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Frauke Petrys Flucht nach vorn – ein vergeblicher Versuch?

Frauke Petry tritt die Flucht nach vorn an und versucht, dem Flügel rund um Björn Höcke und Alexander Gauland das Heft aus der Hand zu nehmen. Der innerparteiliche Zuspruch zu ihrer Initiative ist bisher indes dürftig. Auch gemessen an AfD-Maßstäben moderate Funktionäre verweigern ihr die Gefolgschaft. Und selbst im Falle eines Erfolgs von Petry ist eine innerparteiliche Befriedung sehr unwahrscheinlich. Eine Analyse.

Es ist eine Flucht nach vorn. Vielleicht auch ganz einfach nur der Mut der Verzweiflung. Ein letztes Aufbäumen, der Versuch, das Steuer in der immer radikaler werdenden AfD herumzureißen. Die Worte sind deutlich:„Denn auch wir verspüren dieselbe Bedrohung. Auch wir sehen für uns keine Zukunft in der AfD, wenn die Partei nicht entschieden denjenigen Einhalt gebietet, die pöbelnd Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen oder an den politischen Rändern unserer Gesellschaft hausieren gehen. Wir sind nicht bereit, diesen Gruppen als seriöse, bürgerliche Fassade zu dienen. Unser Engagement für eine gute Sache darf nicht für die Zwecke derer missbraucht werden, die aus der AfD eine radikale, sektiererische Partei von Wutbürgern machen möchten. Wir müssen uns gegen diese Versuche wehren, wenn wir eine glaubwürdige Alternative für eine politische Erneuerung sein wollen.“

Wer nun glaubt, es handele sich hierbei um ein Zitat der aktuell um ihre Macht in der AfD kämpfenden Frauke Petry, irrt. Diese Äußerungen sind fast genau zwei Jahre alt. Sie waren Teil des „Weckrufs“, den eine Gruppe von Partei-Funktionären rund um Bernd Lucke Mitte Mai 2015 initiiert hatte, um die AfD auf einem moderaten Kurs zu halten. Und insofern vor allem ein Aufbäumen gegen den schon damals immer stärker werdenden völkisch-neurechten Flügel der Partei.

Dessen Hauptprotagonisten Björn Höcke (Thüringen) und André Poggenburg (Sachsen-Anhalt) hatten im März 2015 die so titulierte „Erfurter Resolution“ verabschiedet, derzufolge die AfD u.a. eine „Bewegung unseres Volkes gegen die Gesellschaftsexperimente der letzten Jahrzehnte“ sowie eine „Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“ sein solle. Wie inzwischen durch das Buch „Angst für Deutschland“ der „Spiegel“-Journalistin Melanie Amann bekanntgeworden ist, war es der radikale neurechte Verleger Götz Kubitschek, der die „Idee“ zu dieser Resolution hatte und gleich „selbst den ersten Entwurf“ für diese vorlegte.

Luckes „Weckruf“ im Jahre 2015: Ein Appell an Frauke Petry

Die „Weckruf“-Initiatoren versuchten damals, vor allem eine Person auf ihre Seite zu ziehen und  nannten diese als einziges Parteimitglied beim Namen: es war Frauke Petry, zu dieser Zeit zusammen mit Bernd Lucke und Konrad Adam Co-Vorsitzende der Partei. Die Passage lautete wie folgt:

„Deshalb appellieren wir auch an Frauke Petry, sich dem Weckruf 2015 anzuschließen. Er vertritt die von Tausenden unserer Mitglieder basisdemokratisch beschlossenen programmatischen Positionen der AfD.“

Doch der Aufruf blieb vergeblich. Petry trug stattdessen eifrig dazu bei, Bernd Lucke als Co-Parteichef zu stürzen. Dabei ließ sie sich von dem neurechten Flügel der Partei, zu dem damals bereits der heutige Vizevorsitzende der AfD, Alexander Gauland, zählte, unterstützen. Vielleicht hätte sie da schon genau hinhören sollen, wie in diesen Kreisen über sie gesprochen wird. Wer weiß, vielleicht hat sie das sogar getan. So oder so hat sie – das zeigt ihr immenser Machtverlust in den letzten Wochen – diese Leute aber unterschätzt. Jedenfalls war bereits im Oktober 2015 in der gemäßigt neurechten und sich von Höcke deutlich abgrenzenden „Jungen Freiheit“ Folgendes zu lesen:

„Für manchen im Höcke-Lager ist Frauke Petry (und erst recht ihr Co-Vorsitzender Meuthen) auch nur eine Parteivorsitzende des Überganges. Oder, wie es am Rande des Parteitags in Essen formuliert wurde, im Vergleich zu Lucke nur das ‚kleinere Übel‘.“

Die publizistischen Verbündeten des Höcke-Lagers

Inzwischen, wir schreiben das Frühjahr 2017, ist ein offener Machtkampf entbrannt, in dem sich mit Ausnahme der „Jungen Freiheit“ alle Leitmedien der Rechten gegen Petry und ihre Verbündeten stellen. André Lichtschlag, Herausgeber und Chefredakteur der inzwischen scharf nach rechts abgebogenen libertären Zeitschrift „eigentümlich frei“, schreibt in der aktuellen Ausgabe:

„Wer in der Zukunft einmal unter Schaudern nachschlagen möchte, wie Andersdenkende im Jahr 2017 in der Bundesrepublik Deutschland von der Pressemeute fertig gemacht wurden, und das alleine als Mittel zu einem Zweck, der braucht nur unter ‚Björn Höcke‘ nachzuschlagen.“

Sodann wird er gegenüber Petry und der homosexuellen Alice Weidel, die er als kommende Frau in der Partei sieht, sogar persönlich:

„Stand die AfD nicht zum Beispiel eben noch für ein alternatives, konservatives Familienbild? Mit einer baldigen Patchwork-Mutti nebst einer Regenbogen-Mutti an der Spitze? Wetten, dass es in Kürze schon gilt, die AfD zu ‚modernisieren‘ und ‚endlich zukunftsfähig‘ zu machen.“

Mit dem letzten Satz hat Lichtschlag tatsächlich richtig in die Zukunft geschaut. Denn nun, also fast zwei Jahre nach Bernd Luckes „Weckruf“ ist es Frauke Petry, die mit einem „Zukunftsantrag“ um die Ausrichtung der Partei und um ihre Macht kämpft, die zuletzt immer weiter erodiert ist.

Der frappante Machtverlust der Frauke Petry

So sprach sich in einer Mitgliederumfrage die Mehrheit der Parteimitglieder gegen Petry als alleinige Spitzenkandidatin aus, die Höcke-Kritikerin Alice Weidel unterlag auf Betreiben Jörg Meuthens, der sich schon seit letztem Jahr mit Höcke und Gauland im Machtkampf gegen Petry (zweck)verbündet hat, beim Griff nach dem baden-württembergischen Landesvorsitz. Ein bizarrer Vorgang, da Weidel im „Ländle“ Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, ist. Petr Bystron, bayerischer Landesvorsitzende und jemand, der, wie Franz Eibl gestern hier ausführte, gegenüber dem neurechten Flügel einen Schlingerkurs fährt und ein Parteiordnungsverfahren gegen Björn Höcke befürwortet hat, schaffte es mit Ach und Krach auf Listenplatz 4 seines Landesverbands.

Petrys Ehemann, Marcus Pretzell, musste mit ansehen, wie sein Co-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Martin Renner, der ebenfalls ein Höcke-Unterstützer ist, es gegen seinen, also Pretzells Willen im Februar auf Platz 1 der dortigen Landesliste schaffte. Frauke Petrys Vertrautem, dem sächsischen Partei-Generalsekretär Uwe Wurlitzer, wiederum gelang es nicht einmal, die causa Höcke bei einem Parteitag in Petrys Heimatlandesverband Sachsen im Januar dieses Jahres zur Abstimmung zu bringen. Und Petry selbst wurde mit gerade einmal 72 % auf Listenplatz 1 in Sachsen gewählt, während Richter Jens Maier, der als Vorredner zu Höcke in Dresden den „Schuldkult“ für „beendet“ erklärt hatte, 77 % einfuhr. Noch bitterer dürfte es für Petry gewesen sein, dass der Parteitag sich mehrheitlich gegen das von ihr befürwortete Parteiausschlussverfahren gegen Maier ausgeprochen hat.

Nun also tritt auch Frauke Petry die Flucht nach vorne an. Ähnlich wie damals bei den „Weckruf“-Leuten sieht es aber auch bei ihr eher wie der Mut der Verzweiflung aus, nachdem sie zuletzt nach heftiger Kritik auf einem sächsischen Landesparteitag in Tränen ausgebrochen war und gegenüber dem „Tagesspiegel“ einen Rückzug aus der Politik erwogen hatte. Gestern hat sie, wie „stern.de“ zuerst berichtet hat, den bereits erwähnten „Zukunftsantrag“ zur „strategischen Ausrichtung“ der Partei öffentlich gemacht, den sie auf dem Bundesparteitag der AfD am 22. und 23. April in Köln zur Abstimmung bringen möchte. Abends wurde bekannt, dass es inzwischen eine eigene Homepage zu diesem Antrag gibt. Wer liest, was dort steht, erlebt in der Sache eine Art Déjà-vu, fühlt sich zwei Jahre zurückversetzt, in die Zeit des Lucke’schen „Weckrufs“. Mit einem Unterschied: Petrys Antrag vermeidet einen alarmistischen Ton, klingt viel kühler und fokussiert sich stärker auf strategische Erwägungen, also auf das, was der AfD zum Erfolg verhelfen könnte.

Realpolitik versus Fundamentalopposition

In ihrem Antrag richtet Petry sich gegen die „Fundamentalopposition“, die Alexander Gauland am 16. März 2017 in einem Streitgespräch mit der CDU-Politikerin Saskia Ludwig in der „Jungen Freiheit“ als Strategie der AfD in den Parlamenten ausgegeben hat. Dieser „fundamentaloppositionellen Strategie“ möchte Petry eine „realpolitische Strategie“ entgegensetzen, bei der die AfD mittelfristig auch als Juniorpartner Koalitionen eingehen können soll. Derartiges Denken ist im völkisch-neurechten Flügel verpönt. So sagte Höcke bei seiner berüchtigten Dresdner Rede Folgendes:

„Es ist der Weg einer fundamentaloppositionellen Bewegungspartei und einer fundamentaloppositionellen Bewegungsfraktion und ich wünschte mir, dass dieser Thüringer Weg einer inhaltlichen, nicht strukturellen Fundamentalopposition, der Weg aller Landesverbände und aller Fraktionen in der AfD wird.

Wir werden das so lange durchhalten – und so lange ich in etwas in der AfD zu sagen habe, werde ich dafür eintreten und dafür kämpfen –, wir werden das so lange durchhalten, bis wir in diesem Lande 51 Prozent erreicht haben, oder…

[Applaus, Jubel]

…oder aber als Seniorpartner – als Seniorpartner! – in einer Koalition mit einer Altpartei sind, die durch ein kartetisches [sic!, Anm.: womöglich „kathartisches“] Fegefeuer gegangen ist, die sich selbst wiedergefunden hat, und die abgeschworen hat von einer Politik gegen das Volk um endlich wieder zu einer Politik für das eigene Volk… [unv., geht in Jubel unter]“

Derartigen Forderungen erteilt Petry eine klare Absage: Sie fordert, dass der „Kernpunkt“ der realpolitischen Strategie auf „die emotional heimatlosen, und immer noch konservativen Wähler gerade der CDU, aber auch die anderer Parteien“ ziele und dass „man es auf die Entkernung und Schwächung von CDU, FDP sowie anderer Parteien an(lege)“. Gleichzeitig räumt sie ein, dass die realpolitische Strategie „komplexer“ sei und „höhere Anforderungen an Programm und Personal“ stelle, jedoch „in kürzerer Zeitspanne zum Erfolg führen (könnte)“. In kursiver Schrift greift sie die fundamentaloppositionelle Strategie sodann direkt an:

„Kommen beide Strategien nebeneinander zum Einsatz, zerstört die fundamentaloppositionelle Strategie die realpolitische Strategie. Die Öffnung von abseitigen Diskursräumen muss nicht als Parteistrategie getragen werden, um von einzelnen Funktionären und Parlamentariern angewandt zu werden. Sie können ohne die Beschlusslage der Partei abzuwarten, die Entscheidung für eine fundamentaloppositionelle Strategie treffen und damit alle Parteimitglieder in Haftung nehmen. Ein realpolitischer Strategieansatz hingegen ist nur erfolgversprechend, wenn er sich auf breiten Konsens der Partei und auf eine entsprechende Beschlusslage beziehen kann.“

Damit zielt Petry auf eine Äußerung Gaulands in dem erwähnten Streitgespräch, die auch in dem „Zukunftsantrag“ selbst zitiert wird:

„Dazu bedient man sich auch abseitiger Meinungen und Standpunkte, ist also möglichst offen gerade auch für Äußerungen außerhalb des bürgerlichen Korridors. Ein Verschrecken dieser oftmals mutlosen Klientel wird bewusst in Kauf genommen.“

Der obige kursive Passus erinnert nun allerdings sehr an Luckes Weckruf. Dort nämlich hieß es:

„Deshalb kann die AfD nicht erfolgreich sein, wenn manche Führungspersonen weiterhin versuchen, die politischen Ränder aufzuweichen und auch radikale Kräfte integrieren wollen, die grundsätzlich systemkritisch, fundamental-oppositionell und nationalistisch daherkommen.“

Petry ist nur leicht moderater als der neurechte Flügel

Bleibt die Frage, ob Petrys Vorstoß Aussicht auf Erfolg hat. Das Beispiel Luckes lässt eher das Gegenteil vermuten. Ihm wurde die „Spaltung“ der Partei vorgeworfen. Bis heute ist „Luckist“ ein Schimpfwort in der Partei. Und Lucke stand in zwei Punkten sogar besser da als Petry. Zum einen war er zumindest gegen Ende seiner Amtszeit politisch deutlich moderater als Petry. Petry hingegen unterscheidet sich eher in graduellen Nuancen von Gauland und Höcke, wie nicht zuletzt ihr eigener Umgang mit Deutschlands NS-Vergangenheit zeigt oder ihre Forderung, den Begriff „völkisch“ positiv neu zu besetzen.

Gleiches gilt für Sprüche wie wie denjenigen, den sie am 3. Oktober 2016 in Bad Cannstatt von sich gab: „Was soll man denn von diesen ganzen ‚Deutschland-ist-bunt’-Kampagnen halten? Bunt ist auch ein Komposthaufen.“ Realpolitik im Sinne Petrys heißt z.B. auch, gemeinsame Sache mit Marine Le Pen und Geert Wilders zu machen. Insofern verwundert es nicht, wenn Alexander Gauland ihren Vorstoß wie folgt quittiert: „Das ist ein künstliches Auseinanderdividieren eigentlich gar nicht so weit auseinanderliegender Positionen.“

Im Moment jedenfalls spricht eher wenig dafür, dass Petry sich wird durchsetzen können. Schon nach ihren Überlegungen, sich gegebenenfalls aus der Politik zurückzuziehen, war unter den Männern der Partei, wie Justus Bender in der F.A.Z. analysierte, ein dröhnendes Schweigen zu vernehmen. Auch jetzt fehlt es an signifikanter Solidarität. Vielleicht hat Petry mit ihrer Art doch zu viele verprellt. Schon länger ist sie im Bundesvorstand vergleichsweise isoliert. Es spricht Bände, wer sich nun alles von ihr distanziert.

So sagte Vizechef Albrecht Glaser, der immerhin mit Unterstützung Frauke Petrys zum Bundespräsidentenkandidaten gekürt worden war, es sei ungewiss, ob Petrys Antrag „überhaupt auf die Tagesordnung kommt“. Georg Padzerski, Landesvorsitzender der AfD Berlin und Mitglied im Bundesvorstand, der eigentlich als moderat gilt, fiel mit einer kuriosen Distanzierung gegenüber der „Bild“-Zeitung auf. Es sei ein „Tippfehler“ gewesen, dass sein Name zunächst unter dem Antrag neben dem des mecklenburg-vorpommerischen Co-Landesvorstandssprecher Leif-Erik Holm stand, teilte er mit. Inzwischen ist er dort gelöscht. Gegenüber „n-tv“ sagte Pazderski sodann, er wolle zwar wie Petry eine Partei, „die koalitionsfähig und auch regierungsfähig werden will“, unterstütze aber den „Zukunftsantrag“ nicht, „weil er nicht nur festhält, wie sich die Partei ausrichten soll, sondern auch eine Abgrenzung von einem Teil der AfD darstellt“. Auch Pazderski äußerte Unmut, dass Alexander Gauland in dem Antrag beim Namen genannt wird. .

Und es ist noch mehr bekanntgeworden. Wie die „Welt“ berichtet, hat nun auch Leif-Erik-Holm erklärt, dem Antrag so nicht zustimmen zu können, weil dort Alexander Gauland namentlich auftaucht. Wie die „Welt“ weiter berichtet, soll „der Satz zu Gauland in der Entwurfsversion, die Holm und andere Mitunterzeichner erhalten hatten, nicht eingefügt“ gewesen sein, sondern erst später von Petry vor der Veröffentlichung hinzugefügt worden sein. Man fragt sich wirklich, warum Frauke Petry in einer für sie so heiklen Lage derart mit potentiellen Verbündeten umgeht. Egal, ob man es nun selbstherrlich oder dilettantisch nennt, es ist, wie sich mittllerweile zeigt, fatal.

Für Petry ist die Lage inzwischen äußerst prekär. Wie ebenfalls die „Welt“ meldet, unterstützen 12 von 13 Landesvorsitzenden ihren Antrag nicht. Einzig auf Uwe Junge, den Landesvorsitzenden aus Rheinland-Pfalz, kann Petry insoweit zählen. Die restlichen Antragsteller, die namentlich aufgeführt sind, sind Uwe Wurlitzer (Generalsekretär AfD Sachsen), Bernhard Wildt (Co-Landesvorstandssprecher, AfD Mecklenburg-Vorpommern), Uwe Kamann (AfD NRW), Uwe Witt (AfD NRW und Kirsten Muster (Landtagsabgeordnete, AfD Sachsen). Mal schauen, ob es noch mehr werden. Zur Erinnerung: Luckes Weckruf hatten damals über 40 aktuelle bzw. ehemalige Parteifunktionäre als Initiatoren unterschrieben.

Mitglieder des rechten Parteiflügels rufen zur Nichtbefassung mit Petrys Antrag auf

Hinzukommt, dass sich unter dem Slogan „Zukunft. Gemeinsam“ unter den neurechts orientierten AfD-Mitgliedern bereits eine Gegenbewegung gebildet hat. Laut Impressum ist Florian Jäger, AfD-Bezirksvorsitzender in Oberbayern, für die Seite verantwortlich. Auf ihr findet sich folgender Unterschriftenaufruf:

„Ich unterstütze die Nichtbefassung mit dem Antrag der

Parteivorsitzenden Frauke Petry: „Sachantrag zur strategischen Ausrichtung der AfD“ und fordere die Delegierten des AfD-Parteitages in Köln auf, diesen von der Tagesordnung zu nehmen.“

Vermutlich dürfte auch gemäßigteren Mitgliedern bewusst sein, dass eine fundamentaloppositionelle Ausrichtung der Partei zumindest außerhalb der östlichen Bundesländer keine Aussicht auf große Erfolge bei den Wählern hat. Das zeigt der Absturz in den bundesweiten Umfrageergebnissen der AfD seit Höckes Rede allzu deutlich. Mit rund 8 Prozent ist die Partei inzwischen genau wieder dort, wo sie vor der Flüchtlingskrise stand.

Offen bleibt jedoch, ob die eher bürgerlich geprägten Mitglieder, die es ja auch noch in der Partei gibt, einen realpolitischen Kurs mittragen möchten, der von Frauke Petrys vorgegeben wird. Und selbst wenn Petry eine (knappe) Mehrheit auf dem Parteitag erringen würde, was wäre damit gewonnen? Immerhin repräsentiert Höckes Flügel nach Informationen der „Bild“-Zeitung rund ein Drittel der Partei (Stand Dezember 2016). Glaubt Petry ernsthaft, dieser würde klein beigeben? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass er versuchen würde, einen Beschluss, der die Partei im Sinne Petrys ausrichtet, in den Landesverbänden, in denen er über genügend Einfluss verfügt, zu relativieren und irgendwann auf Bundesebene wieder zu kassieren? Immerhin sieht der radikale Teil der Neuen Rechten in der AfD einen „Resonanzraum“ für die eigenen Ideen. Eben jenen parlamentarischen Arm, auf den man so lange gewartet hat. Kaum anzunehmen, dass man diesen so einfach aufgegeben wird.

Frauke Petrys Ehemann Marcus Pretzell ist übrigens bisher auch noch nicht als Unterstützer unter dem Antrag aufgelistet. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.

Eines ist gewiss: Auf dem Kölner Parteitag wird es zum Showdown kommen. Fast zwei Jahre, nachdem Frauke Petry strahlende Gewinnerin im Machtkampf gegen Bernd Lucke war. Die Verfasserin dieses Textes fragte sich damals Folgendes:

Wie soll er zu schaffen sein, der Spagat, einerseits in der Öffentlichkeit nicht als stramm rechtspopulistische Partei dazustehen und andererseits den neurechten Flügel um den Thüringer Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke bei Laune zu halten, dem es gelungen ist, gegen Petrys Willen mit André Poggenburg (AfD-Landeschef in Sachsen-Anhalt) nun einen eigenen Vertreter im Bundesvorstand zu haben?

Vielleicht erweist sich in diesen Tagen, dass ein solcher Spagat nicht zu schaffen ist, ganz egal, wie geschmeidig und gelenkig man rhetorisch auch ist.

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11 Gedanken zu “Frauke Petrys Flucht nach vorn – ein vergeblicher Versuch?;”

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    Hallo Frau Bednarz,
    mal angenommen, die AfD mit Petry, Höcke und anderen würde sich bald richtig zerlegen. Sind denn die Ursachen, Krisen und Probleme, die zu den Erfolgen der AfD geführt haben, bereits soweit im Griff, dass es keiner neuen „Alternative“ bedarf? Könnten z.B. die Herren Spahn, Bossbach, Willsch oder auch Boris Palmer oder Sarah Wagenknecht mehr zur Krisenbewältigung beitragen als Merkel/Schulz oder die AfD?

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    Liebe Frau Bednarz,
    ich bin erstaunt, daß Sie sich solche Sorgen um die Zukunft der AfD machen.
    Noch mehr erstaunt mich, daß ich zumindest Ihrer Analyse von Petrys Fehlern vorbehaltlos zustimmen kann.
    Wenn man der veröffentlichten Meinung glauben darf, hat die AfD Stimmen verloren wegen Höckes Rede und der von großen Teilen der Partei praktizierten Fundamentalopposition.
    Ich persönlich glaube nicht, daß die AfD durch Anbiederung an die etablierten Parteien ihre Wahlchancen verbessern könnte. Zuletzt konnte man bei den Piraten sehen, daß das nichts bringt. Solange die Piraten den Reiz des anderen hatten konnten sie Wahlerfolge verbuchen, sobald die Leute merkten daß es doch nur eine weitere linke Partei ist begann der Niedergang.
    Und die Grünen haben im Laufe der Jahre ihre Koalitionspartner mehr geändert als sie sich selbst ändern mußten, ich denke nur an die Dachlatten der SPD.

    Noch ein Wort zum „Niedergang“ der AfD:
    Die beiden letzten Landtagswahlen waren die in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland. In ersterem erreichte die AfD über 20 Prozent, in letzterem über 6 Prozent. Das ist natürlich ein katastrophaler Rückgang und stellt die Zukunft der Partei in Frage.
    Man sehe sich deshalb mal die Ergebnisse von FDP und Grünen an. Die blieben beide in beiden Bundesländern auf einem stabilen Niveau, von sowas kann die AfD nur träumen.

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      Lieber Don Geraldo, es freut mich natürlich, dass Sie meiner Analyse zustimmen, auch wenn Sie, was die AfD als solche angeht, eine diametrale Haltung zu meiner haben. Es ist richtig, dass die Partei mit einem völkisch-neurechten Kurs in den neuen Bundesländern reüssiert (wobei der Wahlkampf in MV vergleichsweise, d.h. gemeseen an Höcke, moderat war). Aber im Westen hat dieser Kurs keine Aussicht auf Erfolg. Denn Gott sei Dank wirken völkische Parolen im Westen auf die meisten Menschen abstoßend. Wenn die AfD diesen Weg wählt, dann wird sie, worauf etwa die „Junge Freiheit“ ja immer wieder hinweist, in der politischen Bedeutungslosigkeit landen.

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        Dabei wird völkisch-nationale Politik die einzige Rettung bringen vor dem neoliberal-links-migrantischen Block (mit den zerstörerischen Feministinnen gewürzt).

        Erst der Bürgerkrieg wird die Lösung bringen, in die eine oder andere Richtung, und die derzeitige Linksdiktatur entweder vollends zementieren oder sie zu Fall bringen. Die Abwendung des Unterganges wäre aber nur gegeben, wenn alles Linke endgültig in den Orkus stürzen würde. Zum Ausbruch des Krieges wird es aber eine große Krise brauchen…

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    Es gibt ja gar keine realpolitische Perspektive mit Koalitionsmöglichkeiten für die AfD mit einer Blockpartei, etwa der Merkel-CDU. Das ist irrationaler Firlefanz, etwa auf dem Niveau von „Fluchtursachen bekämpfen“ oder „Griechenland stabilisieren“. Die Schwangerschafts-Hormone haben Frau Petry benebelt. Die AfD wird weiterhin mit allem Hass und kriminellen Mitteln bekämpft werden, weil sie eben den antideutschen Konsens der Altparteien infrage stellt.

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      „Antideutscher Konsens der Altparteien“??? Man muss schon in einer seltsamen Echokammer leben, wenn man zu so einer Sicht der Dinge kommt. Fortwährend werden von Politik und Medien die bundesdeutschen Errungenschaften gerühmt: Exportweltmeister, stabile Wirtschaft, Rechtsstaat, entwickelter Sozialstaat – und Fußballweltmeister, na klar!
      Was an alledem „antideutsch“ sein soll, kann ich nicht erkennen.

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        „Was an alledem „antideutsch“ sein soll, kann ich nicht erkennen.“

        Ihren Schlußsatz zum ganzen Theater, der Höhepunkt sprachlicher Preisgabe, nehme ich als Wort zum Sonntag in meine Kommentarhistorie auf.

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