemeinsam romatisch am Lagerfeuer saß. Heutzutage gehen die Armeen mit Atomraketen aufeinander los. Bestenfalls sprengen sich die Freiheitshelden in die Luft und nehmen ein paar Kinde rmich sich. In solchen Fällen interessiert mich die Freiheit, für die andere leichtfertig ihr Leben hingeben, nicht die Bohne.

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    Beim Spiegel haben sie die Formulierung anscheinend gelöscht. Löschen ist grässlich – nicht zu seinen Worten stehen, unterirdisch.

    Weiterhin fragt man sich tatsächlich zu Recht, wo der Dialog mit den türkischen Oppositionellen im Gefängnis ist und was genau mit Zivilgesellschaft gemeint ist.

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    Naja, Antrittsbesuch eines neuen deutschen Außenministers in Israel – und was macht er? Erstmal mit den pro-palestinensischen NGOs treffen. Der Vorgänger war aber auch nicht besser mit seinem Urteil über den Präsidentschaftskandidaten der USA. Irgendwie Wilhelminisch, die dt. Außenpolitik: Mittelgroße Gernegroße. Merkel ist da besser (muss ich gestehen).

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