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Was ist konservativ? Und was nicht?

Was ist konservativ? Ich gebe zu, dass ich in der Regel Diskussionen über Begriffe aus dem Weg gehe, weil es wichtiger ist, über die Wirklichkeit zu diskutieren; eine typisch angelsächsische Haltung, die bereits im mittelalterlichen Realienstreit zum Ausdruck kommt. Dennoch meine ich, dass man gelegentlich der Vereinnahmung von Begriffen etwas entgegensetzen muss. Ich selbst, obwohl im lebensweltlichen Habitus eher konservativ (42 Jahre verheiratet, Reihenhaus, Garten, sorgsame Pflege bestimmter Vorlieben und -urteile), bin vom geistigen Habitus her eher ein Freund der Veränderung. Vielleicht kann man sagen: ich bin mit mir nicht einverstanden. Was wiederum eine konservative Haltung ist, weil schon mein Vater ähnlich tickte.

Was konservativ sein bedeute, habe ich, das wird meine Kritiker interessieren, vor allem in langen Gesprächen mit Alexander Gauland – vor Gründung der AfD – gelernt. Gaulands Anglophilie ist nicht gespielt, keine bloße Sache von Tweedjacken und dergleichen. Sie gründet sich auf echter Bewunderung für das, was er für typisch britisch hält und als junger Mensch bei Besuchen dort erfahren hat. Die Kontinuität von Demokratie und Liberalität, Individualismus und Institutionen hat ihn, aus dem Deutschland der radikalen Umbrüche stammend, zutiefst beeindruckt. Das Großbritannien der 1960er Jahre ist sein Vorbild.

Ich hingegen habe dieses Großbritannien als kalt und autoritär in Erinnerung. Gerade erst waren der Wehrdient und die körperliche Züchtigung abgeschafft worden, letztere auf meinem Internat übrigens nicht. Die ältere Generation war befangen in Kriegserinnerungen und Ressentiments gegen die verweichlichte Jugend. Gemessen an meiner Kindheit im multikulturellen Kuala Lumpur kam mir London eintönig vor: die Menschen waren grau, nicht einmal weiß. Ich war froh, wegzukommen nach West-Berlin. So verschieden können Wahrnehmungen sein.

Und die daraus folgenden Urteile. Für mich waren die Beatles die kulturrevolutionäre und Maggie Thatcher die politisch-wirtschaftlich revolutionäre Antwort auf die Misere. Großbritannien erscheint mir heute viel bunter, lebendiger, kräftiger, liebenswerter als vor Thatcher. Für Gauland, der den Rock’n’Roll ohnehin nicht versteht,  ist Thatcher eine Hassfigur, die sein geliebtes Großbritannien zerstört hat. Er ist sich da – als Rechter – durchaus einig mit Linken, die in der Eisernen Lady zu Recht die Frau sieht, die Großbritanniens Arbeiterklasse und ihre Institutionen zerstört hat.

Es gibt zwei britische Filme, die jenes Schumpeter’sche Zerstörungswerk anhand des gleichen Themas völlig verschieden behandeln: „Brassed Off“ (1996) von Mark Herman zeigt, wie sich die Blaskapelle eines Bergwerks gegen die Schließung des Werks und ihre eigene Abwicklung kämpft. Der Film steuert auf ein Happyend zu, als die Kapelle nach London fährt und in einem Wettbewerb den ersten Preis gewinnt. Doch bei der Preisvergabe lehnt der Bandleader den Preis ab und hält  statt einer Dankesrede eine Brandrede gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung. Damit endet der Film.

Ein Jahr später erschien „The Full Monty“ von Peter Cattaneo. In diesem Film beschließen die Mitglieder einer abgewickelten Blaskapelle, eine männliche Strip-Gruppe zu bilden und durch die Pubs zu tingeln. Dadurch, so deutet der Film an, geben sie ihrem Leben einen neuen Sinn und retten ihre Würde, wenn auch auf ganz andere Weise als in der noch von alten Männlichkeitsidealen geprägten Welt der Bergarbeiter. In der letzten Einstellung lassen sie die letzten Hüllen – es sind Polizistenhelme – fallen und stehen nackt da.

Ich finde und fand immer „Brassed Off“ larmoyant und „The Full Monty“ optimistisch und darum besser. Für mich ist „Brassed Off“ Ausdruck eines linken Konservatismus – es soll alles so bleiben, wie es war; die Arbeiter sollen ihr Klassenbewusstsein, ihre Kultur und ihren Stolz behalten und sie nicht auf dem Altar der Marktkräfte opfern müssen. Von diesem Standpunkt aus ist „The Full Monty“ ein zynischer Film, der ungewollt zeigt, was der Kapitalismus mit Menschen macht: er zwingt sie buchstäblich, die eigene Haut zu Markte zu tragen.

Ich verstehe diesen linken Konservatismus, ich kann ihn nachvollziehen, wie ich auch den rechten Konservatismus verstehen kann, dem es um den Fortbestand von Institutionen bange ist, von der Monarchie bis herunter zur Ehe und Familie. Mein Streit mit Gauland drehte sich nicht um die Frage, ob die Reformen Maggie Thatchers revolutionäre und schmerzhafte Konsequenzen gehabt hätten; er drehte sich um die Frage, ob sie unumgänglich gewesen seien. Thatchers Haltung, meine ich, war jene des Adeligen in Lampedusas „Leopard“, der sich der republikanischen Bewegung anschließt, um das zu retten vom Alten, das noch zu retten ist: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.“ Insofern hätte Thatcher den Titel einer konservativen Revolutionären verdient, wäre der Begriff der konservativen Revolution nicht von jener antiwestlichen, antimodernen, antiliberalen und antisemitischen deutschen Bewegung bereits mit Beschlag belegt worden, auf die sich Gauland, wie ich fürchte, inzwischen bezieht.

Der Konservative, sagte Gauland damals, bilde sich nicht ein, die Uhr zurückdrehen zu können; er weiß sogar, dass er das nicht einmal wollen könne. Skeptisch wie er notwendig sein muss gegenüber dem Fortschritt, muss er doch auch ihre Unausweichlichkeit und ihre guten Seiten anerkennen. Niemand möchte auf die moderne Medizin verzichten. Die Haltung des echten Konservativen sei daher die des Warners und Verlangsamers, nicht des radikalen Verneiners. Das kommt der Definition der konservativen Haltung nahe, wie sie Thomas Bertram Lance, Budgetdirektor in Jimmy Carters Kabinett, 1977 gab: „If it ain’t broke, don’t fix it.“ Wenn’s nicht kaputt ist, repariere es nicht. Was ich vernünftig finde.

Ganz anders, und das ist dieser langen Vorrede kurzer Sinn, definiert die Zeitung „Junge Freiheit“ das, was sie gemäß ihrem „Leitbild“ unter Konservatismus versteht: „Nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.“ Die Definition stammt vom „konservativen Revolutionär“ Albrecht Erich Günther.

Nun kann man darüber streiten, „was immer gilt“. Für den Christen sind es die Worte des Gottessohns. Für den Juden sind es die Propheten und das Gesetz. Für den Moslem sind es der Koran und die Scharia. Für Günther war es die Stimme des Blutes. Für Kommunisten sind es die Gesetze der Geschichte. Und so weiter. Der Punkt ist: aus dem, „was immer gilt“ leben, ist entweder unpolitisch oder totalitär, anders als „Hängen an dem, was gestern war“.

Natürlich sollen Christen, Juden und Muslime so leben, wie es ihnen ihre Heiligens Schriften vorschreiben, so lange sie damit andere nicht übermäßig behelligen. Es ist übrigens interessant, dass die angeblich konservative „Junge Freiheit“ bei Muslimen wenig Verständnis für diesen Wunsch hat, um es gelinde auszudrücken. Falsch wird es aber, wenn der Versuch, aus dem zu leben, was immer gilt, als Forderung in die politische Sphäre tritt. Wohlgemerkt: nicht als Forderung nach Toleranz – die Gesellschaft kann mit Schächtung und Beschneidung ebenso leben wie mit Kopftüchern und Schläfenlocken, Muezzin-Rufen und Kirchenglocken, Halal-Gerichten in der Kantine und Gebeten in konfessionellen Schulen. Auch mit Anhängern des Volkstumsgedankens, die – etwa in Mecklenburgischen Kommunen – Volkstanz und Öko-Anbau praktizieren, rassisch reine Ehen eingehen und Kinderreichtum produzieren, oder linken Hausbesetzern, die das Leben in herrschaftsfreien Räumen zu organisieren versuchen.

Womit eine liberale Gesellschaft nicht einverstanden sein kann, ist der Versuch, das, was immer gilt, zur Maxime des Staates zu machen. Denn die demokratische Ordnung lebt von der Vorstellung, dass der politische Gegner Recht haben könnte, dass mit der Zeit aus Sinn Unsinn, aus Wohltat Plage werden kann und umgekehrt. Wäre es möglich, das zu erkennen, „was immer gilt“, würden sich ja Parteien und Parlamente, Opposition und eine freie Presse erübrigen, weil sie ja per se das Ungültige propagieren, mithin Lügner, ja Gegner der Wahrheit wären. Die Partei hat eben nicht immer Recht, und der Führer auch nicht.

Joseph Ratzinger erkannte etwas Richtiges, als er die „Diktatur des Relativismus“ als Kennzeichen der Moderne bezeichnete. Er hatte aber Unrecht, als er danach strebte, diesen Relativismus nicht nur in der Kirche, sondern auch in der politischen Sphäre zu bekämpfen. Hebt man den Relativismus auf, hat man den Absolutismus: die Herrschaft der Wahrheit: Totalitarismus. Darum schrieb ich, dass die von der „Jungen Freiheit“ gegebene Definition ihres Konservatismus entweder unpolitisch sei oder totalitär. Da man der „JF“ viel vorwerfen, nur nicht, dass sie unpolitisch sei, muss man ihr unterstellen, dass ihr eine totalitäre Vision vorschwebt. Diese Vorstellung ist mit der Demokratie der Bundesrepublik unvereinbar. Sie ist nicht konservativ, auf Erhalt dieser Demokratie, gerichtet, sondern reaktionär, auf ihre Zerstörung aus.

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94 Gedanken zu “Was ist konservativ? Und was nicht?;”

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    Lieber Herr Posener,
    1. Ich bemühe mich stets, konstruktiv zu argumentieren. Sie müssen meine Argumente nicht gelten lassen; darüber hinaus überlasse ich es Ihnen zu entscheiden, ob Ihre persönlichen Angriffe, mit denen Sie mir „Feigheit“ zunächst ebenso unterstellt haben wie später „Plattheit“und „mangelnden moralischen Ernst“ Ihrem Anspruch gerecht werden, „positiv zu argumentieren“.
    2. Weiter nehmen Sie für sich in Anspruch, das liberale Erbe der Aufklärung u.a. gegen die „Reaktion“ in Schutz zu nehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen vor diesem Hintergrund dafür dankbar sein soll, dass Sie mich nicht zensieren – tun Sie’s oder lassen Sie’s. Zensur hat keinen Einfluss auf die Schwäche oder die Stärke von Argumenten.
    3. Ihre nun öfter wiederholte Aufforderung, Ihre Bücher zu lesen, wird für zur Ungeduld neigende Temperamente wie mich ein wenig zur Belastung. Sie sollten doch in der Lage sein, das Wesentliche Ihrer Argumentation in Kürze wiederzugeben, meinen Sie nicht?
    4. Eher ärgerlich als originell ist Ihr Verweis auf den Kinderkreuzzug. Der war nun in der Tat nicht gefährlich, sondern eine Tragödie für die beteiligten Kinder. Ihr Buchtitel unterstellt allerdings Benedikt Gefährlichkeit (übrigens eine Fehleinschätzung, und dies nicht nur aus der Nachschau). Der Widerspruch will Ihnen nicht bewusst sein?
    5. Abschliessend frage ich mich weiter, was für Sie eigentlich Konservativismus bedeutet?

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      Lieber Dr. Feifel, Das buch hieß im Hardcover „Benedikts Kreuzzug“. Auf Wunsch des Verlags wurde das beim Paperback geändert in „Der gefährliche Papst“. Das habe ich in meinem E-Book „Die empörte Republik“ selbstkritisch als Beispiel für die Selbstradikalisierungstendenz der Medien angeführt. Sie müssen meine Bücher nicht lesen. Aber wenn Sie in Unkenntnis dessen, was ich geschrieben habe, meine Positionen kritisieren, ist die Entgegnung – wie in diesem erneuten Fall – keine Belastung, sondern ein Hinweis auf das, was sich gehört. Wäre ich imstande, meine Positionen „in Kürze“ wiederzugeben, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, Bücher zu schreiben. Was ich unter Konservatismus verstehe, habe ich hier auf SM geschrieben: „Was konservativ ist. Und was nicht.“ Kein Buch, ich kann sie beruhigen. Vielleicht reißen sie sich von diesem Thread los und lesen das.

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    Aber, lieber Herr Posener, Beispiele für „in unfreundlich-hämischem Ton vorgetragene Unterstellungen“ haben Sie doch in Ihren letzten Posts selbst en masse geliefert, als Sie mir u.a. eine „plumpe“, „flapsige“ Argumentation vorwarfen, die es an „moralischem Ernst“ vermissen lasse. Aber ich will hier nicht kleinlich sein; ich habe eigentlich nichts anderes erwartet. Vermutlich sollten Sie einfach nur mit Leuten diskutieren, mit denen Sie lediglich Differenzen im „Infinitesimalbereich“ haben, das macht dann vieles einfacher. Aber wenn Sie aus Gründen der Aufmerksamkeits-Ökonomie glauben, Benedikt, der für eine friedliche (friedliche!) Rechristianisierung Europas wirbt, einen Kreuzzug (der per se mit der Ausübung von Gewalt konnotiert ist) unterstellen zu müssen, ist das keine höhere Erkenntnis, sondern schäbig.

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      Dr. Feifel, ein Kreuzzug muss mitnichten etwas mit Gewalt zu tun haben. Denken Sie an den Kinderkreuzzug im Mittelalter. Nirgends habe ich Benedikt unterstellt, er wolle Gewalt anwenden. Aber Sie haben das Buch nicht gelesen, deshalb reden Sie wie der Blinde von den Farben. Sie benutzen das Adjektiv „schäbig“; schäbig ist es aber, mit unbegründeten Unterstellungen zu arbeiten. Lassen sie das doch einfach bitte. Sie sehen, dass ich hier nichts zensiere und dass Sie ausführlich zu Wort kommen. Nutzen Sie diese Gelegenheit. Argumentieren Sie positiv, statt zu versuchen, mir niedrige Motive zu unterstellen.

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    Lieber Herr Posener, ich habe nie die Verbrechen bestritten, die im Namen des Christentums begangen worden sind – einige (wie Inquisition, Kreuzzüge und Antijudaismus) haben Sie genannt. Ich glaube zwar, dass die dauernde Wiederholung der genannten Phänomene wenig originell ist, halte die „Pathologie der Religion“ (Ratzinger ) aber für ein ernstzunehmendes Phänomen. Und selbstverständlich haben im Marxismus auch säkular gebrochene christliche Vorstellungen ihren Platz gehabt. Aber den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer materialistischen Ideologie, die Religion für Opium hält und irgendeinen „Paradieszustand“ im Diesseits verwirklichen will, und dem Christentum sollte sogar erkennen können, wer Ratzinger für „gefährlich“ hält und ihm einen „Kreuzzug gegen die Moderne“ unterstellt (der vulgär-reißerische Titel macht übrigens nicht wirklich Lust darauf, Ihr Buch zu lesen). Dasselbe gilt für die NS-Ideologie, die sich zwar auf den christlichen Antijudaismus berufen hat („Indem ich mich des Juden erwehre, tue ich das Werk des Herrn“), aber in ihrer biologistisch begründeten Massenvernichtung fundamental von der traurigen Tradition des christlichen Judenhasses abweicht. Wenn Ihnen solche Unterscheidungen allerdings zu subtil sind, sollten wir in der Tat den Austausch unserer Argumente einstellen.

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      Sie merken, Dr. Feifel, dass Sie immer wieder Ihre Positionen räumen müssen, weil sie unhaltbar sind. Dafür nehmen Sie dann neue ein, die noch unhaltbarer sind. Nirgends habe ich, wie Sie unterstellen, die Unterschiede zwischen Christentum und Marxismus oder Kommunismus geleugnet. Wer „Benedikts Kreuzzug“ für einen „vulgär-reißerischen“ Titel hält, ist obendrein ungebildet; denn Benedikt hat zu einem Kreuzzug zur Rechristianisierung Europas aufgerufen und dafür sogar eine eigene Behörde im Vatikan geschaffen. Aber Sie werden in Ihrem nächsten Kommentar das einräumen, um mir dann etwas anderes zu unterstellen. Lesen Sie das Buch, nicht nur die Ankündigung bei Amazon; ich bin für Kritik offen. Nur nicht für diese Art der stets wechselnden, im unfreundlich-hämischen Ton vorgetragenen Unterstellungen.

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        APo ./. Dr.Feifel

        … Marxismus hat nix aber auch gar nix mit Juden- und/oder Christentum zu tun. Das mögen die Sozialisten und Ex 😉 sich wohl gern‘ dünken. Aber was genau sollte das denn sein?

        Allerdings gibt es Gemeinsamkeiten, in ihren jeweils verschiedensten Auswüchsen, zwischen Sozialismus und Mohammedanismus. Beispiel hier, wie schon geschrieben.

        ‚Rechristianisierung‘ Europas, meinetwegen auch ‚Kreuzzug‘ – finde ich gut. Das ist wahre Revolution.

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    Lieber Herr Posener, Ihre Argumentation ist nicht Inkontinenz, sondern inkonsistent. Ich bitte um Nachsicht. Die Spracherkennung…

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    Lieber Herr Posener, berufenere Zeitgenossen als wir beide sehen in J. Ratzinger einen der bedeutendsten Intellektuellen unserer Zeit. Wer ihn – so wie Sie – als „Amateurphilosophen“ bezeichnet, muss damit rechnen, dass auf einen polemischen Klotz ein polemischer Keil gesetzt wird. Nehmen Sie’s also sportlich und nicht so weinerlich.
    Noch zu Kant: dieser hat gute Argumente dafür vorgebracht, dass Gott mit den Mitteln der Vernunft nicht erkannt werden kann. Daraus hat er aber, wie Sie sicherlich wissen, nicht geschlossen, dass es Gott nicht gibt, sondern die gegenteilige Argumentation in der „Kritik der praktischen Vernunft“ entwickelt.
    Im übrigen ist mein Thema der Beitrag des Christentums zu einer freiheitlichen Ordnung, zu der die Demokratie gehört. Insofern ist Ihre Argumentation Inkontinenz und Ihre Aufzählung der Ideologien v.a. des 19. Jahrhunderts ohne jeden Erkenntnisgewinn. Denn die von Ihnen genannten geistigen Strömungen konnten sich erst entwickeln, als die Bindungskraft des Christentums nachgelassen hatte – oder was soll der Beitrag des Christentums bspw. zu Marxismus oder Nationalsozialismus sein (wenn man im letzten Falle überhaupt von einer geistigen Strömungen sprechen möchte)? Vielmehr verdanken die Totalitarismen einer Vulgär-Aufklärung à la Feuerbach und Marx viel, die glaubt, ohne einen Schöpfer auskommen zu können.
    Mit Ihren verharmlosenden Ausführungen zum Islam bleiben Sie schon wieder unter Ihren intellektuellen Möglichkeiten: daß er keine Vertreibung kannte, wird all die Menschen freuen, die derzeit weltweit vor ihm auf der Flucht sind. Und selbstverständlich gab es keine Kreuzzüge im Islam – sein Symbol ist ja auch der Halbmond -, wohl aber Eroberungen, die ihn im Westen bis nach Poitiers und im Osten bis nach Indien getragen haben. Dies selbstverständlich alles friedlich und im Zeichen des interkulturellen und interreligiösen Dialogs.

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      Ach Gott, Dr. Feifel:
      Wenn Sie den Beitrag des Christentums zur abendländischen Zivilisation nur positiv sehen und alles, was nicht positiv war und ist als Ergebnis des Abfalls vom Christentum erblicken, dann sind wir argumentativ durch, fürchte ich. So platt war ja nicht einmal der – ich wiederhole es – Amateurphilosoph Ratzinger, der, wie er selbst in seiner Autobiographie schreibt, in seiner Tübinger Zeit oft mit dem Marxismus gespielt hat, teilt doch der Marxismus mit dem Christentum den Glauben an einen paradiesischen Urzustand, den Fall und den paradiesischen Endzustand. Dass der Nationalsozialismus wiederum nicht denkbar wäre ohne die christliche Konstruktion eines „Volks der Gottesmörder“, versteht sich von selbst. Und was die Kreuzzüge und Vertreibungen angeht, so denke ich, dass Sie sich erst einmal beschäftigen müssten mit dem, was die Juden am Rhein, in Jerusalem und in Spanien erlitten haben, bevor Sie das mit einer flapsigen Bemerkung über den Halbmond abtun. Etwas mehr moralischen Ernst hätte ich von einem erwartet, der sich auf Gott beruft. Nein, das nehme ich zurück: ich erwarte das nicht, ich kenne Text und Melodie leider schon auswendig.

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    Lieber Herr Posener, dass Sie als philosophische Weltmacht Benedikt als „Amateurphilosophen“ bezeichnen, sehe ich Ihnen nach. Ihre Kritik an Benedikts Auffassung zu Schöpfung, Evolution und „intelligent design“ kenne ich nicht; vermutlich ist sie Gegenstand Ihres Buches über Benedikt und seinen angeblichen Kreuzzug gegen die Moderne. Ich muss gestehen, dass mir dieses Buch bislang entgangen ist. Nun gehöre ich nicht zu denen, die – wie das intellektuelle Schwergewicht Angela Merkel – Bücher, die sie nicht gelesen haben, für „nicht hilfreich“ erklären. Aber ein gelegentlicher Blick in meinen Katechismus bewahrt mich vor der Vorstellung, originell zu sein. Dort lese ich zum Verhältnis von Schöpfung und Evolution, dass beide Antworten auf jeweils ganz verschiedene Fragen sind und deshalb auf verschiedenen Ebenen liegen. Evolution ist danach ein empirischer Begriff, der auf die Frage nach dem raum-zeitlichen Nacheinander der Geschöpfe eingeht. Die Schöpfung hingegen fragt nach dem Warum und Wozu der Wirklichkeit. Diese Aussagen genügen mir, um Polemiken gegen die Schöpfungslehre zumindest einzuordnen.
    Dass das Christentum in den unterschiedlichsten politischen Ordnungen gewirkt hat, hängt damit zusammen, dass Gegenstand der Offenbarung das Reich Gottes ist, das gerade nicht von dieser Welt ist. Vor diesem Hintergrund stimmt Ihre Aussage, dass Christentum und Demokratie sich nicht bedingten. Der demokratische Verfassungsstaat ist dennoch ein Derivat des Christentums, genauer: des westlichen Christentums. Er hat sich nicht zufällig weder im Islam noch in von anderen Religionen geprägten Kulturen entwickelt. Wir sollten uns mal darüber austauschen, welche (politische) Kultur in einem atheistischen Umfeld entstanden wäre.

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      Lieber Dr. Feifel, Sie täten gut daran, mein Benedikt-Buch zu lesen, dann würden sich so manche Diskussionen hier erübrigen. Ihr Argument gegen mich als „philosophische Weltmacht“ ist absurd. Man kann die Stärken und Schwächen einer Person erkennen, ohne selbst diese Stärken oder Schwächen zu haben. Sonst gäbe es keine Sportreporter beispielsweise.
      Was das Verhältnis von Demokratie und Christentum angeht, so bewegen Sie sich auf schwankendem Grund. Gewiss, die Demokratie entwickelte sich in ihrer spezifischen Form in Europa, ihre Wurzeln liegen in Jerusalem und Athen, in germanischen Stammesfreiheiten und adeligen Privilegien, kurzum in einer ziemlich kontingenten Mischung von Geistigem und Materiellem. Hier entwickelten sich freilich auch der Nationalismus, Chauvinismus, Kolonialismus und Rassismus, der Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus. Auch sie Produkte bestimmter kontingenter Mischungen. Wer jenes Erbe für sich beanspruchen will, muss auch dieses annehmen. Die Juden wissen: es gab in der muslimischen Welt weder Inquisition noch Vertreibung noch Kreuzzüge noch Holocaust. Und es gibt in Israel eine florierende Demokratie ohne Christentum, wie übrigens in Indien, der größten Demokratie der Welt. Ratzinger hingegen, um zum Ausgangspunkt zurückzukommen, hat Vorstellungen eines idealen Staats entwickelt, die mit der liberalen Demokratie nicht vereinbar sind. Lesen sie das bei mir nach.

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        APo: ‚Und es gibt … eine florierende Demokratie ohne Christentum, … in Indien, der größten Demokratie der Welt.‘

        … nun ja, was sich alles so Demokratie nennt, ts, ts, ts. Wenn die ‚BRD‘ allein in 2014 mit 1’200’000’000 €uro Indiens Atombomben Wirtschaft fördert, dann sollte das auch nix mit Christentum zu tun haben. Besser is‘ ’s. Das mag Merkels Demokratie sein. Vielen Dank.

        Zu den Christen in ‚Indiens Demokratie‘ lesen Sie hier: Im Jahr 2015 gab es in Indien mit 355 gemeldeten Übergriffen nahezu einen Angriff auf Christen pro Tag. Das berichtete das ‚Catholic Secular Forum‘, eine christliche Interessenvertretung mit Sitz in Mumbai.

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    Lieber Herr Posener,
    Sie haben meine Aussage banalisiert, indem Sie sie utilitaristisch fehlinterpretiert haben. Gott und die von Ihm gesetzte Ordnung können wir mit den Mitteln der Vernunft erkennen – was eben nicht heisst, Ihn „an menschliche Zielsetzungen zu fesseln“. Dagegen übrigens Kant in Stellung zu bringen, wie Sie es getan haben, scheint mir fraglich; ich bin kein Philosoph, verstehe Kants Postulate der Praktischen Vernunft (u.a. Unsterblichkeit der Seele und Existenz Gottes) aber so, dass hier genau der metaphysische „Anker“ ausgeworfen wird, gegen den Sie argumentieren.- Bis zum Pontifikat des derzeitigen „Jesuitenpapstes“ hätte ich als Katholik die Formulierung „gebildeter Jesuit“ im übrigen für einen Pleonasmus gehalten (wie „runder Ball“, „weisser Schimmel“ oder „blöder Sozi“), muss nun aber erkennen, dass Franziskus, der zu viel redet und offensichtlich zu wenig liest, seinem Vorgänger Benedikt in keiner Weise gewachsen ist. Das Revidieren-Müssen lange gepflegter, positiver Vorurteile erscheint mir vor diesem Hintergrund fast bitterer als die Aufgabe negativer.

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      Lieber Dr. Feifel, wegen Franziskus habe ich ja von „gebildeten Jesuiten“ gesprochen. Wenn Sie Kant genau lesen, werden Sie feststellen, dass er keineswegs Gott mit der Vernunft erkennen zu können meint, und genau dies zu begründen war sein großer Beitrag zur Metaphysik, über den, so weit ich weiß, bislang kein Philosoph, schon gar nicht der Amateurphilosoph Ratzinger, hinaus gekommen ist. Ratzingers Auseinandersetzung mit den Jesuiten in Sachen Darwinismus versus Intelligent Design ist gut dokumentiert, und Ratzinger und sein Adlatus Schönborn spielten dabei eine traurige Rolle. Was die Politik angeht: Die Christen haben zu verschiedenen Zeiten im heidnischen Imperium Romanum, im Byzantinischen Reich, im Heiligen Römischen Reich, in den deutschen absolutistischen Fürsten – „cuius regio eius religio“ – im Britischen Weltreich, in den USA, im Faschismus und im Nationalsozialismus, in südamerikanischen Caudillo-Regimes und seit dem Zweiten Konzil auch in der westeuropäischen Demokratie gottgewollte Herrschaftsformen erkannt. Einerseits. Und dann gab es andererseits Widerständler und Märtyrer gegen fast alle diese Herrschaftsformen. Apologeten und Widerständler beriefen sich auf Gott und die Worte Jesu. Mir scheint dieser Gottesbezug etwas zu willkürlich und relativistisch zu sein. Christen können sich gern zur liberalen Demokratie bekennen, deren Wurzeln im Jüdischen niemand deutlicher aussprach als die „Deutschen Christen“. Liberale Demokraten können sich gern zum Christentum bekennen. Aber Demokratie und Christentum bedingen einander nicht.

      1. avatar

        … ooops? Korrektur

        APo: Aber Demokratie und Christentum bedingen einander nicht.

        … natürlich nicht. Das eine ist Rhythm ’n‘ Blues, das andere Rock ’n’ Roll.

        Etwa so; ehe Rock ’n’ Roll wurde, ist Rhythm ’n‘ Blues.
        Frei nach Joh. 8;58: ‚Ehe Abraham wurde, bin ich.‘

        Wer definiert Demokratie?

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    Ist jeder Linke, der an linken Errungenschaften festhalten will, gleich ein Konservativer? Das ist eine sehr verkürzte, nur an der Wortbedeutung von lat. conservare/bewahren haftende Vorstellung von Konservatismus. Rechtskonservative gehen davon aus, dass eine von linken Vorstellungen befallene Gesellschaft dem Untergang geweiht ist, nicht nachhaltig ist, insofern wäre „linkskonservativ“ ein Widerspruch in sich.

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    Lieber Herr Posener,
    Ihr Post lässt mich mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück. Er verrät mir nicht, was Sie jenseits der Schilderung Ihres eher bürgerlichen Lebenszuschnitts, den Sie im übrigen mit spiessigen, grün wählenden Oberstudienräten gemeinsam haben, die glauben, ihre politischen Präferenzen machten sie zu Trägern einer höheren Weisheit, für konservativ halten. Das Zitat von Lance „If it ain’t broke, don’t fix it“ genügt mir in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht.
    Ihre Aussage, Demokratie lebe von der Vorstellung, dass der politische Gegner Recht haben könnte, ist richtig. Ihre Leser haben Sie allerdings bereits darauf hingewiesen, dass Ihre Behauptung, wenn man den Relativismus aufhebe, habe man den Absolutismus: die Herrschaft der Wahrheit: Totalitarismus“ so natürlich nicht haltbar ist. Ich glaube aber, dass in der Frage, worin ein Staat seine Grundlage sieht, eine Trennung des Konservativismus von anderen politischen Überzeugungen liegt. Im Einzelnen:
    Ihrer Argumentation liegt, wie ich finde, ein mehrfacher Wechsel der Perspektive bzw. des Abstraktionsniveaus zugrunde.
    1. Selbstverständlich ist es Wesen der Demokratie, dass eine politische Partei Entscheidungen anderer Parteien aufheben kann, wenn sie die Wahlen gewinnt; es wäre doch eine hübsche, aber möglicherweise wenig realistische Vorstellung, wenn bspw. eine Bundeskanzlerin Petry gemeinsam mit einem Vizekanzler Söder den merkelschen Irrsinn bspw. in der „Flüchtlings“-Krise oder Euro-„Rettung“ beenden würde.
    2. Verfassungen sind Ausdruck historischer Erfahrungen und deswegen per se relativ. Die Reichsverfassung von 1871 entscheidet sich eklatant von der Weimarer Verfassung, die wiederum in wesentlichen Punkten vom Grundgesetz abweicht.
    3. Dennoch sind wir gut beraten, einen unverrückbaren Wesenskern tragender Verfassungsprinzipien anzunehmen; etwa bezüglich der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grund- bzw. Menschenrechte. Dass Sie die weltweite Geltung der Menschenrechte annehmen, weil die UN-Mitglieder bei ihrem Eintritt die UN-Erklärung der Menschenrechte anerkennen, überzeugt nicht. Dabei handelt es sich um blosse Semantik . Auch die Stalin’sche Verfassung der 1930er Jahre bezog sich auf Menschenrechte, weil die „nützlichen Idioten“ in westlichen Ländern dies hören wollten; aber die Sowjetunion war damals noch mehr als sonst in ihrer Geschichte ein totalitärer, Menschen verschlingender Gegenentwurf zu einer freiheitlichen Gesellschaft.
    Den m.E. einzig überzeugenden Weg ist die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, die sich auf den Schöpfer beruft – den Sie übrigens in einem schnoddrigen Nebensatz kassiert haben – ebenso gegangen wie das Bonner Grundgesetz, das in seiner Präambel von der Verantwortung vor den Menschen und vor Gott spricht. Nun wird die Beurteilung des christlichen Beitrages für die Ausbildung freiheitlicher Ordnungen und der Grundrechte sehr von dem historischen Abschnitt abhängen, den man in den Blick nimmt; entsprechend unterschiedlich muss das Fazit ausfallen. Unstrittig ist aber, dass gerade in den von den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts verursachten Katastrophen die christlich Geprägten entschiedenen Widerstand geleistet haben. Dies sollte uns zu denken geben – und uns davon abhalten, auf die Annahme eines Absoluten deswegen zu verzichten, weil Kommunisten und Nazis ihren neuheidnischen, vernunftwidrigen Klassen- bzw. Rassenwahn genau dafür gehalten haben.
    Beste Grüsse, Ihr. M. Feifel

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      Lieber Dr. Feifel, wäre ich ein wirklich religiöser Mensch, und das bin ich auf eine verquere Weise sogar, würden mich Ausführungen wie die Ihre empören. Wenn Gott nötig ist, um menschlichen Werken wie Verfassungen, Grundwerten und dergleichen eine „überzeugende Verankerung“ zu geben, so heißt es, ihn, den allmächtigen, an nichts gebundenen, an menschliche Zielsetzungen zu fesseln. Reden Sie mal mit einem gebildeten Jesuiten darüber. Die weisen solche Argumente mit ebenjener Begründung zurück.

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        Nein, Alan Posener hierzu:
        „Wenn Gott nötig ist, um menschlichen Werken wie Verfassungen, Grundwerten und dergleichen eine „überzeugende Verankerung“ zu geben, so heißt es, ihn, den allmächtigen, an nichts gebundenen, an menschliche Zielsetzungen zu fesseln.“
        Es geht eben nicht um eine menschliche Absicht oder Programmatik, sondern um die Bereitschaft, zu erkennen. Diese Bereitschaft scheint in der Moderne abhanden gekommen zu sein – leider eben auch in großen Teilen der Wissenschaft, die nur das sieht, was sie sehen will. Religion stört da nur, wenn sie z.B. den Tanz ums goldene Kalb beschreibt. Das ist doch alles uralt, von x Generationen durchlebt. Sicher, wer religiöse Inhalte benutzt, um Menschen zu disziplnieren, ein, wenn man so will, jahrhunderte erprobtes christliches Programm, hat den Glauben, das Ahnen der Gläubigen missbraucht. Konservativ heißt für im besten Sinne für mich Bescheidenheit, eine Eigenschaft, die ein Albert Einstein im Gegensatz zu modernen Wahrheitsverkündern noch besessen hat.

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        Lieber Klaus J. Nick, Ihre Wissenschaftskritik in Ehren; auch nichts gegen Bescheidenheit. Der Punkt ist: Gott taugt weder als Chiffre für das, was die Wissenschaft nicht weiß oder gar nicht wissen kann, noch als Begründung für die Verfasstheit des Gemeinwesens. Paulus sagte: Alle Obrigkeit ist von Gott. Alle! Das hat nachgewirkt. Im Mittelalter hatten die Könige ihre absolute Gewalt von Gott. Dann gründet sich die Unabhängkeitserklärung der USA auf Gott. Nun haben wir in den USA die Nation of Islam und in Syrien den Islamischen Staat. Und so weiter und so fort. Gott hat in der Politik nichts zu suchen. Er richtet dort nur Unheil an. Und auch nichts in der Wissenschaft. Es sind verschiedne Domänen. Die Religion hat es mit ewigen Wahrheiten zu tun, die Wissenschaft mit Fakten und falsiifizierbaren Theorien, die Politik mit Methoden der Herrschaft, die sich ebenfalls ändern können. Jedenfalls ist es nicht erwiesen, ob Gott Demokrat ist. Ich aber bin Demokrat, egal, was Gott dazu meint.

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        Lieber Alan Posener, Ihr Bekenntnis zur Demokratie auch in allen Ehren – ich kenne auch keine bessere Herrschaftsform – aber sie ist weder Garantie für Freiheit, Menschenrechte noch Leben, ich glaube das muss ich nicht weiter ausführen. Und d’accord, Gott hat in einer Herrschaftsform nichts verloren, aber Herrschaftsformen auch nichts in dem, was Menschen glauben oder was sie anbeten. Stichwort Expertokratie. Und das sage ich als Agnostiker.
        Im übrigen halte ich es nicht für verkehrt, die Unvollkommenheit der repräsentativen Demokratie als kleineres Übel, von mir aus als Kompromiss, zu akzeptieren. Aber eben nicht alles daran.

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        ich denke, lieber Klaus J. Nick, dass unsere Differenzen sich dem Infinitesimalbereich nähern. Lassen wir sie also dort zunächst einmal.

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    Mal was anderes, was hier niemandem aufzufallen scheint, wie auch Roger Simon bemerkt:
    „None of this is news to those paying attention, nor should it be news that the Muslim Brotherhood is mother and father of al Qaeda and therefore ISIS. Nor, at this point, alas, is it astonishing that Obama and Hillary cozied up to Egypt’s Morsi, the Islamofascist candidate of that same Muslim Brotherhood, and other Middle Eastern characters similarly connected. (McCarthy, much more cognizant than I, has more at the link.)“

    Auzzug aus, was News sein sollte:
    „Throughout that time (1996–2003), Ms. Abdein [sic] worked for Hillary Clinton in various capacities. Ms. Abedin’s late father, Dr. Zyed Abedin, was recruited by Naseef to run the JMMA in Saudi Arabia. The journal was operated under the management of the World Assembly of Muslim Youth, a virulently anti-Semitic and sharia-supremacist organization. When Dr. Abedin died, editorial control of the journal passed to his wife, Dr. Saleha Mahmood Abedin — Huma’s mother.“
    https://pjmedia.com/diaryofamadvoter/2016/10/30/whos-huma/

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    „Es gibt zwei britische Filme, die jenes Schumpeter’sche Zerstörungswerk anhand des gleichen Themas völlig verschieden behandeln: „Brassed Off“ (1996) von Mark Herman zeigt, wie sich die Blaskapelle eines Bergwerks gegen die Schließung des Werks und ihre eigene Abwicklung kämpft. Der Film steuert auf ein Happyend zu, als die Kapelle nach London fährt und in einem Wettbewerb den ersten Preis gewinnt. Doch bei der Preisvergabe lehnt der Bandleader den Preis ab und hält statt einer Dankesrede eine Brandrede gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung. Damit endet der Film.

    Ein Jahr später erschien „The Full Monty“ von Peter Cattaneo. In diesem Film beschließen die Mitglieder einer abgewickelten Blaskapelle, eine männliche Strip-Gruppe zu bilden und durch die Pubs zu tingeln. Dadurch, so deutet der Film an, geben sie ihrem Leben einen neuen Sinn und retten ihre Würde, wenn auch auf ganz andere Weise als in der noch von alten Männlichkeitsidealen geprägten Welt der Bergarbeiter. In der letzten Einstellung lassen sie die letzten Hüllen – es sind Polizistenhelme – fallen und stehen nackt da.

    Ich finde und fand immer „Brassed Off“ larmoyant und „The Full Monty“ optimistisch und darum besser. Für mich ist „Brassed Off“ Ausdruck eines linken Konservatismus – es soll alles so bleiben, wie es war; die Arbeiter sollen ihr Klassenbewusstsein, ihre Kultur und ihren Stolz behalten und sie nicht auf dem Altar der Marktkräfte opfern müssen. Von diesem Standpunkt aus ist „The Full Monty“ ein zynischer Film, der ungewollt zeigt, was der Kapitalismus mit Menschen macht: er zwingt sie buchstäblich, die eigene Haut zu Markte zu tragen.“

    Ich kenne den Film nicht, aber für mich klingt es auch zynisch. Ich kenne Leute, die haben aus Geldverlegenheiten heraus schon die seltsamsten Dinge gemacht – vom Flaschensammeln bis zur Scheinehe -, aber damit nicht ihre Würde, sondern sich allenfalls über die nächste Runde im jeweiligen Überlebenskampf gerettet. Optimismus war dabei nie mit im Spiel, und alle hätten es nicht getan, wenn sich ihnen eine andere Möglichkeit geboten hätte.

    Rückblickend betrachtet, haben die Linkskonservativen ja auch recht behalten. Brexit wurde zum großen Teil von den „Larmoyanten“ herbeigewählt, vor allem von den Bewohnern der abgehängten Verliererregionen der Thatcher-Reformen. (In Deutschland lassen sich die Regionen, in denen die AfD ihre Hochburgen hat, nach ganz ähnlichen Kriterien einkreisen, und deren Wähler sind genauso larmoyant.)

    Ich weiß nicht, ob die Thatcherschen Reformen wirklich unumgänglich waren, also das Alte wirklich so radikal beseitigt werden mußte. Sicher bin ich mir aber, daß es vermeidbar gewesen wäre, dabei ganze Landstriche von so vielen verbitterten dauerhaften Verlierern zu erzeugen, daß sie vorgestern Großbritannien aus der EU herausgewählt haben und übermorgen vielleicht für eine Partei stimmen werden, die bereit ist, die Demokratie ganz abzuschaffen. Und das alles ausweislich von Umfragen nicht etwa, weil sie glauben, ihnen werde es dann besser geht. Es reicht ihnen offenbar, wenn es den Gewinnern von heute dann ebenso dreckig geht, wie sie das jetzt für sich selbst empfinden.

    Ich war nie konservativ, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob das konservative Menschenbild irgendetwas Schlaues zum Umgang mit solchen Problemlagen enthält. Sicher bin ich mir, daß Theresa May sich irrt, wenn sie annimmt, daß sie das Problem über den vor Brexit die Medien dominierenden Streitpunkt, die Flüchtlingsfrage, lösen kann.

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    Oleander, ich stimme in fast allen zu: nur zwei Einwände 1) es kommen – etwa aus Marokko keine Söhne von Bauern, sondern Tagelöhner- Perspektivlose Menschen. 2) niemand hat sie gerufen. Diskutiert wurde über Asyl – EU- und Außengrenzen. Nichts war „alternatives“, aber die europ. Nachbarn sind in Fragen der Integrstion – ich denke mal nur an Kinder und Jugendliche- seit Jahrzehnten im Hintertreffen. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Leider werden nun die Reaktionärelaut: typisches Zeichen:
    Realität ignorieren und Schuldige suchen. Es sind aber Fehler der Vergangenheit. Empörung ist sinnlos.

    Von meinem iPhone gesendet

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      … nix für ungut, werte Fr. Prof. M.F., wenn Reaktionäre die Realität leugnen, sollten Sie sich an die eigene Nase fassen.

      Die Realität in der Huffingtonpost, die Migranten zu ihrer Meinung über den Erfolg der AfD bei Landtagswahlen befragt hat.

      Merve Gül: „Und an die Nazischweine hab ich nur eine Botschaft: dir nehm‘ ich dein Land, deinen Arbeitsplatz, deinen Mann und dein Haus weg.“ #Islam #Einwanderer

      … no comment.

      Ich bin für Realpolitik, so, wie es, zum Beispiel, Australien in Sachen ‚Flüchtlinge‘ tut.

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    Und ein Zusatz: Die meisten – ich beobachte das immer wieder – sind langsam aufgestiegen, wir ins mittlere Bürgertum in vier Generationen. Von Bauern. Das sollte man mal beleuchten. Auch in den USA war das die Realität. Langsam und mit Geduld, und wenn da Aussichten sind, kann der Bürger die Geduld aufbringen. Im Moment sieht es eher trüb aus. Und dass man Bauernsöhne von außerhalb zu viele Hoffnungen macht, ist kriminell. Vielleicht sollte man sie nicht nur Deutsch lehren, sondern auch Europäische und Amerikanische Geschichte, damit sie realisieren, dass manche Dinge nicht vom Himmel fallen und in ihren Ländern größte Versäumnisse gemacht wurden, und zwar meistens von ihren Staatschefs, die allerdings vom Westen nie genügend unter Druck gesetzt wurden. Hauptsache, sie kaufen Waffen und Fahrzeuge aller Art.

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      Da bin ich ja mal auf die Reaktion gespannt, wenn man den islamischen Männer-Massen, die in die BRD eingedrungen sind mitteilt, dass sie 4 Generationen warten müssen, bis ihre Wünsche erfüllt werden. Das wird sie noch mehr in die Irrationalität und in die Moscheen treiben.

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        Gert Weller, Ihre Wortwahl – „Männer-Massen, die in die BRD eingedrungen sind“ – lässt das Herz eines jeden Freudianers höher schlagen. Danke dafür.

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        Herr Posener, ein bisschen muss ich den Weller verteidigen, obwohl es stimmt, was Sie sagen.
        Aber sehen Sie, sie kommen als amorphe Masse rüber, sie wurden so photografiert und in den Medien gezeigt. Dann kam die Silvestersache, auch mit einer Masse, der Einzelne kaum identifizierbar. Abgesehen davon, laufen sie nie unter drei, und immer ist einer dabei, dessen Gesicht nichts Gutes verspricht, aber auch nur verhärmt sein kann. Da laufen sie als Gruppe und reden arabisch oder eine afrikanische Sprache.
        Niemand bringt ihnen bei, allein herumzugehen oder sich mal auf eine Bank zu setzen und einen deutschen Film zu gucken. Niemand sagt ihnen, dass sie anfangs davon nur Bahnhof verstehen werden, aber bei regelmäßigem Konsum langsam mehr. Keiner vermittelt ihnen, dass sie als Gruppe keine Kontakte kriegen, weil die Leute inzwischen Angst vor Männergruppen in jugendlichem Alter haben.
        Und sollten sie selbst Angst haben, mag es an einer sehr aufgebauschten einseitigen Berichterstattung über rechte Übergriffigkeiten liegen, die aber sowieso auf der Straße, zumindest tagsüber nicht stattfinden.

        Leider können sie nur in Gruppe, in einer gang, und das ist nicht gut. Und so wird das als Masse empfunden. Ihre eigenen Individuen gehen dabei unter. Und es muss nur einer in der Gruppe sein, der alle infiziert und zu einer gang transformiert. So laufen ihre Länder, Clan gegen Clan, und niemand sagt ihnen, dass es hier anders läuft und besser.

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    Bei linkem Konservatismus, Stichwort Ziegeler, fällt mir ein, dass Konservative keineswegs eine homogene Gruppe darstellen. Ich selbst hatte im Leben regelmäßig mit Großbürgern zu tun, die eine angenehme Gruppe sind, durchaus aufgeschlossen und gelegentlich liberal und öfter mal gesegnet mit den Eigenschaften von Bohemiens. Nehmen wir als Musterbeispiel die Manns/Pringsheims, Großbürger, wie sie damals im Buche standen, Katja eine der ersten, die in München Abitur machten, des Tommys Vorfahren weit herumgekommen. Wählerverhalten: Wechselwähler, das Portemonnaie nicht unwichtig (Steuervorstellungen). Mit höheren Grundsteuern lassen sich diese leicht vergraulen. Einige haben es so weit gebracht, dass sie sich um den Planeten sorgen können, und so hat die Grünenpartei dort einige gefischt.

    Dann kommt der mittlere Bürger, der damit beschäftigt ist, aufzusteigen und seinen Kindern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen. Jegliches Rühren an der Erbschaftssteuer ist ihm wie auch dem Großbürger ein Gräuel, denn er lebt und klotzt für seine Nachkommen. Das ist zur Zeit eine arme Gestalt, es sei denn, er hätte rechtzeitig eine oder zwei Immobilien gekauft, weshalb ihm bei den Stichworten Grundsteuer oder Erbschaftssteuer der Hut hochgeht und er mit einer Flat Tax gut leben würde. Die Progression schadet ihm am meisten, und ob er schon vergessen hat, dass an sich die Abschaffung der kalten Progression auf das Programm rücken sollte, wage ich zu bezweifeln. Er verliert unter Merkel seine konservative Heimat.

    Dann ist da noch der Kleinbürger, früher sicherlich der Adenauer-Wähler. Er wollte rauf in die Mitte und ins Eigentum, statt dessen hat er keine Sparzinsen mehr und soll Griechenland retten, auch Graecias Rentner. Das ist der Gefährlichste bislang, weil am meisten gefährdet (seine Vorstellungen). Er zieht nicht gern um, hat gern lebenslang denselben Arbeitsplatz und möchte seinen Jahresurlaub Weihnachten planen können. Billigarbeit, von außerhalb importiert, kommt ihm sicherlich nicht entgegen.

    Zum Schluss PEGIDA: Immer zurückgelassen worden, als Ossis missachtet, und jetzt sollen sie noch andere aufnehmen und zusehen, wie diese mit unterhalten werden. Das sind an sich Linke, klassische Linke, denn sie haben gegen ihr voriges System demonstriert und jetzt gegen dieses. Ihre Vorbehalte formuliert nur die AfD.
    Diese also würde ich kaum als besonders konservativ bezeichen, jedenfalls nicht nach westlichen Maßstäben.
    Die ersten drei Gruppen sind völlig unterschiedlich voneinander, aber sicherlich einig in der Erkenntnis, dass die CDU nicht mehr dieselbe Partei ist. Auch das C steht sehr in Frage, nachdem weder Christen aus dem NO gerettet wurden, jedenfalls nicht zuvorderst, noch Christen gegen Übergriffigkeit in Asylunterkünften geholfen wird.
    Die Teilenteignung durch die Einführung des Euro haben sie auch nur vergessen, wenn sie davon profitiert haben.

    Dass sie Weihnachtslieder singen sollen, von ihren Kindern auf einem Instrument begleitet, braucht ihnen niemand vorzuflöten. Sie sind es, die Heiligabend die Kirchen füllen, wenn der atheistische Freund längst unter Palmen sitzt. Sie dürften sich von solcher Plattheit schaudernd abwenden.
    Diese Regierung ist psychologisch die armseligste, die ich erlebt habe. Ob jemand dort mal was von Freud, Reich et alii gelesen hat, ist zu bezweifeln. Und sie haben nur einen Mann mit ökonomischem Verstand. Wenn man die beiden abzieht, die intellektuell sowie in der Erzeugung von Nachkommen noch above average rangieren, ist es auch die kinderärmste. Und das merkt man den jungen Eltern manchmal an. Deren Offspring wurde zu Ersatzkings and -queens gemacht. Kauft einer hinter mir an der Kasse eine Schachtel, die aus dem verschlossenen Apparat fällt. Hinter ihm die Mutter sagt zu dem ca. Vierjährigen: „Das ist bä. Bä ist das.“ Der Buhmann vor ihr an der Kasse. Die Volkserziehung zeigt langsam ihre Kinder. Ich habe draußen gewartet. Sie bestiegen einen Ford Galaxy, das passte. Spießer der neuen Zeit. Vergleiche verbieten sich leider, zu zynisch.

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      Das ist gut. Wenn man die permanente und erschöpfende Tätigkeit für zweifelhafte Zwecke und Dienstherren weglassen kann, bin ich gerne konservativ.

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    Ein paar Klassiker fehlen noch (falls ich nichts übersehen habe). „Konservativ ist wenn der Groschen langsam fällt“. Manche finden das lustig, andere werden regelrecht sauer. Die sind dann konservativ. Konservative bilden gerne Typen, Klassen, Rubriken und Prinzipien – und vor allem halten sie sich auch dran und werden schnell ungehalten, wenn andere, weniger Konservative, das nicht tun. Konservative haben eine fixe Einstellung zu Besitz und Geld. Das Geld soll da bleiben, wo es ist – beim Konservativen – und gearbeitet werden soll grundsätlzich so intensiv und lange wie möglich. Dadurch bleibt das Geld auch zukünftig beim Konservativen.
    Ich dachte vor einiger Zeit, selber immer konservativer zu werden. Fast würde ich die CDU wählen! In meiner aktuellen Lage bekomme ich an meinem Konservativismus jedoch wieder Zweifel. Ich bin für Halbtagsjobs für alle und eine entsprechende Aufteilung der Gehälter. Das ist bestimmt nicht konservativ. Wenigstens kann ich also sagen, was nicht konservativ ist.

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    Wahrheit oder Setzung?
    Scheindebatte, wenn sich diese Frsge auf Menschenrechte bezieht; denn eine Kultur, die MR setzt, überlässt die Wahrheiten den Menschen, egal wie diese Setzung verkündet wird

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        … tja, Oleander, M.F.: ‚Relatvismus ist die Theorie der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.‘, da klappte meinem Hamster der Unterkiefer herunter. Beispiel. Daher!

        Menschenrechte? Frommeligkeit!

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    Lieber Alan Posener,

    vielleicht bin ich zu blöd, aber den Unterschied zwischen ewiger Wahrheit und einer Setzung (wobei mir schon das Wort Schwierigkeiten bereitet) verstehe ich nicht so ganz.

    Ich glaube, ich liege nicht ganz falsch, wenn man die „Geburtsurkunde“ der Menschenrechte im ersten Satz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verortet, dort heißt es:

    „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. “

    In der Tat, eine Wahrheit und keine „Setzung“, und auf dieser Wahrheit und ihrer Weiterentwicklung basiert die westliche Sicht auf die Menschenrechte.

    Zur UN nur soviel, eine Organisation in der seit Gründung zwei von fünf Vetomitgliedern Diktaturen sind hat mit Menschenrechten nicht viel am Hut. Welchen Wert dort die Menschenrechte haben sieht man auch an der Mitgliederliste des UN-Menschenrechtsrats. Ein Aufzählung kann ich mir sparen, ich sage nur: Saudi-Arabien !

    Das sehen auch die 45 Unterzeichnerstaaten der „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ so, denn trotz signifikanter Unterschiede dieser Erklärung zur UN-Erklärung der Menschenrechte ist keines dieser Länder ausgetreten, und rausgeworfen hat man auch noch keins.

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      „We hold These truths to be self-evident …“ Sind sie natürlich nicht. Schon allein, weil es keinen Schöpfer gibt. Sie müssen mich übrigens über die Heuchelei vieler UN-Mitglieder nun wirklich nicht belehren. Ich meine nur: die Menschenrechte gelten weltweit, nicht, weil ich das sage, sondern weil die UN-Mitglieder das sagen. Ohne Bezug auf Schöpfer und Naturrecht.

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        @ Alan Posener

        „„Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen wurden, daß * wie immer sie geschaffen wurden, mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. “
        *(sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden)
        Und nun?
        Die UN-Mitglieder haben schon diverse, höchst selektive Resolutionen gegen Israel auf den Weg gebracht. Wie Sie wissen. Man sieht da sehr wenig von Rechten in solchen einseitigen Resolutionen, die letztlich über wesentliche Dinge hinwegsehen, wenn Bodenschätze vorhanden sind oder alternativ ein ernstzunehmendes Drohpotential (NK). Diese Org. scheint eher ineffizient. Die guckt genauso weg wie ein wie auch immer geglaubter Gott. Auch Blauhelme sollen schon mal weggeguckt haben.

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    Wann fragen sich für Neues offene Menschen, was „konservativ“ bedeutet? Wenn sie in einer Welt voll Destruktion leben. Wer hat ein gutes Gewissen, wenn er tötet und zerstört? Derjenige, der sich einer absolut richtigen Position versichert oder wer – wie Putin und Erfogan – Macht als Mittel verabsolutiert; was zeigt: Relatvismus ist die Theorie der Demokratie und der Rechtsstaatlickeit. Jede Erkenntnis relativ in dem Sinne, daß sie zeitbedingt und bezogen auf unser beschränktes Wissen ist. Es gibt aber sicher Falsches, Resktionäres, unlogisches Geschwätz….
    Reaktionär ist die Anbetung de Asche, wenn die Flamme erloschen ist.

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    Lieber Herr Posener,
    viel Zustimmung, aber Widerspruch zu ihrer Ratzinger-Belehrung:
    1. „Hebt man den Relativismus auf, hat man den Absolutismus: die Herrschaft der Wahrheit“ – das ist zu dichotomisch, denn es gibt auch etwas dazwischen. Relativitäten zu konstatieren ist etwas anderes als puren Relativismus zu pflegen, nichts mehr als unbedingt und objektiv gültig zu betrachten.
    2. „Womit eine liberale Gesellschaft nicht einverstanden sein kann, ist der Versuch, das, was immer gilt, zur Maxime des Staates zu machen.“ Artikel 1 (1) GG behauptet etwas immer Gültiges und Macht es zur leitenden Maxime des Staates: Die Menschenwürde. In Artikel 2 (2) „bekennt“ sich das deutsche Volk zu etwas offenkundig Vorgegebenem, das nicht etwa erst „beschlossen“ oder „(an)erkannt“ wird. Artikel 79 (3) verbietet dem Gesetzgeber sogar bei verfassungsändernder Mehrheit die Änderung der in Artikel 1 und 20 festgelegten Grundsätze; nennt sich sogar „Ewigkeitsklausel“. Trotzdem bestreiten Sie wohl nicht, dass wir in einer liberalen Demokratie leben. Aber auch die braucht eben einen Kern, der unverrückbar, unantastbar, mithin nicht relativ ist, sondern absolut.
    Beste Grüße, Ihr AP

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      Lieber Andreas Püttmann, gute Einwände, trotzdem widerspreche ich.
      Um mit dem Zweiten zu beginnen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist eine völlig inhaltsleere Feststellung. Im Namen der Kunst darf ich jemanden einen Ziegenficker nennen. Im Namen der Freiheit darf ich ihn töten. Und so weiter. Die Verfassung hält Regeln bereit, nach denen der Staat funktionieren soll. Dazu gehören auch Rechte. Aber weder Regeln noch Rechte beruhen auf irgendwelchen Aussagen über das Wesen des Menschen, der Gesellschaft oder des Staats. Es sind Setzungen. Dass dahinter bestimmte Auffassungen vom Wert des Individuums, letztlich ein christlich geprägtes Menschenbild steckt, ist gewiss der Fall, und dass auch Atheisten dieses Menschenbild akzeptieren, zeigt, dass eine gewisse Willkür dahinter steckt. So gründet die Verfassung selbst auf Konventionen, nicht auf Wahrheiten.
      Das unterscheidet den Staat von der Kirche. Die Kirche kann bezüglich ihrer Doktrin keine Relativierung zulassen. Der Staat muss es, wenn er demokratisch und liberal sein will.

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        Natürlich haben Sie recht, der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist in der Tat eine völlig inhaltsleere Feststellung.
        Einen Sinn hat dieser Satz nur im Zusammenhang mit den Menschenrechten.

        Und jetzt kommt die Gretchenfrage:
        ist unser Verständnis von Menschenrechten universell, d.h. immer gültig, oder ist das nur die Sicht des „Westens“ aus dem 20igsten Jahrhundert ?

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        Lieber Don Geraldo, die Menschenrechte sind nicht Wahrheiten, sondern Setzungen. Und ich bin stolz darauf, dass sie aus der europäisch-amerikanischen Tradition stammen – wenn wir auch in Europa vielleicht mehr als alle anderen getan haben, um diese Tradition zu desavouieren. Ich finde, diese Rechte gelten für alle Menschen, und das bekennen alle Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, weil sie mit ihrem Beitritt die UN-Erklärung der Menschenrechte als verbindlich anerkennen.

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        Lieber Alan Posener,
        dass „die Würde des Menschen unantastbar“ ist, ist keine „völlig inhaltsleere Feststellung“, wie das Verfassungsgericht aufgezeigt hat – wenn Sie das Grundgesetz anerkennen. Und dass „Regeln und Rechte“ keine anthropologischen Prämissen haben, stimmt auch nicht, wenn Sie in der Logik des Grundgesetzes bleiben. Tun Sie es nicht, ist alles noch das Produkt individueller Willkür bzw. kollektiver Vereinbarung. Dann können Mehrheiten auch die Vernichtung von 6 Millionen Juden beschließen, weil sie sie als Untermenschen definiert haben. Ihr Total- und Radikal-Liberalismus ist eine brandgefährliche Theorie, die, konsequent beherzigt, wehrlos macht gegen alle Angriffe auf den Menschen. Die US-Unabhängigkeitserklärung wirft den Anker hier: „….that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights“. Säkularisieren Sie das von mir aus zu einem allgemeinen Axiom. Aber ein Relativismus, für den nichts unbedingt gilt, sollte nach dem 20. Jahrhundert keine ernsthafte Option mehr für uns sein. Er öffnet dem Verbrechen Tür und Tor.
        Herzlich, Ihr AP

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        Lieber AP, ich sehe das Problem. Aber es ist gerade nicht so, wie Sie behaupten, dass der Relativismus den Nazis Tür und Tor öffnet. Die Nazis setzten ihren Rassendarwinismus absolut. Wie der saubere Herr Günther, der nach wie vor das Leitbild für die „Junge Freiheit“ abgibt. Wir agieren eben in einem Raum, der nicht nur geprägt ist von der europäischen Geschichte bis zur Aufklärung, sondern von den Erfahrungen mit dem Totalitarismus. Und da ist es wichtig, am Relativismus festzuhalten. Religion ist Privatsache. Politik darf nicht Religion werden und umgekehrt. Ein Axiom übrigens ist keine Wahrheit, wie Sie wissen, kann weder bewiesen noch widerlegt werden. Ich akzeptiere das Axiom der Unabhängigkeitserklärung. Aber es ist eben keine „Wahrheit, die keiner Begründung bedarf“ – „self-evident truth“. Sondern ein Grundsatz, der stets in Gefahr ist.

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        Ich stimme hier eher Herrn Püttmann zu: Der Satz von der Würde ist zwar ein Axiom unseres Staates, aber er ist – wie übrigens Axiome generell – nicht beliebig. Deswegen ist er auch nicht relativistisch. Er stellt eine ethisches Konzept dar, das man begründen und teilen kann oder eben nicht – dann lehnt man ihn ab und bekennt sich z.B. zu Gottes Willen – aber diese Willensaussage gilt hier eben trotzdem. Man könnte viel darüber schreiben (ist ja auch geschehen), wieso die Würde unantastbar ist und was das heißt. Dann befindet man sich weit außerhalb jeder relativistischen Betrachtung, sondern überlegt mit einem generellen (absoluten) Anspruch, was es überhaupt und für alle heißt, Mensch zu sein, und warum man als solcher schützenswert ist.

        Das Axiomatische und Relativistische zeigt sich nur daran, dass es egal ist, ob man solchen begründenden Überlegungen folgt oder nicht. Ob man sich darüber überhaupt Gedanken macht. Der sinnvolle Satz bildet hier die Spielregel. Dadurch wird er keinesfalls beliebig, austauschbar oder sonst irgendwie relativistisch.

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        Lieber Roland Ziegel, eine „Spielregel“ (Ihr Wort) ist genau das. Ich akzeptiere das Grundgesetz als „Spielregel“, „Axiom“, wie Sie es auch immer nennen wollen. Aber ich behaupte erstens nicht, dass diese Spielregel auf „Wahrheit“ beruht. Und zweitens halte ich es für selbstverständlich, dass auch „verfassungsfeindliche“ Meinungen geäußert werden dürfen. Nicht nur, weil das den Spielregeln entspricht, sondern weil es ja sein kann, dass wir dazu lernen.

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        Andreas Püttmann weist m.E. auf das richtige hin: Religionen bieten die ältere, erprobtere Philosophie. Nach Thomas v. Aquin (und Aristoteles) für Christen: Teleologie und Naturrecht. Da kann und wird staatlich verordneter Relativismus nicht mithalten können, weil er sich bei seinen Axiomen immer auf etwas berufen muss, so wie es auch der jüdische Staat, der – zugegeben-das unter wesentlich stärkerem Druck – das gleiche tut. Ich denke, eine ‚westliche Zivilreligion‘ ist noch lange nicht so weit, auch, und gerade nicht in den USA, deren Elite sich immer wieder auf den christlichen Gott beruft. Den Unterschied, den ich zwischen USA (und Kanada) und Deutschland diesbezüglich vermute, ist, daß ‚Fehler‘ (Abweichungen von der ‚Wahrheit‘ oder der als ideal angesehenen Lebensführung) eher verziehen werden (vielleicht weil sie in jedem Fall und in größerem Umfange selber verantwortet werden müssen).

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        Ja, Klaus J. Nick: Religionen (und Pseudo-Religionen wie Kommunismus und Nationalsozialismus) bieten Gewissheiten, und die sind allemal befriedigender als das Leben im Ungefähren. Aber genau jenes Leben ist das, was wir Moderne nennen.

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        @Alan Posener: „Ein Axiom übrigens ist keine Wahrheit“ – der Mathematiker in mir widerspricht entschieden. Ein Axiom ist eine Aussage, die in einem formalen logischen System (einer Menge von Aussagen) als wahr postuliert wird und aus der alle anderen Aussagen des Systems, die nicht ihrerseits Axiome sind, abgeleitet werden können. Ein Axiom ist somit per se eine Wahrheit.

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        Lieber Opa Krempel, Sie können aber ein Axiom – zwei parallele Geraden treffen sich auch in der Unendlichkeit nicht – aufheben und ohne dieses Axiom eine andere Geometrie aufbauen. somit gibt es in der Mathematik, anders als in der alltagssprache, mehrere „Wahrheiten“, wenn Sie ein Akiom als Wahrheit definieren. Das ist aber dann ein Streit um Worte. Ich betrachte die Menschenrechte als – wenn Sie so wollen – Axiom, und ich mäöchte nicht in einer Welt leben, in der sie nicht gelten. Das heißt aber nicht, dass ich mir eine solche Welt nicht vorstellen könnte, weil sie dann nicht auf „Wahrheit“ gegründet wäre. Sie finden etwa bei Joseph Ratzinger Überlegungen zu einer politischen Organisation der Gesellschaft, die jedenfalls nicht vereinbar wäre mit jener Vorstellung von Menschenrechten, wie sie in der Unabhängigkeitserklärung der USA formuliert werden.

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        Herr Posener, ich bin nicht ganz sicher, ob Sie sich wirklich im Klaren darüber sind, was Sie sagen, wenn Sie z.B. andere Meinungen zulassen, „weil es ja sein kann, dass wir dazu lernen.“ Das kann in der Tat sein, ich stimme dem ausdrücklich zu. Aber es ist eine Tatsachenbehauptung, d.h. Sie beanspruchen damit, eine Tatsache auszusagen, nämlcih die Tatsache, dass man von anderen, auch irrigen Meinungen dazulernen kann. Eine nicht selbstverständliche Wahrheit.

        Und einen ähnlichen Verdacht habe ich auch, wenn Sie sagen, dass Sie Spielregeln akzeptieren, z.B. dass man die Menschenwürde schützen soll, ohne dass diese Spielregeln sozusagen objektiv grundiert wären. Sie akzeptieren diese Spielregeln nicht einfach so. Sondern weil Sie dieses Spiel mitspielen wollen und weil Sie die Spieregel einsehen, d.h. ihren Sinn und ihre Wahrheit akzeptieren. Ich habe also das Gefühl, dass man sich irgendwie herausmogelt, wenn man sagt, Spielregeln oder Axiome hätten mit nichts mit der Beanspruchung objektiver Wahrheit zu tun. Oder ethische Sätze hätten nichts mit der Beanspruchung objektiver Wahrheit zu tun.

        Die Regeln und Axiome beruhen also schon auf objektiven Aussagen oder sind zumindest mit ihnen verknüpft bzw. verwandt. Eine völlig andere Frage ist dann, ob man einen davon abweichenden Satz oder eine falsche Einstellung irgendwie bestraft, benachteiligt oder reglementiert. Wenn man wie Sie sagt, das will man nicht, weil man dazulernen könnte, dann begründet man diese Antwort ebenfalls mit Bezug auf eine objektive Wahrheit.

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        Lieber Roland Ziegler, Tatsachen kann man beweisen, Wahrheiten werden offenbart, Theorien können widerlegt werden. Das GG kann man weder beweisen noch widerlegen, und es wurde nicht offenbart, sondern, wie es heißt, das deutsche Volk hat sich dieses Grundgesetzt „gegeben“. So ist es, und diese Gabe ist sehr kostbar. Sie garantiert, so wie ich es sehe, unser Leben in Freiheit – neben der Nato und der EU, unseren Sicherheitsorganen und unserem Reichtum, um nur ein paar weitere Dinge, die dazu gehören. Es steht aber im GG ausdrücklich drin (wurde aber dann nicht ausgeführt), dass sich das deutsche Volk nach der Wiedervereinigung eine neue Verfassung geben würde; damit ist der Relativismus ins GG eingebaut.

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        Ich denke eine Moderne, lieber Alan Posener, hat es immer gegeben, genauso, wie die Klage darüber. Wenn es sie nicht gegeben hätte, hätte es keine menschliche Entwicklung bzw. Evolution gegeben. Der Naturwissenschaftler (Thermodynamiker) in mir sieht jedes Leben am Rande des Chaos, so auch das Menschliche. (Ein schönes Buch dazu: https://www.amazon.de/%C3%96ltropfen-im-Wasser-Stuart-Kauffman/dp/349222654X )
        Der Mathematiker in mir aber sortiert die Aussagen der Moderne nach ihrer Schlüssigkeit gemäß ihrer eigenen Axiome, wobei z.B. Esoterik und Homöopathie allein aufgrund ihrer unschlüssigen Begriffsverwendung schon aussortiert werden können. Schach nach den Regeln von Mühle ergibt keinen Sinn. (Deswegen kann es dennoch Dinge zwischen Himmel und Erde geben, die wir nicht verstehen können..) Das ist meine konservative Haltung.
        Nun – und der Statistiker in mir wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, Religionen und Pseudoreligionen allein aufgrund ihrer Anziehungskraft auf Leute, die nicht um Ungefähren leben wollen, gleich zu setzen, weil Religionen älter bzw. evolutionär erprobter sind, als Gesellschaftsutopien und Programmatiken.
        Dem Proleten in mir ist das alles von Herzen egal, solange mich Moderne und Tradition in Ruhe lassen.

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        Nein, lieber Klaus J. Nick, die Moderne hat es nicht immer gegeben. Auch nicht „eine“ Moderne. Das ist nachweisbar.

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        Eigentlich muss man die axiomatische Regel „Die Menschenwürde ist unantastbar“ nur vergleichen mit einer alternativen Regel wie z.B. : „alle XY werden getötet“, um sofort zu sehen, dass es hier keinen Relativismus gibt. Die eine Regel akzeptiert man, die andere nicht. Man lehnt die andere Regel nicht blind ab (aus einem irrationalen Unwillen heraus) oder deshalb, weil man nicht XY ist, sondern Z, sondern mit Gründen, d.h. mit Anspruch auf eine Wahrheit.

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        Herr Posener, das ist die alltäglichste Eigenschaft der Welt: wahr zu sein. Es gibt nur eine Eigenschaft, die genauso alltäglich ist: nämlich falsch zu sein. Ich weiß nicht, inwiefern sich bei der Gleichung 2+2=4 Wahrheit offenbart, aber sie ist wahr. (Der Kontext wird dabei mit gemeint.) Oder bei dem Satz: „Gestern bin ich Fahrrad gefahren“ oder „Ich sollte jetzt langsam etwas kochen“. Solche Sätze haben die Eigenschaft, wahr (oder eben auch falsch) zu sein. Solche Sätze beanspruchen Wahrheit.

        Genauso ist es bei dem Satz über die Menschenwürde. Den hat jemand in das Grundgesetz geschrieben, klar. Er ist nicht vom Himmel gefallen oder sonstwie offenbart worden. Trotzdem kann man darüber nachdenken oder auch streiten, ob er wahr oder falsch ist und daraufhin gelten sollte oder nicht. Wie bei jedem Satz. Und Sie und ich (und alle anderen hier) sind offenbar der Meinung, dass er wahr ist und gelten sollte. Das ist kein Zufall und auch kein Ergebnis von Relativität.

        Natürlich gibt es auch Leute, die meinen, dass der Satz falsch und anmaßend ist und hier nicht gelten sollte. Aber die irren sich.

        Das Axiomatische besteht darin, dass der Satz gilt, egal zu welchem Ergebnis wir kommen. Auch wenn wir der Meinung wären, dass der Satz falsch ist und der liebe Gott etwas anderes verlangt – z.B. alle Bösen umzubringen o.ä. – gilt der Satz trotzdem. Solange er nicht geändert oder abgeschafft wird, was immer möglich ist.

        Was ich sagen will: Der Satz sitzt in einem Kontext von weltanschaulichen Hintergrundannahmen mit Wahrheitsanspruch (vgl. Quine). Sie können sich als falsch herausstellen, aber sie beanspruchen trotzdem Wahrheit und sind für die Bedeutung unverzichtbar.

      17. avatar

        Roland Ziegler, Sie verwechseln mehrere Dinge: 1. Das Gegenteil von „falsch“ ist nicht „wahr“, sondern „richtig“. 2. Dann gibt es „Wahrheit“ als Gegensatz von „Lüge“, etwa vor Gericht. 3. Und dann gibt es „Wahrheit“ von der Art: Jesus ist auferstanden von den Toten; Die Weltgeschichte ist ein Kampf der Rassen um die Vorherrschaft; alle Menschen sind gleich.
        Wir müssen immer genau wissen, in welchem Kontext wir den Begriff „Wahrheit“ verwenden.
        Mir geht es darum, dass die Aussage, „die Würde des Menschen ist unantastbar“ allenfalls eine „Wahrheit“ ist im Sinne jener Glaubenssätze, die ich unter (3.) aufführte. Eben nicht im sinne von 2 + 2 = 4 oder „gestern bin ich Fahrrad gefahren“ (und habe nicht einen Bankraub begangen). Wenn ich aber ohne transzendentale Wahrheiten auskommen will, dann ist „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ Unsinn, was ja aus dem unmittelbar folgenden Satz hervorgeht: „Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.“ WEIL sie sehr antastbar ist, MUSS alle staatliche Gewalt sie schützen. Der Satz bedeutet, wenn er überhaupt etwas bedeutet: „Die Würde des Menschen darf nicht angetastet werden. Sie zu achten … “ Darum steht auch in Art 1 Abs. 2 GG: „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
        Es ist ein Bekenntnis. Nicht die Anerkennung einer Tatsache, etwa wie: Das deutsche Volk erkennt an, dass die Erde keine Scheibe ist. Das deutsche Volk erkennt an, dass der Holocaust stattgefunden hat und so weiter.
        Mein Standpunkt. Muss nicht der Ihre sein. Der Unterschied zwischen uns wäre nur bedeutend, wenn wir daraus andere Schlussfolgerungen für unsere Handlungen ziehen würden. Das ist, glaube ich, nicht der Fall.

      18. avatar

        Dem letzten Teil Ihrer Antwort stimme ich zu, insb. was die Interpretation von „Die Menschenwürde ist unantastbar“ angeht. Das lässt sich natürlich nur so interpretieren: „die Menschenwürde darf nicht angetast werden“. Das habe ich vorausgesetzt. Es ist ein ethischer Satz – ein Soll-Satz, kein IST-Satz – der aber auf Hintergundannahmen fußt. Wie die Ethik immer auf Hintergrundannahmen fußt (z.B. „Gott existiert“ für religiös begründete Moral). Diese Hintergrundannahmen beanspruchen Wahrheit. Auch Sie stützen sich auf Wahrheit beanspruchende Hintergurndannahmen, ohne dass es Ihnen bewusst ist, wie es aussieht.

        Aber Ihre Anfangsbemerkungen: dass das Gegenteil von wahr nicht falsch ist und dass es sich dabei um eine Verwechslung handeln würde, ignorieren die Philosophie des Aussagesatzes bzw. der Logik.

        „In der zweiwertigen klassischen Logik kann eine Aussage nur entweder wahr oder falsch sein“

        https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrheitswert

        Nur als Beispiel. Aber das ist hier nebensächlich. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Ethik nicht im luftleeren Raum eienr Offenbarung o.ä. hängt, sondern verknüpft ist mit Hintergrundannahmen, über die man diskutieren kann und sollte. Nach meinem Eindruck stellen diese Passagen des Grundgesetzes Bausteine einer säkularen Ethik dar, die hierzulande normativ gilt. Es ist kein ethikfreier, relativistischer Raum. Und das ist es auch, was wir brauchen: eine Verständigung über eine säkulare, metareligiöse Ethik, die mehr oder weniger allgemein akzeptabel ist. Die religiös (oder quasireligiös) begründeten Ethiken führen relegmäßig zu Katastrophen. Zugegeben liegt das in weiter Ferne.

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        Genau, Roland Ziegler: „Und das ist es auch, was wir brauchen: eine Verständigung über eine säkulare, metareligiöse Ethik, die mehr oder weniger allgemein akzeptabel ist.“ Und da dürfen wir nicht hinter Kant zurückfallen, der sich genau dieser Aufgabe gestellt hat.

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        Hm, Alan Posener, Roland Ziegler, Sie drehen sich argumentativ im Kreis.
        Erstens: Ob es ‚die Moderne‘ schon mal, oder eben noch nicht gegeben hat, oder, wie ich meinte „eine Moderne“: Nein, sowas wie wissenschaftliche Aufklärung oder Bauhaus sicherlich nicht, aber Veränderungs-, Verbesserungsbestrebungen, die die Tradition infrage stellten schon, was ich meinte – also ein Streit, den ich ebenso langweilig und unerquicklich finde, wie Sie.
        Mir erscheint es im Übrigen als eher unwahrscheinlich, daß wir uns, auch nach der Aufklärung, von archaischen Glaubenssätzen verabschiedet hätten: Wir glauben lediglich, daß Wissenschaft plausibler ist, als Religion, mit guten Gründen, aber um den Preis, Fragen nach den ethischen Grundlagen auszuklammern, daher – zweitens – hierzu ein klares Nein:
        “ „Und das ist es auch, was wir brauchen: eine Verständigung über eine säkulare, metareligiöse Ethik, die mehr oder weniger allgemein akzeptabel ist.““
        Ich möchte eben nicht, daß sich über eine „mehr oder weniger akzeptable metareligiöse Ethik“ geeinigt wird, die wahlweise z.B. Kannibalismus, Judenverfolgung oder Euthanasie erlaubt, weil sie es aus relativistischen Gründen ablehnt, das naheliegende, nämlich den Schutz des heiligsten (!), nämlichdes Lebens zu akzeptieren. Dafür stehen nun mal, bei aller Kritik daran, die Religionen – wie ich meine – aus evolutionären Gründen. Hinter Kant zurückfallen? Die Gefahr besteht tatsächlich, denn Kant überfordert mit seinem kategorischen Imperativ letztlich alle, genauso, wie die Moderne das tut, indem sie für das Elend der Welt stets den einzelnen verantwortlich macht. ich will auch nicht, daß man hinter Kant zurückfällt, aber wenn Sie, lieber Alan Posener, Grundrechte verteidigen wollen – Ihre eigenen und die von anderen – dann ergibt es keinen Unterschied, ob Sie dies aus nichttranszendenten Gründen tun, oder aus transzendenten bzw. religiösen. Ich verstehe Sie so, daß Sie Religion als moralische Krücke sehen bzw. als Fremdbestimmung ablehnen, aber ich glaube eben zu erkennen, daß es keine Rolle spielt, wie man an die moralischen Fragen herangeht, vorausgesetzt man akzeptiert das Leben als Wert an sich. Ich komme daher darauf, weil ich – nach einigen Diskussionen über das Thema – den Gegensatz zwischen Aufklärung und Religion nicht mehr erkennen kann. Es sind einfach zwei verschiedene Sprachen, die die Welt beschreiben wollen, die eine technisch leistungsfähiger, die andere moralisch aussagekräftiger. ich hoffe, das ist einigermaßen verständlich, was ich schreibe, ich hatte die letzten Tage wenig Zeit und wollte das aber noch einbringen. Beste Grüße

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        @KJN: ganz kurz, ich hab grad keine Zeit: das ist ein Missverständnis. Ich habe ja genau wie Sie gegen den Relativismus argumentiert. (Jede Ethik ist immer nicht-relativistisch, weil sie Soll-Sätze formuliert, die a priori nicht-relativistisch sind). Eine „mehr oder weniger akzeptable säkulare Ethik“, die sich im – in dieser Hinsicht gleichfalls nicht-relativistischem (!) – GG – niederschlägt, hätte ja gerade den Schutz des Lebens im Kern. So wie es auch in den Menschenrechten ist. Natürlich gibt es auch z.B. eine kommunistische oder nationalistische nicht-religiöse (oder eher quasi-religiöse) Ethik. Deshalb muss eine ständige Diskussion zu einer übergreifenden säkularen Ethik stattfinden, die unabhängig von religiösen Dogmen geführt wird. Tut sie ja auch mit mäßigem Erfolg, aber sie ist trotzdem wichtig. Denn eine solche Ethik kann zu einer Grundlage für multiethnische Staaten werden, von denen es immer mehr gibt.

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    Das Ding mit dem „was immer gilt“ ist ein Sehnsuchtsort. Nach paar Schnaps, passender Musik und einem Fotoalbum bin ich manchmal fast da, oder wenn die Jungs meiner Familie zusammensitzen, trinken und vor Lebensweisheit strotzen. Man will nicht weg, denn man ist da, wo man hingehört, angekommen. Ja, unpolitisch (meist betrunken). Der Versuch ihm einen Raum zu geben, dieses Gefühl an einem Ort zu konservieren, zu reproduzieren, verwandelt es im selben Moment zu einer schalen Enttäuschung. Und dann wird man missmutig und schlecht gelaunt und wenn man noch mit der Feder begabt ist, wird man Kulturpessimist. Die unbegabteren Bürger packt die Wut. Das „was immer gilt“ sollte man sich für einen regnerischen November aufheben, aber (um Gottes Willen!) es nicht mit Politik verwechseln. Ja, sonst ist es totalitär, eben ein Gefühl und wer das nicht teilt, wird es fühlen müssen.
    Off Topic Filmkritiken: Mein wunderbarer Waschsalon (My Beautiful Laundrette) von Stephen Frears. Der Film stand für mich für Freiheit, nicht nur für moralische, sondern gerade das eigene Kohle verdienen hat befreit.

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    Was ist konservativ? ist die Headline.
    Ich meine ja nicht, dass Reihenhaus und Garten zwangsläufig konservativ sind. Konservativ, die Haltung, scheint mir eher zu resultieren aus einer gewissen Dankbarkeit für das in der Vergangenheit Gelungene und Prägende.
    Insofern muss ich fragen, ob Sie zu undankbar sind, Sie sollten darüber nachdenken. Ich sehe das hier nur in einem Punkt: Sie waren mit zehn bis dreizehn Jahren, in einer also prägenden Zeit, auf der gleichen Schule wie Ian McEwan. Und Sie schreiben brillant. Sind Sie ganz sicher, dass diese Schule nicht Wesentliches dazu beigetragen hat?
    Denn im Schulunterricht waren und sind sie oft meisterhaft, die Briten, weil sie es geradezu lieben, anderen etwas beizubringen, Wissen zu vermitteln.

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      Ob ich dankbar bin für prügelnde „Prefects“, Lehrer, die mich mit dem Hausschuh versohlt haben, Geschlechtertrennung und schmutzige Witze, widerliches Essen und entsetzliche Langeweile im Unterricht? Nö, Oleander, bin ich nicht. Meine Begabung (danke für die Blumen) verdanke ich wesentlich meinem Vater, denke ich.

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        Das funktioniert nicht. Goethes Sohn konnte nicht schreiben.
        Nennen Sie mir einen und zwar keinen von heute, wo sich über Medien was machen lässt. Nochmal so einen Mann (Thomas), einen Schiller. Heine hatte keine Kinder. Fontane wird Kinder gehabt haben. Das wird, glaube ich, nicht vererbt.
        Das nennt man Talent, wie Sie sagen, und gute Lehrer tragen zur Förderung bei, auch Vorbilder.
        Die Briten haben offenbar länger auf den Arsch oder die Finger gehauen als die Deutschen. So what. Es passiert nicht mehr.
        Wo ich gut bin, und das sieht man mehr privat, weil ich im publizistischen Sektor nur mithalten kann durch eigene Meinung, weniger durch Können, bin ich diversen Leuten dankbar, die mich gelehrt und geprägt haben. Wenn ich nicht so diskret wäre, würde ich sie einzeln aufführen können.
        Ich fürchte, man nennt das Demut. Es lobt einen mal jemand, und dann sagt man, ja, das hat man xy zu verdanken. Das hat viel mit konservativ zu tun.

        Deswegen mochten viele Deutsche Frau Merkel. Sie wirkte zurückhaltend bis demütig (subdued). Inzwischen aber wurde daraus alternativlos, also über den Dingen stehend. Und die Medien, die das wissen, stellen daher gern das Bild von Frauke Petry mit dem keck-arrogant erhobenen Kinn dar. Das soll Konservative abschrecken. Konservative mögen keine Frechdachse, und es ist geradezu überraschend für viele, dass sie – na, so etwas – auch keine Alternativlosigkeit mögen, was bedeutet, dass unser deutscher Konservatismus auch mit Alternativen zu tun hat, dass wir also eine konservativ-liberale Nation sind, die eine gewisse Demokratie (thanks to the Brits after the war) erlebt hat. Ohne die Briten hätten wir hier schon früher ein Morgenthau-Experiment gehabt.

  22. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    Das ist ein schöner Artikel! Eine Anmerkung erlaube ich mir jedoch. Nach Popper gibt es einen Weg zwischen Relativismus und Dogmatismus: Den Meliorismus, dh die Auffassung, dass wir zwar nie im Besitz der ewigen Wahrheit sein werden, dieser aber durch die kritische Methode des Fehlereliminierens näher kommen können. Das ist aber nur bedingt ein konservativer Ansatz, eher ein evolutionärer.
    Mit besten Grüßen,
    Dr. Klaus Pähler

  23. avatar

    Der Film von Ken Loach „The Navigators“ hat die Folgen der Privatisierung des Eisenbahnwesens drastisch vor Augen geführt.

    Mit freundlichem Grüßen F. Höper

  24. avatar

    Sie erwähnen die Filme von Mark Herman und Peter Cattaneo. Haben Sie die Filme von Kenneth Loach und Mike Leigh noch in Erinnerung?
    Von beiden habe ich viel gelernt .
    „If it ain’t broke, don’t fix it“ ist Ihr Motto?
    Hätte sich Maggy Thatcher daran gehalten , wären das britische Eisenbahn- und Gesundheitswesen heute auf einem wesentlich höheren Niveau. Grüßen, F. Höper

    Mit freundlichen

    1. avatar

      Lieber Herr Höper, sowohl das staatliche Gesundheitssystem (das auch von Maggie Thatcher nicht privatisiert wurde, leider) wie auch die staatliche Eisenbahngesellschaft waren Ende der 1970er Jahre völlig kaputt. Inzwischen funktioniert wenigstens die Eisenbahn wieder. Aber man kann darüber diskutieren, ob die Privatisierung klug durchgeführt wurde.

  25. avatar

    Ich denke vielen Sympathisanten der ’neuen Rechten‘ ist die liberale Moderne mit ihren ständig neuen Regeln, ‚dos & don’ts‘, Öko-Knigge, gender mainstreaming usw. schlichtweg zu anstrengend und ich kann das sehr gut verstehen. (Besonders in Deutschland, wo geringe Fehlertoleranz und gegenseitiges Belehren und Zurechtweisen Volkssport ist.) Allerdings scheitert die Alternative mit den die Wahrheit verkörpernden Philosophenkönigen erstens daran, daß es ‚die Wahrheit‘ zumindest für uns Menschen nur in der Mathematik gibt und zweitens daran, daß auch die besten Philosophenkönige irgendwann sterben. Deswegen sind diese Programmatiken der neuen Rechten („was immer gilt“) Mogelpackungen. Tatsächlich ist mir der konservative „Warner und Verlangsamer“, vielleicht eher Prüfer (mit einem gesunden Menschenverstand), der aber die stetige Veränderung, die Evolution akzeptiert, die am meisten sympatische Figur. Genau diese sollte man durch allzu schnelle Einsortierung in die reaktionäre Schublade nicht verprellen.

    1. avatar

      @KJN: „Die Wahrheit“ im Sinne absoluter Wahrheit gibt es nicht einmal in der Mathematik. Dort hängt sie von dem logischen (sprich: metamathematischen) Axiomensystem ab. Sie erhalten komplett unterschiedliche Ergebnisse, je nachdem, ob Sie Anhänger der platonischen oder der intuitionistischen Logik sind. Darüber hinaus gibt es zu jedem (hinreichend mächtigen) Axiomensystem Aussagen, die innerhalb des Axiomensystems unentscheidbar sind (das ist die Kernaussage der Gödelschen Unvollständigkeitssätze). – Das nur am Rande…

      1. avatar

        @Opa Krempel
        Danke für den Hinweis am Rande. Genau solche Hinweise sind mir ein wichtiger Grund, hier mitzumischen. Was die ‚Wahrheit‘ angeht frage ich mich seit längerem, wieso gerade jene, die einerseits Religion gegen die liberale Moderne und (hier zurecht) gegen Wissenschaftsgläubigkeit in Stellung bringen, jenem mechanistischen Weltbild von Descartes anhängen, frei nach dem Motto: ‚Man muss es nur richtig machen, mit dem richtigen Plan, dem richtigen Herrscher‘ usw.

  26. avatar

    „was immer gilt“

    Ich weiß nicht, ob die JF Religionen damit meinte. Es gibt andere Dinge, die sie gemeint haben könnte, Bindung zum Beispiel, Familie. Auch vielleicht Lerndisziplin und Arbeitsmoral. Oder auch das Recht des Individuums, sich zu entfalten, entlang unseres Rechtsystems. Religionen engen das Individuum ein. Überhaupt das Grundgesetz. Schön wäre, wenn wir das Recht auf „pursuit of happiness“ im Grundgesetz verankert hätten.
    Falls sie Religion minus Islam gemeint hätten, lägen sie falsch, denn schon Katholizismus und Protestantismus sind recht verschieden.
    Es gibt schon zu viele Dinge, die nicht immer gegolten haben, ich denke hier an etwas wie Ästhetik beim Bauen.
    Ich bin ziemlich sicher, dass sie die Mutter meinen könnten, aber auch den Vater. Konservative backen heute kleinere Brötchen. Ein halber Tag Anwesenheit von einem der beiden wäre schon hilfreich für die Entwicklung. Sie meinen etwas, was nur Konservative verstehen, auch konservativ-Liberale oder konservativ-Patriotische.
    Anarchie meinen sie jedenfalls nicht.
    Und linksgrüner Neoliberalismus, dieser Eintopf merkelscher Genese, hat keinerlei Herzensbildung wie auch keinerlei Fundament. Zurück zu Empathie: Der kleine Junge mit dem Wuschelkopf, verfolgte Christen, Jesiden, Minderheiten, Aleviten.
    Zu Merkels Vorschlag, Blockflöte zu spielen oder bibelfest zu werden: Außergewöhnlich naiv. Ich wusste gar nicht, dass sie sich noch toppen kann.

    Nebenbei: Mrs. Thatcher ist mit für den Brexit verantwortlich. Falls wir eines Tages mit Dexit folgen sollten (unwahrscheinlich bei Volk ohne Volksabstimmung), sage ich das nochmal mit Mrs. Merkel.

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      „Falls wir eines Tages mit Dexit folgen sollten (unwahrscheinlich bei Volk ohne Volksabstimmung), sage ich das nochmal mit Mrs. Merkel.“

      Wir haben wirklich beachtlich wenig Demokratie, bei vergleichsweise viel Propaganda und Spott über die Demokratie der Anderen. Bei den vielen Diskussionen über den Brexit muß doch dem treuesten Michel aufgegangen sein, dass wir über unser Schicksal nicht abstimmen können, wie es die Briten und andere dürfen. Und damit die Blockpolitiker als Antidemokraten erkennen.

  27. avatar

    Dear Mr Posener.

    With what joy I have read this article. I see England in the same light. I was born in England in 1947 and went to two boarding schools between 1955 and 1965. My first school was authoritarian though I was perhaps too young to notice. My second was beginning to show the signs of enlightenment and rebellion in the early 60s. A contemporary of mine was the playwright David Hare who I believe today still shows some of the leftist conservatism. This was manifested in his recent autobiography, “ Touch the blue paper“. But in the end Ileft England in 1973 to go to Italy and the in 1977 to Germany because I found London so indescribably drab. I then observed the Thatcher revolution from a safe distance and had to endure the toffee nosed commentary of „Der Spiegel“ on the stage of my country whether the enemy was Scargill or Gualtieri. And then I remember saying to my elderly mother on a visit much later, My God, they have started to paint the houses. Thatcher may have been brutal but she did restore some pride and showed the English that they alone were responsible for creating their prosperity. There is no such thing as society. Her remark is so misunderstood by the left in Germany.
    I am not in agreement with Brexit but my one hope is that the English or British see it as a challenge and don’t become supine accusing others for their woes. I hope I can emulate the longevity of my parents to experience the outcome of Brexit.
    Richard Dawson

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      Interesting, Richard. I went to boarding school in England between 1959 and 1962. Woolverstone Hall, where Ian McEwan was two classes above me.

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    In jedem Volk und jeder Religion galt schon immer, je nach Definition und Kulturraum, die eigenen Kinder zu lebenstüchtigen Menschen zu erziehen. Diese eigenen Kinder sollten weitertragen und weiterschaffen.
    Im letzten Absatz kommt viel zusammen; den Relativismus dem Absolutismus gegenüberzustellen, – daß der Planet nicht mitwächst und der Weltbevölkerungszunahme diesen Gefallen tut -, dem Absolutismus allein Totalitarismus zu unterstellen und gleichzeitig den Relativismus als absolutistisch in der Negation des Absolutismus hinzustellen; während gerade ohne Absolutismus der Relativismus überhaupt nicht denkbar sein könnte, bleibt ein ungelöstes Problem der Europäer. Der Rest der Welt wird demographisch nicht verlieren wollen, und der kleine Zipfel Westeuropa darf dann endgültig der Realität ins Gesicht schauen.
    Demographie und Islamisierung sprechen auch gegen den Erhalt der Demokratie der Bundesrepublik. Sie können nicht den liberalistischen Relativismus, was politisch in den offenen Grenzen zum Ausdruck gebracht wird, und diese Form der Demokratie behalten.
    „42 Jahre verheiratet“ klingt nicht besonders relativistisch. Der JF kann man höchstens Idealismus vorwerfen. Noch fehlt die Anpassung. Was ich in beiden Punkten gut finde.

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    Ja, warum nicht reaktionär?

    Die politische Linke hat Deutschland kulturell, ethnisch und wirtschaftlich schon fast völlig zugrunde gerichtet und tut es täglich mehr. Konsequenz: Unschädlichmachung aller Links“intellektuellen“ und Nationalisierung ihres Vermögens, zwecks Wiedergutmachung. Ein zweites Nürnberg für linke PolitikerInnen und ihre (akademischen etc.) Helfershelfer. Notfalls Fehmgerichte (im spätmittelalterlichen Sinne) gegen LinkInnen einsetzen.

    Wer zerstörte die patriarchalische Familie, die Keimzelle jeder Kultur? Linke und Feministinnen. Konsequenz: der Frau mit absoluter Konsequenz wieder ihren rechtmäßigen Platz zuweisen, den sie in jeder Hochkultur seit Beginn der Zeit innehatte: unter dem Fuß des Mannes. Nietzsche und Schopenhauer hatten absolut recht.

    Wer macht das Land unsicher? Gewaltverbrecher, oft aus dem Ausland. Konsequenz: von Folter über Todesstrafe und Vermögenseinzug bis zur Sippenhaftung alle Kampfmittel einsetzen. Abschreckung ist das beste.

    Wer saugt das Land aus? Migranten, die nie etwas Positives beitragen werden. Konsequenz? Alle von ihnen vor die gleiche Wahl stellen wie die Pieds-noirs nach der Unabhängigkeit Algeriens: Koffer oder Sarg. Man kann sich dann unter anderem auch auf ein Straßenbild ohne finstere Gesichter freuen.

    Wer schadet Deutschland außenpolitisch? Das Ausland und vor allem seine Hetzpresse. Wer Deutschland beschimpft möchte Geld von ihm. Konsequenz? Deutschland mit Kobaltbomben bewaffnen, dann kneifen die feigen Ausländerhäuptlinge in London, Paris, Washington, Ankara, Damaskus, N’djamena etc. den Schwanz schneller ein, als man schauen kann.
    Was die ausländische Hetzpresse angeht: der zu gründende „deutsche Mossad“ würde sich derer Giftfedern – und ggf. ihrer Familien – sicher gerne annehmen. Litwinenko läßt grüßen.

    Wäre dies alles durchgeführt, würden sich die Pforten des Paradieses wieder öffnen. 😉

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    „Ein Leben aus dem, was immer gilt“… – Solcherlei gestaltet sich reichlich schwierig, da wir nicht einmal von physikalischen Naturkonstanten sicher sagen können, daß sie auch tatsächlich konstant sind (die Feinstrukturkonstante ist immer mal wieder ins Gerede gekommen), und da selbst abstrakte mathematische Tautologien von dem Axiomensystem abhängen, in dem sie formuliert werden. Zu behaupten, man wisse, was immer gelte, ist da schon anmaßend.
    Ich ziehe es vor, ein Wort einzufügen und aus dem zu leben, was auch immer gilt.

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    APo: ‚Vielleicht kann man sagen: ich bin mit mir nicht einverstanden.‘

    … das ging mir letztens ähnlich. Ich konnte mich selber nicht mehr leiden und bin einfach allein weiter gegangen. Doch nach einer Weile tat ich mir leid. Aber als ich mich umdrehte, war ich schon weg. Das ist menschlich. 😉

    Konservativ, lat. conservare für ‚erhalten, bewahren‘, ‚etwas in seinem Zusammenhang erhalten‘ ist nix anderes als: ‚Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.‘ Sein Wort gilt. Alles andere ist Zeitgeist – aber quis ut Deus?

    1. avatar

      Lieber blonderhans, mit sich nicht einverstanden sein ist nicht dasselbe wie sich nicht leiden können. ich meine einen Widerspruch zwischen denken und empfinden, denken und verhalten, denken und denken. Und nochmal, wenn sie bitte lesen wollen: ich gestehe jedem Religiösen zu, ob Jude, Christ oder Moslem, dass Wort Gottes absolut zu setzen; ich erlaube ihm nicht, mir aus diesem Geist heraus Vorschriften zu machen – Stichwort Mohammed-Karikaturen.

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        … nun, lieber Alan Posener, ich habe gelitten, weil ich mit mir nicht einverstanden war. 😉 Christen machen Ihnen keine Vorschriften, ich erinnere an den heil. Augustinus: ‚Der Glaubensakt ist schlichtweg unmöglich, außer er ist freiwillig.‘

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        Da bin ich aber froh, blonderhans. Allein mir fehlt der Glaube. Lesen Sie mal mein Papstbuch.

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