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Warum die AfD nicht liberal sein kann

Es verwundert doch sehr: Schon Bernd Lucke, moderater als Frauke Petry, aber doch eindeutig rechts zu verorten, stellte klar, dass er kein Liberaler sei. Und zwar wörtlich. Inzwischen ist die AfD personell, inhaltlich und sprachlich noch deutlich weiter an den rechten Rand gerückt – und trotzdem liest man plötzlich immer wieder, die AfD sei „neoliberal“ oder einfach nur „liberal“. Ersteres behauptet etwa das ARD-Magazin „Monitor“, letzteres sogar die AfD selbst, im ersten Satz ihres durch Correctiv geleakten Grundsatzprogrammentwurfs. Diese Zuschreibungen allerdings zu übernehmen, ist so falsch wie fahrlässig. Und es ist vor allem tatsächlich, wie nur sehr selten in der Politik, objektiv widerlegbar.

Dafür muss man sich noch nicht einmal die Mühe machen, die Parteiprogramme der AfD zu durchforsten und nach politikwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen, zumal man die Menschen sowieso zuerst an ihrem Tun, und dann an ihren Programmen messen sollte. Man muss nur den Protagonisten in und rund um die AfD genau zuhören. Dann kann man die offizielle Selbstzuschreibung als liberal nur noch als Versuch bewerten, die Öffentlichkeit vorsätzlich zu täuschen. Da ist nicht nur die Gegenwehr maßgeblicher Köpfe wie Höcke, Tillschneider oder Poggenburg gegen den Rauswurf des saarländischen Landesverbandes aus der AfD, der mit Verwebungen mit der NPD auf sich aufmerksam gemacht hat. Es sind vielmehr unzählige Äußerungen des AfD-Spitzenpersonals, die eindeutig erkennen lassen, dass man mit dem Liberalismus nichts am Hut hat.

Bleibt die AfD-Vorsitzende Frauke Petry noch etwas schwammig, wenn sie sagt, die AfD stehe für eine „rechte demokratische Politik“ und versucht der Wahlgewinner des 13. März, der sachsen-anhaltinische AfD-Chef Poggenburg, einen seltsamen Kunstgriff, wenn er die AfD als „liberal-nationalkonservative Partei“ bezeichnet, wird der brandenburgische AfD-Vorsitzende Alexander Gauland schon deutlicher. In seinem Buch „Anleitung zum Konservativsein“ (sic!) schreibt er nämlich: „Wir werden es künftig mit zwei kulturellen Milieus zu tun haben, einem liberal individualistischen, das sich für Zuwanderung, die Anerkennung von homosexuellen Lebensgemeinschaften und jede Art von Selbstverwirklichung stark macht, und einem wertkonservativen, das auf einer verbindlichen Identität aus moralischen Prinzipien und abendländischen Traditionen besteht und wirtschaftlichen Notwendigkeiten wie wissenschaftlichen Erfolgen eher skeptisch gegenübersteht, also nicht mehr das bürgerliche Lager gegen die Sozialdemokratie, sondern Konservative versus Liberale in allen Parteien.“

Zu welcher Gruppe Gauland die AfD zählt, dürfte leicht erkennbar sein; sicher nicht zu der, die sich für die Anerkennung der Homoehe und Zuwanderung stark macht. Und seine Abneigung gegen alles Liberale wird noch deutlicher, wenn er vor der Neigung warnt, „die historischen Kräfte hinter blutigen Konflikten zu leugnen und die Welt durch Markt und Menschenrechte zu erneuern“, denn bei diesen beiden Kernwerten des Liberalismus handele es sich in Wahrheit um „eine intellektuelle Rebarbarisierung“. Damit nimmt er die beiden wesentlichen Standbeine des Liberalismus – Markt und Menschenrechte – aufs Korn. Und wer Gauland kennt, weiß, dass das sicher nicht zufällig geschieht.

Ein weiteres Beispiel: Björn Höcke, Gaulands und Poggenburgs Amtskollege aus Thüringen, äußerte sich schon ziemlich zu Anfang der Pegida-Proteste kritisch gegenüber eben dieser Bewegung. Allerdings nicht etwa, wie man es aus liberaler Perspektive tun müsste, weil Pegida ihm zu rechts war, sondern weil er ihre Forderung nach sexueller Selbstbestimmung für zu liberal hielt und weil ihm in der Formel „christlich-jüdisches Abendland“ der Bezug auf die antiken und germanischen Wurzeln fehlte. Höckes und Poggenburgs Duzfreund Götz Kubitschek, am 13. März zu Gast auf Poggenburgs Wahlparty, formulierte auf der Seite seiner explizit rechten Zeitschrift, man müsse froh sein, „um jeden nicht-liberalen Impuls“ und: „Das Konservative, das Rechte, das Reaktionäre, das Unzeitgemäße, das Widerständige, das Immergültige muss gestärkt werden – in der AfD genauso wie gesamtgesellschaftlich.“

Die AfD-Vordenker stehen damit in einer Reihe mit den Stichwortgebern der Neuen Rechten, von Möller van den Bruck über de Benoist bis hin zu Mohler und Weißmann. Moeller van den Bruck etwa schrieb bereits in den 1920ern: „Der Kampf gegen die Aufklärung, den wir aufnehmen, wird ein Kampf gegen den Liberalismus auf der ganzen Linie sein.“ De Benoist stößt in dasselbe Horn, wenn er seine Abneigung gegen allgemeingültige Menschenrechte im Begriff „Menschenrechtsideologie“ deutlich macht. Armin Mohler fühlte sich 1988 sogar bemüßigt, ein ganzes Buch mit dem vielsagenden Titel „Gegen die Liberalen“ auf den Markt zu bringen. Und Karlheinz Weißmann, lange Chef des neurechten „Instituts für Staatspolitik“, mit dem Björn Höcke den Austausch sucht und der sich selbst als „Schüler Mohlers“ bezeichnet, fordert eine Abkehr von der westlichen Dekadenz – indem die derzeitigen Tabus der liberalen Gesellschaft durch mehr – und vor allem mehr rechte – Tabus ersetzt werden.

Gehuldigt wird auch dem von Carl Schmitt eingeführten Freund-Feind-Denken, wie schon im Gauland-Zitat deutlich wurde, frei nach dem Motto „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“. Dieses Denken ist mit der liberalen Demokratie und dem sie prägenden Pluralismusgedanken nicht in Einklang zu bringen. Dass die AfD in ihrem Wahlprogrammentwurf angesichts dieses Unterbaus auch auf Themen setzt, die in Teilen der Bevölkerung als liberal oder neoliberal wahrgenommen werden, muss man wohl als Strategie verstehen: Man versucht einfach konsequent diejenigen Positionen zu besetzen, die – zumeist aus guten Gründen – von keiner anderen Partei besetzt werden, für einen kleinen Teil der Gesellschaft aber ein hohes Empörungspotenzial haben. Mit einem chancenorientierten Liberalismus hat etwa die Kürzung staatlicher Unterstützung für Alleinerziehende, zumal mit der Begründung, dieses sei „selbstgewählt“, nichts zu tun. Liberal wäre hier vielmehr, jedes Lebensmodell gleichermaßen zu unterstützen (oder es von mir aus auch ganz zu lassen), aber sicher nicht die Diskriminierung, wie sie der AfD vorschwebt.

Liberalismus will die liberale Gesellschaft gestalten, die AfD hingegen die Säulen der liberalen Demokratie zersetzen und durch restriktivere, rechte Logiken ersetzen. Wenn die AfD sich selbst liberal nennt – und von anderen in diesen Topf geworfen wird – hilft ihr das, zu vertuschen, dass die Liberalen – nicht die Linken – eigentlich der Hauptfeind der Reaktionären sind. Mohler brachte das klar auf den Punkt: „Mit einem Linken kann ich mich unter Umständen verständigen, denn nur zu oft hat er eine Teilwahrheit für sich. Mit dem Liberalen jedoch kann es keine Verständigung geben.“ Wer sich der AfD in den Weg stellen will, kann das dieser Tage am besten tun mit einem Bekenntnis zur liberalen, offenen Gesellschaft. Und mit der klaren Verteidigung des Begriffes gegenüber der AfD: „Nein, Ihr seid wahrlich keine Liberalen!“

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21 Gedanken zu “Warum die AfD nicht liberal sein kann;”

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    @Giesa

    Aus der FDP kommen zum Beispiel die AfD-Leute Marcus Pretzell und Sven Tritschler, zumindest letzterer bezeichnet sich auch nach wie vor als liberal. Beide erreichen Sie in Brüssel.

    Dass sie ein derart angeranztes Zitat von Gauland zum Beleg für einen aktuellen Rechtsruck nehmen, hat mich doch verblüfft. 2002. Da war der ja noch in der CDU. Den dortigen Machtkampf zwischen Liberalen und Konservativen haben wohl die letzteren verloren, die Folge ist die Entstehung der AfD.

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    @Münsteraner
    Die Frage ist nur, wie lange diese Liberalen und Liberalkonservativen sich in der AfD noch wohlfühlen. Wer kurz nach der Gründung deshalb in die AfD eingetreten war, weil er sich vor allem durch Leute, die eine marktwirtschaftliche Ausrichtung haben (z.B. Lucke, Henkel, Starbatty), angezogen fühlte, dürfte sie über kurz oder lang in Richtung seiner alten Idole wieder verlassen. Bei allem, was man von der AfD seit dem Führungswechsel wahrnimmt, haben die marktwirtschaftlichen Prinzipien immer weniger Bedeutung.

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    C.G.: Es mag einige libertäre Staatshasser in der AfD geben, die gerne mit Liberalen verwechselt werden. Liberale fallen mir allerdings keine ein. Aber vielleicht helfen Sie mir? Ich würde mit denen gerne den Dialog suchen.‘

    … nun ja, werter C.G, per Wiki-Def. wird unter ‚liberal‘ die Freiheit des Individuums gegenüber staatlicher Gewalt verstanden.

    Mir gefällt die Def. von Leo XIII., Libertas praestantissimum: Der Mensch besitzt die Gabe der Willensfreiheit

    ‚Die Freiheit, diese äußerste wertvolle Gabe der Natur, kommt nur dem Wesen zu, welche den Gebrauch der Intelligenz oder Vernunft besitzen. Sie verleiht dem Menschen jene Würde, wodurch er sich selbst in der Hand hat bei seinen Entschlüssen, und so Herr über seine eigenen Handlungen wird. Es kommt aber sehr darauf an, wie man sich dieser Würde bedient, da aus dem Gebrauch der Freiheit die höchsten Güter, aber auch die größten Übel erwachsen. Gewiss steht es in den Menschen Macht, der Vernunft zu gehorchen, das sittlich Gute zu wählen und geraden Wegs sein höchstes Ziel zu verfolgen. Doch kann er auch nach jeder Richtung hin abirren: er kann einem trügerischen Scheingute folgen und so die sittliche Ordnung stören und sich freiwillig ins Verderben stürzen.‘

    Machen wir was d’raus. Oder?

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    Die AfD ist nicht in erster Linie liberal?
    Na bloß gut so.

    Die Hayekianer-Partei ist eine reine Westpartei und schwankt um die 5%. Ihr Kernaspekt ist Glaube an eine bestimmte paradigmatische Richtung in der Ökonomie, die von Milton Friedman vertreten wird.

    Ökonomie ist aber keine echte Wissenschaft mit eindeutigen Ergebnissen wie Chemie, Physik oder Geologie. Selbst die Methoden sind umstritten. Hier mit irgeneinem Glauben zu kommen ist unseriös. Oder vielleicht einseitige Interessenvertretung.

    Mit so einer Minitruppe wie der FDP kann man Deutschland nicht vor der Islamisierung bewahren. Was die Liberalen ja auch gar nicht wollen. Weswegen die AfD nicht liberal sein muß.

    Die wirklich guten Ideen des Liberalismus sind ja in der BRD von Anfang an im Grundgesetz verwirklicht. Dazu steht die AfD noch ehesten. Die anderen Parteien versuchen ja alle schmutzigen Tricks, um die politischen Rechte der AfD und ihrer Anhänger hintenrum auszuhöhlen.

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    Es gibt immer noch viele Liberale und Liberalkonservative in der AfD, es sind nicht alle mit Lucke fortgegangen. Zur FDP können sie auch nicht, da Lindner einen Aufnahmestopp für Ex-AfD-Mitglieder verhängt hat, also werden sie der AfD noch lange erhalten bleiben. Es haben auch viele sogenannte rechtspopulistische Parteien eine wenigstens wirtschaftsliberale Programmatik oder zumindest eine liberale Vergangenheit.

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      Es mag einige libertäre Staatshasser in der AfD geben, die gerne mit Liberalen verwechselt werden. Liberale fallen mir allerdings keine ein. Aber vielleicht helfen Sie mir? Ich würde mit denen gerne den Dialog suchen.

  6. avatar

    Es gibt eine Grenze, die die AfD fundamental von allen anderen Parteien („Altparteien“ enthält bereits eine Wertung/Abwertung) unterscheidet.
    Es geht im Grunde bis zurück zur Aufklärung und bedeutet eine Absage an alles „Moderne“,
    an das Postulat der frz. Revolution von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ und die parlamentarische Demokratie als Idee.
    Die AfD ist vermutlich auch deshalb entstanden, weil die Gesellschaft und die Parteienlandschaft inkl. Regierung eine Art Werte-Hohlraum erzeugt haben, der sich in den letzten Jahren potenziert hat. Die „Alternativlosigkeit“ hat dazu beigetragen, dass Ohnmachtsgefühle entstehen gegenüber einer komplizierten Welt, in der nur wenige von einer postulierten Freiheit profitieren und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft.
    Im Grunde wurde die demokratisch-liberale Idee schon viel früher verraten. Die AfD bzw. die „neue Rechte“ als der ideologische Überbau ist aber eine Art selbstgeschaffenes Monster, welches den Spieß quasi umdreht… und dem ganzen universalistischen Demokratieprojekt eine Absage erteilt.

  7. avatar

    Liberal stand im politischen Wettbewerb einmal für Freiheit.
    Nicht nur die Afd, gerade die Altparteien haben mit Freiheit nichts am Hut.
    Alle haben sie ihre Tabus, für die es natürlich keine Liberalität geben darf
    In Verbots- und Gebotsparteien wie den Grünen, der Linken, SPD, CDU, FDP Liberalität zu sehen ist schon vermessen.
    Die AfD ist in diesem Sinne hoffentlich nicht liberal, aber vielleicht ist sie wenigstens teilweise libertär.

  8. avatar

    Für meinen Hausgebrauch teile ich die, die sich das Etikett liberal anheften wollen, in zwei Lager: Die einen glauben, dass, wenn jeder an sich denkt, an jeden gedacht ist und es somit allen gut geht. Die anderen müssen kotzen, wenn sie nur daran denken, dass es anderen gut geht. Führt manchmal zu gleichen Vorschlägen (zum Beispiel Eigenverantwortung), ist aber was ganz anderes.

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      Es gibt auch den (sich gerade auf dem Vormarsch befindlichen) Ansatz des Chancenliberalismus, der an jeden insofern denkt, dass er ihm Chancen eröffnen will, ihn aber nicht abfedert, wenn er keine Lust hat, diese Chancen auch zu nutzen.

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    Rechte sind oft zumindest wirtschaftspolitisch liberal. Und vielleicht, sogar wahrscheinlich bezog sich Gauland auch auf einen Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen in der AfD, der dort ausgetragen wird.

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      Nein, Konservative sind nicht wirtschaftspolitisch liberal, weil sie meistens keinen Bock auf offene Grenzen haben. Und das Zitat von Gauland stammt aus 2002. Er hat beschrieben, was die AfD nun versucht, umzusetzen: Carl Schmitts Freund-Feind-Schema, in dem ein homogener „Volksblock“ gegen alles Bunte steht.

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    Man oh man, wie wichtig ist dass denn? Liberal, ordoliberal, neoliberal, konservativ, national-konservativ….das ist doch alles Bullshit. Die Probleme in Deutschlan müssen gelöst werden. Und das macht man nicht…..schade oder gut für die AfD. Solange die Konsensparteien immer wieder die alten Fehler wiederholen, steht dem Aufstieg der AfD nichts entgegen. Vielen Dank.

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    @C.G.

    Wen wollen Sie überzeugen? Jeder, der seine Rezeptoren nicht permanent auf Standby geschaltet hat, weiß doch, dass die „AfD“ nichts weniger ist als liberal. Sie’s drum, es gibt ja auch noch Leute, die glauben, die SPD mache sozialdemokratische Politik. Trotzdem: Weitermachen, Herr Giesa! Meine Unterstützung haben Sie!

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      Herr Trute, ich kann Ihren Gedanken verstehen. Ich war auch verwundert, musste aber feststellen, dass dieser Begriff in den letzten Tagen immer wieder im Zusammenhang mit der AfD genannt wurde. Und dann muss man es eben doch nochmal klarstellen… auch wenn ich mir nicht die Illusion mache, dass alle, die den Text hier lesen sollten, das auch tun 😉

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    @Christoph Giesa: Inzwischen gibt es eine offizielle Version des AfD-Grundsatzprogramms. Die Eröffnung ist die gleiche.

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    Wir haben eine linksradikale Regierung, linksradikale Medien und Kirchen. Zudem sind diese Linksradikalen mit den Islamisten verbündet und führen dieses Land in den Abgrund. Wieso also arbeitet sich ein „Liberaler“ an der AfD ab und ignoriert die Mächtigen. Da ist doch was oberfaul.

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      Herr Weller, die Antworten finden Sie in den Zitaten aus dem Text. Die AfD will eine Politik, die eine Kriegserklärung an alle Liberalen ist, nennt sich aber selbst liberal. Das tun Islamisten nicht. Aber davon ab: Wer von einer linksradikalen Regierung faselt, er hat ja irgendwie ganz andere Probleme.

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