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Merkel mausert sich zum Mythos

Die richtigen Feinde helfen Dir in der Politik. Deine Freunde sind eher ein Problem. Die heiße Phase in Merkels Wahlkampf eröffnen Schreiberlinge mit einem Enthüllungsbuch über ihre Zeit in der DDR. Mutti war eine Zonen-Matruschka. Ja, und? Per aspera ad astra.

Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Treffen mit der jungen Merkel. Es war ein Vertrag mit dem kurzzeitigen Ministerpräsidenten der DDR, einem preußischen Bratsche-Spieler mit schlechtem Gebiss, zu unterzeichnen und auf dessen Seite erschien als Pressetante eine Angela in Sandalen und Stricksocken.

Sie hatte die umgängliche Art jener Frauen, die in den Augen der Männer garantiert nicht auf Sex aus sind. Heutzutage findet man das noch bei der rheinland-pfälzischen CDU-Vorsitzenden Klöckner, einer jungfräulichen Weinkönigin mit Ambitionen. Wir reden hier von dem Blick der Männer, nicht von den Frauen selbst.

Angela Merkel ließ sich schon damals, vor einem Vierteljahrhundert, unterschätzen. Erst wer wusste, dass sie ihre Doktorväter zu heiraten pflegte, ahnte, dass unter der vermeintlichen Unverfänglichkeit die protestantische Demagogie lauerte. Menschenfischen nennen sie das, nach Petrus. Johannes Rau war so einer. Der amtierende Bundespräsident ist so einer.

Das Graue dieser Erscheinungen ist die höchste Form der Eitelkeit, die wir kennen. Ihr liegen nicht oberflächliche Gefühle, gar Gefallsucht zu Grunde. Sie ist rational bestimmt, in einem Kalkül. Die Menschenfischer wollen volle Netze. Das hat sie als Tochter des roten Pfarrers gelernt, der gegen den Strom von Hamburg in die DDR emigrierte.

Nun also dürfen wird den historischen Teil des Merkel-Mythos mit Bildern füllen. Lagerfeuerromantik und Reformkommunismus, nichts davon wird ihr schaden, all das dient ihrer Wiederwahl. Mutter Courage lässt aus der Zeit erzählen, als sie noch Marketenderin an anderen Höfen war. So schreibt man Heldenbiografien.

Warum lieben wir die Auf- und Umsteiger? Weil wir wissen, dass dem Herrn (im Himmel) die verlorene Tochter lieber ist als die brave. Weil wir Ghetto-Boxer schätzen. Gerhard Schröder hat seine Herkunft als „Ladenschwengel“ beschrieben und uns erzählt, dass sie so arm waren, dass sie den Kit aus den Fenstern gegessen haben. Das hat uns imponiert.

Wir akzeptieren Helden nur, wenn sie unserem kulturellen Schema der Auserwählten entsprechen. Das ist zutiefst bürgerlich und, was das gleiche ist, zutiefst calvinistisch. Unter den Gottgefälligen, die in Sack und Asche gehen, suchen wir nach den Auserwählten. Der Unterschied zu den katholischen Kulturen besteht darin, dass wir glauben, dass es schon vorherbestimmt ist, wer in das Paradies eingehen wird. Wir suchen nach Anzeichen für diese Vorherbestimmung.

Man muss dieses Paradoxon des Calvinismus verstehen, wenn man Merkel verstehen will. In der Welt nichts gelten wollen, bescheiden  sein, ist in Wirklichkeit die Eitelkeit, in der Welt als auserwählt erkannt zu werden. Die katholische Prahlsucht, der orientalische Pomp, all das sind andere Welten. Merkels Verdienst ist es, dem Konzept zugleich eine feministische Note gegeben zu haben.

In männlichen Kulturen gilt der hochgereckte Mittelfinger als Symbol der Selbstbehauptung. Man darf sich von der Uminterpretation durch die Rolling Stones („sticky finger“) nicht täuschen lassen. Dieses Phallussymbol zeigte einst die Wehrhaftigkeit des Bogenschützen. Die Engländer pflegten französischen Kriegsgefangenen den Zugfinger abzuschneiden. Wer ihn noch hatte, zeigte, dass mit ihm noch zu rechnen ist.

Was zeigt uns der Mythos Merkel? Eine Raute aus sich vereinenden Händen in Bauchhöhe. Wenn es männliche Phallussymbole gibt, so ist dies ein Mütterlichkeitssymbol, eine fiktionale Vagina. Welch ein Symbol! Wie bei allen Kollektivsymbolen versteckt sich diese archetypische Bedeutung hinter einer pragmatischen, aber genau das ist das Geniale.

Die Mutti, die aus der Kälte kam, um zunächst ihre Heimat, dann ihre Nation, schließlich Europa zu führen. Wohin? Was ist das Ziel? Welche Politik genau? Alles Männerfragen. Vorgründige kognitive Figuren, Kopfgeburten. Die Strategie ist sie selbst.

Gegen diese symbolische Macht war Maggie Thatcher, die Eiserne, eine wackelige Konstruktion. Merkels Machtanspruch als Uterus der Welt ist unschlagbar, weil wir Jungs alles tun, aber nichts, was unsere Mama nicht will.

 

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9 Gedanken zu “Merkel mausert sich zum Mythos;”

  1. avatar

    Also wenn ich so lesen darf weiß fast jeder Deutsche dass der Kanzler aus einer Linientreu DDR-Familie stammt, und dass macht mich Sprachlos. Wie kann man einen Linien treuen Kommunisten zum Kanzler der BRD wählen. Für mich war dies nicht tragbar und bin lieber ins Ausland gezogen, um nicht zu sehen wie aus der BRD ein Ableger der DDR geformt wird und dass haben Sie auch schon geschafft, im nahen Ausland lachen schon die meisten Menschen und nennen die BRD schon DDR II, dass ist so wie in Österreich die sich die 2.Republik nennt.
    Ich wollte nicht mit ansehen, was mein Großvater nach dem 2 WK aufgebaut hat, Demokratie Freiheit und Meinungsfreiheit,dass alles ist doch schon Geschichte bei euch
    und ich schäme mich nicht mehr da gegen getan zu haben. Habt Ihr schon mal objektiv gesehen wie Ihr schon im Stiel der SED geführt werdet, achtet mal auf die kleinen hinweißen, die Meinungsfreiheit dahin, wenn man nicht der Meinung ist wie die Führung der BRD, wird man ganz schnell Mundtod gemacht, man wir denuziert und verunglipft, hinweiß „Wulf und von Guttenberg jaa, fragt mal die Journalisten die die Vergangenheit vom Kanzler nach gehen wollten, die sind weg oder nicht mehr im Beruf, fragt mal die Politiker die sich gegen die Meinung der, „entschuldigt wenn ich jetzt einmal über treibe“, kommunistischer halb demokratische Partei der Bundesrepublik Deutschland. Es ist wirklich traurig wie sorglos und naiv, ja man kann schon sagen sträflich meine Generation sich in die Regierung einziehen läßt die wir immer verhindern wollten!Wenn man bedenkt dass man gelobt oder vereidigt wurde dies zu bekämpfen, und man läßt es geschehen. Habt Ihr schon darüber nachgedacht wie viel Gebote und Verbote Ihr in der dieser Kanzlerzeit zu gelassen habt. Habt Ihr nicht gemerkt dass der Kanzler alles entscheidet wie es Ihr passt und nicht wie dass Volk
    es will!? Was muss denn noch passieren bevor Ihr aufsteht und euch gegen diesen Totalitären Machtgehabe gegen des Kanzlers wehrt. Noch etwas zum Schluss, hier konnte man lesen dass die CDU(ehemals SED) über 40% der Wählerstimmen erhalten hat, was ich nicht glauben kann, denn eins ist sicher dass know hof die Wahlen so darzustellen wie man diese braucht, die haben Sie gleich so eingesetzt wie es schon in der DDR funktioniert hat!! Oder ist dass wirklich waaahr. Nun ja, noch ein kleiner Wink, schaut euch mal um wie der Kanzler seine SED-Schergen(!?) auf die aussichtsreichen Posten der Regierung verteilt hat!?
    So und nun noch warum darf man nicht in die Dissertation vom Kanzler`s Dr. schauen!? Weil in der DDR bzw. UDSSER schon ein Dipl., Ernennung, oder ähnliches bekommen hat wenn man nur die Fahrprüfung ohne Fehler bestanden hat…
    In diesem Sinne bis bald…

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    Als kürzlich einer von Merkels Freunden Verteidigungsminister wurde, da erzählte der auch völlig uneitle Thomas de Maziere eine dieser Geschichten noch aus der kuscheligen Tätärä die mehr die überzeugende Argumentation von Klaus Kocks stützt. Nach der Ernennung des bescheidenen dienenden unendlich uneitlen Thomas de Maziere rief ihn ein alter Freund , natürlich auch aus den alten Kuscheltagen der DDR noch, an und fragte ihn: “ Weißt du noch, wie ich dich gefragt habe vor über 20 Jahren was du noch erreichen wolltest und du mir geantwortet hast: “ Leiter der Staatskanzlei unter der Bundeskanzlerin Angela Merkel?!. Ja, Herr Ziegler so schön können politische Märchen wahr werden, nüch? Nein, die kalte Kaltmamsell aus der Uckermark hat nie nicht einen Plan gehabt. Na ja, damals eben doch, aber heute hat sie sicher keinen Plan mehr. Das stimmt.

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    Im Prinzip fällt der Vorwurf der Eitelkeit auf Sie selber zurück, denn Sie erklären da jemanden zum Mythos, weil er es geschafft hat, Ihre Erwartungen zu torpedieren. Da sagen Sie, das kann nicht sein. Das kann mit rechten Dingen nicht zugehen, das muss eine unglaublich raffinierte, von langer Hand eingefädelte, arglistige Täuschung sein. Auf den Gedanken, sich einfach und über einen langen Zeitraum hinweg in der Person Merkel und ihren Fähigkeiten getäuscht zu haben und dabei selber an dieser Täuschung schuld zu sein, kommen Sie nicht.

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    Oder wollen Sie nur sagen, sie sei als graue Pressetante politisch ambitioniert gewesen? Klar, das dürfte kaum zu bestreiten sein. Sollte man als graue Pressetante keine politischen Ambitionen hegen? Oder sollte man irgendwas anders und besser machen? Gibt es bei der CDU graue Presseleute, die keine politischen Ambitionen hegen, und wenn ja, warum sind die dann ausgerechnet bei der CDU?

    Sie haben sie unterschätzt, das ist alles. Sie sind da nicht der einzige. Kein Grund, das zu einem Mythos zu verklären. Es ist das alte Nerd-Phänomen: Nerds sind schlauer – nicht eitler – als die anderen, und manche kommen dadurch nach oben.

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    Die „Pressetante“ wollte schon damals Bundeskanzlerin werden und hat alles Nötige geplant und eingefädelt? Woher wissen Sie das? Bislang sagen Sie nur, dass sie es wurde, zeige, dass sie es wollte. Wäre das nicht etwas unrealistisch gewesen? Und wenn es so gewesen wäre, dann würde die extrem unwahrscheinliche Tatsache, die sie geschaffen hätte, sie als planerisches Ausnahmetalent rechtfertigen, und wir müssten uns glücklich schätzen, ein solches Genie an der Spitze unseres Staates zu haben.

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    Die Pressesprecherin des DDR-Ministerpräsidenten nach ihrer politischen Karriere in der untergehenden DDR als politisch unambitioniert zu beschreiben, ist nicht nur unbedarft, es ist ahistorisch: sie hat nicht nur geahnt, sie hat gewollt. Kohls Mädchen war, unter diesem Schild loange geschützt, seine Mörderin. Dieser politische Protestantismus ist die höchste Form von Eitelkeit, weil er im hocjfahrenden ideologischen Kalkül steht, es ist Hoffahrt. KK

  7. avatar

    Das ist wieder so ein Text, Herr Kocks, in dem die Abwesenheit von etwas als die höchste Form seiner Anwesenheit verkauft werden soll. Wenn das Weiß so richtig weiß ist, wesentlich weiß, weißer als alles, was wir in unserer profanen Wahrnehmung als weiß kennengelernt haben, dann tritt es als Schwarz in Erscheinung.

    Seinen wir froh, dass die Dinge oft anders sind, als wir auf den ersten Blick glauben! Als Frau Merkel als graue Pressetante bei Ihnen in Erscheinung trat und Sie nichts von der Zukunft ahnten, da hat sie auch selbst nicht geahnt, eines Tages unsere Bundeskanzlerin zu werden. Das sollte man ihr im Nachhinein nicht zum Vorwurf machen. Da ist kein geheimer Plan, kein berechnendes Spiel mit der Erscheinung. Da ist keine höchste Form der Eitelkeit.

  8. avatar

    .. aber man kann schon am eigenen Mythos basteln. Etwa, indem aus ‚Gründen des Schutzes ihrer Privatsphäre‘ die Erlaubnis verweigert wird, entsprechende Stasiunterlagen offen zu legen.

    In einigen Schweizer Magazinen wurde ein brisantes Foto veröffentlicht. Dort verdächtigte man die Bundeskanzlerin in zahlreichen Artikeln dann auch ganz konkret, als Stasi-Spitzel tätig gewesen zu sein.

    … wer glaubt übrigens, dass eine Figur, die Netto vom Brutto nicht unterscheiden kann, die die Milchpreiserhöhung in Deutschland damit begründet, dass die Inder nun [sic!] zwei Mal am Tag essen, die als Regierungschefin der ‚BRD‘ vor dem amerikanischen Kongress über fehlende Jeans und über ihr betteln nach Westpaketen berichtet, somit vor aller Welt ihre Käuflichkeit für einige Strumpfhosen demonstriert – der freie Wille des deutschen Souveräns ist? Auweia.

    (Übrigens glaube ich nicht mal, dass die Amerikaner so was ‚lieben‘.)

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    Es gibt in Politik und Medien erstaunlicherweise ein Oxymoron das in Bezug auf Frau Merkel gerne gebraucht wird. Mutti-Merkel. Benutzer dieses Oxymoron offenbaren mehr über ihre eigenen schweren psychischen Probleme als ihnen gut tut. Ein „Mythos“ ist sie auch nicht, wird sie auch nicht, da ihr Apparatschik-Charme darauf ausgerichtet ist, für den Erhalt ihrer Macht in der Jetztzeit zu sorgen. So leichtfertig, wie Klaus Kocks in seinem sonst ausgezeichneten Artikel, die Vergangenheitsbewältigung bei Frau Merkel beiseite wischt, so wird das sonst nur bei rotgrünen Absolventen gehandhabt, wenn mal wieder Übles aus ihrer Vergangenheit öffentlich behandelt wird. Merkel hat ihre Prägungsphase von Kind auf bis 1989 in der SBZ/DDR verbracht. Mit einem erzroten Pastorenvater der Seminaristen auf Politlinie brachte. Auf ihrem eigenen Werbeplakat müsste Merkel ehrlicherweise schreiben: „Ich kann alles. Außer Demokratie!“

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