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Matthias Matussek, der Papst und die Moderne

Mein Freund und Kollege Matthias Matussek hat im „Spiegel“ seinem Papst Joseph Ratzinger zum 85. Geburtstag gratuliert. Dieser Artikel ist lesenswert – nicht, weil er besonders originell wäre, sondern weil er den Hauptantreib des modernen Salonkatholizismus aufs Schönste offen legt.

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,827594,00.html

Die Kernpassage dieser Suada lautet:

„Ja, meine tiefe Überzeugung ist, dass die Kirche der Ort sein sollte, wo wir uns dem Hochmut der Moderne entziehen dürfen. Aufatmend die Ohren verschließen vor dem Geplärr der nächsten Welterklärung, des nächsten Systemsturzes, der nächsten Fünf-Minuten-Mode, der nächsten Sau, die durchs Dorf rennt, und sich stattdessen der ewigen Wahrheit zuwenden.

Antimodern ist mittlerweile nach „antisemitisch“ die deftigste Ausschlussvokabel aus dem „kulturellen Diskurs“, ja aus der „demokratischen Gemeinschaft“ überhaupt. Meistens übrigens werden beide Attribute in einem Atemzug genannt… Was ist eigentlich an „antimodern“ so schlimm? Mir hängt das Moderne-Geklapper zum Hals raus. Ja, ich finde Michelangelos „Pieta“ beeindruckender und tiefer und schöner als die aufgeblasenen Riesen-Ballon-Pudel von Jeff Koons. Ich bin gerne antimodern.“

Sicher geht es vielen alternden enfants terribles ähnlich. Sie haben als junge Leute alle fünf Minuten Säue durchs Dorf getrieben, nun werden sie müde, zweifeln an ihrer Fähigkeit, die Leute zu schocken. Über wie heißt er doch gleich, Harald Schmidt, gähnen die Leute nur noch, Thomas Gottschalk hat ein Quotenproblem. Kann ja nicht jeder ein Günter Grass sein, obwohl man dieser Passage anmerkt, dass es auch MM diesbezüglich in den Fingern juckt. Lass es lieber, Matthias.

Über Günter Grass schrieb ich im Februar 2002, da hatte er wieder einmal im „Spiegel“ Freiheit für die Israelkritik gefordert und sich im übrigen für die Veröffentlichung von „Mein Kampf“ eingesetzt (da bin ich übrigens bei ihm, wie die meisten denkenden Menschen):

„Man hat es als Enfant terrible in der permissiven Gesellschaft nicht leicht. Wie wäre es mit einem echten Schocker – dem Eintritt in die FDP oder dem Wiedereintritt in die katholische Kirche?“

http://www.welt.de/print-welt/article372762/Grass-kaempft-fuer-Mein-Kampf.html

Nun, inzwischen ist das Bekenntnis zum Katholizismus (oder überhaupt zur Religiosität) nicht mehr so schockierend, wie es damals gewesen wäre; Martin Mosebach und  Martin Walser stehen ebenso für diese Entwicklung wie die Einrichtung einer Religionsseite in der „Zeit“, die Kampagne „Pro Reli“ in Berlin und überhaupt die neue Lust des Bürgertums an Konfirmation und dergleichen. Aber Matthias Matussek möchte natürlich seine Heimkehr in den Schoß der Kirche, die ihm die Last der ständig neuen Provokation abnimmt, denn doch als eine Art Grundprovokation vorstellen. Und so fantasiert er sich in die Rolle eines „Antimodernen“ hinein, der dadurch den „Ausschluss“ aus der „demokratischen Gesellschaft“ erleidet, wie Günter Grass wegen des Antisemitismus-Vorwurfs. Ach, das Christentum hat uns alle verdorben: wir lechzen danach, Opfer zu sein. Und darin liegt auch der Reiz des Salonkatholizismus. Nicht im Dafürsein. Nicht im Erfüllen des Gebots der Liebe und der Demut. Sondern im hochmütigen und hasserfüllten Dagegensein, in der Denunziation „der Moderne“ vom sicheren Hort der Kirche aus – und in der Vorstellung, man werde dafür gehasst, zumal von modernen Juden.

Hörten wir, wie Matussek die Moderne charakterisiert:

„Besonders in Deutschland, (ist) Moderne nur ein anderes Wort für rasendes Mitläufertum.“ „Bei uns glaubt man, das ergeben Straßenumfragen immer wieder, dass Golgotha eine Zahnpasta ist, und dass wir zu Ostern den Osterhasen feiern.“

Nun ja, und dann Hans Küng, Heiner Geißler, Stuhlkreise in der Kirche, und Jeff Koons. Und das war’s schon.

Bisschen dünn.

Das Problem der Kritik an der Moderne besteht darin, dass sie immer nur stattfinden kann von Standpunkt der Moderne von gestern oder vorgestern. Denn sub specie aeternitatis ist auch das Christentum eine moderne Religion. Und sie ist – in ihrer katholischen wie in ihrer protestantischen Variante – einer ständigen Evolution unterworfen. Das Dogma der Unbefleckten Empfängnis etwa wurde erst 1854 verkündet, das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit wurde erst 1870 beschlossen, die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel erst 1950 als Dogma – an das also auch Matthias Matussek zu glauben hat – verkündet.

Kurz und gut: Jesus würde die Kirche heute nicht wieder erkennen, so modern ist sie; und jede angestrebte Reform der Kirche – auch durch einen Mohammed oder einen Martin Luther – zielte darauf ab, diese Modernität zurückzuweisen und zurück zum ursprünglichen Glauben – zum „Fundament“, daher „Fundamentalismus“ – zu kehren, wie er von Jesus und den Aposteln verkündet wurde. Ein antimoderner Katholik ist also im Grunde genommen absurd. Ich komme gerade aus Barcelona zurück, wo Gaudis „Sagrada Familia“ in den Himmel wächst. Gewiss, die Kathedrale beschwört die Gotik. Aber man baut doch mit Beton.

Eine Anmerkung noch.

Matthias Matussek schreibt über die Enzyklika „Deus Caritas est“:

„Und schon in dieser Enzyklika machten Sie deutlich, wie sehr das innere Heil und die Welt zusammenhängen, wie die äußere Verwüstung auch auf eine innere Wüste schließen lässt.“

Wenn dem so ist; wenn die äußere Verwüstung auf eine innere Wüste schließen lässt; was sollen wir von einer Kirche halten, die solche Dinge zu verantworten hat:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/missbrauchsskandal-in-den-niederlanden-dass-sie-mich-wieder-zu-packen-kriegen-11715604.html

Und solchen:

http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article106183937/Schwester-Maria-und-die-geraubten-Kinder.html

Ich respektiere jedes religiöse Gefühl; nicht, weil es religiös, sondern weil es ein menschliches Gefühl ist. Wird aber die Religion zur Erzielung von Distinktionsgewinn missbraucht; wird „Eine feste Burg ist unser Gott“ so missverstanden, dass aus dieser Burg vornehmlich gegen andere geschossen wird, dann nimmt die Religion so sicher Schaden wie das menschliche Gefühl.

 

 

 

 

 

 

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44 Gedanken zu “Matthias Matussek, der Papst und die Moderne;”

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    Auch gegen die katholische Kirche ist jeder Vergleich erlaubt. Als neulich bei „Anne Will“ jemand Gott und Papst mit Hitler verglich, weil der Katholizismus so repressiv wie der NS-Staat sei, merkte nur mein Kollege Matthias Matussek auf. Die anderen Teilnehmer konnten an dem Vergleich nichts Verwerfliches finden, beziehungsweise schüttelten über Matussek den Kopf, weil der sich darüber erregte.
    http://www.spiegel.de/politik/.....69,00.html

    Armes Deutschland. Nur einer.

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    @Parisien: Um das zu unterlegen: Es ist mindestens obsessiv, auf ein Land zu fokussieren, das mit seiner eigenen Bevölkerung liberal und demokratisch umgeht (Israel). (Ihr Zitat)

    Ja, mit der eigenen Bevölkerung. Was ist aber mit der Besatzung und den Siedlern? Natürlich können Sie mir entgegnen: Und Afrika, Tibet, Dafur usw.
    Ich denke schon, dass höhere Interesse an Israel ist dann doch auch dem 2. Weltkrieg und der Schuld Deutschlands an der Ermordung von Millionen Juden aber auch dem Kalten Krieg geschuldet. Da spielt vermutlich auch ererbter, neu importierter bzw. sekundärer Antisemitismus eine Rolle. Das kann nur jeder für sich entscheiden.

    Wörter und Sätze ergeben nicht nur Bilder, diese sind auch eng mit Emotionen verknüpft. Wörter an sich sind erst einmal unschuldig. Man kann dies an vielen Stellen beobachten: Welche Emotionen lösen die Wörter Westen, Imperialismus, Moderne, Amerika, Islam, DDR, Judentum, Israel, Sonderbehandlung usw. aus? Welche Bilder und Emotionen verknüpfe ich damit? Wann und unter welchen Bedingungen habe ich diese erworben? Ideologie/Erziehung/persönliche Erfahrungen. Ich kann diese Ideologien und Emotionen hinterfragen, gleichzeitig können sie trotzdem immer mal durchschimmern. Wir leben eben mit Emotionen, Einzelerfahrungen und Abstraktion.

    Persönlich versuche ich im Moment zu ergründen, wie es in Deutschland mit dem Islam aussieht und obwohl ich in Deutschland lebe, ist dies für mich schwer zu erkennen.

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    @ Parisien

    auch Dichten ist ein Handwerk. Ihnen fehlt die Übung beim Reimen. Inhaltlich ist das auch fragwürdig. So halten Sie selbst Grass nicht das Wasser.

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    @ EJ

    Was ist heute los? Ich sehe Korrekturbedarf. Also nochmals:

    Sie haben meine Schwachstelle entdeckt. Tatsächlich weiß ich nach den Züchtungsexperimenten des letzten Jahrhunderts, der “Neuen Menschen”, und den Horizonten der fortschreitenden Technik, wenn man heideggeren will: des Gestells, nicht wohin und verzichte ich gerne auf ein allgemein-gesellschaftliches Programm und begnüge mich damit, mich selbst zu züchtigen, einer Zucht oder Disziplin unterwerfe. Damit bin ich Sub-jekt (ich bin weit von einer Position entfernt, mitdiskutieren zu können, wohin die Reise gehen soll). Sie wissen, dass ich zwischendurch gerne auch über die Stränge schlage. Ich hoffe, dass ich es einigermaßen balanciert halte.

  5. avatar

    @ EJ

    Sie haben meine Schwachstelle entdeckt. Tatsächlich weiß ich nach den Züchtungsexperimenten des letzten Jahrhunderts, der „Neuen Menschen“ und den Horizonten der fortschrietenden Technik, wenn man heideggeren will: des Gestells, verzichte ich gerne auf ein allgemein-gesellschaftliches Programm und begnüge mich damit, mich selbst zu züchtigen, einer Zucht oder Disziplin unterwerfe. Damit bin ich Sub-jekt. Sie wissen, dass ich zwischendurch gerne auch über die Stränge schlage. Ich hoffe, dass ich es einigermaßen balanciert halte.

  6. avatar

    Um das zu unterlegen: Es ist mindestens obsessiv, auf ein Land zu fokussieren, das mit seiner eigenen Bevölkerung liberal und demokratisch umgeht (Israel). Ein sehr schlechtes Zeichen ist immer so etwas:
    http://stopstonningnow.com/wpress/618

    Man versteht das überhaupt nicht, wenn man betrachtet, was das Land noch hat, wenn man seine reiche, alte Kultur anschaut, z.B.:
    http://en.wikipedia.org/wiki/F.....sque11.jpg
    http://en.wikipedia.org/wiki/File:Tabriz_01_w.jpg

    Daher muss Iran angesprochen und an seine wirkliche Größe erinnert und Inhumanität kritisiert werden, wie Bernard-Henri Lévy das tut. Die europäische Politik, wenn sie das versäumt, macht nichts anderes als (Iranian) blood for oil. Und Linke, wenn sie auf Israel fokussieren statt auf Iran, sind absolut widersprüchlich, weil sie ja an den USA blood for oil gern kritisieren. Manche Linken sind nur noch Nennlinke, während Lévy oder auch Osten-Sacken eher links sind.
    Das Land hat große Substanz, die unter Inhumanität begraben wird. Es könnte eine großartige Tourismusindustrie aufbauen. Es ist traurig.

  7. avatar

    @Parisien: Danke. Posener zitiert nun auch schon Novalis, wenn das so weiter geht, fängt auch Broder noch an zu reimen. Allerdings: Wenn sich „Tor“ auf „Thor“ reimt, kann ich leider ganz nicht zufrieden sein. Immerhin eine Ebene, auf der das gemeinschaftliche Beinheben & Anpinkeln etwas angenehmer wäre.

  8. avatar

    Wie Sie wollen, Roland Ziegler. Es erhebt keinen Anspruch auf Größe:

    Grass,du dummer kranker Mann (letzte Tinte)
    Der nicht mal richtig dichten kann
    Welcher Teufel steht dir eigentlich vor?
    Bist du nur ein verdammter Tor
    Oder gar ein Freund von dem Gott Thor?

    Grass, das eine ist ein wunderschönes Land,
    mit Bergen, wo man viel verstecken kann
    Und Mann, jetzt vergeht mir auch das Reimen!
    In diesen Bergen gibt es Waffen und Gefängnisse,
    Junge, Gefängnisse, tief im Berg.

    Grass, das andere ist ein kleines Land,
    Auch wunderschön, doch auslöschbar mit ein
    paar Schlägen. Und weißt du was, Grass?!
    Es ist so klein, dass die Palis mit sterben würden.
    Alle gemeinsam, und danach?

    Zufrieden, Roland Ziegler?

    @ EJ
    Ja, das ist toll von Posener, das mit den Lesern.

  9. avatar

    @ Parisien: Ich sehe gar keinen “Gier”-Menschen in Posener, sondern einen Denker.

    Mit „Gier“ wollte ich APO keine persönliche Eigenschaft andichten, sondern auf ein Stück seiner „Lehre“ anspielen. (Den „Menschen“/ Privatmann Alan Posener kenne ich gar nicht. (Den Autor/ Denker womöglich ziemlich gut.))

    Als Autor/ Denker ist Posener ein – vgl. oben: „Exzentrizität“ – Exzentriker von Graden. Nahezu alle (vermittelnde/ integrierende) Reflexion überlässt er seinen Lesern/ Kommentatoren. (Insofern ist er geradezu der geborene Blogger.)

  10. avatar

    @Parisien: Auch hier kann ich Ihnen zustimmen; Sie haben heute einen guten Tag. Grass war zweifellos grell und einseitig in seinem Gedicht, darf er auch. Umso wichtiger, ihm nicht genauso grell und einseitig zu begegnen, zumal wenn man so ein Gedicht blöd findet und selber keins verfassen will.

  11. avatar

    @ Roland Ziegler
    Es ist Grass, der grell und einseitig war. Hätte er ein Gedicht geschrieben über Angst vor einem Krieg in NO, der in einen Weltkrieg ausartet, ein ganz allgemeines Gedicht über Angst vor Krieg, hätte er Zustimmung bekommen, denn Krieg ist immer angsteinflößend, natürlich auch für Israelis in ihrem kleinen Land.

    @ EJ
    „Der Gier-Posener – das ist nicht der ganze Posener! – hat so wenig Vertrauen in die Moderne wie Sie.“

    Richtig. Ich sehe gar keinen „Gier“-Menschen in Posener, sondern einen Denker. Auch hier ist „Gier“ völlig absent:
    „Genauso verstörend ist freilich die Abwesenheit der Gegenwart. Krise, Rezession, 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, und man merkt davon nichts. Die Leute kriegen ihre Sozialhilfe nach Hause in die Viertel überwiesen, wo es keine Touristen gibt, es gibt keine Schlangen vor Ämtern oder Suppenküchen, der Spuk der Occupy-Bewegung ist verflogen. Die europäische Stadt lächelt weiter, wie eine todkranke Hure.“
    http://www.welt.de/kultur/arti.....Huren.html

  12. avatar

    @ Lyoner: Ich meinte an dieser Stelle “Zucht” um Gegensatz zum Laissez faire …

    Das habe ich schon irgendwie verstanden. Trotzdem bleibt das Problem, dass Ihrer Zucht das Ziel, das Woraufhin fehlt. Ihre Zucht läuft bestenfalls auf Joschka Fischers universell einsetzbare Sekundärtugenden hinaus. Sie machen das nicht transparent. (Deshalb mein Einspruch.) Und sie machen das nicht transparent, weil Ihnen nicht gefällt, dass das Ziel nur ein subjektives sein kann. Moderne-konform können Sie nur von Selbstzucht bzw. Askese sprechen. Oder Sie wollen hinter die Moderne zurück (oder über sie hinaus).

    In Poseners Ideologisierung und Idolisierung der Moderne scheint mir die Spannung zwischen IST und SOLL zu fehlen.

    Der Gier-Posener – das ist nicht der ganze Posener! – hat so wenig Vertrauen in die Moderne wie Sie. Die Motivation aus einem Gier-Punkt, negiert die Ursprünglichkeit der Selbstdifferenz (mit Plessner: die Ursprünglichkeit der „Exzentrizität“), die nur durch Reflexion geschlossen werden kann.

    Ihnen beiden geht’s um’s Verhalten, unter Umgehung der Reflexion. Sie wollen züchtiges, Gier-Posener will natürliches Verhalten – um (subjektiv) reflektiertes Handeln zu vermeiden.

  13. avatar

    @Parisien: Kurze OT-Antwort: Ich habe Grass verteidigt, weil zu viele Äußerungen der Grass-Kritiker m.E. nicht stimmen bzw. zu grell oder zu einseitig sind (auch Ihre übrigens). Die Lautstärke und Einhelligkeit der Ablehnung haben mich noch mehr erstaunt als die Ablehnung selber (es ist eben eine „grässliche Stinkbombe“, wie W. Biermann treffend sagte; wer mag schon sowas). Mir persönlich ist das Gedicht inzwischen egal, ich bin allerdings noch immer besorgt über die Gefahr einer militärischen Eskalation im Nahen Osten. Ich teile Ihre hohe Einschätzung von Herta Müller.

  14. avatar

    @ EJ

    Schade, dass ein so kluger Mann wie Sie mit einem bedingten Reflex auf ein Wort reagiert. Natürlich kann ich Ihre Aversion gegenüber solchen Schadformen, wie Sie sie aufführen, teilen. Ich meinte an dieser Stelle „Zucht“ um Gegensatz zum Laissez faire, anything goes, wellness-Bequemlichkeit, Suchtverhalten oder anderen Zügellosigkeiten eines idolisierten Liberalismus. Wenn der hybride anglikanische Atheist Alan Posener bei der Kirche anmahnt , dass sie sich auf ihre Kernkompetenz, die Nächstenliebe, konzentrieren solle, andererseits als Evangelist der Moderne diese auf die Gier und den Egoismus verpflichtet, scheint es mir hier einerseits an einer Zucht des Denkens zu fehlen – warum sollte die Moderne die Caritas einer prämodernen Institution überlassen, darauf verzichten, ihren eigenen Tugendkatalog zu entwickeln? -, andererseits ist Posener damit einer der „guten Hirten“, die daran arbeiten, einen Menschenschlag zu züchten, der glaubt, dass sein Egoismus dank einer „unsichtbaren Hand“ schon das Gute bewirkt. In Poseners Ideologisierung und Idolisierung der Moderne scheint mir die Spannung zwischen IST und SOLL zu fehlen.

    Nun, ich sehne die Zukünfte, die sich am Horizont abzeichnen nicht herbei.

  15. avatar

    Hallo Herr Posener!
    Mit der folgenden Aussage stimme ich voll überein!
    „Ach, das Christentum hat uns alle verdorben: wir lechzen danach, Opfer zu sein. Und darin liegt auch der Reiz des Salonkatholizismus. Nicht im Dafürsein. Nicht im Erfüllen des Gebots der Liebe und der Demut. Sondern im hochmütigen und hasserfüllten Dagegensein, in der Denunziation „der Moderne“ vom sicheren Hort der Kirche aus – und in der Vorstellung, man werde dafür gehasst, zumal von modernen Juden.“
    Für diese Einschätung gibt es eine Fülle von Belegen.

  16. avatar

    @ Lyoner Was hauptsächlich fehlt, ist Zucht.

    Einbläuen und selektieren: Züchtigung, Zuchthaus und Zuchtwahl. Und Sie (oder wer oder was) sagen, wohin die Reise geht?

    Oder geht’s um ziellose Zucht? Einfach nur um x-beliebige Ordnung? Damit endlich mal Ruhe im Karton ist?

    Oh, Mann, Lyoner! Können Sie nicht abwarten?

  17. avatar

    Nochmal OT:
    Recht hat er, PM Netanyahu, wenn er sagt:
    – „Die Frage, die sich die Leute stellen sollten, lautet: Hätte ich damals diese Niedertracht und Verleumdung gegen die Juden geglaubt, denn Verleumdung ist immer die Vorstufe zur Mittäterschaft?“, sagte Netanjahu.

    „Und die, die nun mit dem übereinstimmen, was Günter Grass über den jüdischen Staat sagt, sollten sich die Frage stellen, ob sie dann nicht auch zur Zeit des Holocaust mit den Verleumdungen gegen Juden übereingestimmt hätten. Das ist die Frage, die sich die Deutschen stellen müssen.“ –
    http://www.welt.de/politik/aus.....aehig.html

    Grass:
    „der das von einem Maulhelden unterjochte
    und zum organisierten Jubel gelenkte
    iranische Volk auslöschen könnte,“

    Unverschämtheit. Nie war von Auslöschung des iranischen Volks die Rede, sondern umgekehrt von Auslöschung Israels. Kein Gedanke daran, dass die Israelis absichtlich Zivilbevölkerung attackieren. Keine Rede von der unterjochten, teilweise gefolterten, iranischen Opposition. Zu „Maulheld“ später.

    Grass:
    „und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
    sobald er missachtet wird;
    das Verdikt ‚Antisemitismus‘ ist geläufig.“

    Sadomasochistisches Kokettieren mit Strafe.

    Grass:
    „Jetzt aber, weil aus meinem Land,
    das von ureigenen Verbrechen,
    die ohne Vergleich sind,“

    Kokette Absicherung nach dem Motto ‚ja, wir Sünder, aber‘

    gleich danach:
    „Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,
    wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch
    mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,
    ein weiteres U-Boot nach Israel
    geliefert werden soll, dessen Spezialität
    darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe….“

    ohne Erwähnung der Tatsache, wem wir noch alles Waffen und Waffenteile liefern und geliefert und welche Sanktionen wir schon unterlaufen haben.

    Grass:
    „Warum aber schwieg ich bislang?
    Weil ich meinte, meine Herkunft,
    die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,“

    Übersetzung: Ja, ich bekenne mich zu meiner großen Sünde, fast wie „ich nehme eure Sünden auf mich“, pseudoheroisch kokett.

    Grass:
    „Warum sage ich jetzt erst,
    gealtert und mit letzter Tinte:
    Die Atommacht Israel gefährdet
    den ohnehin brüchigen Weltfrieden?“

    Wieso sagt er SELEKTIV, dass nur die israelische Bombe den Weltfrieden gefährden könnte, wo diese nur zur Abschreckung, Absicherung unter Feinden dienen dürfte, während z.B. die pakistanische Bombe, dort auch stolz „erste islamische Bombe“ genannt, sicherlich bedrohlicher erscheint, genau wie eine zukünftige iranische bei apokalyptischer 12er-Schiiten-Mentalität und grassierendem Antisemitismus mit Auslöschungsgedanken?

    Grass:
    „auch weil wir – als Deutsche belastet genug –
    Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,
    das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld
    durch keine der üblichen Ausreden
    zu tilgen wäre.“

    Summary: ‚Hier stehe ich, ich armer Sünder in einem sündigen Volk, dass 12 Jahre von einem Mann geführt wurde, den manche wohl auch als „Maulhelden“ betrachteten, und der nicht nur den Weltfrieden bedrohte, sondern manifest zerstörte. Ich erkenne das alles an, die ganze Schuld. Und effektiv: Ich habe einen potentiellen Nachfolger ernannt, selektiv.‘

    Das ist so untergangsmäßig irrsinnig, dass es entweder eine Auswirkung von Senilität ist, oder dass Avi Primor und Tom Segev unrecht haben und Broder recht hat. Fest eingespeister, eindoktrinierter Antisemitismus, der im Alter wieder zum Vorschein kommt.

    Vergesst ihn. Wir haben eine prima Literaturnobelpreisträgerin, die außerdem schreiben kann: Hertha Müller.

    @ Roland Ziegler:
    Wie können Sie den nur verteidigen?

    Schönes WE trotzdem!

  18. avatar

    @Lieber Herr Posener: Sie haben mich richtig und weniger richtig interpretiert,was vermutlich mal wieder an Ihrem bekannten Zeitmangel lag.

    Ich bezog mich konkret auf das Festkleben an den Dogmen. Hätten Sie meine letzte Zuschrift auch gelesen, was man von so einem vielbeschäftigten und weitgereisten Mann nicht erwarten kann,dann würden Sie anders interpretieren.

    Die RKK hat taktisch klug und weitblickend sich immer wieder Traditionen und Bräuche anderer Kulturen einverleibt; sie hat sich auch immer wieder verändert und korrigiert auch wenn es mal ein Minütchen gedauert hat, wie bei Gallilei.

    Daß Bededict die Piusbrüder als Waffe gegen die eigene Kirche einsetzen will; da gebe ich Ihnen völlig Recht. Nur ist er hier in einem schweren Irrtum begriffen.

    Ich bin mit dem Kirchenbild von Johannes XXIII groß geworden, dem Reformer. Und das Leben meiner Familie hat ein Deutscher Arbeiterpriester auf den wichtigsten Stationen begleitet, der in meiner sog. Jugend längere Zeit vom Dienst suspendiert war, als er im Amt war. Heute aber von der Amtskirche die höchsten Ehrungen im Ruhestand erhält.

    Selbst in dieser kurzen Zeitspanne der von mir selbst erlebten 40 Jahre hat sich die Kirche mehrmals geändert. An ihren ideologischen Eckpfeilern aber wird Sie immer kleben, bzw. unter dem Pontifikat von Bededict wird sich da nichts gravierend ändern.

  19. avatar

    @ Alan Posener

    Zuerst will ich sichergehen, dass wir zwischen Nicolás Gómez Dávila (http://de.wikipedia.org/wiki/N.....%C3%A1vila) und dem von Ihnen in die Diskussion eingeführte Bischof Martín Dávila (http://kantorcenter.tau.ac.il/.....can-bishop) unterscheiden.

    Insofern ich Apostat von der sog. RKK und Agnostiker bin, ist Gómez Dávila nicht mein Kirchenheiliger und Kirchenlehrer. Ich halte es jedoch für eher schädlich für die eigene Meinungs-Bildung, wenn man große Gegner nicht mehr begrüßt, sondern zu diskreditieren versucht und aus dem Wege räumt. Im Gegensatz zu Ihnen wußten z.B. Heiner Müller und Gabriel García Márquez, warum sie ihn als Gegner hochschätzen. Ich selbst freue mich eher über Stolpersteine auf meinem Weg, mehr als über glattasphaltierte Wegstrecken (nachdem ich das geschrieben habe, fällt mir Asphaltjournalismus ein).

    Es geht ja hier um unser Verhältnis zur „Moderne“, deren Säulenheiliger und Evangelist sie sind, wenn Sie von der „lebens- und liebenswürdigsten Gesellschaft“ aller Zeiten jubilieren. Ich weiß Segnungen der Moderne durchaus zu schätzen, dass ich in einem Raum, in dem der Staat das Gewaltmonopol hat, Nonkonformist sein kein, weder von Ihnen noch von Ihrem „Freund“ Broder in eine Quarantäne gesteckt werden kann, außerdem schätze ich moderne Sportarten, hauptsächlich Fußball, hervorragende End2End-Produkte von Apple, das Fahrrad, die erweiterte Telekommunikation, dass ich z.B. mit meiner Tochter, die sich gerade in Saigon befindet, skypen kann, Seismographen der Moderne wie Michel Houellebecq und Peter Sloterdijk, nun ja, die Liste ist nicht vollständig.

    Was ich der Ideologie der Moderne (nicht der Moderne selbst, die ein unabgeschlossener, offener Prozess ist), wie Sie sie vertreten, vorwerfe, ist ihre innere Schwäche, die sich aus der Selbstgerechtigkeit und Selbstzufriedenheit speist, aus ihrer Behaglichkeit, in der reinen Immanenez bzw. Matrix der wellness-Programme des pursuit of happiness zu schlummern, betäubt durch das Opium der sog. „Freiheiten“, betäubender als das Opium der Religionen. Diese „Moderne“ täuscht sich auch darin, dass sie das „Böse“ externalisiert hat, überall am Wirken sieht, nur nicht in sich selbst, die zum Summum Bonum der Geschichte erklärt wird. Hier herrschen die Tendenzen zur Plutokratie und zur Ochlokratie (befördert durch die Massenmedien) vor. Bezeichnend ist auch, dass Sie als Moderner die Kirchen gerne noch als Ort der Caritas behalten wollen, nachdem diese in die Moderne offenbar nicht integrierbar ist. Was hauptsächlich fehlt, ist Zucht. (Nebenbei wundere ich mich, dass ein Vertreter Ihrer Generation die „Moderne“ denken will, ohne die Heideggersche Analyse des „Gestells“ zu berücksichtigen, oder wenn man es einfacher haben will, Adornos Betrachtungen zur Massenkultur.)

    Kurzum, es fehlt in dieser Moderne eine vertikale Spannung, eine Transzendenz, für die z.B. ein Gómes Dávila als Zeuge steht. Hier hat auch ein Peter Sloterdijk postuliert „Du mußt Dein Leben ändern“ und an die vertikalen Trainingsprogramme der Religionen, Philosophien, Lebensprogramme etc. erinnert. Nicht unerheblich ist, dass dieses Postulat von Rilke angesichts eines Torsos, nämlich des Apollo, gedichtet wurde.

    Ich wage es bezweifeln, dass wir „Modernen“ diese vertikale Spannung aufrichten können, indem wir die religiösen Modelle, die Beziehung zwischen Gott und dem Gottesvolk, sei es in der christlichen, sei es in der jüdischen Variante, beschwören. Die christliche Religion kann auch nicht „gerettet“ werden, wenn, wie hier in dieser Diskussion, der „gute Hirte“ beschworen wird, sei es im Bild des netten Menschensohns aus Galiläa, einer Art Revoluzzer und Non-Konformist, sowas ähnliches wie ein junger Broder oder Posener, der das Gesetz nicht achtet, oder in einem netten Papst in einem netten Roman. Das sind romantische Flausen.

    Meiner bescheidenen Meinung nach werden wir uns, wenn wir nicht seinsvergessen und mit dem einen oder anderen Alptraum, der uns kurz stört, in unserer Matrix vor uns hinschlummern wollen, uns mit den tranzendenten Horizonten der Menschenzüchtung und des Transhumanismus beschäftigen müssen. Hier schadet es nicht, wenn man sich mit den Evangelien z.B. eines Ray Kurzweil oder – andererseits – mit der nicht allzu langen Meditation Peter Sloterdijks „Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus“ beschäftigt:

    „Daß die Domestikation des Menschen das große Ungedachte ist, vor dem der Humanismus von der Antike bis in die Gegenwart die Augen abwandte – dies einzusehen genügt, um in tiefes Wasser zu geraten.“ (Der Sonderdruck der Edition Suhrkamp kostet nur 3,50 €)

  20. avatar

    Der Artikel Poseners kritisert, dass Religion zum Distinktionsgewinn genutzt werden könnte.
    Natürlich ist Religion Teil der persönlichen Identität, damit grenzt es ab von anderen Lebensentwürfen – ebenso wie auch ein Atheismus oder ein ostentativer Hedonismus abgrenzen können.
    Wenn ich nun aber heute in der WELT (deren Kommentarchef Posener ja ist) lese, dass Ostdeutschland das unreligöseste Land Europas ist – ja dann bin ich persönlich froh, mich gerade durch den katholischen Glauben von historisch entwurtzelten, aller Tradition entbundenen Individuen zu unterscheiden.
    Meinem Glauben geht es nicht primär um Abgenzung, aber es ist sicherlich ein wohltuender Sekundärgewinn, in einer Oase innerhalb der geistigen Wüste zu leben. Die religiöse Versteppung mag laut WELT in Ostdeutschland ihr geistiges Zentrum haben, aber dagegen kann jeder Katholik sein persönliches geistliches Zentrum setzen – selbst wenn er in Dresden oder im früheren sowjetischen Sektor Berlins lebt.

  21. avatar

    @ Derblondehans: Sie haben Ansätze von HUMOR? Dann sind sie vielleicht nicht so reaktionär, wie ich immer dachte? Reaktionäre nämlich haben keinen.
    @ Parisien: Sie und Rita Groda haben Unrecht, und darauf habe ich in meiner liebevollen Polemik gegen Matthias Matussek hingewiesen: Es ist mitnichten so, dass sich die RKK seit 2000 Jahrten nicht verändert habe. Sondern sie hat sich ständig verändert, und hat sich dabei immer weiter vom ursprünglichen Christentum entfernt, bis zu jenem Punkt, wo Benedikt XVI den amerikanischen Nonnen die Tatsache, dass sie so handelten wie Jesus, nämlich die Kranken geheilt und den Armen geholfen haben, ausdrücklich zum Vorwurf macht und ihnen die Handlungsweise der Pharisäer – nämlich anderen Leuten ihre Moralverfehlungen vorzuhalten – ausdrücklich anempfiehlt. Nicht das Beharren auf alten Werten muss man der RKK vorwerfen, sondern die Verleugnung dieser Werte. Benedikt fördert Matussek, Mosebach und die anderen Salonkatholiken, die „Integrierte Gemeinde“, den Opus Dei und die Piusbrüder (die direkt dem Vatikan unterstellt werden sollen), weil er sie als Waffen gegen seine eigene Kirche benutzen will, die ihm – wie jene Nonnen – zu jesuanisch und zu wenig doktrinär erscheint. Er bekämpft dabei nicht nur seine eigene frühere Identität als Reformer, was eine psychologisch schlüssige Erklärung ist, siehe so manche Ex-Linke, die sich als rechte Terrier zu profilieren suchen, sondern folgt damit auch dem Gesetz des Marktes, der die „Schärfung des Markenkerns“ verlangt. Aber das Gesetz des Marktes ist auch, dass der heutige Erfolg die Grundlage für den morgigen Zusammenbruch legt.

  22. avatar

    @ Alan Posener
    Mal was anderes an dieser Stelle, da Sie ja wohl hier noch mitlesen:
    Die Grass-Sache streifte mich nur am Rande, da ich mir bei einem Fußballspiel ein Distorsionstrauma mit Fraktur der Tibia und Kreuzbandläsion und, durch Abstützen mit der Hand, noch eine Daumenfraktur eingehandelt habe (Sport ist Mord oder Churchill: „No sports“, nun ja, für Sportler sind Verletzungen Ehrensache, dafür ist der Kreislauf gesund). Jetzt durch Immobilisierung etwas Zeit.
    Ich schätze Ihren Kommentar auf Rainer Burchardts Post:
    „Lieber Herr Burchardt, angesichts der Belastung des Worts zeugt es zumindest von historischer Dickfelligkeit – oder sehr tiefgründiger Ironie, wenn Sie schreiben, “dass, ungeachtet aller moralischen und menschenrechtlichen Aspekte, Israel eine politische Sonderbehandlung beanspruchen darf.” Israel hat gerade deshalb die Atombombe, weil es für alle Zeiten ausschließen will, wieder Gegenstand einer “Sonderbehandlung” zu werden.
    In der Sache aber haben Sie völlig Unrecht. Die israelische Bombe hat die Region nicht destabilisiert, sondern stabilisiert. Seit 1973 hat nie wieder eine arabische Regierung versucht, den Staat Israel auszulöschen, wie es 1948, 1967 und im Jom-Kippur-Krieg versucht wurde. Stattdessen haben immerhin Ägypten und Jordanien mit Israel (nicht trotz, sondern wegen der Bombe) Frieden geschlossen. einen Frieden, den die Muslim-Bruderschaft (nicht trotz, sondern wegen der Bombe) fortsetzen will. Hätte Israel jetzt nicht die Bombe, wäre die Wahrscheinlichkeit eines iranischen Angriffs auf Israel nicht – wie jetzt – unkalkulierbar, sondern kalkulierbar: nämlich höchst wahrscheinlich.
    Die Forderung nach internationaler Kontrolle der israelischen Bombe – sprich: nach einem Beitritt Israels zum Kernwaffensperrvertrag – würde in dem Augenblick wenigstens halbwegs gerechtfertigt erscheinen, in dem sich zeigt, dass die IAEA tatsächlich wirksam die Einhaltung des Vertrags kontrolliert. Daher ist der Iran ein Testfall. Wird er von der IAEA und dem Sicherheitsrat wirksam dazu angehalten, seine Verpflichtungen aus dem Vertrag, dem er beigetreten ist, einzuhalten, dürfte auch in Israel das Vertrauen in die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft wachsen, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Freilich würde dieser Erfolg nichts daran ändern, dass der islamistische Staat Pakistan und die kommunistische Diktatur Nordkorea Atombomben haben, was den “Weltfrieden” viel stärker gefährdet als die israelische Bombe.
    Ich erinnere übrigens an den Aufschrei, als Israel 2007 eine syrische Atomanlage zerstörte, die von Nordkorea eingerichtet wurde:“

    Ich schätze ihn, weil er realistisch ist und will Ihnen meine Meinung über die formlose Grass-Prosa sagen (bis auf die erste Strophe ist das kein Gedicht):

    Was mich am meisten stört, ist dieses Kokettieren mit unserer und seiner persönlichen Schuld, diese Schamhaltung, die er als Beet aufbaut, in den er seinen faulen Baum pflanzen kann. Das ist wie: „Guckt mal, wie schuldig ich bin, ich bin nackt, und deswegen darf ich das.“ Das zweite, das mich stört, ist die Art und Weise, wie er sich als mutig hochstilisiert, weil er, ein scheinbarer Hero, es wagt, Israel zu kritisieren. Das ist doch lächerlich. Israel wird ständig kritisiert, in Israel selbst und außerhalb. Ein präventiver Angriff auf den Iran wird seit Jahren kontrovers diskutiert, in Israel, unter Juden, in den USA und in Europa. Dass ein Grass sich des Arguments bedient, Israel dürfe nicht kritisiert werden, ist billig. Alle Kritiker von Israel laufen quicklebendig herum, während Kritiker anderer Entitäten mausetot sind wie Theo van Gogh oder mit Äxten bedroht worden sind wie Kurt Westergaard. Es ist einfach kindisch, wie Grass sich hier zum Helden macht.
    Daher neige ich auch zu dieser Interpretation, die man diversen Politikern auch immer mal überstülpen kann:
    http://www.tagesspiegel.de/kul.....97934.html

    MfG

  23. avatar

    @ Rita:
    Wenn ich das lese, entdecke ich Stellen, die sich mit anderen überschneiden, dann Weisheiten, aber auch wirr erscheinende Passagen.
    Es ist schwer genug. Die Kirche hat vier Säulen, Petrus, den Fischer, Paulus, den Intellektuellen und vielleicht wirklichen Kirchengründer, Johannes, den Spirituellen und dann noch Jakobus, dessen Gebeine in Santiago de Compostela liegen sollen.
    Außerdem vier Evangelisten, die sich in Teilen überschneiden und in Teilen unterschiedliche Dinge berichten. Johannes, der Spirituelle, hebt sich von den Übrigen ab, liefert dabei aber reichlich Daten.
    Interessant ist, dass die Kirche, der Fischer, auf dem Petrus, dem Ängstlichen, also dem Menschlichsten aufbaut.
    Zu dem umfangreichen, teils widersprüchlichen Material tragen die Apokryphen, wie ich finde, nichts Wesentliches bei. Thomas – das wirkt stellenweise spinnert, und Maria – nun ja – einerseits hatte sie Visionen, andererseits war sie wohl in Jesus verliebt. Verliebtsein schattiert natürlich manchmal Vernunft, kann andererseits sehender machen. Die Kirche hat jedenfalls durchaus Gründe, die Apokryphen außen vor zu lassen.
    Diese Richtung geht mehr in die Richtung Rosenkreuzer, finde ich. Kirchen sind nicht wie ihre Ursprünge. Sie sind hierachische Gebilde, die eine möglichst große Menge an Menschen versorgen wollen. Dazu brauchen sie Lehren, die von einer großen Menge genutzt werden können und nicht nur von einer Teilmenge. Die esoterischen? Apokryphen aber versorgen nur eine Teilmenge, und die Grenze zum Wahn ist dünn.
    Insofern ziehe ich alle bestehenden Evangelien dem apokryphen Thomas-Evangelium vor. Aus den Maria-Passagen von Jonathan Dilas finde ich lediglich die sieben Mächte des Zorns interessant, in etwa vergleichbar mit den Todsünden.
    Anm.: Das ist nur ein spontaner, dafür eigener Eindruck.
    Herzliche Grüße

    P.S. derblondehans hat Humor: „Alanevangelium“, die wahre „APO-kryphe“.

  24. avatar

    R.E.G.: … Thomasevangelium – das leider von der RKK verleugnet wird …

    … nix verleugnet. Es wird wie ein ‚Alanevangelium‘ eben nur als APokryphe behandelt. 😉

  25. avatar

    @Parisiene und auch andere: Wenn man mal das Thomasevangelium liest – das leider von der RKK verleugnet wird – dann sehen der Vatikan und Benedict alt aus, um das mal so salopp zu formulieren.

    Hier erlaube ich mir mal einen Quellennachweis, da nicht jedem dieses Evangelium unbedingt geläufig ist.

    http://www-user.uni-bremen.de/.....homas.html

    Schaut man sich diese Sammlung von Fragen und Antworten an und von dem Mann aus Nazareth an, dann unterscheidet sich das diametral von dem was die Amtskirche lehrt.

    Auch wenn jetzt einige von uns Emanzen beim Lesen zuerst laut aufheulen werden, bei dem letzten Absatz über die Stellung der Frauen in der Kirche. Jesus sagte ganz unverblümt „ich werde die Frauen lehren damit sie „männlich werden“. Das gehört tatsächlich zu den revolutionärsten Aussagen dieser Zeit, Benedict und seine Amtskirche sind da heute weit hinter dem Stand der Zeit des Nazareners!

    Auch den Absatz über das Leihen von Geld finde ich außerordentlich witzig: Man soll nicht leihen, lieber dem schenken von dem man annimmt, das er es sowieso nicht zurückzahlt. Diesem Grundsatz folgen unsere europäischen Politiker bei Banken und überschuldeten EU-Staaten wörtlich.

    Bei Ihrer Aufzählung der größeren Gruppen haben Sie z.B. China unterschlagen, auch dort gibt es ca. 800.000 Christen, allerdings sind die meisten“Staatskirche“, Bischöfe werden vom Staat eingesetzt. Hier hätte der Vatikan in nächster Zeit ein echtes Betätigungsfeld. Ebenso würde es sich für die Kirche wahrlich lohnen, die Befreiungstheologen in Südamerika wieder heim in die Kirche zu holen; das wäre wesentlich lohnender als Fundamentalisten der Piusbrüderschaft wieder heim ins römisch katholische Kirchenreich zu holen, und bewußt das Risiko einzugehen, damit die Kirche zu spalten.

    Ich muß Parisiene etwas korrigieren, wenn er meint Europa und Deutschland explizit muß man, bzw. die RKK nicht ernst nehmen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die großen Glaubensauseinandersetzungen der Geschichte fanden in Europa statt, wenn man mal von den Kreuzzügen absieht. Die RKK hatte einen großen Profit von der Entwicklung in Europa. Die Entwicklung der Seefahrt z.B. hat ihr ein größeres Verbreitungsgebiet geschenkt, Amerika, China usw.
    Von der industriellen Entwicklung in Europa hat die RKK stark strukturell profitiert.
    Die Übersetzung der Bibel fand in Europa statt, die Verbreitung durch die Buchdruckerkunst ebenfalls.
    Daß der Hauptsitz des Oberhirten sich in Europa befindet ist ebenfalls wichtig und prägend.

    Vermutlich benötigen wir in unserer auf dem Pulverfaß balancierenden Welt keinen Gelehrten und Wissenschaftler an der Spitze der RKK, eher einen Seelsorger und Pragmatiker. Vielleicht einen, wie Cyril Dakota aus dem Buch“In den Schuhen des Fischers“.

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    @ Alan Posener
    Das schrieb Rita:
    „Das konsequenzlose Beharren auf alten Dogmen hat der katholischen Kirche ganz sicher das Überleben bis heute gesichert.“
    Und das dürfte auch der Grund sein, warum der Vatikan nur Minima ändert, während Protestanten oft dem jeweiligen Zeitgeist nachtanzen, so auch damls Hitler noch mehr als Katholiken. Bonhoeffer, mit dem sich Letztere sehr gern schmücken, war ja Bekennende Kirche. Der Vatikan definiert sich als Säule, 2000 Jahre alte Säule. Warum laufen denn so viele Jugendliche hin? Weil die Eltern manchmal keine Säulen mehr sind. Der Trend zum Single, der Trend zum Homo- oder Bisexuellen – das kann alles vorbeigehen. Die Homosexuellen leiden ja nicht extrem darunter, da Kirche und Justiz getrennt sind, im Gegensatz zu einer anderen Religion mit über 1 Mill. Mitgliedern.

    Auch Rita: „Jetzt aber fängt es an die Gläubigen zu spalten und eine Abkehr zu verursachen.“
    Nun ja, in Europa. Und in Deutschland, wie Matussek ja beschreibt. Europa nimmt wirklich niemand ernst, auch nicht der Vatikan. Dessen Massen wohnen in Afrika und den Americas. Deutschland muss man auch nicht ernst nehmen, wenn es Salafisten gestattet, zu missionieren, obwohl das micht einmal die Muslime wollen.

  27. avatar

    Pour le PARISIEN: Statt Thor meinte ich DONAR,den
    Donnergott>PARDON Maitre le Parisien!<Ich wollte nur
    an unsere nordische Götterwelt erinnern.So wie sie
    wird auch bald die monotheistische Gottwelt vergessen
    sein;mein Kürzel ist bfs=bright fundamental scientific!

  28. avatar

    @ Fred, den Thorbewunderer:
    „Jedem das Seine!“ Zitat Henryk M. Broder (Buchtitel), auch „suum cuique“.

    @ Rita E.Groda: Bei sowas muss man sich zitatmäßig absichern wegen des Missbrauchs des ursprünglichen Toleranzspruchs durch die Nazis in Buchenwald: Toleranz siehe Prussia:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Jedem_das_Seine

    oder für Fred: Jedem sein Thor Steinar.

    Was Matussek übrigens über Geißler sagt, zeigt etwas, das ich zunehmend bei der alternden männlichen Bevölkerung beobachte: Je älter sie sind, desto mehr reden sie darüber. Es kommt einem rasch der „Ich will und kann nicht-Gedanke“, bzw. würde man gern mal in der Nachtischschublade mancher über 70 nachgucken, ob es da blau leuchtet.
    Der ewige Kampf um Jugend gehört auch zu dem ganzen künstlichen Hype. Bei Ovid (Metamorphosen) ist schön beschrieben, was das ist: In der Geschichte von Narziss. Das Gegenbeispiel (Demut) steht auch drin: Die Erzählung von Philemon und Baucis, ein seltenes Beispiel aus der griechischen Mythologie von „Deus caritas est“.

  29. avatar

    „Der fortschrittliche Klerus tadelt die „Ghettomentalität“ des heutigen Altchristen. Diese Kleriker ziehen die Handels- und Börsenaktivität des modernen Juden dem Ghetto vor, in dem die Treue Israels blühte.“ So der hier gefeierte Davila, der wie alle Reaktionäre seine Vorurteile pflegt und sie mit True zur Tradition verwechselt.
    Und was die RKK angeht, Monsieur Parisien, sie ist mir nicht verhasst. Es sind die Salonkatholiken, die in den Kategorien des hasses denken. Aber ich lese mit Sorge und Zorn etwa dieses:

    http://kantorcenter.tau.ac.il/.....can-bishop

    Natürlich darf dieser Widerling weiterhin Bischof sein. Aber wehe jemand tritt für die Rechte von Schwulen und Lesben ein:

    http://www.nytimes.com/2012/04.....licchurch#

    Würde ich die RKK hassen, würde ich so handeln wie Benedikt gegenüber den Nonnen in den USA – oder ich würde sein Vorgehen rechtfertigen, weil man mit ihm sich so herrlich „schieflachen“ kann über diejenigen, die tatsächlich im Geiste des Jesus von Nazareth die Alten, Kranken und Vergessenen pflegen. Kernsatz hier: „(The) group was also cited in the Vatican document, along with the Leadership Conference, for focusing its work too much on poverty and economic injustice, while keeping “silent” on abortion and same-sex marriage.“

  30. avatar

    Dem Trio Matussek/Papst/Moderne setze ich lieber
    Ustinov/Zeus(Iuppiter)/HEUTE entgegen.Peter Ustinov
    fühlte sich wohl in der antiken Götterwelt und
    freute sich besonders,daß es genügend Götter &
    Göttinnen gab mit so menschlichen Zügen.Wenn ich
    HEUTE durch die Natur wandere,denke ich beim Donner-
    grollen gerne an Thor,beim Vorüberfliegen von
    Rabenvögeln an Odin und bin dankbar,in unserer
    reichhaltigen Multikultur zu leben(statt einer mono
    theistischen Monokultur-zutiefst inhuman!)

  31. avatar

    @Alan Posener:Nachfolgende Erkenntnis von Ihnen, haben die Franziskanerinnen, die mich erzogen, nachdrücklich in die Praxis umgesetzt. Das Produkt ihrer Bemühungen ist doch eher anarchisch angelegt, als autoritätsgläubig, was Ihrer These Recht gibt:

    „Das Christentum hat eine eingebaute emanzipatorische, antiautoritäre Seite, die in ihrem jüdischen Begründer und seiner Botschaft der Armut, der Demut, der Vergebung und der Lebensfreude – im Primat des Menschen vor dem Gesetz – zum Ausdruck kommt, und die sich immer wieder behaupten muss gegen die Tendenz des Christentums, reaktionäre Staatsreligion zu werden.“

  32. avatar

    @Sari: Was mich von Ihnen unterscheidet ist, daß ich innerhalb der Klostermauern Nietzsche vermittelt bekam!
    Daß ich, ohne den Glauben an eine Amtskirche versuche nicht weniger differenziert zu denken als Alan Posener.
    Daß ich trotz der Lektüre bestimmt Tausender kluger Bücher – im Laufe eines nicht kurzen Lebens – mir eine eigene Meinung gebildet habe, die ich nicht durch Absicherung von anderen Quellen belegen muß.

    By the way, das fällt mir hier schon sehr lange auf (und nicht nur hier), daß angeblich eigene Meinungen fortwährend durch irgendwelche links ,Quellennachweise anderer Meinungen, meinen belegt werden zu müßen.

    Eine Meinung muß nicht belegt werden, es besteht keine Pflicht zur Rückversicherung, daß man auch ja die richtige Meinung hat(nämlich die, die andere schon und womöglich ohne großen Widerspruch geäußert haben).
    Meinung ist eine äußerst subjektive Angelegenheit. Sie ist beeinflußt durch Herkunft, Bildung, äußere Umstände, Eindrücke und Erfahrugen ureigenster Art.
    Und sie sollte auch permanent überprüft und bearbeitet werden.

    Eine wissenschaftliche These z.B. muß begründet werden, eine Behauptung bewiesen, eine Analyse begründet. Eine Meinung aber muß nicht belegt werden!!

    Ich halte meine Meinung weder für bindend für andere, noch bin ich der Meinung, daß sie immer richtig ist.
    Allerdings versuche ich sie beinahe ausschließlich mit meinen eigenen Gedanken zu erklären.

    Die beeindruckendsten“Meinungen“ hier sind diese, die sich nicht fortwährend mit entsprechenden Quellennachweisen anderer Meinungen rückversichern.

  33. avatar

    Es ist schon ein Kunstwerk, wie manche hier Matusseks Heiterkeit und Humor übersehen:

    Aus spon: „Man muss schon reichlich abgestumpft ein, um sich mit diesem deutschen Papst, bei aller Ehrfurcht, nicht schiefzulachen.

    Er ist die unterhaltsamste Störung, die sich der liebe Gott einfallen lassen konnte in dem, was wir so selbstüberzeugt Moderne nennen, besonders in Deutschland, wo Moderne nur ein anderes Wort für rasendes Mitläufertum ist.
    ……
    Wir sind ganz ausgesprochen NICHT Papst. Weder das Land noch seine Katholiken. Wir legen außerordentlichen Wert darauf, NICHT Papst zu sein.

    Bei uns glaubt man, das ergeben Straßenumfragen immer wieder, dass Golgotha eine Zahnpasta ist, und dass wir zu Ostern den Osterhasen feiern. Wir sind aber – besonders diejenigen unter uns, die nicht mehr in die Kirche gehen – fest der Meinung, dass sie nur überlebt, die Kirche, wenn sie ihre „Sexualmoral“ korrigiert und der Zölibat abgeschafft wird.

    Zumindest sagen das die diversen deutschen Gegenpäpste, allen voran Heiner Geißler, der erstens ohne Sünde ist, wie er jüngst in einer Talkshow noch einmal bekräftigte, und der zweitens die Sexualmoral korrigiert haben möchte, als sei immer noch 1968 und das freie Rammeln ein revolutionäres Programm, und als gäbe es jenseits der 80 nicht doch heilsnähere Fragen, mit denen man sich beschäftigen sollte.
    …..
    Aber zurück. Ich fand es großartig, wie Sie in ihrer Regensburger Rede ganz gelehrtennaiv den Islam zur Toleranz aufriefen und klar gemacht haben, wie sehr Glaube und Vernunft einander bedingen statt sich auszuschließen. Und da ich Pointen mag, mochte ich auch diese: dass sich die Leitartikler, die sich in der Karikaturen-Debatte der gleichen Argumente bedienten, nun schnappatmend auf Sie losgingen, um endlich – endlich! – die Schreckstarre abschütteln zu können, in die sie nach Ihrer Wahl gefallen waren.
    …..
    In Altötting gab es einen Freiluftgottesdienst. Sie trugen die Monstranz, hielten sie hoch über Ihren Kopf, sie trippelten vorsichtig, Ihre Augen wieselflink links und rechts daran vorbei, gleichzeitig stolz und ergriffen und misstrauisch, als müssten Sie stets darauf gefasst sein, es zu verteidigen, das Allerheiligste. Könnte ja Hans Küng plötzlich mit einem Messer zwischen den Zähnen durch die Absperrung brechen.

    Dann habe ich Sie in Madrid erlebt. Und hier eine Bemerkung zu Ihrer Garderobe, Heiliger Vater. Sie sehen manchmal aus wie ein Weihnachtsbaum. Wie schön. Brokat und Ornat. Es funkelt. Ja, Sie schleppen die ganze Kirche mit, ihre Macht, ihre Tradition, ihren Schönheitssinn.

    Ihr heiliges Theater. Und das in einer Zeit der radikalen Profanierung, der Verbilligung, der Trivialisierung. Geiz ist geil? Ihre Roben sagen: in your face – hier kommt der heilige Geist! Wiederum zum Brüllen komisch all die verständnislosen Kommentare über die Geldverschwendung, die in dieser Schaustellung sichtbar würde. Der Wert liegt darin, dass sie aussehen wie 2000 Jahre.

    Die anderthalb Millionen Jugendlichen, die ihnen dort in Madrid zugejubelt, die dort mit Ihnen gebetet haben, haben das besser verstanden.

    Nun hat die Kollegin Florin in der „Zeit“ beobachtet: „Manche attackieren das Oberhaupt der Katholiken deshalb, weil ihm Matthias Matussek den Ring küsst.“ Aber Heiliger Vater, wir beide wissen, dass es nicht zu diesem Äußersten gekommen ist……

    Großartiger Humor!

    Und am Ende die Wahrheiten:
    „Die Weltlichkeit der Kirche in Deutschland nimmt mit jeder Gremienverlautbarung, mit jeder Meinungsumfrage zu Zölibat und Priesterfrauentum Gestalt an. Die Kirche in Deutschland ist reich, missmutig und glaubensmatt. Ihre Theologen haben den Kompass verloren und marschieren in Richtung einer erloschenen grauen Küng-Lehre, die Jesus als charismatischen Menschen und, klar, Revolutionär gelten lässt, der begraben wurde – aber nicht als Gottes Sohn.

    Die meisten Katholiken sind nicht mehr in der Lage, das „Credo“ tatsächlich zu beten: „Ich glaube an den Heiligen Geist/ die heilige katholische Kirche/ Gemeinschaft der Heiligen/ Vergebung der Sünden/ Auferstehung der Toten/ und das ewige Leben/ Amen.“

    Und im Zentrum dies hier:

    „Sie haben da übrigens, Heiliger Vater, in ihren Enzykliken und Predigten eine Fülle von Anregungen gegeben. Und nun muss ich wieder mit Ihnen lächeln: Ihre erste Enzyklika galt der Liebe, der wahren Liebe: „Deus caritas est“.

    Und schon in dieser Enzyklika machten Sie deutlich, wie sehr das innere Heil und die Welt zusammenhängen, wie die äußere Verwüstung auch auf eine innere Wüste schließen lässt.“

    Dies hätte ich so übersetzt, also anders:
    ‚Nur wer beginnt zu lieben, fängt auch an, loszulassen.‘
    Also andersherum:

    Ich hatte Ihnen mein Buch geschenkt und ein Augustinus-Wort hineingeschrieben, ohne zu ahnen, dass es ein Motiv sein würde bei Ihrem Deutschland-Besuch. Ich wusste nur, dass Sie Augustinus mögen: „Incipit exire, qui incipit amare.“ Gemeinsam übersetzten wir: „Nur wer loslässt, beginnt zu lieben“, nur wer hinausgeht, ist überhaupt in der Lage dazu, und da klang doch schon das Wort einer „Entweltlichung“ an.

    Brillante Geburtstagsrede von Matussek, und danke, Alan Posener, brillante Werbung für Matussek und die Ihnen verhasste RKK.
    Da kann eine Sari nicht gegen anstinken, denn erstens bestehen heutige Kirchen nicht mehr aus Zwangsklosterschülerinnen, und zweitens war Jesus neben Sokrates und Buddha einer der ersten Humanisten und dabei ein besserer als mancher, der sich heute als Humanist wähnt.

    Ehre, wem Ehre gebührt:
    Congrats, Matussek, zu dem Stück!
    Congrats, Posener, zu dem link!
    Eure Heiligkeit, herlichen Glückwunsch! War gerade in Wilparting und sende Grüße vom Kirchlein. Außerdem weitere gesunde fünfzehn Jahre! Aber wie wir wissen, hat das der in der Hand, der über Ihnen steht.

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    Zu Sari: Das ist eine beeindruckende Zitatensammlung. Und im Grunde genommen bin ich als Atheist ganz bei Ihnen. Allein, die Sache ist nicht ganz so einfach, sonst wäre das Christentum längst verschwunden. So hat Bertrand Russell zwar im Wortsinne Recht: Jeder moralische Fortschritt der Menschheit ist GEGEN die „organisierten Kirchen“ erkämpft worden, hauptsächlich weil die auf der Seite der Privilegierten und der bestehenden staatlichen und rechtlichen Ordnung standen. Aber der Kampf gegen die Sklaverei etwa, die zuerst im britischen Weltreich und dann in den USA nach einem gewaltigen Bürgerkrieg abgeschafft wurde, ist ohne die Agitation und Aktion beherzter Christen nicht denkbar. Es gab auch im Dritten Reich einen – zwar kleinen, aber nicht unbedeutenden – christlichen Widerstand, auch wenn die Amtskirchen ihren Frieden mit den Nazis machten. Im Kommunismus – besonders in Polen – spielten Christen eine bedeutende – Rolle im Widerstand. Warum ist das so? Das Christentum hat eine eingebaute emanzipatorische, antiautoritäre Seite, die in ihrem jüdischen Begründer und seiner Botschaft der Armut, der Demut, der Vergebung und der Lebensfreude – im Primat des Menschen vor dem Gesetz – zum Ausdruzck kommt, und die sich immer wieder behaupten muss gegen die Tendenz des Christentums, reaktionäre Staatsreligion zu werden. Was Dávila angeht, lieber Herr Kaufmann, und dass Sie diesen notorischen lateinamerikanischen Reaktionär und Antisemiten empfehlen, dessen Hauptantrieb der hass, nicht die Liebe ist, spricht für sich und nicht für Sie, so gehört er eben zu jenen intellektuellen Moden, von denen Parisien spricht; man benutzt ihn gern, um auf die Aufklärung einzudreschen; seine Botschaft hat mit der Botschaft des Mannes aus Nazareth aber rein gar nichts zu tun. Er sagt nichts, was nicht Dostojewskis Großinquisitor nicht schon besser gesagt hätte.

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    Dass Herr Matussek seine Kirche und den Papst glorifiziert und sich in Talkshows regelmäßig daneben benimmt, regt mich nicht mehr auf. Anders ist es, wenn er Nicht-Christen diffamiert. In einem Interview der Rheinischen Post (11.6.2011) hat er angeblich gesagt: „Doch man stelle sich nur für einen Moment eine Welt ohne Christentum vor, das wäre eine fürchterliche Welt, eine, in der die Schwachen erbarmungslos ausgemerzt werden würden.“ Abenteuerlich. Als würden Atheisten, Buddhisten, Hindus usw. ständig Schwache umbringen. Ich glaub, Matthias Matussek tritt geistig manchmal etwas weg.

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    Wer keine Angst hat sollte sich die Zeit nehmen und „Deschner“ lesen sowie Dr. Michael Schmidt Salomon, das dürfte erst einmal reichen, dann hat meine keine Angst mehr und vieles wird einem klarer!
    Sari ( ehem. flämische Klosterschülerin vom fünften bis siebzehnten Lebensjahr)

    Ich weis wovon ich rede und schreibe. Die wahren Werte des Christentums? Na die kann man lange suchen.
    „Angst glaubt, Mut zweifelt, Angst betet, Mut denkt, Angst ist Religion, Mut ist Wissenschaft.“ Welch ein Glück das ich mit vierzehn Jahren durch Zufall ausserhalb des Klosters auf niederländische Schriften von NIETZSCHE traf, welche ich heimlich las. Sie machten mich stark und lehrten mich das Denken!

    Aphorismen: Geht man allen Religionen auf den Grund, so beruhen sie auf einem mehr oder minder widersinnigen System von Fabeln. Es ist unmöglich, dass ein Mensch von gesundem Verstand, der diese Dinge kritisch untersucht, nicht ihre Verkehrtheit erkennt.
(Friedrich der Große, Politisches Testament).

    Ja, es muss ein eigentümliches Vergnügen sein, von Jahrhundert zu Jahrhundert im Blut der Menschheit zu schwimmen und Halleluja zu rufen!
(Karlheinz Deschner, ‚Die Kirche des Unheils‘)

    Als Moderne bezeichne ich eine Abschaffung des Religionsunterricht in den Schulen zu ersetzen durch Werte /Humanismus oder Ethikunterricht. Religion ist Privatsache.

    Lassen Sie mich mit einem mir wichtigen Zitat enden:
    Wenn man sich auf der Welt umsieht, so muss man feststellen, dass jedes bisschen Fortschritt im humanen Empfinden, jede Verbesserung der Strafgesetze, jede Maßnahme zur Verminderung der Kriege, jeder Schritt zur besseren Behandlung der farbigen Rassen oder jede Milderung der Sklaverei und jeder moralische Fortschritt auf der Erde durchweg von den organisierten Kirchen der Welt bekämpft wurde. Ich sage mit vollster Überzeugung, dass die in ihren Kirchen organisierte christliche Religion der Hauptfeind des moralischen Fortschrittes in der Welt war und ist. 
(Bertrand Russell, engl. Philosoph, 1872-1970)

    Ich Sari bezeichne mich als Para-Religionistin und aktive Humanze ( hat nichts mit Emanze zu tun) 2012 wurde als Jahr des Humanismus erklärt. bin Gott los und gottlos glücklich“.
    Ein schönes Geschenk zum Papst Geburtstag ist das Buch „VATIKAN AG“

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    Schon als Schulkind hat mich die Frage umgetrieben, wie der Mensch ein Ebenbild Gottes sein könne, wenn er doch in vieler Hinsicht so unvolkommen und mies sein kann.
    Ich reimte mir das so zusammen, daß der Gott des alten Testamentes tatsächlich nach seinem Bild geformt habe, also optisch, dabei aber nicht vorausgesehen hatte, daß er den Menschen den freien Willen gab und nicht bedachte, der freie Mensch könnte ganz anders entscheiden als Gott, nämlich nur gut und gerecht. Als Gott seinen Fehler erkannte, gab er den Menschen(Juden) die 10 Gebote. Interessant ist Gebote, nicht Verbote.

    Meiner unmaßgeblichen Meinung nach war schon Gott der Vater, ein supermoderner und liberaler Gott.
    Er gab den Menschen eine Gebrauchsanweisung für ihr Leben und machte sie ausdrücklich darauf aufmerksam, daß Zuwiderhandlung entsprechende Konsequenzen nach sich ziehe.
    Als er nach einiger Zeit merkte, daß die angedrohten Konsequenzen die Menschen nicht sonderlich beeindruckte,versuchte er es praktisch. Schickte den Menschen seinen Sohn, der das Schuldprinzip ablösen sollte. Aus Auge um Auge wurde liebe deinen Nächsten.

    Der Mann aus Nazareth war zweifellos der modernste Mann der Weltgeschichte. Er stellte alle bekannten Prinzipien auf den Kopf. Er kam nicht im Mercedes sondern auf dem Esel daher. Er verkehrte mit Sünderinnen wie Maria Magdalena, er ging zu den Ausgestoßenen, den Aussätzigen, dem Militär, er warf die Kapitalisten aus dem Tempel.
    Er war dermaßen modern, daß Juden und Römer ihn gleichermaßen fürchteten. Er gab den Menschen ein praktisches Vorbild, wie sie leben sollten.

    Ob die Rebellen der französischen Revolution oder Kommunisten und Sozialisten. Alle gaben doch tatsächlich vor genau die Grundwerte verwirklichen zu wollen die der Mann aus Nazareth vorgab. Und bis heute haben die Menschheit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle Völker noch nicht einmal annähernd erreicht; ebensowenig wie die Institution Kirche noch im entferntesten etwas mit dem Mann aus Nazareth zu tun.

    Was Matussek umtreibt scheint mir weniger eine tiefe Abneigung gegen die Moderne zu sein; eher die altersbedingte Nostalgie eines ermüdeten Christen.
    In unsere aktuellen Welt, wo es keine Statik mehr gibt, nichts mehr länger als Minuten konstant bleibt, haben wir eine große Sehnsucht nach Konstanten entwickelt. Eine Rückzugsmöglichkeit auf Positionen, die seit Jahrhunderten unverändert sind.
    Das verspricht uns eine gewisse Sicherheit und Atempausen in der Tagesaktualität. Das kann die katholische Kirsche sicher vorübergehend bieten.

    Das konsequenzlose Beharren auf alten Dogmen hat der katholischen Kirche ganz sicher das Überleben bis heute gesichert.
    Jetzt aber fängt es an die Gläubigen zu spalten und eine Abkehr zu verursachen.

    Denn, was Herr Mattusek mit Moderne abtut, ist genau das Gegenteil. Es ist Rückkehr zum Fundament des Nazareners, Abkehr von Dogmen und Pomp und Hierarchie der Amtskirche. Besinnung auf die wahren Werte des Christentums, was die neuen Fundis wollen.

    Das Motto des polnischen Papstes, den ich eigentlich nicht mochte, wegen seines Festhaltens an Dogmen, hat verschiedene Aspekte:
    Habt keine Angst.

    Wer keine Angst hat, der läßt sich nicht alles gefallen. Wer keine Angst hat, der ist nicht gezwungen sich in einer Kirche zu verkriechen, aus Angst vor der Welt und der Moderne.

    Wer keine Angst hat, der vertraut und hofft und kämpft.

  38. avatar

    Naiv, kindlicher Katholizismus. Der selbst katholischen Bischöfen ob seiner platten Theologie, Misstrauensfalten ins Gesicht zaubert.
    I.Kant

    AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.

    Da ist bei Hernn Matussek gehörig was schief gelaufen.

  39. avatar

    Vielleicht ist „Moderne“ der falsche Ausdruck, schon, weil Dinge wieder modern werden können, die erstmal abgelegt waren, ob das ein Minirock ist, die erwähnte Religiosität oder auch Antisemitismus, neu im Kleid von ausufernder Israelkritik.
    Ich war einige Tage bei einer Familie, die ich davor flüchtig kannte und jetzt besser kenne. Ein wenig habe ich eine Art Heimweh nach ihnen, Vater, Mutter, zwei Töchter um die 30, fünf Enkel. Ich könnte sagen, wie Meg Ryan das in ‚Harry und Sally‘ in einem anderen Zusammenhang sagt: „Ich habe eine Familie gesehen.“. Das Besondere war, dass sie zwar Erfolg hatten und haben, die beiden älteren Generationen, aber auf dem Teppich bleiben. Sie hatten Herzenswärme und Herzensbildung. Der Erfolg macht sie nicht hochmütig oder überkandidelt. Ich wette, dass sie zur Kirche gehen, jedenfalls hin und wieder.
    M.E. ist es kaum „Moderne“, die schädigend ist, sondern dieser ganze atemlose Hype, den wir immer wieder erleben, wie auch das oft Hochgestochene von Menschen, die schnell zu etwas gekommen sind. Auch die Herablassung von sich ganz, ganz modern und cool fühlenden Art Caffè latte-Hedonisten gegenüber altertümlicher wirkenden Exemplaren, die oft mehr Persönlichkeit besitzen, ist schwer erträglich. Man muss denen eigentlich klar machen, dass Kleider und Fetische noch keine Persönlichkeit machen und Kaiser schnell mal nackt sind, während ein intelligentes Religionsverständnis ohne Abhängigkeiten durchaus eine Persönlichkeit tiefer formen kann. Diesen Eindruck bekommt man zumindest sowohl bei Matussek als auch bei Lehming. Oder bei Rabbi David Wolpe, einem kalifornischen Rabbiner, wenn er über seine Krebserkrankung oder die seiner Frau schreibt.
    Ein gut aufgestellter Glauben kann zweifellos mehr Kraft geben als der neueste Trend. Trends sind wie Schlinderbahnen. Irgendwo sind sie dann zu Ende.

  40. avatar

    Wenn man sich am Katholizismus und seinem Verhältnis zur „Moderne“ reiben will, dann bitte nicht an Leichtmatrosen, sondern an Schwergewichten, z.B. Nicolás Gómez Dávila:

    Eine Blütenlese:

    Das Verhältnis zwischen Christentum und Christus ist der Prototyp einer feudalen Beziehung.
    Der Herr, der sein Leben für die Getreuen hingibt. die Vasallen, die ihrem Herrn selbst bis zum Martyrium treu sind.
    Das Christentum ist mythisches Vasallentum.

    Der moderne Theologe ersehnt die Umwandlung der christlichen Lehre in eine einfache Ideologie gemeinschaftlicher Verhaltensweisen.

    Solange der Moderne nicht seine Vulgarität entblößte, war es möglich, von der Würde und Schande der Sexualität zu reden.

    Der Todfeind Gottes ist der respektvolle Ungläubige.

    Die moderne Welt wird nicht bestraft werden. Sie ist die Strafe.

    Moderne ist, was bleibt, wenn die Poesie getötet wurde.

    Niemand und nichts verzeiht am Ende. Nur Christus.

    Wir können die Dekadenz einer Gesellschaft schildern, es ist aber unmöglich, sie zu definieren. Wie den zunehmenden Irrsinn eines Blicks.

    Die Scholastik versündigte sich, als sie sich vornahm, den Christen in einen Besserwisser zu verwandeln. Der Christ ist ein Skeptiker, der Christus vertraut.

    Das religiöse Problem verschärft sich täglich, weil die Gläubigen keine Theologen und die Theologen nicht gläubig sind.

    Heute ist es nicht möglich, die Christen zu respektieren. Aus Respekt vor dem Christentum.

    Das Christentum steht der Theokratie auf radikale Weise feindlich gegenüber.
    Eine in eine Kirche verwandelte Gesellschaft ist keine Vorausdarstellung des Reiches Gottes.
    Sie zeichnet im Gegenteil dessen satanische Karikatur.
    Die Kirche fordert die parallele Existenz des Reichs.
    Persönlich halte ich nur eine Welt für legitim, deren Herrschaft der römische Papst und der deutsche Kaiser auf symmetrischen Thronen ausüben.

    Von seltenen Ausnahmen abgesehen benehmen sich Nationen und Individuen nur anständig, wenn die Umstände ihnen nichts anderes gestatten.

    Wenn der Christ Demokrat sein könnte, hätten ihn alle Spieße Nietzsches durchbohrt.
    Aber die Demokratie verkündet die Souveränität des Menschen, das Christentum die Gottes.

    Das Christentum ist weniger ethisch als ontologisch: Ich erlebe mich weniger als Sünder denn als Geschöpf.

    Der korpulente und geile Domherr, der an Gott glaubt, ist auf unbestreitbarere Weise Christ als der strenge und verhärmte Pastor, der an den Menschen glaubt.

    Gegen so manchen geistlosen Intellektuellen, so manchen talentlosen Künstler, so manchen sterotypen Revolutionär erscheint ein anspruchsloser Bürger wie griechische Statue.

    Die Messe kann in Palästen oder in Hütten zelebriert werden, aber nicht in Villenvierteln.

    Die drohende Gefahr eines kollektiven Todes ist das einzige Argument, das die Selbstgefälligkeit der gegenwärtigen Menschheit zunichte macht.
    Der Atomtod beunruhigt sie mehr als ihre zunehmende Verkommenheit.

    Bevor es sich in Konvulsion auflöst, verdichtet sich das weibliche Gesicht in eine Momentaufnahme der Ewigkeit.

    Die professionellen Menschenverehrer glauben sich berechtigt, den nächsten zu verachten.
    Die Verteidigung der Menschenwürde erlaubt es ihnen, dem Nächsten gegenüber als Rüpel aufzutreten.

    Noch mehr Scholien, die einem passen oder nicht passen, in: Dávila, Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten, Frankfurt a.M. 2007. Eine Lektüre, die nicht nur für Reaktionäre von Interesse ist, sondern auch für sogenannte fortschrittliche Geister.

  41. avatar

    Ich kann nur sagen, dass ich auch diese Sätze des Herrn Matussek wieder mit ständig wachsendem Widerstreben gelesen habe. Kern dieses Widerstrebens ist der Glaubensinhalt Matusseks, seine Nähe zum Papst und dessen Ringfinger würden von allgemeinem Interesse oder gar Nutzen sein.

  42. avatar

    Richtig. Das Wort ist die ‚Moderne‘. Johannes 1;1: Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.

    Apo: Und sie ist – in ihrer katholischen wie in ihrer protestantischen Variante – einer ständigen Evolution unterworfen. Das Dogma der Unbefleckten Empfängnis etwa wurde erst 1854 verkündet, das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit wurde erst 1870 beschlossen, die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel erst 1950 als Dogma – an das also auch Matthias Matussek zu glauben hat – verkündet.

    Das ist, meine ich, nicht richtig. Denn in Johannes 29; 30: Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan.

    Also keine (vermeintlich) ständige Evolution, eher Trägheit menschlichen Denkens. 😉 Verständlich wird ’s, wer sich mit dem ‚Geheimnis‘ der Dreifaltigkeit beschäftigt.

    ‚Gott ist nicht ewige Einsamkeit, sondern ein Kreis der Liebe in Hingabe und Zurückschenken: Vater, Sohn und Heiliger Geist.‘ (Benedikt XVI., Christmette 2005)

    ‚Herr, mein Gott, wir glauben an dich, den Vater, Sohn und Heiligen Geist. Denn die Wahrheit würde ja nicht sagen: ‚…Taufet alle Völker im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!‘ (Mt 28,19), wenn du nicht Drei-Einigkeit wärest. Nicht würdest du, Herr Gott, anordnen, dass wir getauft werden im Namen eines Wesens, das nicht Gott der Herr ist. Auch würde die göttliche Stimme nicht sprechen: ‚Höre Israel, der Herr, dein Gott ist der eine Gott!‘ (Deut 6,4), wenn du nicht in der Weise Dreieinigkeit wärest, dass du der eine Herr Gott bist.‘ (Augustinus ,De Trinitate 15,51)

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