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Das Jahr der Tragödie Wulff

In der Besinnlichkeit der Weihnachtstage sollte man vergeben können. Alles verstehen heißt alles verzeihen. An dem ehemals Ersten Mann im Staate Christian Wulff hat sich eine Tragödie vollzogen. Der gefallene Held konnte seinem Schicksal nicht entgehen; das versteht man, wenn man weiß, woher er kam. Ortstermin Hannover.

Nichts ist doofer als Hannover, sagt Moritz Hunzinger, der neue PR-Berater von Wulff, wenn man den Gazetten glauben darf. Hunzinger sitzt im besseren Teil von Frankfurt am Main; uns zieht es heute an die Leine.

In der Holländischen Kakao-Stube in der Ständehausstraße lese ich die schon reichlich abgegriffene BILD am Sonntag vom letzten Sonntag. Für das Blatt untypisch, ist die wirkliche Sensation innen versteckt. Der bravouröse Enthüllungsjournalist Kayhan Özgenc (ortsüblich: „der Kampftürke“) hat ein Dokument aus dem Bundespräsidialamt ergattert und druckt es als Faksimile ab. Das ist ein epochaler Bericht zur Tragik der Macht. Wir sehen darauf die grüne Schrift (ortsüblich: Cheffarbe ist grün), Aufzeichnungen des Herrn Bundespräsidenten. Wir werden, wenn das denn nun authentisch ist, Zeuge einer Straftat.

Die Beamten des Bundespräsidenten geben Presseanfragen an den Ersten Mann im Staate wieder und empfehlen ihrem Chef Antworten. Es geht um den Kredit, mit dem Herr Christian und Ehefrau Bettina ihr spießiges Häuschen in der Nähe Hannovers bezahlt haben. Der Verdacht bestand, dass das Geld von einem örtlichen Versicherungsunternehmer namens Maschi stamme. Tatsächlich war es aber wohl aus der Schweiz geleitetes und in einen anonymen Scheck gewandeltes Geld eines befreundeten Autoschiebers oder dessen Frau. Zu dieser Verbindung hatte Wulff als Ministerpräsident zuvor seinem Landtag nicht die Wahrheit gesagt, jedenfalls nicht die volle.

Der Freundschaftskredit war später, als Entdeckung drohte, in ein Darlehen der BW-Bank gewandelt worden. Nun schreibt Wulff, wenn das Dokument echt ist, handschriftlich auf die Frage, von wem die Finanzierung stamme: „Die BW-Bank ist der Kreditgeber.“ Das wäre wieder nur eine halbe Wahrheit gewesen, noch eine. Dann fügt er laut BILD hinzu: „Die BW-Bank war und ist der Kreditgeber.“ Das wäre eine volle Lüge. Weiter schlägt die grüne Handschrift vor, dass nicht das deutsche Staatsoberhaupt, sondern ein Sachbearbeiter der Bank das der Presse sagen solle. Das wäre, to say the least, Vorsatz und zeugte von krimineller Energie. Wie dumm kann man sein? Nun, hier galt das als schlau. Es ist ortstypische Advokatenschläue.

Wer sind die Menschen, die den kleinen Rechtsanwalt Christian Wulff zum Ministerpräsidenten gemacht haben? Sie sitzen in der Holländischen Kakao-Stube. Das Kleinbürgerliche hat hier den fast satanischen Odem des ewigen Spießers. Im Niedersächsischen hatte die NSDAP absolute Mehrheiten. Die Herren sind mittlerweile kriegs- und altersbedingt in der Minderheit, die Damen lassen am Tisch ihre Hüte und Mützen auf. Man isst Baumkuchen und geht zu Zweit aufs Klo. 1921 wurde das Haus gegründet. Es ging aus dem „Van Houten’s Cacao-Probe-Local“ hervor. In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 trafen die Fliegerbomben des Lügenlords das Gebäude. Aber am 1. Mai 1947 wurde wiedereröffnet. Seit 1953 im Stil der Delfter Stuben geführt, versammelt sich hier die Mitte der Gesellschaft, die Menschen, die Christian wählten.

Die Spitze dessen, was in Hannover „Gesellschaft“ heißt, isst in der „Insel“, einem Lokal in einer Freibadanlage am Maschsee, einem Tümpel, den seinerzeit (Sie wissen schon) der Arbeitsdienst ausgehoben hat. Der noch immer kleinwüchsige, inzwischen aber korpulente Winzersohn Schu von der Mosel hat hier einen Szenetreff aufgezogen. Wir sitzen an dem Tisch, an dem seinerzeit das Ehepaar Wulff mit dem Ehepaar Oettinger (jetzt EU) dinierte. Man konnte das schon damals allgemein wissen, weil ein Ehepaar mit Kindern vom Nachbartisch um ein Foto mit den Infanten bat und Wulff einwilligte. Am Tag drauf war das Foto in der BILD, mit einem schwarzen Balken über den Kindergesichtern, aber die beiden Politiker jeweils mit ihren ehelichen Neuerwerbungen, stolz wie Oskar. Man war in dem, was man „second gear“ nennt; jeder der unglückseligen JFKs hatte seine neue Jacky an der Seite. So war das damals, als die Welt noch in Ordnung war.

Die penetrante Kellnerin rappelt ungefragt als Empfehlung der Küche Gerichte herunter, die sich alle hinterher in der Speisekarte finden. Der Fischteller des Hauses wäre mit Fischresten an Gemüseresten treffender beschrieben, aber man beschwert sich nicht, wenn man weiß, wie schlecht das Essen in den örtlichen Altenheimen ist. Schu’s Restaurant, das ist Essen auf Rädern ohne Räder. Geordert wird ein „guter, aber bezahlbarer“ Weißwein. Die erste Flasche Riesling steht später mit 118 und die zweite mit 138 Euro auf der Rechnung, auf der sich auch noch ein Gericht befindet, das gar nicht serviert wurde. Man lässt sich seine Geltungssucht was kosten in Hannover.

Mir wird klar, dass „petite bourgeois“ ein kulturelles Kriterium ist, aber kein finanzielles. Das Provinztheater ist in jeder Hinsicht klein, aber es kostet richtiges Geld. Das muss nicht stören, wenn man altes Geld hat und es nicht obszön findet, es so auszugeben. Was aber macht hier ein frisch geschiedener Rechtsanwalt mit MP-Salär. Er ist aufgeschmissen. Außer sein Pressesprecher hat eine Idee…

Mit dem Nachtzug nach Berlin entfliehen wir dieser Stadt, die das gewisse Nichts zu einem Dünkel entwickelt hat. Der Hamburger beschreibt die Tragik des Ortes und seiner Helden mit dem schönen niederdeutschen Wort: „Wenn Schiet watt wiet…“ Das ist die Tragödie des Christian Wulff. Er wollte als Ente mit den Schwänen fliegen. Der Schwan in Wulffs Vita hieß Gerd Schröder, dessen rotweinselige Besuche Schu’s Restaurant groß gemacht haben. Schröder war immer fest entschlossen, seine Karriere als Komödie enden zu lassen, aber auch das war knapp. Hunzinger hat recht, nichts ist doofer als Hannover.

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9 Gedanken zu “Das Jahr der Tragödie Wulff;”

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    „Wulff“Komoedie-cum-Tragoedie? Ein andere „German Tragoedie“ 2012 – in Indien (immer hin 1 Millarde+ Leute…). Der mysterioese „Sonnteg Reiner Hermann“. Interessant daruber in „The Hindu“, „Times of India“, TV, andere Medien, sogar im benachbarten Pakistan „Pakistan Defense Forum“. Aber zuerst erschien eine Spur in Frankreich’s „zebrastationpolaire.over-blog.com/“(„Russie-Inde-Bresil-subversion“ 21.Dec.2012) – von dort nach „News Bharat“ Aug.30.12: „Kudankulam effect: Govt’s biggest crackdown on foreign funding of NGOs“. In Deutschland erscheint nichts unter dem sonderbaren Namen – aber sehr viel in Indien unter „Sonnteg Reiner Hermann“. Aber einer der Hermaenner in D. passt auf die Hinweise in Indien – auch wenn er dort sehr struppige, lange Haare hatte – als er deportiert wurde – zurueck nach Frankfurth. Violations: Foreing Contributions Regulations Act/ actions against the national interests of India). Gleich darauf wurde fuer 4141 der 39,000 USA und NATO-NROs in Indien weitere finanzielle Ueberweisungen von USA und NATO-EU verboten, weil das Geld zur politischen Subversion verwendet wird: India is too „uppity independent“ and needs a firmer hand from Washington and NATO“partners“. —Deutschland’s „Ausenamt“, „Stiftungen“, „BND“, „NROs(hunderte!) sind weltweit subversiv als „trojanische Pferde“ der USA&Brit. geopolitischen Interessen. Die deutsche Industrie, und Merkel moechten das keinesfall – aber die „Orientierung“ kommt „indirekt“ von USA und Britanien und dem Vatikan. BRD ist nicht nur besetzt durch 72,000 USA&Brit. Truppen sondern geopolitisch „durchnetzt“ und ist keine „independent nation“ – even if the Germans delude themselves to the contrary… Fuer 2013 habe die BRD „Gruenen“ eine politische Offensive gegen Brasilien vorbereitet – auch Brasilien „is too independent“. Fuer die Weltfussball Championship 2014 hat der bekannstete Europ-Gruene sogar eine Provokation gegen Brasilien geplant. Conclusion: The BRICS need to bend some German horns in 2013!

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    … ooosp? korrigiert:

    K.K: In der Besinnlichkeit der Weihnachtstage sollte man vergeben können. Alles verstehen heißt alles verzeihen. An dem ehemals Ersten Mann im Staate Christian Wulff hat sich eine Tragödie vollzogen.

    Eine Stimme sprach zu mir: ‚Lächle und sei froh, es könnte noch schlimmer sein.‘

    Ich lächelte und war froh … und es kam noch schlimmer:

    ‚Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

    bislang habe ich, die ich in Frankreich lebe, mich trotz derer Unzulänglichkeiten immer noch irgendwie von deutschen Gremien vertreten gesehen. Auch Ihre ersten Erklärungen als gewählter Bundespräsident ließen hoffen. Was Sie aber in Ihrer Weihnachtsansprache formulieren, das ist für mich nicht nachvollziehbar. Sind Sie der Präsident der Deutschen, derjenigen, die auf U-Bahnhöfen und auf Straßen deshalb von Gangs von Muslimen angegriffen, niedergestochen, getreten werden, weil sie „ungläubige“ Deutsche weißer Hautfarbe sind, „Kartoffeln“? Haben Sie davon jemals gehört oder gelesen? Wenn ja, haben Sie es vergessen?

    „…die Gewalt: in U-Bahnhöfen oder auf Straßen, wo Menschen auch deshalb angegriffen werden, weil sie schwarze Haare und eine dunkle Haut haben.“

    Was treibt Sie, uns Deutsche so zu verhöhnen? Haben Sie schon den verballhornten Spruch gehört: Wer den Schaden hat, der spottet jeder Beschreibung? Und für den Spott braucht der nicht zu sorgen, den bekommt er von Ihnen, dem Herrn Pastor, als Geschenk zu den christlichen Festtagen. … ‚

    … weiter im Original von Fr. Gudrun Eussner.

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    K.K: In der Besinnlichkeit der Weihnachtstage sollte man vergeben können. Alles verstehen heißt alles verzeihen. An dem ehemals Ersten Mann im Staate Christian Wulff hat sich eine Tragödie vollzogen.

    Eine Stimme Sprach zu mir: ‚Lächle und sei Froh, es könnte noch schlimmer sein.‘

    Ich lächelte und war froh … und es kam noch Schlimmer:

    ‚Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

    bislang habe ich, die ich in Frankreich lebe, mich trotz derer Unzulänglichkeiten immer noch irgendwie von deutschen Gremien vertreten gesehen. Auch Ihre ersten Erklärungen als gewählter Bundespräsident ließen hoffen. Was Sie aber in Ihrer Weihnachtsansprache formulieren, das ist für mich nicht nachvollziehbar. Sind Sie der Präsident der Deutschen, derjenigen, die auf U-Bahnhöfen und auf Straßen deshalb von Gangs von Muslimen angegriffen, niedergestochen, getreten werden, weil sie „ungläubige“ Deutsche weißer Hautfarbe sind, „Kartoffeln“? Haben Sie davon jemals gehört oder gelesen? Wenn ja, haben Sie es vergessen?

    „…die Gewalt: in U-Bahnhöfen oder auf Straßen, wo Menschen auch deshalb angegriffen werden, weil sie schwarze Haare und eine dunkle Haut haben.“

    Was treibt Sie, uns Deutsche so zu verhöhnen? Haben Sie schon den verballhornten Spruch gehört: Wer den Schaden hat, der spottet jeder Beschreibung? Und für den Spott braucht der nicht zu sorgen, den bekommt er von Ihnen, dem Herrn Pastor, als Geschenk zu den christlichen Festtagen. … ‚

    … weiter im Original von Fr. Gudrun Eussner.

  4. avatar

    nu wenn Hannover Provinz iss, watt iss dat denn dann
    (ja ich habe Herrn Kocks Klage wider die Pastoren gelesen, doch irgendwie meine ich mich erinnern zu können, daß so mancher Dorfpastor mehr eigenes Gedankengut durchscheinen ließ. Sind wir so arm, daß der Präsident sich keine Redenschreiber mehr leisten kann?)

    zum Hören:
    http://www.dradio.de/dlf/sendu.....n/1925412/
    zum Lesen – vermutlich erträglicher
    http://www.bundespraesident.de.....chaft.html

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    das nächste Mal gehen wir miteinander in Hannover ins Restaurant. Und zwar in eines, das ich auswähle. Fürs halbe Geld und doppelt so gut (mindestens).

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    Ach Gottchen, als ob wir nicht längst verstanden haben, dass Hänschen klein gern der Hans geworden wäre. Auch das in seiner Engstirnigkeit und dem provinziellen Konstrukt,das er nie überwinden konnte,sein Scheitern schon angelegt war.Der Nachtritt,getarnt als vor Ort Recherche und kombiniert mit ödem, überheblichen Gastro Gelaber ist die wirkliche Spießigkeit.

  7. avatar

    OT: Wer immer sich noch für die Israelis einsetzt, klein oder groß, kann eigentlich einpacken, wenn Israel seinen größten und längsten Alliierten verliert, soll heißen, wenn aka The One einen Freund von Stephen Walt als Verteidigungsminister nominiert, und so sieht’s aus:
    Hagel’s appointment would send another disturbing message to the bigots of Tehran, who believe that the only people calling for military action against Iran are “the Jews.” Hagel speaks their language. He is the only mainstream American politician to talk openly about how “the Jewish lobby intimidates a lot of people.” Others refer to the “Israel lobby,” which includes Jews, Christians, and others. They understand that not all supporters of Israel are Jewish, and that not all Jews are part of the Israel lobby. But Hagel apparently sees things in terms of Jewish interests versus American interests.
    http://www.nationalreview.com/.....ershowitz#

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    Let me take you away from all this! You sound like you are ready to experience TROPICA during the holidays: The vigorous odors are everywhere: decaying orange rinds and sewage slime laced with pine desinfectant; fish broiled over garlic, burned cooking oil, potent black coffee; cane molasses seeping from coconut confections; the sour residual in empty beer bottle; fetid gas from decomposing canine carcasses; the murky stench of green ooze in clogged drainage canals and the overpowering scent of jasmine! Also, a covert hint of cadaverine……. TROPICA is steaming hot and when you step outside the sun hits you like a hammer . Surviving in TROPICA feels like languishing in a purgatory oven. Day and night! The nights are soggy, hot, motionless. Outdoors the palms stand petrified in the dark and sulk. TROPICA reposes contorted on its shores, postrate, gasping, entombed in stagnant smoldering air. Only the little TROPICA house lizzards run in lightening spurts up and down and across the walls and suck in the endless parade of insects. —But wait! Don’t cancel your escape to TROPICA – the night is ‚young‘! On the Menu : „Orquesta Caramelo“ and „Orquesta Canela“ – all sizes, all colors, all flavors…

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