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PR-Politik: Party und Reise

Politische Propaganda im Zeitalter des Bussi-Bussi hat nicht mehr den heißen Atem von Hetzreden in Sportpalästen. Es werden keine Massen mehr zusammengebrüllt. Hollywood ist angesagt, großes Kino, manchmal auch Dschungel-Camp.

Eine Demokratie der Seifenopern, hier werden Wahlen entschieden. Es geht nicht um das bessere Argument, sondern um die geilere Party.

Früher, in den guten alten Zeiten, da hatte Politik etwas zu tun mit dem Bohren dicker Bretter. Charakterköpfe bevölkerten die politische Klasse. Es ging um Werte, und das meinte nicht Kohle, sondern Moral. Ehre und Anstand waren Kategorien. Die Würde des Amtes verlangte würdevolles Verhalten. Diese Zeiten sind vorbei. Die Auguren dieser Wende sind Westerwelle, Guttenberg und Wulff.

Geile Party ist heute angesagt. Ganz frische Szene aus der Hauptstadt. Im Berliner Promi-Restaurant erzählt mir beim Mittagessen die sichtlich geschaffte Kellnerin, sie sei erst morgens um Sechs ins Bett gekommen, so wild sei es gestern Abend gewesen. Und beim Aufräumen hätten sie erst mal im Raucherraum vor den WCs Schneeschippen müssen. Schnee ist eine ortsübliche Metapher für Kokain. Und Party ist neuerdings eine Metapher für Politik.

Die PR-Politik handelt von Party und Reise. Das wäre keinen Skandal wert, wenn sich die Partygänger und Reisewilligen den Spaß selbst leisten könnten. Sie stolpern in ihren politischen Karrieren aber darüber, dass sie schnorren. Mal einen Urlaub, mal einen Doktortitel, mal ein Häuschen. Ein Geschlecht der Schnäppchenjäger hat sich der höchsten Ämter im Staat bemächtigt. Die Drähte hinter dem „bargain hunting“ ziehen für die Politiker sogenannte Siamesische Zwillinge oder Faktoten, sprich ihre PR-Manager. Womit eigentlich nicht nur Party und Reise, sondern insgesamt Public Relations gemeint sind. Gute Beziehungen zur Öffentlichkeit. Geliebt und bewundert werden, Wählerstimmen fangen, an der Macht bleiben.

Mit Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker wird ein PR-Manager nun mehr auch namentlich berühmt, ein Schattenwesen, dem man nun alles zutraut. Er habe aus dem langweiligen Provinzdeppen Wulff einen glitzernden Erfolgspolitiker gemacht, den Präsidenten der Republik, Inhaber des höchsten Amtes im Staate. Aus einem „Mann ohne Eigenschaften“ wurde ein John F. Kennedy, der nun mit seiner Jacky namens Bettina das beschauliche Schloss Bellevue in ein veritables Camelot verwandelt, den Sitz von König Artus und seiner Tafelrunde. Und Bettina ist ein zentrales Stichwort, auch die zurzeitige Gattin des Präsidenten ist eine gelernte PR-Managerin.

Zur Macht in dieser PR-Welt gehört der frische Sex, das Marilyn-Monroe-Syndrom. Wir erleben ja zunehmend, dass die Partner der Mächtigen aus der Generation ihrer Kinder oder ihrer Enkel stammen. Beim Nord-Süd-Dialog in Hannover taucht der Ministerpräsident Wulff mit neuer Gattin auf (sie: Jahrgang 1973) und Ministerpräsident Oettinger mit neuer Begleitung (sie: Jahrgang 1972). Und vierzig Medizinstudentinnen werden auf Veranlassung von Staatskanzlei und Hochschule als Hostessen für diesen Zirkus missbraucht. Wirkliche Halbwelt: Um das Honorar werden die angehenden Ärztinnen geprellt, nicht aber der Impresario des Ganzen, der Party-König Manfred Schmidt. Bei knapp 700.000 € Einnahmen soll er mit 300.000 € Kosten zu recht gekommen sein. Da wäre also genug über. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Der Gatte von Bundesaußenminister Westerwelle versucht die Hannoveraner Nummer in Düsseldorf  (mit den Ländern NRW und Bayern) zu wiederholen.  Michael Mronz tritt, hörte man aus mehreren Unternehmen,  als Einwerber von Sponsorengeld für einen solchen Freudenzirkus auf. Akquiseunterlagen der Freudenväter Schmidt und Mronz trugen laut Presse die Hoheitszeichen der jeweiligen Bundesländer. Man erinnert sich in Bonn, dass Westerwelle als Vize-Kanzler zur Einweihung eines Luxushotels die Festansprache lieferte, bei der sein Gatte die Party veranstaltete. Auf den Parties und den Reisen finden sich dann alle wieder ein: die frischen Gatten und Gattinnen und väterlichen Freunde und die zur Kasse gebetenen Unternehmer. Bei Jörg Haider hieß das System Westerwelle/Wulff: Froinderl-Wirtschaft.

Man erinnert sich in Berlin an eine extravaganten Media-Night eines Telefonanbieters, bei der Manfred Schmidt und Michael Mronz in trauter Zweisamkeit als Einlader auftraten. Lassen wir die Kirche im Dorf. Wenigstens wurden dabei keine Steuergelder verbrannt. Und der Autor dieser Zeilen war dort auch zu Gast und hat sich bei Champagner und Häppchen gut amüsiert. Steinwürfe aus dem Glashaus. Das ehrlichste Wort ist von Joschka Fischer. Er würde heutzutage vorsätzlich so leben, dass er den Ansprüchen der Medien an einen Politiker nicht mehr gerecht würde. Sagt er mit tiefer Ironie und noch größerer Selbstzufriedenheit.

Wir können die Uhr danach stellen, dass der legendäre PR-Manager Moritz Hunzinger im Fernsehen auftritt und die  Lage der Nation kommentiert. Das passt nicht nur; es wäre geradezu zu wünschen. Moritz Hunzinger, der schon Scharping plantschen und Özdemir abtauchen ließ, ist geistreich und witzig. Hunzinger heuchelt nicht, wie Joschka weiß er, dass die Zeiten sich geändert haben und dass man dazu mindestens zwei Meinungen haben kann. Denn das ist das übelste bei  Wulff: Er will Party, verdirbt aber die Stimmung.

Wulff kann bleiben, aber nicht als Bundespräsident. Party und Reise und dann eine Rede zur Wannseekonferenz. Das geht nicht. Punkt.
Wulff wird sich nur retten können, wie sich Westerwelle und Guttenberg gerettet haben, durch Wegtauchen oder Abtreten. Beraten von dem CDU-Granden Pfarrer Hinze, dem Faktotum Merkels,  setzt er in seinem politischen Überleben auf eine Logik des Überdrusses.

Wulff, das Genie der Salami-Taktik, taktiert tölpelhaft, aber er gibt den vermeintlichen Trottel, weil er sonst den vermeintlichen Straftäter geben müsste. Er schützt sich hinter dem Amt mit einer Transparenz-Klamotte, die unser Fremdschämen ausreizen soll. Wulff, der so gerne JFK bleiben möchte, wählt damit für sich das kleinere Übel.

Wulff und seine Selbstdemütigungen töten aber die Stimmung im Publikum. Die Party ist nicht mehr geil. Zumindest das wird die Bussi-Bussi-Gesellschaft ihm nicht verzeihen. Darum, und vielleicht nur darum, wird er gehen müssen. Ab ins Dschungel-Camp!

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9 Gedanken zu “PR-Politik: Party und Reise;”

  1. avatar

    Ich leite heute mal einfach weiter:

    Sehr geehrter Herr . . . ,

    . . . planen einen Gerichtsgang gegen die ‚BRD‘ und deren Vertreter vor das Bundesverfassungsgericht und den Völkermordgerichtshof in Den Haag. Grund:

    Völkermord an den Deiutschen gemäß der Resolution 260 der UNJ (von 1948) und §§6 Völkerstrafgesetzbuch GG. Entsprechende Artikel habe ich bereits veröffentlicht:

    http://michael-mannheimer.info.....60-der-un/

    http://michael-mannheimer.info.....-6-des-gg/

    Es ist geplant, den Widerstand breit zu organisieren und eine Unterschriftenliste zu dieser Klage zu erstellen. Wären Sie und Ihr Verband bereit, sich unserer Initiative anzuschließen und diese zu unterstützen?

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Mannheimer

  2. avatar

    Meine Meinung zur Kirche ist aber schnell entfernt
    worden. Haben da ein paar Kirchenfürsten ein
    Problem mit der Wahrheit ? Na, ja, vieleicht muss
    ich auch noch auf meine alten Tage evangelisch
    werden.

  3. avatar

    Wer hat eigentlich zu viel gekokst? Der, der wegen 3400 Euro den Rücktritt des Bundespräsidenten fordert, aber in der Vergangenheit Abermilliarden Schulden aufgetürmt hat? Oder der, der über eine Ausgabe von 3400 Euro im Landwirtschaftsministerium nicht richtig informiert war?

    Von mir aus kann der Skandal noch lange weitergehen, weil der Bürger dann sieht, was für minderbemittelte Würstchen sich in die Spitzenpositionen der Politik eingeschlichen haben. Ein Hetzmob hat sich breit gemacht, dem kein Argument zu blöde ist, um selbst an die Fleischtöpfe zu kommen.

    Auf die nächste absurde Enthüllung über Wulff freue ich mich schon. Sie wird die Primitivität unserer Politik- und Medienlandschaft wieder gut ausleuchten. Auch scheint sich der Skandal auszuweiten: es kursieren Fotos von van der Leyen auf einem Bobby-Car im Internet.

    http://ais.badische-zeitung.de.....315594.jpg

    Gregor Gysi hat den Punkt erwähnt, um den es geht: wir brauchen einen Bundespräsidenten, der verfassungswidrige Gesetze nicht unterzeichnet. Weil Wulff Rechtsstaatlichkeit bei der Euro-Rettung angemahnt hat, darf er bei den Berliner Partys nicht mehr mitfeiern.

  4. avatar

    Alles richtig, nur dürfen Sie Bettina Wulff nicht mit Jaqueline Kennedy vergleichen, denn bei Jackie war alles echt. Sie war eine Ausnahmeerscheinung, eine bildschöne, gut ausgebildete Frau mit einem natürlichen Charme und einer angeborenen Eleganz, hintergangen von zwei Männern, Jack und Onassis, die sie erst später überwunden hatte. Bedauernswert, weil sie den Tod von John-John erleben musste und Krebs bekam. Krebs soll auch psychische Ursachen haben. Da gibt es bei Jackie reichlich Trauma. Es war doch klar, dass die Medien an einer Frau wie Jackie nicht vorbeigehen konnten, trotzdem ist sie grundsätzlich anders.
    Was Mronz betrifft: Er hängt in dem Kauf von Totilas mit drin. Totilas geht nicht mehr so gut. Man musste ihn unbedingt haben und hat dabei, aus Geilheit, sich mit ihm deutsch zu verzieren, etwas Wesentliches ignoriert: Ein brillantes Tier ist immer nur die Hälfte. Die andere Hälfte ist der Mensch, hier sein Freund und Reiter Edward Gal. Und der ist Holländer. Totilas wird nur wieder auf die Siegertreppe kommen, wenn man ihn Gal zurückgibt. Solche Bindungen zwischen Tier und Mensch gibt es oft genug. Man kann sie nicht kaufen und sich nicht mit ihnen schmücken. Er muss eben für Hollamd gehen.

  5. avatar

    Eben. Alles Theater.Darum wirkt nicht nur das “ Ich bin doch nur ein BP Praktikant“ von Wulff komisch, das schmierige Theater der pomadigen Presse ebenso. Welcher Medientrottel ist nur auf die Idee gekommen, den Geburtstagsempfang von Westerwelle im nachgebauten Indianerzelt der Öffentlichkeit per TV zu präsentieren?
    Die dort präsente Mischpoke hält sich wirklich für die Führungselite? Brisk-Kai neben einer aufgestiegenen Telefonistin aus Gütersloh, Westerwelle, Merkel und all diese aufseigenden Absteiger? Ein Medienberater wie sie hätte doch wenigstens einen Marterpfahl in der Mitte aufstellen lassen, Wulff dran gebunden und dann zur lustigen Bashing-Polonäse im Tippi aufgerufen. Fischer machts richtig. Aus einem Grund. Ihn und Gasprom-Gerd hat noch nie ernsthaft eine Überprüfung ihrer polit-privaten Tätigkeit ereilt. Wird auch nicht. BILD und SPIEGEL sollten ihre Zusammenarbeit erweitern. Mit so einer History Mappe , wie sie derzeit von Elvis auf dem Markt ist. Lebenslauf von Wulff, abgerissene erste Kinokarte von ihm, Schulzeugnisse im Faksimile ,mehrteliges Brathähnchen vom Oktoberfest zum zusammenbauen, Vorlage für den kleinen Tätowierer und zwei , drei Reden von ihm auf DVD. Bestimmt ein merkantiler Knaller.

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