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Nicht Gaza ist das Problem – Damaskus und Teheran sind das Problem

Wahrscheinlich erwarten meine Leser, dass ich die israelische Aktion gegen die Hamas verteidige. Das kann ich nicht. Sie geht nämlich nicht weit genug.

Dass Israel das Recht hat, sich militärisch gegen die ständigen Terrorangriffe aus dem Gaza-Streifen zu wehren, haben die Kanzlerin und der Außenminister mit ausreichender Deutlichkeit festgestellt. Dass Israel die Fähigkeit dazu hat, versteht sich von selbst.

Die Frage ist aber, warum die Hamas gerade in den letzten Wochen ihre Angriffe verstärkt hat und was passieren muss, damit sie dies in Zukunft unterlässt.

Reden wir kurz über Israels Fehler. Ich habe vor einem Jahr hier geschrieben, dass Israels Deal mit der Hamas zur Freilassung Gilad Shalits ein solcher Fehler war:

 

https://starke-meinungen.de/blog/2011/10/18/israels-deal-mit-der-hamas-ist-ein-fehler/

 

Die für das Verständnis der heutigen Situation entscheidende Passage lautet:

„Allenfalls klare – wenn auch bisher geheim gehaltene – Signale, denen zufolge die Hamas bereit wäre, in der nächsten Zukunft Israels Existenzrecht anzuerkennen und auf den Terror zu verzichten, könnten diese Prinzipienlosigkeit auch politisch und moralisch gerechtfertigt erscheinen lassen. Vielleicht gab es während der Verhandlungen in Ägypten solche Signale. Freilich wären sie, wenn sie geheim bleiben, auch wertlos.“

Die Antwort auf die Freilassung von 1000 Terroristen war – wer hätte es eigentlich anders erwartet? – die Verstärkung des Terrors gegen Israel.

Interessanter als Netanjahus damalige leichtsinnige Nachgiebigkeit ist allerdings der heutige Leichtsinn der Hamas. Die Terroristen wissen, dass kein israelischer Ministerpräsident auf Dauer untätig bleiben kann, wenn das Land ständig einem Raketenhagel ausgesetzt ist. Schon 2008 ist Israel in der Operation „Cast Lead“ in Gaza eingedrungen, um Raketenbasen und Kommandoposten zu zerstören.

Zwei Jahre danach war ich in Ashdod, Sderot und anderen Orten an der Grenze zu Gaza. Jede Bushaltestelle ist zu einem provisorischen Schutzbunker umgebaut, jeder Kindergarten aber auch eine potenzielle Todesfalle. Auf Dauer kann man so nicht leben, und das wissen die Hamas-Führer. Sie, die den Tod lieben, glauben an ihre Überlegenheit gegenüber den verachteten Juden, die das Leben lieben. Bevor es aber zu einem Massenexodus der Israelis aus den südlichen Gebieten kommt, wird Gaza noch einmal besetzt. Auch das wissen die Hamas-Leute. Dass sie dieses Risiko eingehen, muss wichtige Gründe haben – Gründe, die wichtiger sein müssen als das Überleben des Hamas-Regimes in Gaza, ihrer militärischen Führer und Kämpfer, die nun gezielt von den Israelis getötet werden.

Diese Gründe liegen auf der Hand. Es sind: der Todeskampf des Assad-Regimes in Syrien und die Fortschritte des Atomprogramms im Iran. Syrien und der Iran sind die entscheidenden Förderer und Ausrüster der Hamas. Deshalb hat sich die Hamas geweigert, den Massenmord an der syrischen Bevölkerung zu verdammen. Die Partei Gottes (Hisb’Allah) im Südlibanon, die sich ebenfalls als Frontorganisation gegen Israel versteht, soll sich sogar aktiv am Bürgerkrieg auf der Seite Assads einmischen. Während das aber bei der schiitischen Hisb’Allah nur folgerichtig ist, weil sich ja der Aufstand gegen das Assad-Regime zunehmend in einen sunnitischen Aufstand gegen die Alawiten wandelt, die ja als schiitische Sekte gelten, findet sich die Hamas als sunnitische Organisation – ursprünglich ein Ableger der sunnitischen Muslim-Bruderschaft – wegen ihrer engen Beziehungen zum Alawiten-Regime in Syrien und dem schiitischen Iran in der arabischen Welt zunehmend isoliert.

Da macht ein Dschihad gegen Israel Sinn, weil der Kampf gegen die Juden die Muslime über Konfessionsgrenzen hinweg immer einigt. Auch in Damaskus und Teheran drängt man die Hamas zu Aktionen. Ein Krieg gegen Israel scheint dort geeignet, vom Massenmord Assads und von der atomaren Aufrüstung der Mullahs abzulenken. Dass dieser Krieg von der Hamas nicht nur nicht gewonnen werden kann, sondern selbstmörderisch ist, passt in das Bild: Auch Assad, Irans Verbündeter, hat gegenüber den Protesten in seinem Land einen Weg eingeschlagen, an dessen Ende sein Land ruiniert, sein Regime zerstört und er selbst entweder im iranischen Exil oder an einer Laterne in Damaskus enden wird. Und das Mullahregime im Iran verfolgt sein Nuklearprogramm mit Nachdruck trotz der durchaus effektiven Sanktionen des Westens und trotz der sicheren Erkenntnis, dass schon die vermutete Existenz einer einzigen iranischen Atombombe einen Angriff Israels oder der USA bedeuten und damit wohl das Ende des Regimes einläuten würde.

Deshalb ist es nicht damit getan, einige Hamas-Führer zu töten und einige Raketenwerkstätten zu zerstören, was schon bei der IDF-Operation „Cast Lead“  2008 geschah und nur eine vorübergehende Entlastung brachte. Die Hamas hat ihre Strukturen wieder aufgebaut und wurde vom Iran wieder mit besseren Raketen ausgerüstet, die – wie man jetzt gesehen hat – auch Tel Aviv und Jerusalem treffen können.

Wenn der Westen wirklich hinter Israel steht, dann muss er die Hintermänner der Hamas ins Visier nehmen. Die syrischen Rebellen brauchen nicht nur Worte und Ermahnungen, sondern Unterstützung. Zu den Maßnahmen, die relativ gefahrlos getroffen werden können, gehören die Einrichtung einer Schutzzone für Flüchtlinge an der türkischen Grenze, und die Errichtung einer Flugverbotszone über ganz Syrien. Wenn das nicht über den UN-Sicherheitsrat wegen des Widerstands der Russen und Chinesen beschlossen werden kann, dürfte die Bedrohung des Nato-Mitglieds Türkei aufgrund der Destabilisierung der Region als Legitimation ausreichen. Was den Iran betrifft, so ist es Zeit, das Katz-und-Maus-Spiel in Sachen Atomprogramm zu beenden. Die ganze Welt weiß, dass der Iran eine Bombe baut. Die einzige Frage ist: Wollen wir damit leben, oder nicht? Die überwältigende Mehrheit der Menschen in der Region will nicht mit der schiitischen Bombe leben. Das ist ausreichende Legitimation für ein Ultimatum der USA und – bei Nichteinhaltung kontrollierbarer Abrüstungsschritte – einen amerikanischen Militärschlag gegen die Atomanlagen, der vermutlich auch das Ende des Mullahregimes einläuten würde, das sich bislang mit seiner Unverwundbarkeit und der Feigheit der „Kreuzzügler“ brüsten konnte.

Das Ende Assads und des Mullahregimes dürften ungemein hilfreich sein bei der Meinungsbildung innerhalb der Hamas, was die Anerkennung einer Zwei- oder Dreistaatenlösung im ehemaligen Mandatsgebiet Palästina betrifft. Werden diese Regimes aber nicht getroffen, gleicht der Kampf gegen ihre Ableger dem Ringen mit der Hydra.

Il faut en finir.

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58 Gedanken zu “Nicht Gaza ist das Problem – Damaskus und Teheran sind das Problem;”

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    „Da wird ein junger Mensch gelyncht, mitten unter uns, weil jemand schlechte Laune hatte“, sagt Yasaroglu. „Ich stelle mir bloß vor, ein Faschist hätte einen Türken zusammengeschlagen. Das hätte einen Aufschrei gegeben!“

    Sehr geehrter Hr. Ercan Yasaroglu,

    … Hut ab und vielen Dank. Ihre Worte, Ihr Mut – wie wohltuend anders – als der ‚Mut‘ der links-SOZIALISTISCHEN Scheisser in der ‚BRD‘.

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    @ serdar, Ja, wenn sie klug wären……..

    Umgekehrt kann ich mir aber ebenso vorstellen,dass die Israelis klug wären, den Palästinensern ein „unwiderstehliches“ Angebot zu unterbreiten, das dann die spiegelbildlich gleichen Effekte hätte.

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    Aber ist es eigentlich die USA & Palau ? Nur die USA und ihr „Associated State“ Palau(wie Helgoland im Pazifik) haben in der UN Generalversammlung gegen einen unabhaengiges Palestina gestimmt! Vielleicht ist das Problem nur IN der USA: Die allmaechtige AIPAC-Lobby ? 28.Nov. bis 1. Dezember, kommen 8000 Delegierte von 36 Nationen und 207 NROs fuer die Palestina Konferenz des World Social Forum nach Porto Alegre/Brasilien. Vielleicht kann man im herbstlichen Nebel Deutschlands nicht klar sehen: Die USA und Israel sind einsam… – und in USA ist man schon ziemlich „israelmuede“…und wie denkt „der Mann auf der Strasse in Deutschland jetzt ? There is an old American wisdom: „Some people never learn when to come in from out of the rain!“

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    BillBrook: Tja Blondie, Deutsch fühlen ist einfach, Deutsch können nicht.

    … noch so ’n Klaukschieter … gäääähn …

    @APo: … empfehle – Islamischer Antisemitismus: Die Popularität der „Protokolle der Weisen von Zion“ in der islamischen Welt / Islamic Anti-Semitism: The Popularity of the „Protocols of the Elders of Zion“ in the Islamic World (Carmen Matussek und Carsten Polanz) .. Islam and Christianity Nr. 2/2010 (10. Jg.) … als Thema hier im Blog.

    Das hilft Ignoranten auf die Sprünge … har, har …

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    @Alan Posener

    Da sie Richard C. Schneider erwähnt haben. Er hat mal einen ganz interessanten Text geschrieben zu den Palästinensern.
    Denn wenn die klug wären, würden sie die Hamas einfach linksliegen lassen und stattdessen einfach das hiertun.

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