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Böhmermann, Erdogan und kein Ende

Ja, darf er denn das? Bei vielen Diskussionen um Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegen den Präsidenten der Türkei habe ich den Eindruck, die Diskutanten wüssten nicht, wovon sie reden. Der „Musik-Express“ hat dankenswerterweise den Text dokumentiert. Hier ist es nachzulesen (und hier):

Sackdoof, feige und verklemmt,
ist Erdoğan, der Präsident…

Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,
selbst ein Schweinefurz riecht schöner.
Er ist der Mann, der Mädchen schlägt
und dabei Gummimasken trägt.
Am liebsten mag er Ziegen ficken
und Minderheiten unterdrücken;
Kurden treten, Christen hauen
und dabei Kinderpornos schauen.
Und selbst abends heißt’s statt schlafen
Fellatio mit hundert Schafen.
Ja, Erdogan ist voll und ganz
ein Präsident mit kleinem Schwanz.
Jeden Türken hört man flöten:
„Die dumme Sau hat Schrumpelklöten.“
Von Ankara bis Istanbul
weiß jedermann, der Mann ist schwul,
pervers, verlaust und zoophil,
Recep, Fritzl Přiklopil.
Sein Kopf so leer wie seine Eier,
der Star auf jeder Gangbang-Feier.
Bis der Schwanz beim Pinkeln brennt:
Das ist Recep Erdoğan, der türkische Präsident.
Wie dem Musik-Express zu entnehmen ist, hat Böhmermann den Vortrag des Gedichts mit der Bemerkung eingeleitet: „Und das, was jetzt kommt, das darf man NICHT machen. Wenn das öffentlich aufgeführt wird – das wäre in Deutschland verboten.“ In der Tat. Das Gedicht erfüllt zweifelsfrei den Tatbestand der persönlichen Beleidigung und wäre vermutlich auch dann ein Fall für die Gerichte, wenn es keinen Paragrafen gäbe, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt.

Es bleibt unklar, ob Böhmermann mit seinem Gedicht gegen diese Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland protestieren oder ob er sie nur illustrieren wollte; ob er sich also als Freiheitskämpfer oder Didaktiker versteht. Und wenn er für die Beleidigungsfreiheit stritt, ob er dafür eintritt, dass künftig jede Hassfigur des deutschen Kabaretts als pervers, verlaust und zoophil bezeichnet werden darf, oder ob das nur für bestimmte Hassfiguren gelten soll. Will Böhmermann künftig auch den Papst, Frauke Petry und Angela Merkel mit Problemen beim Wasserlassen infolge von Ziegen- und anderen Gangbangs in Verbindung bringen dürfen, oder nur, sagen wir, Wladimir Putin, Kim Jong-Un und Binjamin Netanjahu?

Was Böhmermann meint, ist vielleicht aber auch unwichtig. Ich bin der Meinung, die persönliche Beleidigung und die Beleidigung von Staatschefs sollten wie die Verunglimpfung des Bundespräsidenten auch künftig verboten und strafbar bleiben. Der Grund ist aus dem Gedicht selbst ersichtlich. Ob Erdogan einen kleinen Schwanz und Schrumpfhoden hat, Ziegen fickt und Fellatio mit Schafen treibt, ob er schwul ist und sich an Gangbangs beteiligt, hat offenkundig nichts zu tun mit dem, was man ihm sehr wohl vorhalten kann, nämlich die Unterdrückung der Pressefreiheit, die Drangsalierung der politischen Opposition, die Korruption und eine überzogene Reaktion auf den Terror der PKK, von seinen außenpolitischen Fehltritten und seinen islamistischen Sympathien einmal ganz zu schweigen.
Menschen, auch wenn sie Gestalten des öffentlichen Lebens sind, haben ein Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre vor Beleidigung. Dieses Recht wird in ‚Deutschland relativ eng ausgelegt. Papst Benedikt XVI. wollte vor einigen Jahren per einstweilige Verfügung der „Titanic“ eine Fotomontage zur Vatileaks-Affäre untersagen, die den Papst mit der Überschrift „Halleluja Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden“, auf der Titelseite mit einem Urin- und auf der Rückseite mit einem Kotfleck abbildete. Dabei lag die Assoziation „Leck“ – „Inkontinenz“ immerhin näher als die Assoziation „PKK bekämpfen – Ziegen ficken“. Das Verfahren vor dem Landgericht Hamburg fand nicht statt, weil der Papst im letzten Augenblick zurückzog, um weiteren Schaden von sich und der Kirche abzuwenden, was ehrenwert war. In der Sache hatte das Kirchenoberhaupt zweifelsohne Recht. (In einer früheren Fassung dieses Beitrags habe ich an dieser Stelle behauptet, es wäre zur einstweiligen Verfügung gekommen. Für die unsaubere Recherche entschuldige ich mich.)

Deshalb verstehe ich es nicht ganz, wenn mein oberster Arbeitgeber, Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, schreibt: „Vor allem wenn es um Provokationen religiöser, genauer: christlicher Gefühle geht, geht in Deutschland alles (…) Ähnlich, wenn die ‚Titanic‘ den Papst in einem Ganzkörper-Kondom oder mit einem Urinfleck auf dem Gewand zeigt. Sobald es gegen die katholische Kirche geht, ist das Lachen des Justemilieu programmiert. Es kann gar nicht respektlos und verletzend genug sein. Sie, lieber Herr Böhmermann, mussten nun lernen, dass andere Maßstäbe gelten, wenn es um türkische Spitzenpolitiker geht. In Deutschland brach eine Art Staatskrise aus, nur weil Sie Herrn Erdoğan als ‚Ziegenficker‘ bezeichnet haben.“

Nun ist der Papst nicht nur ein Staatsoberhaupt, sondern als Oberhaupt der katholischen Kirche eine für viele Gläubige verehrungswürdige Person, die, so könnte man meinen, deshalb besonderen Schutz genießt, anders als Erdogan. Aber diesen Schutz genießen auch Politiker, die keineswegs qua Amt oder gar qua Lebensstil Anspruch auf besonders schonende Behandlung erheben können. So verbot das Bundesverfassungsgericht ein Jahr vor dem Tod des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten zahlreiche Karikaturen des Zeichners Hachfeld für das Magazin „Konkret“, in denen Franz-Josef Strauß als kopulierendes Schwein dargestellt wurde. Hätte man ihm als Freier auf dem Strich in Manhattan gezeigt, wo ihm bekanntlich Ungemach widerfuhr, wäre das Urteil vielleicht anders ausgefallen.
Gewiss, Franz-Josef Strauß war ein demokratischer Politiker, der bei allen gelegentlichen Ausrutschern fest auf dem Boden des Grundgesetzes stand. Erdogan hingegen, so Mathias Döpfner, „kontrolliert in seinem Land etwa 90 Prozent der Zeitungsauflage und lässt Demonstranten, die anderer Meinung sind, gewaltsam von öffentlichen Plätzen entfernen. Oppositionelle bezeichnet er als „Atheisten und Terroristen“. Studenten, die demonstrieren, riskieren Exmatrikulation. Universitätsprofessoren, Journalisten oder Blogger, die Kritik äußern, werden willkürlich verhaftet, teils gefoltert, Redaktionen werden durchkämmt. Eine friedliche Kundgebung für die Rechte Homosexueller wird mit Wasserwerfern und Tränengas niedergeschmettert. Die Gleichstellung von Männern und Frauen lehnt der türkische Präsident ab: Der Islam lehre, dass Frauen vor allem Mütter seien. Und auch gegenüber den Kurden ist exzessive und rücksichtslose Gewalt der türkischen Armee an der Tagesordnung, sagt Amnesty International. Die Gewalt gegen Kurden habe allein seit dem vergangenen Sommer Hunderte Todesopfer gefordert.“
Richtig. Das ist bei weitem nicht die ganze Geschichte; aber das sind Tatsachen. Deshalb habe ich in einem Artikel anlässlich des Besuchs von Erdogan in Washington der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass er im Jahre 2023 nicht mehr Präsident der Türkei sein wird. Für diesen Artikel, den ich sehr ausgewogen finde, erntete ich in den „Deutsch-Türkischen Nachrichten“ umgehend Kritik von einem deutschen Erdogan-Speichellecker, der mir unterstellte, einen „Putsch“ gegen Erdogan zu befürworten, vielleicht mit Hilfe der PKK, und der meinen Artikel in eine Reihe stellte mit den Schmähungen Böhmermanns.

Über diese Schmähungen schreibt Mathias Döpfner: „Dass Ihr Gedicht geschmacklos, primitiv und beleidigend war, war ja – wenn ich es richtig verstanden habe – der Sinn der Sache. Sie haben doch einfach alle beleidigenden, insbesondere alle in der muslimischen Welt beleidigenden Stereotype zusammengerafft, um in grotesker Übertreibung eine Satire über den Umgang mit geschmackloser Satire zu machen.“ Ich gebe zu, dass ich diese Aussage auch nach mehrmaliger Lektüre nicht verstehe. War Erdogan am Ende gar nicht Zielscheibe des Böhmermann-Gedichts, sondern Leute wie ich und der frühere Papst mit ihrem Etepetete-Geschmack? Oder Politiker wie Angela Merkel und Barack Obama, die Erdogan umwerben, weil sie ihn brauchen?
Erdogan-Fan Yasin Bas meint: „Was sich aber Jan Böhmermann (…) in „ZDFneo“ leistete, glich in mehreren Passagen den erbärmlichsten Schmähbriefen von Rechtsextremen und Rassisten, die damit nahezu täglich islamische Einrichtungen in Deutschland, teilweise anonym, anschreiben.“
Das kann ich bestätigen. Was auch immer Böhmermann gewollt haben mag – sein Gedicht wird lustvoll in Kreisen rezipiert und weitergeleitet, die darin keine „Satire über den Umgang mit Satire“ erblicken, sondern die das Gedicht geil finden, weil es „alle in der muslimischen Welt beleidigenden Stereotype zusammenrafft“, um es dem Türken – und den Türken – einmal richtig zu zeigen.

Wobei Witze über Sex mit Tieren keineswegs „in der muslimischen Welt“ gang und gäbe sind. In meiner Heimat England zum Beispiel bringt man gern Waliser und Schotten in Verbindung mit Schafen; das englische Wort „bugger“ wiederum, was einen Arschficker beziehungsweise als Verb dessen Tätigkeit bezeichnet, leitet sich vom Bulgaren ab, denen man in meiner Heimat früher unterstellte, besondere Genießer dieser Form der Lustgewinnung zu sein. Vor dem Ersten Weltkrieg allerdings galt die Homosexualität in England als „German perversion“. Anderswo in Europa ist man nicht ganz zu Unrecht der Ansicht, die Tradition der Internatserziehung sorge dafür, dass die meisten Engländer, besonders aus der Oberschicht, wenigstens eine homosexuelle Phase durchleben, was ich bestätigen kann. Die Herabwürdigung anderer Männer als Besitzer kleiner Genitalien wiederum scheint mir, der ich ein Leben lang hauptsächlich unter Christen zugebracht habe, keineswegs eine muslimische Besonderheit zu sein, und manche Männer leiden darunter so sehr, dass sie, obwohl keine Muslime, zu operativen Ergänzungsmaßnahmen greifen. Wenn also das Gedicht besonders die muslimische Art, andere Leute herabzuwürdigen, persiflieren wollte – „Ey, Erdogan, Alter: Isch fick deine Mutter!“ – , dann war es eher daneben. Wenn es die Art persiflieren wollte, wie manche Verteidiger des Abendlandes Muslime beleidigen, dann war es halbwegs gelungen; aber welchen Sinn sollte das haben?

Überhaupt muss man sich jenseits des Strafrechtlichen und Satiretheoretischen die Frage stellen: Cui bono? Wem hat das Schmähgedicht genutzt? Außer den üblichen Verdächtigen, den Putin-Freunden von der Linkspartei und der PKK, außer den klammheimlichen Genießern bei der AfD, Pegida und der ganzen rechtsnationalen Szene sind das besonders die Verteidiger Erdogans: Denn dass ein solches Gedicht, das nach deutschem Recht strafbar ist und als „verboten“ angekündigt wurde, im öffentlich-rechtlichen, von den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Kräften – Parteien, Kirchen, Gewerkschaften usw. – kontrollierten, gebührenfinanzierten Fernsehen laufen konnte, bestätigt Erdogans Gefolgschaft in ihrer tendenziell paranoiden Weltsicht. Das wäre freilich kein Grund, das Gedicht nicht zu bringen. Seine schiere schenkelklopfende Geistlosigkeit ist aber mehr als Grund genug.

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57 Gedanken zu “Böhmermann, Erdogan und kein Ende;”

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    Ein wichtiger Mensch beschäftigt sich mit seiner Arbeit,
    ein unwichtiger Mensch mit anderen Personen.

    Türkisches Sprichwort

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    „Ja, da bleibt kein Auge in der Mobbing-Selbsthilfegruppe trocken.“
    Versteh ich nicht. Wessen Augen bleiben nicht trocken? Und warum? Meine, Ihre, vor lachen, vor weinen oder einfach weil sie auf dem Rücken liegt und es regnet?
    Oder ist dies ein mir unbekanntes deutschen Sprichwort?
    Ich wäre ernsthaft an einer Erklärung bzgl. der dahinter liegenden Aussage von Ihnen interessiert.
    Auch der Zusammenhang mit den neuen Kleidern des Kaisers ist mir fremd. Alan?

    Aber zurück zum Thema.
    „Kann sein, dass das im gesetzlichen Rahmen ist“
    Ja aber worüber sonst sollten wir hier diskutieren wenn nicht über den rechtlichen Rahmen? Über unseren persönlichen Geschmack? Der ist nicht diskutabel, allerhöchstens unterschiedlich.
    Gefallen tut mir das Gedicht übrigens auch nicht, und selbstverständlich ist es alleine betrachtet beleidigend, und zwar nicht nur auf einer persönlichen Ebene sondern, imo. unschönen Weise, auch auf einer rassistischen.
    Das in Abrede zu stellen war aber nicht Teil meiner Aussage.
    Ich frage mich aber ob es legitim ist das Gedicht als einzelnes zu bewerten (in eben einem juristischen Sinn). Und ich denke nein.

  3. avatar

    „Dieses Verhalten hat die “Belehrung” durch Böhmermann nämlich erst hervorgebracht, respektive nötig gemacht. Und in dieser Gesamtheit gesehen, ist für mich weder Majestäts- noch Normalbürgerbeleidigung gegeben.“

    Ja, da bleibt kein Auge in der Mobbing-Selbsthilfegruppe trocken. Kann sein, dass das im gesetzlichen Rahmen ist, aber auf die Idee, dass die Nennung eines Namens im Kontext von Ziegenficker nicht beleidigend sein soll, darauf wäre ich nicht gekommen.

  4. avatar

    @adrian @alan
    “Und wenn das Schule macht, dann ist jede Beleidigung erlaubt, wenn sie nur vorher mit einer salvatorischen Klausel versehen wird.”

    Nein. Ein Beispiel wurde von Adrian genannt, auch wenn es im Bezug auf die Causa Böhmermann hinkt.
    Denn eines übersehen sie beide, dass diese salvatorische Klausel sich nicht aus sich selbst speist und nicht vom blauen Himmel fällt, sondern mit der Einbestellung des Botschafters bzgl. des extra3 eben eine Vorgeschichte hat.
    Dieses Verhalten hat die „Belehrung“ durch Böhmermann nämlich erst hervorgebracht, respektive nötig gemacht. Und in dieser Gesamtheit gesehen, ist für mich weder Majestäts- noch Normalbürgerbeleidigung gegeben.

  5. avatar

    Ich finde, dass es nicht unerheblich ist, welche öffentliche Figur beleidigt wird. Dazu gehört auch, wofür diese Person steht. Das kann man nicht regeln. Das ergibt sich aus dem Kontext. Der Kontext ist eben nicht nur etwas, das der Satiriker vor und nach seinem Beitrag gesagt hat. Es ist auch der historische und tagespolitische Kontext, der mediale Kontext und auch, was man über den Satiriker bisher weiss und folglich von ihm zu erwarten hat. Und in allen Punkten hat Böhmermann meiner Meinung nach bestanden. Es kann auch nicht darum gehen, was juristisch anfechtbar ist. Manchmal irrt eben auch ein bestehendes Recht. Zum Beispiel weil es veraltet ist oder weil es eben den Kontext nicht reflektieren kann. Wenn überhaupt etwas von Böhmermanns Staatskrise bleiben wird, dann dass es um den Mörder Erdogan ging und dass aufgrund seines Gedichtes ein veraltetes Gesetz gekippt wurde.

  6. avatar

    Erdogan scheint sowohl nach Paragraph 185 als auch nach Paragraph 103 Anzeige erstatten zu wollen:

    http://www.faz.net/aktuell/feu.....74734.html

    Zitat FAZ:
    „Doch warum nun zusätzlich die Anzeige als Jedermann gemäß Paragraph 185 StGB? Erdogan befürchtet wohl, dass die deutsche Regierung seinem Strafverlangen nicht nachkommt und keine „Verfolgungsermächtigung“ erteilt.“

    Nun bin ich kein Jurist, aber ich würde keinen retroaktiven Eingriff in die Gesetze sehen, wenn man den Paragraphen als nicht mehr zeitgemäß abschaffen und die Verfolgungsermächtigung mit dem Hinweis nicht geben würde, dass nach Paragraph 185 ein Verfahren angestrebt wird. Schließlich scheint die Regierung hier einen Ermessensspielraum zu haben.
    Sollte dies keine Option sein, so müsste die Bundesregierung meines Erachtens die Ermächtigung erteilen. Böhmermann wusste ja genau, was er da tat, und wahrscheinlich kommt die Reaktion der türkischen Seite nicht gerade unerwartet. Wenn er sich bewusst in eine Grauzone des Rechts manövriert, dann muss er sich auch nicht wundern, wenn dann eben der Staatsanwalt prüft, ob die Grenze des Zulässigen überschritten wurde. Das hat meiner Meinung nach dann nichts mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun.

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    Was für eine Unterstellung, lieber Herr Posener! Selbstverständlich kennt Gabi Rittig das Gedicht mitsamt seinem Kontext. Deshalb weist sie ja darauf hin, daß in diesem Fall das, was üblicherweise als Beleidigung angesehen werden müßte, durch seine satirische Rahmung als „uneigentliches Sprechen“ eben keine ist und daher höchstwahrscheinlich straffrei bleiben wird.
    Und was das Papst-Cover der TITANIC betrifft: Ist es jetzt schon so weit gekommen, daß man als einfacher Satiriker von der Straße einem gestandenen Konservativen erklären muß, daß das Recht kein Wunschkonzert ist und das Leben kein Ponyhof?!

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    Ach Leute, über was wird hier geredet?
    Das „Gedicht“ ist doch sicher verletzend und wäre auch – für sich gesehen – sicher strafbar. aber der Gesamtzusammenhang, in dem die Sendung und das „Gedicht“ kam, der darf nicht ignoriert werden, wenn es um die Strafbarkeit geht.
    „Anstand“, na ja.
    Darüber befindet auch der/die Staatsanwältin nicht, die über die Sache zu entscheiden hat. Sie oder er muss im Einzelfall mit der Kunstfreiheit abwägen. Der Anwalt des „Beleidigten“ wird das „Gedicht“ isolieren. Der Verteidiger wird den Zusammenhang herstellen, und dann möchte ich die oder den StA sehen, der die Sache weiter treibt. Im Ermittlungsverfahren hat der Anzeige Erstattet keine Chancen, eine Anklage zu erzwingen. Das wird eine hübsche Nachhilfe-Stunde in Rechtskunde.
    Als Strafrechtlerin bin ich sehr angeregt. Politisch ist es auch nicht schlecht; denn angesichts der Flüchtlingsprobleme ist ein kraftstrotzender türkischer Obersultan eher nachteilig. Sogar Frau Merkel könnte politisch profitieren. Dass sie viel schlucken muss seit Sommer 2015 ist eine Tatsache, aber das war vorhersehbar. Widerstände sind eben Widerstände. Aber es geht sicher nicht um die Ehre von E. oder den „Anstand“ von B.

  9. avatar

    Kurt Tucholsky, 1919: ‚Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten. […] Was darf die Satire? Alles.‘

    … Satire, so seh‘ ich sie, soll die Wahrheit aufblasen (s.h. K.T.). Die ‚Zielperson‘ soll sich vor Wut in den eigenen Arsch beißen und eben keine Rechtfertigung finden, sich an andere, wie und an wen auch immer, zu vergreifen.

    … manchmal genügt ein einfaches Foto.

    … und nach wie vor unübertroffen!

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    Steht Erdogan nicht wie jedem Normalsterblichen eine Strafanzeige gemäß § 185 offen?
    Generell sollte überlegt werden, ob der § 103 „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ nicht einfach ersatzlos gestrichen werden sollte. Die Merkel könnte dann eine Verfolgung ablehnen mit dem Hinweis, dass der Paragraph nicht mehr zeitgemäß sei und abgeschafft werde.

    § 103 wurde unter anderem 1994 gegen drei Frauen ermittelt, die Li Peng, den Schlächter von Tiananmen, unter anderem als „Mörder“ bezeichnet hatten.

    http://www.spiegel.de/spiegel/.....83431.html

    Ich konnte auf die Schnelle nicht herausfinden, ob es zu einer Verurteilung kam. Die Erfahrung dieses Herrn legt nahe, dass dies nicht der Fall war, da die Chinesen etwas intelligenter als Erdogan waren:

    http://www.michaelpanse.de/201.....s-li-peng/

    Auch Pinochets Regierung, die mehrere Tausend Menschen ermordet hat, durfte nicht als „Mörderbande“ bezeichnet werden:

    http://www.mdr.de/nachrichten/.....n-100.html

    „Anders ging ein Strafverlangen Chiles aus. Demonstranten hatten 1975 vor der Botschaft des südamerikanischen Landes in Bonn mit einem Spruchband gegen das Regime von Chiles Diktator Pinochet protestiert. Darauf war die chilenische Regierung als „Mörderbande“ bezeichnet worden. Das Gericht bejahte in diesem Fall eine Strafbarkeit nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch.“

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      Danke für die Informationen, Adrian. Die Beispiele, die ich empörend finde, zeigen in der Tat, wie § 103 in der Vergangenheit zur politischen Unterdrückung abweichender Meinungen benutzt wurde, ohne dass es nach meiner Erinnerung zu irgendwelchen größeren Protesten gekommen wäre. Er sollte nun einmal richtig angewendet und dann abgeschafft werden, denn in der Tat könnte (und wird) Erdogan als Privatmann klagen. Retroaktiv den Paragrafen abschaffen, um Böhmermann zu schützen, kann die Bundesregierung nicht; und da sie die Abschaffung des Paragrafen nicht vor dem dusseligen TV-Auftritt angestoßen hat, kann sie wohl kaum mit Hinweis auf eine angestrebte Abschaffung die Nichtverfolgung begründen.

  11. avatar

    @ Alan Posener
    Lese ich zum ersten Mal ganz. Unverschämt. Unter der Gürtellinie.
    „Ziegenficken“ besonders ist anti-Muslim, ein Ressentiment, das erinnert an „Brunnenvergiftung“, den mittelalterlichen antisemitischen Klassiker.

    Kritik muss erlaubt sein, natürlich auch an Staatsoberhäuptern, aber dies ist eine haltlose Schmähung. Wer das gut findet, hat den Geschmack eingebüßt. Intention egal.
    Stimme Ihnen insgesamt zu, nur dies scheint mir etwas zu kurz gegriffen:
    „Was Böhmermann meint, ist vielleicht aber auch unwichtig. Ich bin der Meinung, die persönliche Beleidigung und die Beleidigung von Staatschefs sollten wie die Verunglimpfung des Bundespräsidenten auch künftig verboten und strafbar bleiben.“

    Denn das Pömchen erinnert durchaus an manchen Rap, wo z.B. auch Frauen oder Mütter geschmäht werden. Darf man das? Vielleicht. Aber geschmacklos ist es genauso. Auch türkischen Rappern dürfte also der Stil durchaus bekannt vorkommen.

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    Lieber Herr Posener,
    Ihre Frage, ob die Herren Döpfner und Broder „zu doof sind, um die Raffinesse Böhmermanns zu erkennen“, wird durch die Beiträge von Roland Ziegler und Monika Frommel schon ganz gut beantwortet. Dass der Inhalt des betreffenden Gedichts in keiner Weise ernst gemeint ist, dürfte jeder Person klar sein, die die Sendung regelmäßig verfolgt. Böhmermann hätte in einem ähnlichen Zusammenhang genauso gut ein bis zum Gehtnichtmehr rassistisches, antisemitisches oder sonst wie diskriminierendes Gedicht vorlesen können – das Ergebnis wäre das Gleiche gewesen.
    Ich selbst habe mich mit der Sendung erst nach langer Zeit anfreunden können, da Böhmermanns Humor – so platt er manchmal daherkommt – nicht leicht zu durchschauen ist. Der Mann ist so ein bisschen eine Mischung aus Stefan Raab und Sasha Baron Cohen. Einen klar herauszulesenden, tieferen „Sinn“ haben seine Beiträge selten. Meist lassen sie sich in die eine wie in die andere Richtung deuten. Letzten Endes sind die Sendungen (wenn man sich mal durch ein paar duzend Folgen durchgequält hat) vor aber allem eines: unterhaltsam. Man weiß nie, was Böhmermann als nächstes ausheckt und ist durch seine Winkelzüge immer wieder überrascht.
    Dass die Sendung aus anderen ihrer Art wirklich heraus sticht, liegt gerade an Beiträgen wie dem Erdoğan-Gedicht. Ich bin mir sehr sicher, dass der Beitrag keine strafrechtlichen Konsequenzen haben wird, da Richter in der Regel darauf bedacht sind, Aussagen in ihren Sinnzusammenhang zu betten. Wer also sagt: ‚da könnte ja jeder kommen‘, verkennt die Intelligenz unserer Justiz. Für mich ist in diesem Fall klar, dass es eben nicht darum ging, einer ernst gemeint beleidigenden Aussage einen Disclaimer voranzuschicken, der vor Strafverfolgung schützt. Ganz im Gegenteil ging es einfach nur darum, eine nicht ernst zu nehmende, freche Unterhaltungssendung zu produzieren. Dass Böhmermann sich momentan so wegduckt und tatsächlich verängstigt scheint, wundert mich sehr. Aus meiner Sicht hat er nicht das Geringste zu befürchten und das ist auch gut so.

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    Herrn Posener und seinen oberster Chef finde ich recht mutig, den einen mit der tatbestandlichen Verbreitung der üblen Nachrede, den anderen mit der Solidarisierung und dem Zueigenmachen. Ob Döpfner es ernst meint und es ihm wirklich um die Meinungs- und Pressefreiheit geht, und nicht nur um Auflage und Klickraten, würde ich erst dann annehmen, wenn er formell eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen sich selbst stellt. Ich wette mit dem ersten, der dagegen hält, um eine Flasche Barolo, dass das nicht geschehen wird.

    Was die Gewaltenteilung angeht, wird diese tatsächlich tangiert, wenn die Bundesregierung gutachterliche „vorprüft“ ob eine Straftat vorliegt. Das ist nicht ihre Aufgabe. Sie hat nur zu entscheiden, ob sie ein Verfahren für opportun hält. Dabei geht es um die Entscheidung, ob sie die außenpolitischen Interessen im konkreten Fall höher wertet als die möglicherweise tangierte Pressefreiheit ihres Bürgers Jan Böhmermann. Dabei hat sie auch das Verhalten Erdogans und sein Verhältnis zur Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei in die Waagschale zu legen. Die einzig richtige Entscheidung kann daher für mich nur sei, sich vor Böhmermann und damit auch vor die Medien in der Türkei zu stellen. Ob Böhmermann, Döpfner oder Posener sich der „einfachen“ Beleidigung oder über Nachrede schuldig gemacht haben können dann die zuständigen Amtsrichter und in letzter Instanz, die Richter des Bundesverfassungsgericht oder des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klären. Danach wüsste Erdogan auch, ob er wirklich mit seiner Regierung in die EU gehört.

    Ich war immer für einen Beitritt der Türkei. Wenn die Bedingung dafür wäre, dass wir unseren Grundrechtsschutz schleifen, bin ich allerdings strikt dagegen. Eine Konsequenz könnte dann möglicherweise sein, dass das von Böhmermann vorgetragene Gedicht auch auf den einen oder die andere verantwortliche Politiker/in hier in Deutschland umgedichtet werden könnte, müsste oder sollte?

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    Ich empfehle jedem, der neben „starken Meinungen“ auch ein bißchen Faktizität verträgt, die Lektüre dieses Interviews mit TITANIC-Justitiarin Gabriele Rittig, der Frau, die über drei Jahrzehnte lang jeden einzelnen Prozeß, den die katholische Kirche gegen das Satiremagazin anstrengte, gewonnen hat. Jeden, Herr Posener – warum hätte sie da bei Ratzinger eine Ausnahme machen sollen?

    http://www.br.de/radio/bayern2.....nn100.html

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      Lieber Herr Tietze, dass sich jemand von „Titanic“ um „Starke Meinungen“ kümmert, ehrt uns natürlich. Das Interview mit Frau Rittig krankt daran, dass das Gedicht selbst nicht in seiner Gänze zitiert wurde; sie scheint es auch nicht zu kennen. Denn im allgemeinen erkennt sie an, dass es so etwas wie Beleidigung gibt, und dass das strafbar sein kann. Immerhin. Aber darum geht es Ihnen anscheinend nicht. Sie meinen, Sie hätten den Prozess in Sachen „Vatileaks“ gewonnen. Kann sein. Ich habe bekanntlich ein Buch gegen Ratzinger geschrieben; ich hielt ihn als Papst für ein Unglück. Und ich war der Meinung, Ihr Cover hat der Sache der Kritik am Vatikan nicht gedient. Das macht es nicht strafbar. Mich hat der alte Mann gedauert, und ich hätte ihm gewünscht, er hätte das aus der Welt schaffen können; da Ihnen der Anstand gefehlt hat, zu erkennen, dass Sie ihn persönlich verletzt haben, musste er auf den Anstand der Richter hoffen. Und darauf hätte ich auch gesetzt.

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    In diesem Fall ist es völlig unwichtig, für welchen Zweck Böhmermann dieses Gedicht vorgetragen hat. Das, was er Erdogan angeblich nur aufzeigen wollte, hätte er auf höherem Niveau machen können. Es ist lediglich eine „Art Absicherung“ für ihn gewesen, zuvor zu sagen, es sei ein UNERLAUBTES Schmähgedicht. Es wäre das gleiche sich hinzustellen und zu sagen: „So, das was ich jetzt sage, ist nicht erlaubt: Schön, dass Hitler Juden vergast hat…“ Wir sind doch nicht im Kindergarten. Es geht um Staatsoberhäupter und Personen der Öffentlichkeit. Alle diejenigen, die sich über die Reaktion von Erdogan aufregen, sollten sich mal vorstellen, selbst an seiner Stelle zu sein. Stellen Sie sich mal vor, Sie sitzen im Klassenzimmer Ihres Kindes auf einem Elternabend oder im Pausenraum auf der Arbeit und solch ein „Kunstwerk“ wird über Sie vorgelesen… Obwohl es wohlmöglich nur eine Handvoll Menschen mitkriegen, würden Sie sofort mit dem Gedanken spielen, „den zeige ich wegen Beleidigung an!“ Ohne das ganze gesetzliche wenn und aber… Sie müssen alle nur menschlich denken, nicht zuuu kompliziert! Natürlich gilt das nur für diejenigen, die ihre Menschlichkeit nicht verloren haben…. In diesem Sinne noch einen wunderschönen Tag Ihnen allen! Ob Deutsch oder Nicht-Deutsch! Hauptsache MENSCH!

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    „Die von Böhmermann betriebenen Enthemmung des öffentlichen Diskurses wird auf jene zurückfallen, die heute glauben, die Freiheit zu verteidigen.“

    Das befürchte ich auch.

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    Viel gefährlicher als die Enthemmung des Diskurses ist doch die Tendenz, den Diskurs vorsichtshalber zu entmachten (Journalisten einzusperren, Maulkörbe zu verteilen usw.: Präsidentenbeleidigung ist inzwischen der häufigste politische Straftatbestand in der Türkei.). Erdogan glaubt, man beleidige das ganze Volk, wenn man ihn beleidigt. Es ist gut, dass er Strafanzeige gestellt hat, nun wird sich zeigen, was die Justiz dazu sagt. Ich hoffe, deutliche Worte.

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    Ach ja, was war Böhmermanns Ziel in diesem Falle? Ich unterstelle mal: Selbstvermarktung. Oder doch Haltung, irgendwie?

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    Ach da hamwer doch wieder was zum Aufregen und Diskutieren! Bei Frau Will war allerdings nach 15 min schon alles gesagt. Thema gesetzt, Standpunkte ausgetauscht, Durchführung und Reprise konnte sich der Zuschauer getrost sparen. Böhmermann hat sein Ziel erreicht, auch dank Erdogan, der glaubte, sich dazu höchstselbst äußern zu müssen. Im umgekehrten Fall hätte das die „Bildzeitung“ für Frau Merkel erledigt. Tag 1: „Skandal im (sagen wir:) griechischen Fernsehen!!! Moderator beleidigt Kanzlerin!!!“ Müssen wir uns das gefallen lassen?“ Tag 2: O-Töne von „Prominenten“, Politikern und anderen „Sachverständigen“, “ Post von Wagner “ inklusive. Und schon haben wir eine“Debatte“! Lächerlich!

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    Wie gesagt: darum geht es beim Gedicht nicht, im Gegenteil sogar, aber trotzdem: Wenn man Staatsmänner – egal ob ausländisch oder inländisch – zukünftig straflos beleidigen dürfte, dann heißt das ja nicht, dass jeder und jede sofort mit dem Beleidigen anfangen würde. Ich jedenfalls würde immer noch nicht beleidigen und meinen Kindern auch davon abraten. Und die, deren Beleidigungslust schon vorher groß war und deren Hemmungen nun wegbrechen, weil es keinen Paragraphen mehr gibt, werden schon sehen, was sie davon haben.

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    Ihr Punkt ist ja für sich genommen richtig. Sie vergessen aber, dass Böhmermann nicht „einfach so“ gesagt hat: „Herr Erdogan, übrigens, falls Sie noch nicht wussten, was Schmähkritik ist, hier wäre ein passendes Beispiel:“ – Sondern Erdogan hat zuvor eine eindeutig erlaubte Satire seiner Kollegen von extra3 als Schmähkritik missverstanden. Deswegen, fand Böhmermann, müsste man Erdogab mal den Untershcied vor Augen führen. Es geht also überhaupt nicht ums Beldeidigendürfen.

    Den Antisemitismusvegleich hätte ich lieber weggelassen, aber es ist unmöglich, irgendeine Debatte, die etwas mit Herabsetzung oder Beleidigung zu tun hat, ohne zu führen. Deshalb drei Gegenargumente zu diesem Punkt, den ich völlig falsch finde:

    1. Es gibt keinerlei Grund, für Antisemitismus noch ein weiteres Beispiel in die Welt zu setzen. Deswegen funktioniert die Idee, was denn wäre, wenn es hierbei um ein Beispiel für Antisemitismus ginge, nicht. Es gibt eben bereits massenhaft übelste Beispiele für Antisemitismus, die man bei Bedarf zitieren kann. Was man auch regelmäßig tut, wenn man z.B. irgendeine alte Stürmer-Karikatur oder ein Luther-Zitat heranzieht.

    2. Der Antisemitismus richtet sich gegen alle Juden, und die blicken nunmal auf eine außergewöhnlich bittere Geschichte zurück. Jetzt sagen Sie bitte nicht, dass Böhmermann alle Türken verunglimpften würde, das stimmt nämlich nicht. Sein „Gedicht“ verunglimpft Erdogan persönlich und unterstellt sogar, dass die Türken ähnlicher Ansicht sind wie der Verfasser („Jeden Türken hört man flöten:
    „Die dumme Sau hat Schrumpelklöten.“)

    3. Es ist – zumindest für mich – ein großer Unterschied, ob man einen mächtigen Staatsmann schmäht, um ihm zu zeigen, was ne Harke bzw. Schmähung wirklich ist – weil der das nachweislich nicht weiß und über 1500 (glaube ich) wegen solch vermeintlicher Schmähung ins Gefängnis gesteckt hat – oder gewöhnliche Leute, die sich nicht wehren können.

  22. avatar

    Ich sehe den Unterschied nicht. Wieso soll sich Böhmermann mit seinem dozierenden Vortrag strafbar gemacht haben und Herr Posener nicht? Ich weiß bisher nicht, ob Böhmermann das Gedicht selbst verfasst hat oder ob es jemand aus der Redaktion geschrieben hat. Er trägt das Gedicht vor und distanziert sich zuvor ausdrücklich davon und macht klar, dass die Behauptungen frei erfunden sind. Wenn das eine Beleidigung ist, worüber man durchaus streiten kann, ist die Weiterverbreitung, durch Herrn Posener möglicherweise aber auch eine Straftat. Das Bundesverfassungsgericht hat zu diesem Thema auch schon folgendes Urteil gesprochen:

    http://dejure.org/dienste/vern.....R%20134/03

  23. avatar

    Der Tatbestand der Beleidigung scheint ohne große Zweifel erfüllt zu sein. Interessant ist jedenfalls die Diskussion, die sich daraus entwickelt hat. Ich denke dass wir mehr Klarheit in Bezug auf die Meinungsfreiheit und ihrer Grenzen erlangen können, sofern von Polemik abgesehen wird.

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    Lieber Alan Posener,
    Nicht jeder kann eine Beleidigung so verpacken und als Satire bringen. Das muss man können, und B. kann es. Das ist der Unterschied.
    Es kommt auf den Gesamtzusammenhang an für die Unterscheidung Satire = Kunstfreiheit oder verklausulierte Beleidigung. B. macht sehr kunstvolle Satiren. Hier ist der Unterschied zu
    „….Henryks Interview. Nix von “raffiniert spiegelndem Vorspann”, sondern Jubel über die Beleidigung:
    http://www.welt.de/politik/art…..erden.html“

    B. komponiert, Henryk B. hingegen poltert grimmig drauf los – ohne Rücksicht auf Verluste.
    Ergebnis: der eine macht Kunst, der andere beleidigt oder freut sich wie ein Kind über das, was er als schlichte Beleidigung wahr nimmt.
    Allein die Tatsache, dass wir hier nicht einig sind und rätseln…..zeigt, dass die Satire gelungen ist. Der Gewinner steht fest, selbst wenn er ein Bußgeld zahlen müsste; denn das wäre das Äußerste, was ihm droht. Was für ein Treppenwitz!

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    Wer am Sonntag oder gestern die Präsentation der ganzen Sendung bei Anne Will gesehen hat und nicht nur eines kleinen Ausschnitts, dessen Funktion es ist zu zeigen, was verbotene Schmähkritik wäre, der erkennt, dass online-Medien zu Falschmeldungen werden, wenn sie den Zusammenhang weg lassen und dadurch verfälschen. Blöd gelaufen!

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      Dann wäre Böhmermann Didaktiker, liebe Monika Frommel, und nicht Satiriker. Aber ich warte mit Spannung auf eine juristische Expertise aus Ihrer Feder hier auf „SM“.

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    „Überhaupt muss man sich jenseits des Strafrechtlichen und Satiretheoretischen die Frage stellen: Cui bono?“ Nee, muss man nicht!

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    Zur Frage der „Zielscheibe“: Erdogan ist schon die Zielschiebe des Schmähgedichts. Aber nicht so, dass er, Erdogan, womöglich pädophil + schwul + zoophil usw. sein könnte und es verbergen würde. Sondern so: Erdogan hat zuvor etwas anderes mit einer Schmähung verwechselt. Und nun sagt Böhmermann: „Herr Erdogan, nicht das, was Sie denken, ist ein Schmähung; sondern DIESES:… So etwas dieser Art. Damit Sie es künftig besser erkennen.“

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      Ja, Roland, dumm bin ich nicht, das hat Böhmermann gesagt. Und wenn das Schule macht, dann ist jede Beleidigung erlaubt, wenn sie nur vorher mit einer salvatorischen Klausel versehen wird. „Ich bin nicht gegen Juden, aber wenn ich das wäre, dann …“ Oder „Israelkritik ist kein Antisemitismus. Antisemitismus wäre, wenn ich sagen würde ….“ „Muslime sind immer so leicht beleidigt, wenn man ihre Religion in Verbindung mit Terror bringt. Aber beleidigt müssten sie erste sein, wenn ich sagen würde : …“ Und so weiter und so fort. Man kann das für eine gute Sache halten. Ich halte das für keine gute Sache. Die von Böhmermann betriebenen Enthemmung des öffentlichen Diskurses wird auf jene zurückfallen, die heute glauben, die Freiheit zu verteidigen.

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    Das erinnert mich auch an Zeiten, als Romane wie Ulysses nicht veröffentlicht werden konnten und ihre Autoren nichts zu essen hatten, weil dämliche Zensoren die Texte blasphemisch oder obszön fanden und nicht zuließen. Bzw. bei Ulysses weigerte sich sogar der Drucker, so etwas zu drucken.

    Nun ist das Schmähgedicht nicht Teil des Ulysses, aber Teil einer Satireshow, und Böhmermann kein Dichter, aber ein Fernsehunterhalter. Man muss das nicht gucken oder lustig finden. Dann lacht man eben nicht. Erdogan wirds überleben und die Verletzungen seiner Seele werden mit der Zeit heilen, auch ohne dass man Böhmermann bestraft.

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    Na ja, der Vortrag dieses Schwachsinns fand nicht im Privatfernsehen statt. Im Staatsfernsehen einen Verbündeten Merkels niveaulos verunglimpfen zu wollen, richtet sich auch gegen Merkel.
    Vielleicht fällt endlich der Rundfunkbeitrag…

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    Es handelt sich um meine Satiresendung, noch dazu vom 1.April. Da könnte man eigentlich auf den Gedanken kommen, dass das, was dort gezeigt und ausgesagt wird, möglicherweise nicht ganz ernstgemeint ist? Obendrein leitet Herr Böhmermann den Stein des Anstoßes auch ausdrücklich als unerlaubtes Schmähgedicht ein, wodurch er sich weiter vom eigentlichen Inhalt distanziert.
    Danach liest er das Schmähgedicht in Seelenruhe vor, so wie jemand eine Botschaft verliest.

    Danach dann empört zu sagen: „Das ist ja das reinste Schmähgedicht!“ ist schon etwas dämlich.

    Es gibt also eine Vielzahl von Zeichen, dass es sich nicht um eine normale Aussage – die man dem Aussagenden direkt zurechen kann – sondern um eine indirekte Aussage, eine Aussage aus dem etwas komplizierteren Bereich der Kunst, handelt. Wie ja sogar Herr Döpfner erkannt hat und Herr Böhmermann in seinen Kommentaren auch ausdrücklich beansprucht.

    Kann man dann sagen: Das mag ja irgendwie Kunst sein, aber bleibt trotzdem eine üble Beleidigung! Hätte er wenigstens „Arschloch“ gesagt, aber „Ziegenficker“…!

    Wie sieht es denn dann mit Punk, Monty Python oder Mel Brooks aus:

    https://www.youtube.com/watch?v=pldjz_qNDvI

    „Nigger!“ ruft der Gefahrensucher von Mel Brooks. Ist dieses Filmchen eine rassistische Beleidigung; hätte der Gefahrensucher besser etwas anderes rufen sollen?

    Ich glaube nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Justiz hierzulande den primitiven Vorstellungen Erdogans folgen wird. Wir werden aber sehen.

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    Ich fände es herrlich, wenn dieser linke Propagandist und GEZ-Schnorrer Böhmermann in einen anatolischen Kerker geworfen würde. Dann hätte mir dieser Antifa-Langweiler zum ersten Male ein Lächeln abgerungen.

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      Sehnse, Gerd Weller, die einen finden es herrlich, dass der Autokrat Erdogan beleidigt wird, die anderen finden es herrlich, wenn Böhmermann bestraft wird. Ich finde, alle sind vor dem Gesetz gleich: Erdogan und Böhmermann. Hat Böhmermann beleidigt, soll er bestraft werden, auch wenn der Beleidigte ein Unsympath ist. Hat er nicht beleidigt, geht er frei, auch wenn er ein Linker ist.

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    … ich würde Alan Posener eher zustimmen. Diese Art ‚Satire‘, ich finde sie erheblich unter der Gürtellinie, gibt dem Despoten vom Bosporus, der sein eigenes Volk niederkartätscht, eine Plattform sich als Opfer darzustellen.

    … das diese Sache aber der Ex-FDJ-Sekretärin, in der sie ‚offenbar den Verstand verloren hat‘, so der EU-Abgeordnete Sonneborn, nun selbst zum Verhängnis werden kann, ist erfreulich.

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    Na, was ist denn das für eine Verallgemeinerung?! Es geht doch um die konkrete Frage, ob B. sie überschritten hat, nicht um die abstrakte These, dass es Grenzen gibt.
    Wenn Satiriker die Grenzen beaachtet, dann darf Satire sehr viel,
    sicher das, was B. macht. Ich habe den ganzen Beitrag gesehen, er ist eingebettet in eine dialogische „Belehrung“, dass das, was nun folgt, „Schmähkritik“ wäre. Das ist ist im Gesamt-zusammenhang zu würdigen, was verkürze Ausschnitt ignoriert.
    Diesen kurzen Ausschnitt haben die konservativen Türken (ich habe den Namen dieser Organisation vergessen) kritisiert. Aber so schlicht ist unser Recht nicht.
    Selbst wenn ein StA anderer Ansicht wäre, dann hätte B. immer noch einen Rechtfertigungsgrund (berechtigtes Interesse), da der Kritisierte ein Feind der Presse-und Kunstfreiheit ist, was jeder weiß, was also Teil des von mir angedeuteten Gesamtzusammenhangs ist.
    Was ist denn aust der intellektuellen Kultur geworden, wenn ich mir heute anhören muss: Satire darf nicht alles, basta?!
    Konkret etwa ging meist sehr viel weiter, wenn es um die katholischen Würdenträger ging. .

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    Folgendes ist schlicht und ergreifend falsch: „Das Landgericht Hamburg stellte aber völlig zu Recht fest, dass die Gestaltung von Titel und Rückseite des Magazins die Menschenwürde des Papstes verletzte.“
    Daß das genaue Gegenteil der Fall ist und daß das Landgericht eben dies nicht (und schon gar nicht zu Recht) feststellte, weil der Papst seine Anzeige am Tag vor der Verhandlung eilfertig zurückzog, auch weil sie praktisch keinerlei Aussicht auf Erfolg hatte, hätten Sie mit ein wenig Recherche ggf. der „Welt“ entnehmen können:
    http://www.welt.de/kultur/arti.....rlage.html

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      Stimmt, Mark-Stefan Tietze. Aber der Papst zog nicht zurück, weil der Antrag „keine Aussicht auf Erfolg“ hatte. Sondern weil die „Titanic“ angekündigt hatte, aus der Verhandlung ein Gaudi zu machen und der Schaden dadurch noch größer geworden wäre. Dennoch: Das habe ich schlecht recherchiert. Danke für den Hinweis.

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    Lieber Alan Posener

    Die Namen verunstaltet ein doofes Schreibprogramm, sorry! Einmal falsch, speichert das Programm und ich bin oft zu schnell mit Abschicken!

    Was die künstlerische Seite der Satire betrifft, die man vollständig sehen muss, um zu beurteilen, wie man dazu steht, stimme ich zu, dass es gute Argumente gibt, Herrn B. albern zu finden, na gut!
    Aber er erfüllt definitiv den Tatbestand der Beleidigung nicht. Da hat ein Anwalt beraten. Das wird sich noch heraus stellen! Ich wette schon einmal.
    Außerdem ist eine Strafdrohung bis zu drei Jahren die niedrigste, die es gibt, dh er bekommt ein Angebot sich mit einigen Euros frei zu kaufen. Das sollte die Bundesregierung vermeiden, denn sonst gibt es noch eine unsinnige Debatte mehr

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    Zu Don Geraldo:
    Was Sie immer so loslassen, das ist sicher eine strafbare Beleidigung (Speichellecker….), aber es ist so einfaltslosf, dass keiner einen Strafantrag stellen würde.

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    zu Alan Posieren: …Das Gedicht erfüllt zweifelsfrei den Tatbestand der persönlichen Beleidigung und wäre vermutlich auch dann ein Fall für die Gerichte, wenn es keinen Paragrafen gäbe, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt….
    Das ist nicht zutreffend; denn dieses Gedicht ist im Kontext eines raffiniert spiegelnden Vorspanns deutlich zu erkennen als ein satirisches Beispiel für eine Schmähkritik, etwa so, als würde ich Studenten erklären, ab wann eine Meinungsäußerung strafbar ist, dann würde ich sagen: „etwa wenn man folgende Thesen aufstellt! Aber der Satiriker macht zugleich deutlich, dass seine Satire zuvor etwas anderes war. Das wird deutlich im Dialog mit seinem Mitspieler.
    Es ist ein schillerndes Zwischending, durchaus witzig, was wie immer Geschmacksache ist, aber aus meiner Sicht als Strafrechtlerin sicher nicht strafbar.

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      Ich find’s keinen „raffiniert spiegelnden Vorspann“, liebe Monika Frömmlerin (um Ihr possierliches Spiel mit den Namen weiterzutreiben), wenn jemand sagt, „Pass auf, wenn ich das ernst meinen würde, wäre es eine Beleidigung“ – und dann geht’s los mit der Beleidigung. Die Reaktion von Mathias Döpfner, der das Gedicht unter Hinweis auf Erdogans Untaten verteidigt, zeigt, wie so etwas wirkt. Henryk Broder meint auch: „Erdogan hat es verdient, dass man ihn beleidigt.“ (Siehe Interview auf N24). Oder sind die beiden zu doof, um die Raffinesse Böhmermanns zu erkennen?

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    Jetzt fangen Sie auch noch an.

    Dieser armselige Wicht Böhmermann ist doch die ganze Aufregung nicht wert.

    Wir sollten uns mehr mit Erdogan und seinen Speichelleckern in den Führungsetagen der deutschen Politik befassen, das aber auf einem vernünftigen Niveau.

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      Lieber Don Geraldo, ich habe eine Woche lang versucht, die Causa zu ignorieren. Allein, es geht nicht. Sie finden aber viele Stellungnahmen von mir zur Türkei online.

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