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Warum ich Zionist bin

Zu den vielen Stolpersteinen auf dem Weg zu einem Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn – vorausgesetzt, es gibt diesen Weg – gehört Israels Beharren darauf, als „jüdischer Staat“ anerkennt zu werden. Dies wird oft missverstanden – meines Erachtens oft mit Absicht missverstanden.

Es geht, um es vorweg zu sagen, nicht um die Anerkennung der Tatsache, dass die Staatsreligion Israels das Judentum ist.

Es gibt Staaten, auch Demokratien, in denen die Staatsreligion institutionalisiert ist, von der „Islamischen Republik Iran“, wo die Mullahs den Staat kontrollieren, bis zur  Türkei, wo der Staat die Moscheen kontrolliert, von Großbritannien, wo das Staatsoberhaupt nominell auch Oberhaupt der Staatskirche ist, bis Deutschland, wo es zwar offiziell keine Staatsreligion gibt, wo aber die großen christlichen Kirchen institutionell mit Staat und Gesellschaft verwoben sind.

In Israel hat das Rabbinat einen enormen Einfluss zugestanden bekommen; so gibt es beispielsweise keine Zivilehe und darum auch keine zivile Scheidung. Die Kehrseite dieses Missstands ist, dass diese Angelegenheiten in der arabischen Bevölkerung vom Imam geregelt werden. Israel, das von Islamophoben wie Geert Wilders immer gelobt wird als Bastion des antiislamischen Abwehrkampfs, ist vermutlich der einzige westliche Staat, in dem die Scharia anerkannter teil der zivilen Rechtsprechung ist.

Der Mehrheit der Zionisten ging es nie darum, eine Theokratie zu schaffen. Im östlichen Schtetl hatten sie bereits eine Parallelgesellschaft erlebt, in der das Wort des Rabbiners oft mehr galt als das Gesetz des Landes, und genau solchen Zuständen wollten sie entkommen. Es gab zwar explizit religiöse Zionisten, und zwar lange vor Theodor Herzl, aber Herzl ging es eben nicht um die Religion, sondern um die Rasse – genauer um Volk und Nation. Herzl war ein Kind seiner Zeit, in der die alten europäischen Reiche zerfielen und der moderne Nationalismus entstand. Ein anderes Kind dieser Zeit war Kemal Atatürk.

Es galt als ausgemacht, dass in einer idealen Welt ein „Staatsvolk“ seinen eigenen – kulturell relativ homogenen, durch eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Werte zusammengehaltenen – Staat haben sollte. Herzl forderte nicht mehr und nicht weniger für die Juden. Sie sollten sich als Staatsvolk konstituieren. Dadurch würde der Antisemitismus verschwinden, der mit dem Aufstieg des Nationalismus zunahm und nun nicht mehr nur religiös, sondern auch national und rassistisch begründet wurde.

Es ist kein Zufall, dass Adolf Hitler aus Österreich stammt; er ist ein Produkt der Zersetzung des Habsburgerreichs durch den Nationalismus. Die Juden waren ja die letzten Getreuen des multikulturellen Habsburgerreichs, die einzigen „Europäer“ auf einem Kontinent, wo die Ehrenbezeichnung „Kosmopolit“ einen schlechten Klang bekam. Auch Herzl war zunächst radikaler Befürworter der jüdischen Assimilation gewesen, bevor ihm der Dreyfus-Prozess in Frankreich klar machte, dass der Dank für die Assimilation der Hass war.

Die Ideologie der Epoche wurde ironischerweise vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson formuliert, der in Versailles das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen“ propagierte. (Ironisch deshalb, weil dieses Selbstbestimmungsrecht beschworen wurde, um das Recht der Polen, Tschechen, Slowaken, Serben, Kroaten usw. zur Sezession von den Verliererreichen des Ersten Weltkriegs zu begründen, während doch der amerikanische Bürgerkrieg geführt worden war, weil Abraham Lincoln ein Sezessionsrecht einzelner Bundesstaaten oder einer Gruppe von Staaten völlig zu Recht verneinte.)

Es ist kein Zufall, dass in Versailles zum ersten Mal das Recht der Juden auf eine „nationale Heimstätte“ in der früheren osmanischen Provinz Palästina anerkannt wurde.

Als Imperialist – was ich damit meine, will ich hier nicht ausführen, verweise auf mein Buch „Imperium der Zukunft“ (2009) – bin ich kein Freund der „Selbstbestimmung der Völker“. Kulturell bin ich Kosmopolit, als Anhänger des Kapitalismus bin ich für den freien Austausch von Waren und Menschen, für Freihandel und Freizügigkeit, gegen Grenzen und Zölle. Für mich verbindet sich Nationalismus immer mit Engstirnigkeit, Antisemitismus, Xenophobie, Dummheit.

Mütterlicherseits stamme ich ja aus einer Familie, die erstens bunt gemischt ist – englisch, schottisch, deutsch – und zweitens Kolonialbeamte, Soldaten und Missionare hervorbrachte, die immer außerhalb Englands zuhause waren – in Ghana, Ceylon, Malaya. Väterlicherseits stamme ich aus einer hochgradig assimilierten deutsch-jüdischen Familie, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl den Zionismus für lächerlich hielten. Das prägt. Und:

Vom griechisch-türkischen „Bevölkerungsaustausch“ unter der Ägide des Völkerbunds, mit dem die 5000-jährige griechische Präsenz in Kleinasien liquidiert wurde, über die Vertreibung der Deutschen aus Pommern, Schlesien, Böhmen und Mähren usw. bis hin zu den „ethnischen Säuberungen“ nach dem Zerfall Jugoslawiens hat der Nationalismus nur Unglück über die Völker gebracht. (Sie merken, dass ich von den Verirrungen des deutschen Nationalismus nicht rede.) Zum Glück wird der Nationalismus in der Europäischen Union nach und nach überwunden, wenn auch unter Schmerzen und nicht ohne Rückschläge. Aber das ist eine andere Geschichte. (Und wieder verweise ich auf mein Buch „Imperium der Zukunft. Warum Europa Weltmacht werden muss“.)

Wie kann ich mit dieser Einstellung Zionist sein?

Müsste ich nicht einem binationalen, multikulturellen Staat Palästina das Wort reden?

Ist der Zionismus nicht ein überholtes Konzept, Produkt des europäischen Nationalismus, fremd in der neuen, postnationalen Welt?

Theoretisch ja.

Praktisch leider nein.

Beginnen wir mit meiner Familie. Was half es etwa meinem Vater, dass er es, wie er in seiner Autobiografie schreibt, absurd fand, als Deutscher „in der Wüste unter Kamelen“ zu leben? Nach 1933 fand er nur dort Zuflucht. Und viele andere auch. „Kommst du aus Überzeugung oder aus Deutschland?“ So lautete ein Witz, der in Palästina unter Zionisten zirkulierte. Die Unterscheidung war jedoch hinfällig geworden. Wer nach Palästina kam, war gerettet. Wer in Deutschland blieb, wurde vernichtet. Die Zionisten hatten die meisten deutschen Juden nicht theoretisch von ihrem Standpunkt überzeugen können. Hitler überzeugte sie praktisch.

Im wunderbaren Buch „Memories After My Death“, den von seinem Sohn geschriebenen postumen Lebenserinnerungen Tommy Lapids, eines liberalen, antireligiösen israelischen Journalisten und Politikers, findet sich die Anekdote, wie Tommy als Kind in Budapest zusammen mit seiner Mutter und den anderen Bewohnern des jüdischen Viertels, eines Tages abholt wird und zur Erschießung an die Donau geführt wird. Während eines alliierten Luftangriffs können die Mutter und er entkommen. Und was tun sie? Da sie keinen sicheren Ort kennen, gehen sie in das Haus zurück, aus dem sie abgeholt wurden. Das, schreibt Lapid, blieb ihm als Lehre: Juden müssen einen Ort haben, an den sie zur Not gehen können.

Dieser Ort ist ein Staat, in dem Juden (ob sie religiös sind oder nicht) die Mehrheit bilden. Viele Juden wollen nicht dort leben; aber seit dem Holocaust wird nur eine verschwindend kleine Minderheit, selbst in Amerika, wo die Stellung der Juden sicher erscheint, selbst in Großbritannien, wo mit Benjamin Disraeli schon im 19. Jahrhundert ein Jude Premierminister werden konnte, selbst in Frankreich und Holland – nur eine verschwindend kleine Minderheit glaubt, Israel sei als Lebensversicherung, als letzte Zuflucht verzichtbar. Ich gehöre nicht zu dieser Minderheit.

Ja, die Teilung Palästinas war nicht schön, wenn sie auch keine „Naqba“ war, keine Katastrophe, wie die Araber behaupten, und wenn sie auch viel zivilisierter und weniger blutig vonstatten ging als die Teilung Indiens in einen hinduistischen und einen islamischen Staat, als die Schaffung eines ethnisch homogenen türkischen, griechischen, tschechoslowakischen, polnischen Staats. Und ja: Irgendwann in einer fernen Zukunft wäre es schön, wenn Palästina als eine Art Schweiz mit autonomen jüdischen und arabischen Kantonen Mitglied der Europäischen Union als Nachfolgerin des Osmanischen, Habsburger und britischen Imperiums werden könnte.

Der Weg dorthin geht aber über die Anerkennung des Rechts der Juden, einen Ort zu haben, an den sie gehen können, weil sie dort die Mehrheit sind. Über die Anerkennung des Ergebnisses des Zionismus, des jüdischen Staats Israel. Der so lange unverzichtbar sein wird, wie es Antisemitismus in der Welt gibt. Und der vielleicht das einzige Produkt des europäischen Nationalismus ist, auf das Europa stolz sein kann.

 

 

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134 Gedanken zu “Warum ich Zionist bin;”

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    Herr Poesner es spielt keine Rolle ob jemand Jude ist oder nicht , es gibt jüdische umd nicht jüdische Gutmenschen
    die in einer Fantasiewelt leben Das der Islamismus die größte
    totalitäre Gefahr ist sehen alle westlichen Geheindienste auch der Mossad so. 95 % Terrors weltweit gehen vom Islam aus Schon Mohammed hat Andersgläubige getötet und vertrieben Fakten sind Fakten Wenn sie jüdische Autoren wollen : Robert Spencer, Bat Yeor
    Lesen sie den Koran 60 % handeln vom Kampf gegen Ungläubige Bassram Tibi ,ein Moslem, beschreibt die Gefahr des radikalen Islamms sehr genau Die saudischen Söldner sind aus allen Hautfarben und Natinoen zusammengesetzt , daher ist ihr Kommentar Schwachsinn . Nemmen sie eine Weltkarte und
    stecken sie von Asien angefangen die Punkte ab , wo der Dschihad tobt Ein fundamemntaler Unterschied zwischen Judentum und Islam ist, das dieser die Welherrschaft anstrebt
    Sie mögen mich nerven als Gutmensch aber sie wollen mir nicht die Scharia aufzwingen, die gerade gebildete Muslime
    ablehnen. Schauen sie den Hinter der Schleier des Terrors
    an über die Taliban. Wurde von einer liberalen Muslima unter Lebnsgefahr gedreht., der absoulute Horror. Religion ist nur solange akzeptabel wie die Menschrechte nicht verletzt. Ich versuche von den
    besten Denkern zu lernen ,die Religion ob Jude,Christ oder
    Moslem ist mir als Agnostiker egal. Ständigen Sonderegeln
    und Sonderechte das zurück weichen vor orthodoxen Muslimen
    hat Broder (Agnostiker wie ich )in seinem Buch: Wir Kapitulieren als europäisches Problem beschrieben Sind die Demos der Kurden angesichts der ISiS eine urgermanische Hysterie,- ein Schwachsinn und angesichts jüdisch- calvinisten Herkunft meiner Grosselternn eine Frechheit , die nur die Niederlage der Nazis gerettet hat Deutschland wurde auch von jüdischen GI und Rotarmisten vom totaltären Horror befreit und deutsche Juden haben die Allierten später beraten.
    Es gibt kein Nazi Gen auch keine urgermanische Hysterie, das ist echter Rassismus auch kein
    Salafismus Gen aber totalitäre Ideologien die den Menschen
    Verstand und Humanität rauben Als Freidenker wäre ich in Israel zwar der Goi aber im Iran oder Gaza ein toter Mann.
    Eine Religion die in Sure 4 /89 die Ermordung von Aposten
    Agnostikern befielt ist nicht akzeptanbel ( Todesfatwas )
    Hat Broder als jüdischer Agnostiker vom Oberrabbinat eine
    Todesfatwa bekommen wie zahlreche EXmuslime ? Lesen Sie Tibi
    der beschreibt die Gründe für Misere der arabischen Welt
    sehr genau. Es gibt keinen Fortschritt ohne Freiheit
    des Wortes. Fanatismus verblödet egal ob Jude, Christ
    oder Moslem oder Poltische Korrektheit die Religion der Linken.
    Durch Schoa ist in Deutschland, anders als in England wo
    “ Mischehen “ haüfig sind , ist das deutsch -jüdisch Verhältniss zu einer hochneurotischen Hassliebe geworden Engländern wird nicht bei jeder kritischen Äußerung gleich Antisemitismus vorgeworfen, da war Leo Trepp sachlicher. Feindbilder können sachlich begründet sein lesen Sie die Charta der Hamas wo offen von Vernichtung _ Ermordung der Juden und Gottlosen (wie mich) gesprochen wird. 10- 20 % von gutorganisierten Fantikern reichen für einen totaltären
    Horror Auch radikale Zionisten wie Rabbi Kahane haben Feindbilder Araber mochte er nun wirklich nicht ! Auch Herzl
    wirklich ein Humanist alter Schule ,sah die Araber als schmutzig und primitiv an , was man nachlesen kann Feindbilder haben nicht nur die Goi !
    Hat nicht Ben Gurion davon gesprochen das auch der jüdische Staat auch jüdische Faschisten haben wird ?
    Übrigens die Zahl der fantischen Moslems ist nach Schätzungen 10-15 mal grösser als die der Nazis ,daher kann
    die Weltherrschaft des Islam nicht ausgeschlossen werden.
    Wenn ich Heine oder Leo Trepp oder Tibi lese beschäftigwen mich ihre Gedanken nicht ihre Religion Vor 30
    Jahren wo die Welt noch säkularer war , spielte die Religion keine so grosse Rolle, es nervt. Es zählt der Mensch, ,Religion ist Privatsache Übrigens es gab eine Muslimische Waffen SS und der Chef der
    Moslembrüder Husseini war ein glühender Anhänger Hitlers Die Einheiten der
    Moslem SS haben noch babarischer und grausamer im Warschauer
    Getto gemordet (Samand Der islamische Faschismus ) Für das Buch bekam er eine Todesfatwa ,das ist die Toleranz der islamischen Imane Auch das Judentum kennt den Märtyrer
    Tod auf dem Pfade Gottes J. Flavius beschreibt als Jude
    den Fanatismus der Zeloten sehr genau Nach Flavius der auch
    römischer Bürger war, haben die Zeloten die Kompromis bereiten jüdischen Geschwister reihenweise als Veräter ermordet. Fanatismus und totaltäre Hysterie ist ein allgemein menschliches Problem ,
    auch ein jüdisches. Tendenzen zur Inquisition siehe Spinoza
    gibt es auch im Judentum den die Protektion reicher Protestanten; die seinen grossen Geist erkannten, rette. Die logische Schärfe der Argumente zählt Herr Poessner und nicht ob jemand Goi oder Jude ist Übrigens
    europäische Juden ,dieses können Genetiker nachweisen haben bis zu 90 % Goi Gene , da werden die Kahanisten aber böse werden , ist nix mit der Rheinheit des Jüdischen BLutes , dass wusste auch leo Trepp
    Es grüßt ein Agnostiker und 1/8 Jude nach Nazi Wahn

    1. avatar

      Genau, „israelmylove“: Sie lieben Israel nicht, Sie hassen Muslime. Ihr gutes Recht, aber ziehen Sie Israel nicht hinein.

  2. avatar

    Das Menschenrecht auf eine Heimat haben nicht nur Juden sondern auch Armenier und Kurden So wie die Juden hart für ihre Heimat Israel militärisch kämpfen müssen , so
    kämpfen heute die Kurden ( ca 10-15 % der Kurden sind jüdischen Glaubens) ums nackte Überleben und ein eigenes Kurdistan .
    Beide Völker müssen unter grossen Opfern sich die islamischen
    Fanatiker vom Leibe halten Hertzl, ein Lebemann mit leider schwachem Herzen ,der Kultur und schöne Frauen liebte, wollte
    in seinem Buch Der Judenstaat die positiven Seiten Europas
    übernehmen _ Aufklärung – Technik ohne die negativen Antisemitismus und Fanatismus. Von einen Haredim Gottestaat
    hat er nicht getraümt die Haskala war ihm eine Herzensangelegenheit Wäre die Schweiz ein jüdischer Staat
    wäre dieser Traum Wirklichkeit geworden. Doch leider liegt
    Israel in einer Gegend die vom religösen Fanatismus geprägt ist Erbarmungslose Kriege zwischen Sunniten der ISIS und
    Schia – Hizbolla, die mit grosser Grausamkeit geführt werden und Israel im Auge religösen Hurrrikans Die linken, Idioten
    die den Zionismus verantwortlich machen, kennen nicht den
    Abgrund tiefen Hass der seit 13 jahrhunderten unter den Muslimen wütet. Es ist eine Tragödie biblischen Ausmasses
    das Israel den Juden weniger Schicherheit und Wohlstand bieten kann als Nordamerika. Mohammed zu den Juden:
    Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod. Es ist ein Wunder wie das jüdische Volk trotz aller Verfolgung human geblieben ist und nicht den Hass wie die meisten Muslime zur Maxime gemacht hat, es ist das Volk des Bundes. Nicht nur Juden und Christen auch Hindus, Buddisten, Konfuzianer stehen im Abwehrkampf gegen weltweiten Dschihad die Talibanisierung der Erde wäre das Ende der Zivilisation ; _Ein Horror gegen den selbst Hitlers und Stalins verblasst.
    Für Israel und das Leben- Schalom !

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      Wieso habe ich den starken Eindruck, „israel, my love“, dass Sie nicht jüdisch sind, sondern Vertreter der urgermanischen Hysterie, die ohne Feindbild nicht auskommt? Lektüreempfehlung: Ari Shavit: My Promised Land. Warnung: Das ist nur etwas für wirkliche Zionisten.

      1. avatar

        ImL hat recht: „urgermanische Hysterie, die ohne ein Feindbild nicht auskommt“ ist genauso rassistisch, wie Sie es sonst gegen Deutsche sind.

        Welche Identität kommt denn ohne ein Feindbild aus? Die Angelsachsen, die Kommunisten, die Feministinnen oder die Islamisten vielleicht? Hmmm…dort sehe ich noch immer Feindbilder, die in manchen Fällen sehr real sind: die „Bourgeoisie“ will nun nicht mit dem Horror des Linksismus zwangsbeglückt werden, die Feministinnen glauben an eine Verschwörung der Männer und die Islamisten an eine des Westens, weil die Westler nun mal deren Ideologien nicht akzeptieren.

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    KJN: Sie hatten vor einiger Zeit (zu Recht) bei mir eingeforert, ich solle Ihnen nichts unterstellen, was Sie nicht geschrieben hätten. Daß Sie sich selber z.B. bei mir nicht daran halten können, zeigt ziemlich exakt die Nebenwirkungen, von denen ich schrieb. Gute Besserung!

    Na ja, Ihr Bekenntnis – Wenn ich mich an die Friedensdemos der 80er Jahre in Deutschland, an denen auch ich teilnahm, erinnere, brauche ich zum Verständnis der Angst vor Nuklearwaffen und der Auslöschung keinen Schuldkomplex. hat bei mir mir den Sozialisten vermuten lassen. Als was sind Sie denn ‚marschiert‘?

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    @Kerstin: Aber trotzdem 2 Dinge meinerseits dazu: Natürlich können Sie wie jeder Mensch genauso schuldig werden, wie es die Vorvätergeneration geworden ist. Zumindest was das Dulden, Weg schauen oder auch lautstarke Unterstützen angeht. Das bedeutet ja gerade der Begriff von Verantwortung: dass man sich bewusst darüber ist, dass es auch anders möglich ist und was das bedeutet. Dass man sich dagegen entscheidet. Wäre es anders, könnte man sich zurücklehnen und sagen: Das waren Monster, jetzt sind sie fast alle ausgestorben, damit ist das Problem erledigt.
    Zum zweiten: wenn man den Juden einen höheren IQ bescheinigt, ist das gelinde gesagt eine sehr merkwürdige Form von „Philo-„. Von der Sache her ist das eine höchst voraussetzungsreiche und zweifelhafte Behauptung, und unter Liebe stelle ich mir etwas völlig anderes vor.

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    @Kerstin: Ihre Gedanken richten sich an Parisien, nicht an mich. (Ich persönlich hätte einem Philosemitismus übrigens nichts vorzuwerfen. Wenn man etwas liebt, hebt man es positiv hervor, und solange das Bevorzugte nichts Schlechtes ist, lässt sich gegen eine solche Liebe, die ja immer bevorzugt, nichts sagen. Klar – wenn man dann aus enttäuschter Liebe plötzlich zum Antisemiten mutiert, dann ist das etwas anderes. Thomas Mann bezeichnete sich übrigens als Philosemiten.)

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    Sie wissen schon, daß der Zionismus auch nichts anderes als ein Nationalismus ist und der Zionismus von Anfang an eine höchst intolerante Sache war, haben doch Zionisten wie der Diktator aus Österreich sich gegen Mischehen ausgesprochen, damit das Judentum nicht seiner Herrlichkeit durch fremdes Blut beraubt wird und die Juden sich nicht in die europäischen Nationalstaaten integieren. Man darf nie vergessen, daß die jüdischen Deutschen im ersten Weltkrieg begeistert für das Reich in den Krieg zogen, weil sie sich als Deutsche jüdischen Glaubens oder als Menschen jüdischen Glaubens und deutscher Nationalität fühlten.

    Im Grunde stehen Zionisten für nichts anderes als die vielen Gruppen reliöser Eiferer im Namen des Judentums in der Antike, die im Namen ihrer eigenen Ignoranz und Arroganz Krieg gegen Fremde, hellenistisch geprägte Juden und auch hervorragend im römischen Reich integrierte Juden führten oder auch Juden, die ihnen nicht Jude genug waren, weil Juden sich für die Kultur und das Denken anderer interessierten. Wir sollten nie vergessen, daß das Judentum sogar einen seiner wichtigsten Feiertag dem Andenken von religiösen Extremisten widmet, die freigeistige Juden und Fremde bekriegten. Ich kann über solche Dinge nicht einfach hinwegsehen, wenn ich jede Religion, Kultur, … an Hand der gleichen Maßstäbe behandeln will.

    Der Zionismus führte zu den Konflikten im ehemaligen britischen Mandatsgebiet. Der Zionismus ist keine gute Sache und auch keine die Verteidigung verdient. Ich kenne zumindest einen Menschen, der für Israel schwärmt, gerne dort geblieben wäre nach seiner Doktorarbeit, aber heute froh ist, hier zu sein, auch weil es bei uns nie nötig war einen Pfarrer in einen Rettungswagen mitzunehmen, der den Leuten begreiflich machen muß, daß der Rettungswagen am Sonntag unterwegs ist und auch niemand davon bedroht ist im Auto gesteinigt zu werden, weil er eben sein Leben keiner Religion oder religiösen Tabus unterwirft.

    Eine Demokratie, die die Menschenrechte anerkennt, darf keine Staatsreligion haben, eine Staat mit einer Staatsreligion ist eine Gefahr für sich und andere, weil die Menschenrechte dort nie anerkannt sind.

    Wieso sind sie im Falle des Judentums und Israels so weich, wenn es um die Säkularisation oder um die Religionskritik geht, wer für solche Dinge eintritt im Namen der Menschheit und für den Humanismus und die Menschenrechte, kann sich keine Ausnahmen leisten, solche Ausnahmen sind Verrat an den großen Idealen und eine gute Ausrede für andere gegen diese Ideale in den Krieg zu ziehen.

    Die Welt und Menschheit können auch ohne das Judentum gut leben, sie können ohne Israel leben, sie kann auch ohne Deutschland oder das Christentum gut leben. Die Juden, was man auch immer darunter verstehen soll, Anhänger einer Religion, Leute unterschiedlicher ethnischer Abstammung, die wider besseren Wissens glauben ein Volk und vom selben Blut zu sein, Leute, die einer arme Schweine verachtenden Kultur angehören, weil deren Bestimmung es nun einmal ist als lebende Mülleimer für für die Natur und dem Menschen zu dienen und dabei noch einen großartigen Intellekt auszubilden, lassen sie sich mit Menschen ein, oder die menschlichen Superwaffen für die Erzchristen im endzeitlichen Krieg.

    Wo heute Israel ist, waren schon viele Reiche, viele Völker ansässig und waren schon viele Religionen und Kulturen daheim, was ist mit den Nachkommen dieser Reiche und Zivilisationen, die haben doch eigentlich auch einen Anspruch, auch wenn sie noch nie systematisch verfolgt und ausgerottet werden sollten.

    Israels Gründung war fragwürdig, weil sich die Leute damals keine Gedanken über die Zukunft gemacht haben und sie aus religiöser Nostalgik es schick fanden, daß Leute Land bekamen, das ihre Ahnen in der Regel schon vor Jahrtausenden verlassen hatten. Einreißen kann man Israel heute nicht mehr, die Leute dort haben sich an ihre Heimat gewöhnt und ihre Nachkommen kennen nichts anderes mehr, man kann einen Staat, auch wenn er problematisch ist bzw. als problematisch angesehen wird, nicht einreißen. Man muß das Beste aus der Angelegenheit machen und hoffen, daß die Leute häufiger als normal ein wenig Besonnenheit bei der Wahl ihrer Führung zeigen.

    Es sind ja nicht nur die Israelis, die sich weigern mit ihren Nachbarn Fußball zu spielen, um alte Feindschaften und böses Blut zu überwinden, die Nachbarschaft will es ja auch nicht anders, weil dieses dem Feind oder dem Fremden begegnen am Ende wirklich für Ruhe sorgen könnte, weil man die Wut auf dem Fußballplatz abbauen kann und den Gegner im Sinne des Sports zu respektieren lernt, wenn auch am Anfang nur um bei den Wetten keine sinnlosen Totalverluste zu machen.

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    @Roland Ziegler: Ihre These: Wenn der Holocaust starke Schuldgefühle ohne eigenen Anteil an ihm hat, kann Antisemitismus als Folge entstehen. Wenn er über das Leid Mitleid auslöst, kann als Folge Philosemitismus (selektiv!) entstehen. Wenn Philosemiten feststellen, dass Juden genauso Vollpfosten sein können wie andere Gruppen, kann daraus wiederum Antisemitismus entstehen.

    Jetzt sind wir wieder beim Wort Antisemitismus .
    Also ich will mich an Ihrer These versuchen. Der erste Teil: Wenn der Holocaust starke Schuldgefühle ohne eigenen Anteil an ihm hat, kann Antisemitismus als Folge entstehen.

    Für mich ist das eher Abwehrverhalten. Kinder wollen ihre Eltern + Großeltern usw. lieben. Sie erleben Sie ja im alltäglichen Umgang meist als liebend. Gleichzeitig steht die Aussage: Die Mörder sind unter uns, auch auf Grund mangelnder Aufarbeitung durch die Justiz nach dem 2. Weltkrieg. Kann man oder will man sich Familienmitglieder oder Nachbarn als Mörder vorstellen? Das moralische Versagen einer ganzen Generation (eines ganzen Volkes), wie ist das zu ertragen? Vielleicht kommt noch die Theorie der ererbten Eigenschaften hinzu. Kann ich auch so sein? Ist dies Teil meiner Gene? Wie der Vater so der Sohn? Gleichzeitig ist antisemitisches Denken nicht mit Kriegsende verschwunden, existierte weiter. Wenn ich dann als Kind oder Jugendlicher bei der kleinsten Verfehlung ermahnt oder bestraft werde (wehret den Anfängen), kann ein Schuldkomplex entstehen.

    Dies alles kann für mich dazu führen, sich vermehrt mit dem Thema Juden und Israel zu beschäftigen, unter Umständen selektiv, nicht ausreichen, schlechte Quellen und nicht ergebnisoffen (Bestätigung von Vorurteilen). Wenn diesem Beschäftigen dann ein Antisemitismusvorwurf folgt, kann auch Antisemitismus entstehen oder verstärkt werden. Manchmal kann es auch heilsam sein, zu sehen, „dass Juden genauso Vollpfosten sein können wie andere Gruppen“ (Ihre Aussage). Wenn Philosemiten behaupten, dass Juden einen 15% höheren IQ haben und damit Juden wieder zu etwas besonderen machen, kann Antisemitismus entstehen.

    Und zu ihrer Aussage vom 28. Februar 2012 um 10:46. Genau, es sollte andere Gründe für den Schutz Israels geben und es gibt sie ja auch. Schuldgefühle sind keine guten Berater.

    @KJN: Ich denke Schuld ist etwas sehr persönliches und kann zur Verdrängung führen, z. B. das nicht wahr haben wollen, dass sehe ich auch so. Für mich liegt die Ursache meiner Verdrängung darin, dass ich mir wahrscheinlich wusste, dass ich nicht angemessen reagiert habe und unmoralisch, gefühllos usw. erscheinen musste. Bestätigt wurde dieses noch durch die Ausgrenzung und Bestrafung und ich musste es verdrängen, da es mir auch später niemand erklärte hat. Das ist meine Schuld an dem Ort. Mit dem Satz „Was bist du nur für ein Mensch.“ hat sie auch noch meine Menschlichkeit in Frage gestellt, in einer solchen Situation schier unerträglich. Ich hatte immer Angst vor Wiederholung.

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    @ Lyoner
    Kann mich nur RZ anschließen. Und Broder. Es ist egal, was sie machen, die Israelis, weil die Gegner in der Charta stehen haben, dass sie sie da weg haben wollen.

    Aber ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie kämen hierher, bekämen, sagen wir, einen Teil von Ostholstein und Westmecklenburg oder Ostmecklenburg und Polen oder Niedersachsen und NRW – glauben Sie, dass wir in 64 Jahren hier eine so verfahrene Situation hätten wie dort unten? Dort unten leben keine Michel. Michel hat Vor- und Nachteile.

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    @Lyoner: Wie wäre es, wenn Sie von Ihren Narrativen mal kurzzeitig ablassen würden und die heutige Situation Israels und seiner Umgebung nur ausnahmsweise und ganz unheuristisch-unhistorisch betrachten würden? Dann sehen Sie eine liberale Demokratie und eine Menge despotischer Staaten drum herum, die der liberalen Demokratie z.T. extrem feindlich gegenüberstehen. Die Ursachen für diese Feindschaft interessieren uns jetzt wie gesagt erstmal nicht. Wir gucken genauer in das Bild dieser Staatenlandschaft und sehen: Die liberale Demokratie ist politisch, kulturell und technisch auffallend hoch entwickelt, d.h. es gibt Forschungseinrichtungen, Universitäten, Kunst, Religionsausübung in verschiedener Ausprägung, politische Gleichberechtigung, Minderheitenschutz usw. In den umgebenden Staaten gibt es wenig Vergleichbares, aber vieles, das wir lieber nicht sehen würden. Ausgehend von diesem Bild, dieser „Momentaufnahme“, können Sie umstandslos zu dem Schluss kommen, dass dieser Staat Israel schützenswert ist, sogar als Vorbild für die anderen Staaten dienen kann. Für diese Erkenntnis brauchen Sie keinen Narrativ.

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    Lyoner: “… Jesus war allein zum Volk Israel gesandt.”
    Schade, dass es dabei nicht geblieben ist – dann wäre uns manches Heil und Unheil erspart geblieben.

    … Sie sind nicht der Erste und werden nicht der Letzte sein, dem bei seiner letzten Ölung das große Jammern ankommt.

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    @ Parisien

    Sie schreiben: „@ Lyoner
    Sie haben meine Frage nicht beantwortet (comment 100), während ich die Ihrige beantwortet habe.“

    Nur ned huudle, sagt man dort, wo unsere verehrte Frau Groda residiert, so schnell schießen die Preussen nicht, sagt man wahrscheinlich dort, wo Sie residieren. Außerdem geht es mir nicht schlechter, wenn ich wieder einige Tage off-line bin. Tut mir leid, wenn ich Sie dann auf die Folter spanne und etwas warten lasse; das behindert ja offenbar nicht Ihre Produktivität im Kommentieren.

    Was man so „beantworten“ nennt; ich habe Sie ja z.B. nicht gefragt, welche Vorstellungen es „in zahlenmäßig nicht zu unterschätzenden muslimischen Kreisen“ gibt, sondern ob die von Ihnen ausgemalte Herrschaft der Muslime über die Juden ante portas steht. – Nun zu Ihrer Frage, auf die Sie noch eine Antwort erwarten:

    „Dann fragten Sie: “Nochmals zu meinem Argument, dass das Opfer-Narrativ für Israel eher schädlich als nützlich, eher ideologischen Charakter hat: Kann man aus der Geschichte lernen?”

    Was genau meinen Sie damit? Das sollten Sie spezifizieren.“

    Dies hatte ich zwar schon in meinem Kommentar (http://starke-meinungen.de/blo.....ment-12444) spezifiziert, aber wohl noch nicht ausreichend:

    „Möglicherweise, wenn man sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede von jeweiligen Konstellationen abwägen kann. Mir scheint jedoch, dass die Wahrnehmungen in Israel und im weltweiten Judentum durch stereotype und sklerotische Gedenkmuster bestimmt sind. Seit Jahrtausenden wird der “Feinde Israels” gedacht, Amalek (dessen gedacht wird, indem sein Andenken getilgt werden soll), Haman, Edom; im letzten Jahrhundert kam noch “Hitler” dazu, der dann als Wiedergänger am Nil (Nasser), als Hitler vom Euphrat (der mit den Massenvernichtungswaffen), Hitler von Ramallah und Hitler von Teheran herumspukt. Also, wenn man “Hitler” sagt, gibt es doch keine Wahl mehr, keine alternative politische Option, nicht wahr?“

    Das Narrativ, an dem Sie, Alan Posener, KJN, Roland Ziegler, Rita E. Groda stricken, läßt sich doch mit einer nur leichten Zuspitzung folgendermaßen darstellen:

    Israel ist eine außergewöhnlich friedliebende Nation, die nur deshalb nicht den erwünschten Frieden schließen kann, weil sie gestern, heute und morgen, wo sie geht und steht, von feindseligen und bösen Nachbarn umstellt und bedroht ist. Diese Feindseligkeit hat gestern, heute und morgen gar nichts mit dem Verhalten der Juden/der Israelis zu tun, sondern, wie es der unvergleichliche Henryk M. Broder auf den Punkt gebracht hat:

    „Zunächst einmal hat der Antisemitismus [Antizionismus] wenig mit Juden [Zionisten] und gar nichts mit deren Verhalten zu tun. … Was auch immer der Jude [Zionist] tut (oder unterlässt) , der Antisemit [Antizionist] macht ihm das zum Vorwurf. Deswegen nutzt es nichts, wenn der Jude [Zionist] sein Verhalten ändert, um dem Antisemiten [Antizionisten] entgegen zu kommen… Basiert der Antisemitismus [Antizionismus] also auf hysterischen Ängsten, Erfindungen, Projektionen und Neidgefühlen, haben die Xenophobie, Islamophobie, Arachnophobie, Agoraphobie e tutti quanti eine reale Basis.“

    Da man in dieser Sicht den Feind nur als essentiellen exterminatorischen Feind (in der traditionellen jüdischen Gedenkkultur die Archetypen Amalek und Haman, neuerdings „Hitler“) sehen kann, schränkt das natürlich die Wahlmöglichkeiten, Optionen israelischer Politik ein, kann Israel nicht anders, als diese Feinde mit eiserner Faust im Zaume zu halten, ansonsten mit Roland Ziegler von den guten „ferne Zeiten“ träumen (verschieben) oder mit Alan Posener auf einen utopischen „semitischen Bund“ spekulieren.

    Dieses Narrativ zeigt sich auch sehr schön in Ihrer Feststellung „Die Israelis, die von Lyoner als Täter betrachtet werden (hoffentlich wehrt er sich dagegen), von mir dagegen als Staat in einer äußerst diffizilen Situation…“ Letzterem stimme ich zu, aber warum sollten Israelis nicht auch „Täter“ sein können, d.h. Akteure, nicht nur Re-aktionäre in der Geschichte? Ich hoffe, dass Sie sich erinnern, dass ich mehrfach in Diskussionen gegen Auffassungen wie „Täterkollektiven“ argumentiert habe. Also, warum sollte ich mich hier wehren?

    Dagegen kann man doch auch eine andere Sichtweise, ein anderes Narrativ stellen? Es ist doch symptomatisch, dass in diesem Thread so intensiv über Schuld/Schuldkomplexe in ihrer Auswirkung auf „Israelkritik“ bzw. philosemitisch motivierte Israelaffirmation diskutiert wurde, dass dadurch der Blick getrübt wird. Ich schlage vor, mal aus den deutschen Verrenkungen, den moralischen Turnübungen herauszutreten und probeweise ein anderes Narrativ zu testen:

    Der Zionismus mag, wie Alan Posener, seinen Ursprungsimpuls im europäischen Nationalismus verbunden mit Antisemitismus haben, ist aber auch eine nationale (nationalreligiöse) Bewegung sui generis und ein spätkolonialistisches Unternehmen. „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ (http://www.freitag.de/communit.....e-phrase-i, http://www.freitag.de/communit.....-phrase-ii, http://heplev.wordpress.com/20.....ohne-land/) – ein politisches Unternehmen, das so benevolent auch immer gedacht, auf den Widerstand der dort ansässigen Bevölkerung stossen mußte. Man darf sich das Aufeinandertreffen als ein Encounter zwischen einer einer weit überlegenen, schlagkräftigen Organisation und einer noch wenig organisierten und zersplitterten Stammeskultur vorstellen, die sich in Reaktion auf den „Eindringling“ nationalisierte. In den aufeinanderfolgenden Kriegen hat Israel seine Dominanz gefestigt. Die Ambitionen der „Palästinenser“ werden delegitimiert, deren Widerstand wird nicht als Reaktion auf die Aktionen der Israelis gesehen, sondern im Sinne der Broderschen Definition pathologisiert und dämonisiert. Unter dem Deckmantel von Sicherheitsinteressen und des „Friedensprozesses“ wird peu á peu die Annexion der Westbank, sprich der jüdischen Stammlande Judäa und Samaria durchgeführt (http://www.tagesspiegel.de/pol.....32398.html). Nicht diskutiert wird, welchen Status die Palästinenser in den Zonen A, B und C haben sollen (Transfer, „Autonomie“ in Palistans, gleichberechtigte Bürger?).

    In Narrativ 2 hängt die Lösung des Konfliktes auch vom „Verhalten“ der Israelis ab, sie können ihren Beitrag leisten, sie können ihr Verhalten auf seine Effekte überprüfen, sie sind Subjekte der Geschichte; in Narritv 1 haben die Israelis keine Wahl, sind Objekte der Geschichte, womit man m.E. diesem weltgeschichtlich bedeutsamen Volk nicht gerecht würde. Was meinen Sie, ist Narrativ 2 falsch und weshalb?

    Ist Ihnen deutlich geworden, warum ich das Narrativ 1 als gefährlich für Israel bezeichne, eine sklerotische Fehlwahrnehmung?

  12. avatar

    @ KJN

    Sie schreiben: „… wirklich Propaganda und wenn Sie was dagegen halten, unterstellt man Ihnen erstmal Unkenntnis und wenn man merkt, daß Sie die Verhältnisse etwas kennen, Interessen, Verbohrtheit oder Verstrickung in moralische Fragen, den Holocaust betreffend.“

    So keilen beide Seiten. Dieser Herangehensweise bei den Einzigwahren Freunden Israels habe ich einige Jährchen den gleichnamigen Blog gewidmet. Es bleibt auf beiden Seiten steril, auch wenn man aus den broderschen Interventionen den einen oder anderen Witz schlagen kann.

    @ derblondehans

    „… Jesus war allein zum Volk Israel gesandt.“

    Schade, dass es dabei nicht geblieben ist – dann wäre uns manches Heil und Unheil erspart geblieben.

    @ Parisien

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    Parisien: Vielleicht tun sich Christen deswegen so schwer, auch erfolgreiche Menschen zu lieben. Und dann ist da noch die Sache mit dem Reichen und dem Kamel und dem Nadelöhr. Ich nehme das dem Christentum übel: Der Erfolgreiche, sprich oft der Reiche, wird von ihm von Anbeginn an ausgeschlossen. Also hat es jemand aus dem jüdischen Umfeld, in dem es prozentual mehr Erfolgreiche gibt (Nobelpreis), mit dem Christentum grundsätzlich schwer.

    … so ein Unsinn, was Sie hier schreiben. Beschäftigen Sie sich mit der Historie, dann wird Ihnen geholfen. Zum Beispiel wer bis 1919, was die Nobelpreisverleihung angeht, England Frankreich, Amerika u.a. zusammen ‚in die Tasche steckte‘. Und dann – warum das nicht mehr so ist. Kann es sein, dass das ‚Preußische Bildungssystem‘ allen anderen weit voraus war? Soweit, dass es, um mit es Ihren Worten zu schreiben, ’neidisch‘, zerschlagen wurde?

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    Das war die bisher hochwertigste Diskussion über Israel auf diesem Forum.

    Dem letzten Gedanken von Parisien kann ich nur voll zustimmen. Obschon ich für Nationalismus und Patriotismus von Haus aus nicht prädisponiert bin, ist diese Betrachtung außerordentlich zutreffend.

    Ersetzen Sie, liebe Parisiene „verweigern“ mit vermiesen, dann sind Sie beim bis heute andauernden Aggregatzustand meiner Generation.

    Daß uns bei der Nationalhymne immer noch leicht übel wird, man die Flagge nur bei der WM heimlich und verschämt am Gartentor hißt und Volkslieder generell mit Nazi-Gedankengut assoziiert, war ein unbewußtes Verbrechen der Alliierten.
    Wir sind nicht nur wegen schrecklichen Verbrechen der Nazis vaterlandslose Gesellen geworden. Wir wurden geimpft gegen einen bösen Virus, was richtig und verständlich ist; allerdings hat uns das tatsächlich leichter verführbar gemacht, als wir selbst vor uns zugeben.

    Insgeheim beneide ich Briten und Franzosen glühend um ihre bewußte Identität, auch wenn ich nicht zum Nationalisten geschaffen bin.

    Daß hier bei dieser Diskussion Heine, Goethe, Mann und Tucholsky in einem Atemzug genannt werden – das läßt mich für unser Land hoffen.

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    @ Alan Posener:
    Der Thread läuft langsam aus. Sie haben hier Kommentatoren, die in unterschiedlich starker Ausprägung auch positive patriotische Gefühle zum Ausdruck bringen können, bis auf einen, der Nationalist ist. daher komme ich auf diesen Satz von Ihnen zurück:

    „Für mich verbindet sich Nationalismus immer mit Engstirnigkeit, Antisemitismus, Xenophobie, Dummheit.“

    Ich finde, dass Sie zwischen Nationalismus und positiven Gefühlen im Sinne eines moderaten Patriotismus stärker differenzieren sollten. Wenn man den Deutschen und auch den übrigen europäischen Bevölkerungen den Bezug auf ihre Kultur verweigert, kommt Xenophobie und Nationalismus m.E. erst auf. MfG

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    Sowas können große Dichter auch verfassen, es soll aber hoffentlich Komik sein:

    „Die Juden, wenn sie gut, sind sie besser, wenn sie schlecht, sind sie schlimmer als die Christen.“

    Heinrich Heine – Zitate und Sprüche Heinrich Heine
    deutscher Dichter (1797 – 1856)

    @ Roland Ziegler, Fortsetzung:
    These: Wenn der Holocaust starke Schuldgefühle ohne eigenen Anteil an ihm hat, kann Antisemitismus als Folge entstehen. Wenn er über das Leid Mitleid auslöst, kann als Folge Philosemitismus (selektiv!) entstehen. Wenn Philosemiten feststellen, dass Juden genauso Vollpfosten sein können wie andere Gruppen, kann daraus wiederum Antisemitismus entstehen.
    Auch ich ging durch eine Phase von Philosemitismus. Leid – Mitleid – Liebe – Philosemitismus. Als ich feststellte, dass es in dieser Gruppe auch besagte Vollpfosten gibt, fiel ich zurück auf die Erde und nicht weiter. Ich kam zu dem Schluss, dass es schlicht und einfach so ist wie bei allen Gruppen und dass man die Vollidioten verdauen oder ignorieren muss, und ein aus dem Holocaust abgeleiteter Philosemitismus schädlich, weil unrealistisch ist, weil man die Geschädigten überhöht, ja, fast heilig spricht und damit wiederum gefährdet. So betrachtet, mag mancher Antizionismus aus dieser Ecke kommen: Erst Mitgefühl oder auch Schuld, dann Überhöhung und danach die Erwartungshaltung, dass die Heiliggesprochenen sich benehmen wie Heilige und dann so unselige Formulierungen wie „aus dem zweiten Weltkrieg lernen“. Wenn die vorher Heiliggesprochenen dann mit Nazis verglichen werden, ist das Fass endgültig übergelaufen. Das Ganze ist ziemlich verschroben. Und falls ein falsch verstandenes Christentum dafür verantwortlich ist oder die neue Religion Gutmenschlichkeit, ist das natürlich bedenklich.

  17. avatar

    @ Lyoner
    Sie haben meine Frage nicht beantwortet (comment 100), während ich die Ihrige beantwortet habe.

    @ Roland Ziegler
    „Wenn man allerdings andererseits das zentrale und entscheidende Bild in den Kirchen betrachtet, den gekreuzigten Jesus, dann sieht man in erster Linie ein Bildnis von Schuld. “Wer hat dieses Unrecht verbrochen?”, würde man sich fragen, wenn man das Bild unbefangen betrachten könnte, und: “Warum wird uns das vor Augen geführt; was haben wir damit zu tun?” Dieses Bildnis zeigt Grausamkeit, Schuld und Leid; es wird erst nach gehöriger christlicher Erläuterung zu einem Bildnis der Liebe. Die christliche Liebe lässt sich demnach als eine Auflösung von Schuld verstehen.“

    Vielleicht hat Navid Kermani das deswegen nicht verstanden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe durchaus etwas für Navid Kermani und sein Buch „Hiob, Attar und der Schrecken Gottes“ übrig und konnte nachvollziehen, warum er Schwierigkeiten mit der Kreuzigung hat.

    Was Sie dort anführen „Wer hat dieses Unrecht verbrochen?“ hat im Grunde eine Antwort: Jesus selbst, denn er wollte es so und nicht anders.
    Aber diese Frage an sich ist ungehörig. Sie führte zu einer Antwort, die a) unrichtig erscheint und b) natürlich eine Quelle des Antisemitismus war.
    Sie haben wohl Recht. Das Leid und die Liebe sind im Christentum eng verknüpft. Vielleicht tun sich Christen deswegen so schwer, auch erfolgreiche Menschen zu lieben. Und dann ist da noch die Sache mit dem Reichen und dem Kamel und dem Nadelöhr. Ich nehme das dem Christentum übel: Der Erfolgreiche, sprich oft der Reiche, wird von ihm von Anbeginn an ausgeschlossen. Also hat es jemand aus dem jüdischen Umfeld, in dem es prozentual mehr Erfolgreiche gibt (Nobelpreis), mit dem Christentum grundsätzlich schwer.
    Ich glaube, das Leid steht hier mehr im Vordergrund. Die Schuld, also dieses „Wer hat das getan?“ haben doch erst Antisemiten ausgebuddelt. Oder auch Luther, wer weiß.
    Die Frage lautet für mich eher: Warum wollte Jesus dieses Leid auf sich nehmen und von so vielen Idioten die Sünde?

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    @Parisien: Das ist ein sehr gutes und interessantes Zitat von Thomas Mann. Apropos Nietzsche, „Lehrer und Führer“ von Thomas Mann und extremer Kritiker des Christentums. Hier im Blog wurde mehrmals zu Protokoll gegeben: „Ich haben keinen Schuldkomplex“. Mich würde mal interessieren, was bei einer repräsentativen Umfrage zum Thema „Haben Sie einen Schuldkomplex?“ herauskäme. Vermutlich, dass nur eine verschwindende Minderheit einen Schuldkomplex hat. Dies wäre einerseits ein erfreulicher Befund im Sinne eines unbeschwerten Lebens. Wenn man allerdings andererseits das zentrale und entscheidende Bild in den Kirchen betrachtet, den gekreuzigten Jesus, dann sieht man in erster Linie ein Bildnis von Schuld. „Wer hat dieses Unrecht verbrochen?“, würde man sich fragen, wenn man das Bild unbefangen betrachten könnte, und: „Warum wird uns das vor Augen geführt; was haben wir damit zu tun?“ Dieses Bildnis zeigt Grausamkeit, Schuld und Leid; es wird erst nach gehöriger christlicher Erläuterung zu einem Bildnis der Liebe. Die christliche Liebe lässt sich demnach als eine Auflösung von Schuld verstehen.
    Hier gibt es also eine ganz andere Quelle für einen kollektiven Schuldkomplex, den wir selten bei uns, aber oft genug bei anderen feststellen. Die Deutschen bekommen direkt aus ihrer „christlichen Leitkultur“ einen Schuldkomplex vererbt, der dann im Geschichtsunterricht auf die konkrete Schuld der Natigeneration trifft. Manchmal entsteht daraus eine sehr unheilige Allianz.
    Deshalb ist es so wichtig, dass man sich klarmacht, was hier vererbbar ist und was nicht. Der Schuldkomplex ist eine Erbschaft, die viele gemacht haben, ohne es zu ahnen, und die sogar bereichernd sein kann. Aber Schuld an den Verbrechen der Väter bzw. Vorväter haben „wir“ nicht, denn die ist nicht vererbbar.

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    @ KJN

    Was ACTA betrifft: Die meisten Wirtschaftsbereiche in unserer entwickelten Wirtschaft sind bereits weitgehend durcholigarchisiert. Der einzige Bereich, in dem sich unreguliert aus bestehender Information neue wirtschaftliche Betätigung und Fortschritt entwickeln kann, ist das Internet. ACTA wird das abschnüren. So!

    Richtig. Nicht nur Fortschritt, sondern auch Kreativität sind dort vorhanden. Langfristig ist auch für die „Durcholigarisierten“ schädlich, was da geplant wird, weil sie auf frischen Geist und Neuerung angewiesen sind.
    Anderer Punkt: Nehmen wir mal das Herunterladen von z.B. musikalischen Inhalten von youtube. Meine These ist, dass diese dann auch mehr bemerkt und mehr gekauft werden. Die Zahlenclicks sind Werbung. Es wäre also denkbar, dass bei Kontrollen oder Verboten der Umsatz eher zurückgeht.

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    @Parisien
    „Schuld kann zu Verdrängung führen.“
    Soweit klar. Aber nicht Zwangsläufig, sonst könnten wir wohl jegliches Rechtssystem vergessen. Es besteht ja dabei die Hoffnung (sogar hinsichtlich von uns Männern), daß Schuldgefühle irgendwann in Mitleid/Empathie münden (Resozialisierung).
    Nachtrag zum Thema hier: Ich finde, es muss klar sein, daß Schuldkomplexe existieren, es war aber nie meine Absicht, diese jemandem vorzuwerfen. Meine These war dabei, daß sich Antizionismus, vielleicht sogar Antisemitismus aus Schuldkomplexen neu entwickeln können. Es kann beim Einzelnen auch anders laufen, eben im Sinne einer Resozialisierung (s.o.).
    Eine Inkriminierung und/oder Stigmatisierung von Nachkommen von Nazis oder Mitläufern halte ich dabei für völlig überflüssig und sehr schädlich.

    Was ACTA betrifft: Die meisten Wirtschaftsbereiche in unserer entwickelten Wirtschaft sind bereits weitgehend durcholigarchisiert. Der einzige Bereich, in dem sich unreguliert aus bestehender Information neue wirtschaftliche Betätigung und Fortschritt entwickeln kann, ist das Internet. ACTA wird das abschnüren. So!

  21. avatar

    …. darauf beharrten, dass Demokratie nur mit einem demos, einem Volk, funktionieren kann. Sie braucht dazu alle Elemente, die eine liberale Demokratie in einem Nationalstaat ausmachen: eine öffentliche Meinung, die sich durch eine freie Presse äußert und entwickelt, geteilte Ziel- und Wertvorstellungen, ein allseits vorhandenes Bewusstsein einer gemeinsamen Geschichte und ein kollektives Verständnis sowie allgemeine Akzeptanz des Rechtssystems.

    Demos bedeutet mehr als nur eine zufällige Gruppe von Menschen, die in einem bestimmten Gebiet leben. Der Begriff bezeichnet eine Gemeinschaft, die sich hinter diesen Grundwerten einer freien Gesellschaftsordnung zusammenfindet.

  22. avatar

    @KJN: Ja, ich empfinde die Israelkritik auch als sehr gefühllos. Warum? Zunächst kannte ich ja vor allem die palästinensische Perspektive, Auschwitz und die Shoah hatte ich fast völlig ausgeblendet. Was wusste ich schon von Israel oder den Displaced Person nach dem 2. Weltkrieg, da ich 20 Jahre nach dem 2. Weltkrieg geboren wurde. Es ist das Privileg der Jugend mehr in der Gegenwart zu denken als in der Vergangenheit und Zukunft. Hinzu kam sicher auch die in der DDR vertretene Ideologie und meine persönlichen Kontakte zu den Palästinensern, man sagt nicht umsonst: Die Umgebung formt den Menschen. Zu mindestens beeinflusst sie das Denken. Nach der Deutschen Einheit hatte ich erst einmal mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und das Thema Israel und Palästinenser trat zunächst in den Hintergrund. Werden die eigenen Kinder älter, beginnt man über die Vergangenheit nachzudenken und sucht Antworten auf ihre Fragen. Mit den Fragen kamen die Erinnerungen und mein Interesse an den Nahen Osten, Israel und den Palästinensern kehrte zurück. Eine Rolle spielte sicher auch, dass die alte BRD eine andere Israelpolitik hatte als die DDR, das war zunächst auch irritierend, deshalb wollte ich auch meine Einstellungen überprüfen. Allerdings habe ich nicht die aktuelle Presse bemüht, ich lese lieber Bücher. Zeitungen sind oft parteiisch, zu aktuell, punktuell oder eben Mainstream.

    Wenn ich solche Bücher lese, versuche ich später im Internet oder anderen Büchern Bestätigung zu finden, um mir ein besseres Bild zu machen. Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte und die interessierte mich. Mit Amos Oz war ich im Kibbuz mit Ein anderer Ort und Eine Geschichte von Liebe und Finsternis . Zum ersten Mal habe ich Israel nicht nur als Land im Kampf, sondern auch als ein Land kennengelernt, das sich entwickelt, verändert, indem Holocaust-Überlebende leben und in dem Attentatsopfer wie Zernya Shalev leben und schreiben.

    Eine Zeit lang hatte ich nur einen einzigen Traum: an einem Ort ohne Busse zu leben. Auf Dauer wäre das natürlich nicht sehr praktisch. Aber nach der Explosion wünschte ich mir einfach, nie wieder in meinem Leben einen Bus sehen zu müssen. Auch wenn ich anfangs wie besessen davon war, mir jedes Detail in Erinnerung zu rufen, jede Sekunde von dem, was passiert war. Sehe ich einen Bus, steigt noch heute die Angst in mir hoch, ein kleines Geräusch wird in meinem Kopf zu einer Explosion. Gehe ich aus dem Haus, vergesse ich nie, dass ich vielleicht nicht wiederkehren werde. Niemand kann mir versprechen, dass ich heil zurückkomme. Aber ich will Jerusalem nicht verlassen, nur weil es eine gefährliche Stadt ist. (Quelle: Ich habe einen Traum http://www.zeit.de/2006/04/Traum_2fShalev)

    Ich lese gern israelische Schriftsteller: Bar-Gil, Eran Zwillingstern , Amir Eli Jasmin , Doron Lizzle Ruhige Zeiten , Kimhi Alona Die weinende Susannah , Jehoschua, Abraham B. Angesichts der Wälder . Ob Holocaust-Opfer reden oder schweigen immer geben Sie auch ihre Erfahrungen an ihre Kinder weiter.

    Auch für mich gibt es Grund zur Israel-Kritik: Suszan Nathan Sie schenkten mir Dornen , Sayed Kashua Es ward morgen , aber ich bin vorsichtiger mit der Kritik, nicht aus Angst oder wegen Schuldgefühlen, sondern weil ich erkennen musste, dass keine schnellen Erfolge geben wird und die Situation doch sehr komplex ist.

  23. avatar

    Neuer Versuch:
    Es muß ja kaum gesagt werden, daß in diesen beiden Konzeptionen die Unterscheidung begründet liegt, die die Welt zwischen einem „guten“ und einem „bösen“ Deutschland macht: das europäische Deutschland, das ist zugleich das im weitesten Sinne des Wortes „demokratische“ Deutschland, dasjenige, mit dem sich leben läßt, das der Welt nicht Furcht, sondern Sympathie erregt, weil es teilhat an der demokratischen Menschheitsreligion, von der das moralische Leben des Abendlandes letztlich bestimmt ist und die gemeint ist, wenn wir von „Zivilisation“ sprechen.

    Anmerkung: Religion würde er heute kaum sagen. Aber im Exil dürfte die Hoffnung auf Demokratie für Mann etwas Religiöses gehabt haben.

  24. avatar

    Ich glaube, im Moment darf ich das Folgende noch abschreiben. Wenn ACTA käme, wäre mir das verwehrt. Das wäre äußerst bedauerlich, da es jüngere Leser geben mag, die sich so etwas nach Einsicht in so eine Stelle besorgen: Aus „Goethe und die Demokratie“ von Thomas Mann, geschrieben zur Verleihung beider Goethepreise 1949:
    „Die Nachfolge Goethe’s, das Bekenntnis zu ihm, bedeutet also denn doch wohl nicht deutsches Provinzlertum – und überhaupt darf ich sagen, daß, wenn ich viel über Deutsches und wenig über Fremdes geschrieben habe, ich doch im Deutschen immer die Welt, immer Europa gesucht habe und unbefriedigt war, wenn ich es nicht fand. Es ist nichts weniger als ein Zufall, daß die deutschen Gestalten, die ich mir zu Lehrern und Führern ersah, diese Schopenhauer, Nietsche, Wagner und in späteren Jahren an erster Stelle Goethe, alle ein stark über-deutsches, europäisches Gepräge tragen. Es war das Europäische auf deutsch, was ich in ihnen fand, ein europäisches Deutschland, welches immer das Ziel meiner Wünsche und Bedürfnisse bildete, – sehr im Gegensatz zu dem „deutschen Europa“, dieser Schreckensaspiration des deutschen Nationalismus, die mir von je ein Grauen war, und die mich aus Deutschland vertrieb. Es muß ja kaum gesagt werden, daß in diesen beiden Konzeptionen die Unterscheidung begründet liegt, die die Welt zwischen einem >gutenbösendemokratischeZivilisation< sprechen.

    Aus "Leiden und Größe der Meister", S.Fischer-Verlag 1982.
    Die Rede als e-book:
    http://www.fischerverlage.de/b.....3104015613

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    @ KJN
    „Zustimmung, Leute mit ein paar Schuldkomplexen sind sicher die angenehmeren Zeitgenossen, denn da scheint auf jedenfall noch was drin zu denken.“

    Ich glaube, in mir denkt es schon auch bzw. fühlt es. Ich glaube aber kaum, dass das mit Schuldkomplexen zu tun hat. Ich halte Schuld und auch übersteigerte Scham (hierbei mal an „Ehrenmord“ denken) für ganz miese Grundlagen. Schuld kann zu Verdrängung führen. Anteilnahme und Mitgefühl dagegen schaffen eine ganz andere Ausgangsbasis und sind auch etwas anderes. Anteilnahme ist etwas Gefühlsmäßiges, Schuld dagegen wird in der Großhirnrinde verarbeitet, also im Intellekt, im Über-Ich, oder, wie gesagt,verdrängt.
    Das betrifft nicht direkte Schuld. Jemand wie Anders Breivik, der keine Schuld empfindet (anscheinend), ist hochpathologisch. Aber uralte Staatsschuld, deren Protagonisten weitgehend tot sind, muss der Staat/die Eliten allein tragen. Die Enkel und Urenkel der Bystander und selbst der Protagonisten, die durch ein anderes Umfeld anders geworden sind, darf man nicht damit erdrücken. Man sollte sie aber an das Geschehen im Sinne von Anteilnahme und Mitgefühl heranführen. Und selbstverständlich sollte man mit ihnen über „Das Böse“ generell reden. Den Faust lesen, die Verführbarkeit verdeutlichen, außer dem Holocaust auch andere Genozide durchnehmen, z.B. in Ruanda, in Uganda, in Kambodscha. Klarmachen, welchen Anfeindungen Oppositionelle unterliegen können, auch mal in die McCarthy-Zeit schauen. Über deutsche Schuld allein kann niemand zu klaren Gedanken kommen. Er muss sich doch dann schämen, Deutscher zu sein, und gerade das ist ein großes Problem.
    Außerdem meine ich, dass eine zu starke Fokussierung auf deutsche Schuld die Sicht verengt. In Deutschland war nur der absolute Tiefpunkt. Aber Antisemitismus ist ubiquitär und zieht sich durch alle Zeiten. Tiefpunkte können die Lokalität wechseln. Manchen Deutschen ist das nicht klar, wenn sie sich für das absolute, einzige Tätervolk halten. Jede Elite auf der Welt kann verursachen, dass ihr Land zum Täter gegen irgendeine Gruppe wird.
    Die Israelis, die von Lyoner als Täter betrachtet werden (hoffentlich wehrt er sich dagegen), von mir dagegen als Staat in einer äußerst diffizilen Situation, der sich verteidigt, sind durch ihre starken demokratischen Kräfte noch am ehesten gegen solche Untergänge gefeit.
    Und man darf nicht vergessen, dass Deutschland gespalten war, und dass viele Oppositionelle frühzeitig ermordet wurden oder sich im Ausland befanden.

    Also meine Bitte: Schuldverweigerer und Soziopathen wie Breivik nicht verwechseln mit der dritten/vierten/fünften Generation nach der Nazizeit.
    Noch ein Nebenaspekt dabei: Wie sollen junge Muslime lernen, ihr Einwanderungsland zu lieben, wenn die Autochthonen sich immer nur entschuldigen und schuldig fühlen?

  26. avatar

    Stichwort Heimat. Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm:

    „Nun haben wir auf 225 Seiten Nein gesagt, Nein aus Mitleid und Nein aus Liebe, Nein aus Haß und Nein aus Leidenschaft – und nun wollen wir auch einmal Ja sagen. Ja –: zu der Landschaft und dem Land Deutschland. Dem Land, in dem wir geboren sind und dessen Sprache wir sprechen. (…)
    Und nun will ich euch mal etwas sagen: Es ist ja nicht wahr, daß jene, die sich ‚national‘ nennen und nichts sind als bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben. Weder der Regierungsvertreter im Gehrock, noch der Oberstudienrat, noch die Damen und Herren des Stahlhelms allein sind Deutschland. Wir sind auch noch da. (…)
    Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.“

    – Heimat. In: Deutschland, Deutschland über alles. Berlin 1929, S. 226
    de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Tucholsky

  27. avatar

    @Lyoner
    „minima moralia einer Diskussion“
    an Sie hatte ich bei den „älteren Damen und Herren mit dem „elterlichen Nazi-Hintergrund“ nicht gedacht (ich sehe weder Grund, noch Berechtigung, dies zu tun), sondern an Personen, die ich persönlich auf Veranstaltungen erlebt habe und denen ich das zugegebenermaßen unterstelle. (Eine Unterstellung, die diese Personen im übrigen kalt lassen kann und wird, wenn sie sich mit ihrer Familiengeschichte hinreichend befasst und auseinandergesetzt haben – sowieso kann niemand etwas für seine Eltern.) Ja, ich unterstelle und provoziere, aber ich mobbe nicht. Wenn ich jemanden hier meine, spreche ich ihn also direkt an und versuche die Äußerung, auf die ich mich berufe, korrekt zu zitieren. Es ist mir wichtig, daß Sie (und ggf. andere) wissen, daß ich das so sehe. Sollte das anderes ‚rüberkommen, bedaure ich dies.

    „strukturelle Gewalt“
    Nun haben wir über die Situation der Palestinenser noch gar keine Gelegenheit gehabt, zu diskutieren, denn wir waren bis jetzt auf Anregung von Rita Groda beim Thema „Wesen und Motivation der dt. Israel-Kritik“. Bei Konflikten, die so eskaliert sind, wie zwischen Israelis/Palestinensern, Bosniern/Serben, Tibetern/Chinesen, Tschetschenen/Russen usw. muss der Partei Ergreifende damit rechnen, daß dessen Motiv hinterfragt wird. Diese Skepsis wird von einigen offensichtlich gerne verwechselt mit einem Imperativ „keine Kritik an Israel von Deutschen aufgrund der Vergangenheit“. Wer sollte das eigentlich sanktionieren – der Mossad vielleicht?
    Dieser Imperativ ist ein Mythos, der immer wieder auf’s neue insinuiert wird (gerne einleitend mit einem larmoyanten „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“) und der dann zur Bedienung antisemitischer Klischees genutzt werden kann.
    Daß die israelische Verwaltung und Executive immer wieder äußerst hart und ungerecht gegenüber palestinensischen Familien vorgeht, ist vielen in Israel Anlass für Protest, der eben dort auch möglich ist. So ganz anders, als in den umliegenden Ländern.., Sie kennen ja (bitte!) den Argumentationsverlauf.
    Ich bitte um Verständnis dafür, nicht in eine Diskussion „Wer hat Schuld, wer ist der besserere, wer hat die Moral auf seine Seite“, einzusteigen, nur möchte ich mal eine deutsche, niederländische, belgische Regierung und Gesellschaft in der Lage von Israel sehen.
    Es ist die Anmaßung vieler Israelkritiker, die aufstößt. Die Unkenntnis der Machtstrukturen der Hamas bei solchen Schiffs-Gaza-Aktionen. Es geht immer gegen Israel, weil es prinzipiell gegen Israel gehen soll – ich meine nicht Sie, sondern bei Leuten wie z.B. Rupert Neudeck. Ich habe mir das mal angehört vor einiger Zeit, das ist wirklich Propaganda und wenn Sie was dagegen halten, unterstellt man Ihnen erstmal Unkenntnis und wenn man merkt, daß Sie die Verhältnisse etwas kennen, Interessen, Verbohrtheit oder Verstrickung in moralische Fragen, den Holocaust betreffend.
    Ich habe auch nicht immer so gedacht, wie jetzt, als deutschlinksblöd-sozialisierter (vorsicht Provokation!). Wer mal – aus welchen Gründen auch immer – die Perspektive wechselt erkennt schnell, wie gefühllos, an der Grenze zum Antisemitismus, sich die hiesige Israel-Kritik bewegt, übrigens wie die gesamte linke Szene (Jebsen & Co, oder die junge Knallcharge von den von mir ansonsten geschätzten Piraten). Israelkritik verkauft sich nämlich hierzulande fast so gut, wie Bigmac oder Cheeseburger.
    Und ich finde, wer darauf aufmerksam macht, ist noch lange kein Palestinenserhasser.

    @Roland Ziegler
    Zustimmung, Leute mit ein paar Schuldkomplexen sind sicher die angenehmeren Zeitgenossen, denn da scheint auf jedenfall noch was drin zu denken.

  28. avatar

    @ Rita E. Groda:
    „Nachdem ich – selbstgerecht wie üblich – lesen konnte, wie meine Provokationen die Kreativität und Intelligenz hier befeuern, kann ich mich wieder meinen eigenen Unzulänglichkeiten ausgiebig widmen.“

    Och nö. Sie können doch beides. Bleiben Sie lieber hier mit dabei. Es ist besser mit Ihnen.

  29. avatar

    off-topic:
    Berlin – Die deutschen Geheimdienste überwachen in immer größerem Stil E-Mails und andere Internetkommunikationen: 2010 wurden 37.292.862 E-Mails und Datenverbindungen überprüft, weil darin bestimmte Schlagwörter wie zum Beispiel „Bombe“ vorkamen, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. Sie bezieht sich auf zwei neue Berichte des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages (PKG).
    http://www.spiegel.de/politik/.....99,00.html

    Empfehlung an alle: Bitte nie mehr schreiben: „Mädchen, du bist eine Bombe!“
    Lieber so: „Liebste, wenn ich dich sehe, muss ich an die Schweizer Fahne denken.“

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