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Benedikt – eine halbe Abbitte

Da Papst Franziskus das Vernichtungslager Auschwitz schweigend besucht hat, was allerdings zeigt, dass er etwas von Stil versteht, möchte ich zurückkommen auf meine Kritik am Auschwitz-Besuch des letzten Papstes, Benedikt XVI. Und ihm eine halbe Abbitte leisten.

In meinem Buch „Benedikts Kreuzzug“ (in der erweiterten Taschenbuchversion „Der gefährliche Papst) habe ich mich ausführlich mit Benedikts Besuch in Auschwitz beschäftigt. Eine gekürzte Fassung dieses Kapitels erschien auch in der „Welt“.

Man kann darüber streiten, ob die Kürzungen optimal vorgenommen wurden; aber darum geht es hier nicht. Es geht mir um folgende zentrale Stelle, wo mir im Abstand von fünf Jahren scheint, dass ich in der Kritik zu weit gegangen bin:

Denn im Kern seiner Auschwitzrede steht eine epochale Umdeutung des Holocaust, die nicht nur die Kirche von aller Mitverantwortung am Judenmord freispricht, sondern sie zum eigentlich gemeinten Opfer der Schoah erklärt: „Im Tiefsten wollten jene Gewalttäter mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat.“

Das sind jene Gebote, an die sich unbegreiflicherweise die Kirche während des Holocaust gerade nicht erinnern konnte.

„Wenn dieses Volk einfach durch sein Dasein Zeugnis von dem Gott ist, der zum Menschen gesprochen hat und ihn in Verantwortung nimmt, so sollte dieser Gott endlich tot sein und die Herrschaft nur noch dem Menschen gehören – ihnen selber, die sich für die Starken hielten, die es verstanden hatten, die Welt an sich zu reißen. Mit dem Zerstören Israels, mit der Schoah, sollte im Letzten auch die Wurzel ausgerissen werden, auf der der christliche Glaube beruht, und endgültig durch den neuen, selbst gemachten Glauben an die Herrschaft des Menschen, des Starken, ersetzt werden.“

Sehen wir einmal darüber hinweg, dass auch jene Juden getötet wurden, die ihren Glauben und ihre Identität aufgegeben und etwa Katholiken oder Kommunisten geworden waren – und darüber hinaus auch „Halbjuden“: dass also weder das Judentum als Religion noch der Gott der Juden, sondern die Juden als Rasse Ziel der deutschen Mordwut waren, so wie die slawischen Völker als Rasse Ziel deutschen Versklavungswillens waren, ganz ohne Absichten hinsichtlich ihres Gottes. Halten wir aber fest, dass der Massenmord an den Juden bei Ratzinger nicht als entsetzlicher Höhepunkt einer zweitausendjährigen Geschichte des christlichen Antijudaismus erscheint, als ein von Angehörigen einer bis dato christlichen Nation begangenes Verbrechen, sondern als letztlich gegen das Christentum gerichtete Handlung – und vor allem darum als verwerflich.

(…) Nachdem sich der Autokorso des Papstes in der Dämmerung entfernt hat, gehört Auschwitz wieder den Toten. Sie vor allem hat er missbraucht. Seine Leugnung jeglicher Verantwortung der Christenheit insgesamt und der katholischen Kirche insbesondere für das, was in Auschwitz passiert ist, und das Abschieben dieser Verantwortung auf einen schweigenden Gott und eine von Gott losgelöste Moderne ist ein Verrat an den Opfern und am kollektiven Gedächtnis Europas: ein Skandalon. Demgegenüber erscheinen Handlungen wie die von Benedikt vorangetriebene Erhebung des schweigenden Papstes Pius XII. zu den Ehren der Altäre oder seine Zurücknahme der Exkommunikation der judenfeindlichen Pius-Brüder mitsamt dem langjährigen Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson eben nicht wie Skandale. Sie sind leider das Erwartbare.

Wiedervorlage und Selbstkritik

Jein. Da ist zwar einiges dran, insbesondere was das Fehlen jeglicher christlichen Selbstkritik angeht. Und im Kontext der anderen Handlungen und Äußerungen Benedikts während seines Besuchs ist die Kritik zwar scharf, aber nicht ungerecht. Wer jedoch verfolgt hat, wie ich hier auf „Starke Meinungen“ versuche, das Verhältnis von Religionskritik und Rassismus zu fassen, wird begreifen, dass mir bei der erneuten Lektüre meiner Kritik an folgender Stelle nicht ganz wohl ist:

… dass also weder das Judentum als Religion noch der Gott der Juden, sondern die Juden als Rasse Ziel der deutschen Mordwut waren, so wie die slawischen Völker als Rasse Ziel deutschen Versklavungswillens waren, ganz ohne Absichten hinsichtlich ihres Gottes. Halten wir aber fest, dass der Massenmord an den Juden bei Ratzinger nicht als entsetzlicher Höhepunkt einer zweitausendjährigen Geschichte des christlichen Antijudaismus erscheint, als ein von Angehörigen einer bis dato christlichen Nation begangenes Verbrechen, sondern als letztlich gegen das Christentum gerichtete Handlung …

Den Hinweis auf die Slawen finde ich richtig, auch sozusagen moralisch richtig an dieser Stelle. Aber wenn ich selbst schreibe, dass der Holocaust Ergebnis einer zweitausendjährigen Geschichte des christlichen Antijudaismus ist, und das ist er auch, dann kann ich nicht ohne weiteres behaupten, dass weder das Judentum als Religion noch der Gott der Juden, sondern die Juden als Rasse Ziel der deutschen Mordwut waren. Sie waren es eben auch.

Und wenn Benedikt sagte: „Im Tiefsten wollten jene Gewalttäter mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat.“ – dann hatte er damit Recht. Oder in etwa Recht.

Denn wie Timothy Snyder in seinem epochalen Buch „Black Earth“ festgestellt hat, galt den Nazis alles, was ein gemeinsames Menschentum unterstellte, über alle Rassen und Religionen hinweg, als „jüdisch“: Aufklärung und Moderne, aber auch jenes Christentum, das sich ihrem Rassenwahn nicht beugen wollte. Und in der Tat beginnt die Vorstellung eines gemeinsamen Menschentums mit Abraham, der mit Gott wegen der Heiden von Sodom und Gomorrha rechtet, und mit Moses, der für alle Menschen jene Gebote formulierte, die darauf hinausliefen, man solle niemandem etwas antun, was man selber nicht erleiden wolle.

Snyder widerlegt, wie mein Kollege Dirk Schümer richtig herausarbeitet, die von Theodor Adorno formulierte, verhängnisvolle Kritik des Nationalsozialismus als Vollendung der Moderne, auf die sich der von der Frankfurter Schule stark beeinflusste Benedikt bezog, wenn er behauptete:  „Mit dem Zerstören Israels, mit der Schoah, sollte im Letzten auch die Wurzel ausgerissen werden, auf der der christliche Glaube beruht, und endgültig durch den neuen, selbst gemachten Glauben an die Herrschaft des Menschen, des Starken, ersetzt werden.“

Die Nazis haben eben nicht an die „Herrschaft des Menschen“ geglaubt. „Den Menschen“ haben sie als jüdische Erfindung abgetan. Sie glaubten an die Herrschaft des Ariers, des wahren Christen, an die Versklavung der Untermenschen und die Vernichtung des Antichristen, des Unmenschen, des Juden.

Insofern ist meine Abbitte nur eine halbe Abbitte. Aber die immerhin will ich tun.

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21 Gedanken zu “Benedikt – eine halbe Abbitte;”

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    @Alle: Es gibt nun Starke Meinungen auch als App fürs Smartphone. Umsonst im Google Playstore, im Apple App-Store und via unseren Facebook-Auftritt. Downloaden und mobil lesen!

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    Mal zur Blogtechnik, lieber APO.

    KJN findet das neue Blog-Aussehen eleganter als das vorige. Ich kann mich dem (inzwischen) anschließen. (Nur der merkwürdig aufgesetzte „Kopf“ löst noch immer Kopfschütteln aus bei mir.) Gar nicht gut finde ich aber, dass Sie (oder wer auch immer für das neue Blog-Outfit verantwortlich ist) für die neue minimalistische Eleganz die „Autorenschaft“ der Blog-Kommentatoren opfern.

    Die Primärautoren merken davon nichts, weil sie bei der Freischaltung der Kommentare die neuesten Kommentare im Backend gesammelt sehen. Der Blogleser muss sich aber mühsam immer wieder durch alle Kommentarspalten und das jeweils von Anfang bis Ende klicken und scrollen, um – allein mit Glück und gutem Gedächtnis – die neuesten Kommentare zu finden.

    Das ist nicht nur ein lästiges Verfahren, es schmälert auf Dauer auch die „Autorenschaft“ der Kommentatoren. Ich möchte sehen können, wer „heute da“ ist und möchte auf einen Blick sehen können, was beispielweise Stevanovic – sein Kommentar steht gerade oben – heute scheibt. Das gegenwärtigen Verfahren macht die Begegnung mit ihm tendenziell zufällig und – das ist der eigentliche Punkt – löst auf Dauer die Konturen des Autors Stevanovic tendenziell auf.

    Das gegenwärtige Verfahren erzeugt einen Kommentar-Wald, in dem die Bäume nicht mehr zu sehen sind.

    Heißt: Das alte Widget „Neueste Kommentare“ sollte wieder her. Wenn es die neue Eleganz zu sehr stört, auf einer eigenen Seite. Oder die Namen der Kommentatoren sollten klickbar gemacht werden und eine Liste ihrer Kommentare öffnen. Das wäre technisch wohl aufwändiger, würde das neue Outfit aber ebenfalls kaum verändern.

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      @Alle: Es gibt nun Starke Meinungen auch als App fürs Smartphone. Umsonst im Google Playstore, im Apple App-Store und via unseren Facebook-Auftritt. Downloaden und mobil lesen!

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    Es zeigt die fließenden Übergänge zwischen den Motiven. Deswegen ist finde ich die Figuren „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ und „habit of mind“ auch griffiger. Mit Rassismus und Religionskritik, den Unterscheidungen und Abgrenzungen, verheddert man sich schnell in einer Begriffswelt, die ein Eigenleben entwickeln kann.
    So bekommen wir es in der Tagespolitik nicht zusammen, dass Assad (im Vergleich) zwar säkular ist, aber trotzdem ohne Hemmungen Kriegsverbrechen verübt. Ist zwar off-topic, soll aber ein Hinweis sein, dass die Frage der verschiedenen –Ismen sich nicht in der geistigen Sphäre beantwortet, sondern die Wirkung des intellektuellen Duellierens sich im Umgang mit dem Menschen zeigt.

    Ich kann mich an Benedikt und die Diktatur des Relativismus gut erinnern. Benedikt hat sich zum zweiten Weltkrieg wie Imame zum Terror verhalten: Ist es nicht schön, ist es nicht mir. Mit der Einstellung sieht jeder Logos glasklar aus.

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    tja, der Fall Böhmenmann entscheidet sich doch bald. Werden die diversen Gerichte es sich gefallen lassen, dass der Anwalt in Dtld. die Verfahren weiter führen will, sein Mandant aber in der Türkei die Richter lieber absetzt. Ich bin gespannt,
    aber das muss ich leider abwarten

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    Sehr schön!
    …. „den Menschen“, den die Nazis ausrotten wollten, das ist der jüdisch, christliche, religiös denkende oder säkular, immer in einem humanistischen Sinne denkenden Mensch.
    Es ist die Universalisierbarkeit aller Geltungsansprüche, die der junge Habermas in immer wieder neuen Ansätzen vorgestellt hat.
    NS-Ideologien und andere Gruppen, die auf „Gewalt“ und „Schrecken“ setzen, gehen demgegenüber von einer partikularen (Gruppen)Moral aus (=Ideologie), sind also so gesehen immer von einer Menschen verachtenden Verneinung der Würde aller Menschen durchdrungen. Dieser Gedanke passt zu Ihrem „Rassismus“-Verständnis und dieser Gedanke passt auch zu einem Verständnis von Religion, in dem mächtige Instanzen zwischen Gläubigen und Ungläubigen unterscheiden, letztere bekämpfen und sich anmaßen über den Wert eines Menschen zu urteilen. Eigentlich ist das umislamisch, da im Islam nur „Gott“ beurteilen kann/darf, wer glaubt und wer nur so tut. Aber monotheistische Religionen haben nun einmal die Schwäche, das sie solche Instanzen aufbauen, die sich dann solche weltlichen Urteile anmaßen, deren Ergebnisse immer gefährlich sind für die ANdersdenkenden. Kommt eine Politik der Ausrottung oder eine Politik des Kampfes/ des Kriegs hinzu, beginnt der Terror und das Massaker.

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      Endlich einmal, liebe Monika Frommel, kann ich Ihnen uneingeschränkt zustimmen. Und erwarte immer noch einen Beitrag von Ihnen zum Fall Böhmermann …

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    „Und in der Tat beginnt die Vorstellung eines gemeinsamen Menschentums mit Abraham, der mit Gott wegen der Heiden von Sodom und Gomorrha rechtet“ – pars pro toto.

    Sehr schön. Spricht mich an – diskret gesagt. Und alles revoltiert in mir. Wollen wir jetzt so – in diesem „Stoff“ – denken? Sie meinen, das „Material“ färbt nicht ab? Oder soll es gerade das ? – Das (mehr als) anheimelnde Angebot (wenn es das sein soll) öffnet die Büchse der Pandora! Öffnet sie noch weiter.

    Nein!

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      Lieber EJ, wie so oft sprechen Sie in Rätseln. Welchen „Stoff“ meinen Sie? Die Bibel? Den Nationalsozialismus? Den Antisemitismus? Den Islamhass? Ich bin ratlos.

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        Ist schon ein Kreuz[sic!]! Entweder ich lese nicht richtig oder ich schreibe undeutlich, und meist tue ich anscheinend beides.
        Ich meine Ihre Denken in Mythen. Sie betreiben (distanzlose) Schriftauslegung. Sie argumentieren in „Stellen“, geben den „Stellen-Ausleger“. Sie priestern. Papsten!

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        Lieber EJ, das mag sein oder auch nicht. Da müssten Sie schon Butter bei die Fische geben und Ihrerseits „Stellen“ bei mir nennen, sonst reden wir im Ungefähren. Freilich schon vor – na – dreißig Jahren warf mir ein guter Freund und evangelischer Theologe vor, ich würde „alttestamentlich“ an die Bibel herangehen, weil ich darauf beharrt, wenn in der Schrift von „Engeln“ die Rede ist, dann seien Engel gemeint und nicht, wie er meinte, gute Menschen. Ich bin sehr dafür, bei den Religionen etwa die Schriften wörtlich zu nehmen und den Vertretern der Religionen nicht durchgehen zu lassen, wenn sie sagen, dies und jenes sei nicht wörtlich zu nehmen; dann sollen sie bitte, und vermutlich meinte mein Freund mit „alttestamentlich“ eigentlich „jüdisch“, obwohl ich Anglikaner bin, dann sollen sie sich bitte wie die jüdischen Schriftausleger, sich die Mühe machen, durch philologische Spitzfindigkeit und Schriftgelehrsamkeit zu zeigen, dass die Stelle anders zu verstehen sei. Es gibt zum Beispiel zig Auslegungen zu den eindeutigen Stellen im Deuteronium, wo auf Ehebruch Steinigung steht, und die Auslegung des Rabbi Jesus, wiewohl raffiniert, ist nicht die raffinierteste. Mich würde zum Beispiel sehr interessieren, ob es im Islam eine solche Tradition gibt, etwa vermittels der Fatwas, und was diese Tradition zu den von hiesigen Kritikern des Islam (zu denen ich mich zähle) angeprangerten blutigen Aufforderungen und Bestimmungen des Koran zu sagen hat, aber auch zu den Bestimmungen über Apostasie und zur Weiterentwicklung der Religion.

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        APo: ‚Es gibt zum Beispiel zig Auslegungen zu den eindeutigen Stellen im Deuteronium, wo auf Ehebruch Steinigung steht, und die Auslegung des Rabbi Jesus, wiewohl raffiniert, ist nicht die raffinierteste. Mich würde zum Beispiel sehr interessieren, ob es im Islam eine solche Tradition gibt, etwa vermittels der Fatwas, und was diese Tradition zu den von hiesigen Kritikern des Islam (zu denen ich mich zähle) angeprangerten blutigen Aufforderungen und Bestimmungen des Koran zu sagen hat, aber auch zu den Bestimmungen über Apostasie und zur Weiterentwicklung der Religion. ‚

        … klar, gibt es auch, denn was nicht passt, wird passend gemacht. Der Ayatollah Chomeini, Sie erinnern sich, das ist der, der die Islamophobie erfand, hat, als er die Herrschaft im Iran übernahm, den Genuss und Handel von Kaviar verboten. Der Stör galt als unreiner Fisch, weil er keine Schuppen hat.

        Nun, auch bei den Mohammedaner gilt: ohne Moos nix los. Daher! … hob er aus wirtschaftlichen Gründen das Verbot wieder auf.

        Auslegungen, die die Macht der Ayatollas oder anderer ‚Gelehrten‘ im Mohammedanismus, auch nur um ein Jota beschneiden könnten [sic!], werden Sie nie, nicht, niemals, finden. Das ist wie bei den Linken. Jeder will, aus Gründen der Machterhaltung, der Selbstüberhöhung, am weitesten ‚links‘ sein. Daher sind alle anderen immer ‚rechts‘. Hatten wir hier auch schon.

        Darum ist Jesus auch nicht raffiniert. Das mag Allah, der ‚Gott‘ der Mohammedaner, sein. Der gilt als der beste Listenschmied. Sure 8, Vers 30: ‚Und gedenke, als die Ungläubigen wider dich Listen schmiedeten, um dich festzunehmen oder dich zu ermorden oder dich zu vertreiben. Und Listen schmiedeten sie, und Allah schmiedete Listen; und Allah ist der beste der Listenschmiede.

        Jesus hat die Steinigung nicht mal verboten. Er sagte: ‚Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.‘ … no comment.

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        Das mit der Sünde und dem Stein gilt aber auch – und gerade – für die Kritik am Islam, lieber Blonderhans. Wenn Jesus die Jünger auffordert, „klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ zu sein, so wissen Sie zumindest, was die Jesuiten daraus gemacht haben. Stichwort Äquivokation.

      5. avatar

        Welche Butter bei die Fische soll ich tun, wenn Sie mit der Butter um sich schmeißen?

        Nach der von Ihnen herangezogenen „Stelle“ überlebt – auf Abrahams entsprechende Frage hin – nur der von Gott so beurteilte Gerechte (samt Familie und Bediensteten, nebenbei, die für die Frage nach der Gerechtigkeit gar nicht erst zählen und im Falle Lots mit-überleben, ansonsten kurzerhand – als was? Menschen? – mit-ausgerottet werden). Abraham entringt nicht „den Menschen“ und das „gemeinsame Menschentum“ der Herrschaft und dem Gericht Gottes. Ganz im Gegenteil! Die gesamte „Stelle“ zeigt „den Menschen“ und das „gemeinsame Menschentum“ unter der Herrschaft und dem Gericht Gottes . Wie auch die Zehn Gebote bekanntlich mit dem Ersten Gebot beginnen.

        Missverstehen Sie mich nicht. Mir geht es nicht um die „richtige“ oder „falsche“ Interpretation einer „Stelle“, sondern um die Frage, was – unter halbwegs Aufgeklärten – der Wechsel in die Welt der „Stellen“ überhaupt soll? Was soll ein Satz wie: „Und in der Tat beginnt die Vorstellung eines gemeinsamen Menschentums mit Abraham, der mit Gott […] rechtet. “ Abraham rechtet mit Gott – in welcher Welt ist das ein verständlicher und sinnvoller Aussagesatz?

        Sind wir jetzt restlos alle vom religiösen Wahn befallen? Wir ringen mit dem Papst und mit den Nazis und, bitte, angesichts sonstiger einschlägiger Probleme mit wem sonst noch – indem wir um die richtige Interpretation von „Stellen“ streiten? Wohin zurück wollen wir? Wohin zurück lassen wir uns locken? Wohin zurück lassen wir uns erpressen und zwingen?

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        Lieber EJ, mein Freund Hannes Stein hat ein kluges Buch mit dem Titel geschrieben, „Moses oder die Erfindung der Demokratie“. Ihm ging es darum, und mir geht es auch darum, unserem Wahn abzuhelfen, der eine Parallelität zwischen weniger Religion und mehr Demokratie zieht. Tatsächlich haben Laizismus oder gar Atheismus mit Demokratie genau so viel oder so wenig zu tun wie Judentum, Christentum und Islam. Und das age ich, ich kann es nicht oft genug wiederholen, als in der Wolle gefärbter Atheist.
        Die Stelle, an der Abraham mit Gott rechtet, zeigt Abraham als Vertreter einer humanistischen Einstellung: Gott dürfe nicht die Unschuldigen mit den Schuldigen vernichten. Abraham kennt zwar seine Grenzen, aber zweifellos sind unsere Sympathien bei ihm, wenn er versucht, mit dem Hinweis auf die unschuldigen Opfer Gott vom Einsatz seiner Massenvernichtungswaffen abzuhalten. Abraham unterstellt, anders als manche „Islamkritiker“ heute, dass es unter den Heiden von Sodom Gerechte geben könne, um derentwillen man die Stadt verschonen müsste. Islamkritiker sind wie Gott: Sollen doch alle untergehen (rausgeschmissen, zur Apostasie gezwungen, an der Einreise gezwungen werden) wegen der Handvoll Ungerechter. Dass alle Menschen hier unter der Herrschaft Gottes stehen, ist gerade der Fortschritt gegenüber der Vorstellung eines Stammesgottes, der nur für das Wohlergehen seiner Leute zuständig ist. Genau das ist ja mein Argument.

      7. avatar

        In der religiösen Welt sind Aussagen nicht zu falsifizieren (oder gar zu verifizieren). In der religiösen Welt sind Aussagen nur zu alternieren. Entweder-Oder, im Extrem bis zum Religionskrieg.

      8. avatar

        @APo

        … die Jesuiten sind nicht Jesus und Franziskus hat ein Ei auf dem Kopf.

      9. avatar

        APO: mir geht es auch darum, unserem Wahn abzuhelfen, der eine Parallelität zwischen weniger Religion und mehr Demokratie zieht

        Ich würde dem zustimmen – unter der Bedingung allgemeiner Religionsfreiheit, was eine, ich will nicht sagen: „wesentliche“, aber doch jedenfalls beträchtliche Kastration voraussetzt. Religion, ob Stammes- oder Weltreligion, muss/ müsste um jeden Anspruch auf „das Gottesvolk“ verkürzt und auf das Individuum – wenn Sie so wollen: auf „das Gotteskind“ – beschränkt werden.

        In Teilen der westlichen Welt ist das weitgehend der Fall. Die Metaphorisierung des Gottesvolks ist aber eben gerade nicht explizit „theologisch“ (durch Stelleninterpretation), heißt: eben gerade nicht fundamentalistisch, sondern, auf der Basis außerreligiöser Erfahrungen, die es offenbar auch gibt, lebenspraktisch vollzogen worden. Bis heute ist sie nicht wirklich „theologisch“ vollzogen worden, auch nicht etwa durch das Vaticanum II. Und das hat gute Gründe.

        (Politische Theologie analytisch – nichts ist erhellender. Politische Theologie politisch praktisch – die Büchse der Pandora, Religionskrieg. Die Vermischung beider – eine Zeitbombe.)

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        Ja. lieber EJ, vieles „müsste“ besser sein und ist es doch nicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Gespräch zwischen Habermas und Ratzinger. Habemas fordert die Kirche auf, so zu reden wie die Soziologie, Ratzinger fordert Habermas auf, in religiösen Wendungen zu reden. Es gibt Differenzen, die man nicht überbrücken kann und wo man einfach einstweilen miteinander auskommen muss. Die Gedanken sind frei. Die Kirche darf hoffen, wie sie es jeden Karfreitag in der Fürbitte explizit tut, dass die Juden einstens Jesus Christus als ihren Messias anerkennen. So lange sie keine Zwangstaufen vornimmt, können und müssen die Juden damit leben.

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