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Negatives Erwartungsmanagement – und was die Rente mit 67damit zu tun hat

Man nennt es negatives Erwartungs-Management – und genau darin üben sich derzeit Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Beide haben die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes über den Jahreswechsel auf „schwere“ Zeiten eingeschworen. 2012 werde noch schwieriger als das ohnehin schon außergewöhnlich schwierige 2011.

Psychologisch ist das sinnvoll – und politisch ist es klug. Kommt es tatsächlich knüppeldick, beispielsweise bei einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone, haben die beiden rechtzeitig gewarnt. Geht alles halbwegs gut, ist die Erleichterung umso größer – und die Laune wird besser.

Die ersten Daten, die im neuen Jahr verbreitet wurden, deuten zumindest vorläufig auf ersteres: Die Beschäftigung in Deutschland ist so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Und der Abbau der Arbeitslosigkeit wird auch in diesem Jahr weiter gehen. Denn noch läuft die Konjunktur gut, die Firmen suchen Fachkräfte und stellen ein. Wie selten zuvor haben auch Geringqualifizierte im vergangenen Jahr von dem Boom auf dem Arbeitsmarkt profitiert.

Diese Entwicklung wird auch in den kommenden Jahren weitergehen, denn nun schieben sich auch die demografischen Entwicklungen immer stärker in den Vordergrund. Für mindestens zwei Jahrzehnte werden nun jedes Jahr mehr Menschen den Arbeitsmarkt verlassen, um in Rente zu gehen, als junge Arbeitnehmer nachkommen.

Noch haben die Bürger und Bürgerinnen dies noch nicht verinnerlicht. Noch gibt es deshalb Diskussionen wie die um die Rente mit 67, die über den Jahreswechsel vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer erneut entfacht wurden. Wie so oft verschweigt der CSU-Chef die wesentlichen Fakten: Die Rente mit 67 wird über Jahrzehnte eingeführt. Erst der Jahrgang 1964 wird dann tatsächlich mit 67 in Rente gehen – im Jahr 2031.

Das aber ist ein sehr durchsichtiges politisches Mänover. Schon die Meldung, dass die Zahl derjenigen gestiegen sei, die mit Abschlägen früher in die Rente gehen, war von interessierter Seite gestreut. Denn es handelt sich dabei um ein Sonderphänomen, das besonders viele teilzeitarbeitende Frauen betrifft. Tatsächlich aber steigt die Erwerbstätigkeit Älterer sehr deutlich, und das ist auch gut so.

Schon in wenigen Jahren werden Ältere am Arbeitsmarkt sehr nachgefragt sein. Die schlauen Firmen fangen schon jetzt an, sich darauf einzustellen. Es ist nicht besonders schwierig, die Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass sich alle Altersklassen wohlfühlen: Altersgemischte Teams, ergonomische Arbeitsplätze, bessere Arbeitsabläufe und nicht zuletzt weit flexiblere Arbeitszeiten. Das hilft allen, egal ob jung oder alt.

Mit der Beschäftigung Älterer wird es gehen wie mit der angeblichen Lehrstellenkrise. Als das Geschrei über die fehlenden Ausbildungsplätze am lautesten war, war aus demografischen Gründen schon absehbar, dass die Lehrstellenkrise ein Ende haben wird. Seit zwei Jahren nun gibt es bundesweit deutlich mehr Lehrstellen als geeignete Bewerber – allerdings mit großen regionalen Unterschieden. Diese Entwicklung wird sich auch bei der Beschäftigung Älterer wiederholen.

Wortmeldungen wie die von Horst Seehofer sind deshalb in der Sache Unsinn. Sie bedienen einen platten Populismus, der für Sachkundige leicht zu durchschauen ist. Wirklich vorausschauende und um das Wohlergehen der Bürger besorgte Politiker würden statt dessen nun damit beginnen, die Weichen für mehr und bessere Beschäftigung von Älteren zu stellen.

Arbeiten ist nämlich nicht nur lästig, es kann auch Sinn und Befriedigung stiften. Und sehr viele, die sich auf die Freizeit der Rente gefreut haben, berichten nach zwei Jahren der Gartenarbeit und des ständigen Reisens von dem schalen Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden.

Wir brauchen deshalb eine Revolution in der Art und Weise, wie wir im Alter arbeiten. Das Ziel muss die weitestgehende Flexibilisierung sein: Wer will, muss auch nur einen Tag die Woche arbeiten können – oder aber auch mit 70 noch voll arbeiten. Es muss möglich sein, drei, vier Monate lange Auszeiten ohne langwierige Begründungen nehmen zu können. Wer mit 64 in Rente gegangen ist und sich langweilt, muss mit 68 wieder einsteigen können, ob voll oder mit Teilzeit.

Und vor allem: Starre Altergrenzen sind angesichts der Leistungsfähigkeit der allermeisten Älteren Unsinn und gehören abgeschafft. Das gilt für die Rente mit 65 und auch für die mit 67!

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12 Gedanken zu “Negatives Erwartungsmanagement – und was die Rente mit 67damit zu tun hat;”

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    Wie immer, schreibt Margaret scharfsinnig. Und KP hat’s auch richtig verfasst.

    Die Lust nach Arbeit gehört zum „Streben nach Glück“ – in der U.S.-Verfassung steht das ganz am Anfang in der Präambel.

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    Erst gestern haben ambitionierte Firmen sich auf DLF für längere Arbeitszeiten ausgesprochen…
    Das ist nicht neu, erscheckend ist, dass Selbstverständlichkeiten wie die Tatsache, dass ältere Arbeitnehmer mehr Erfahrung etc. besitzen, dennoch von Arbeitsmarktpolitischen Faktoren dominiert/gesteuert werden.
    Im Idealfall sind die Menschen gesund und gehen einer Beschäftigung nach, der sie am liebsten bis an ihr Lebensende nachgehen. So wie ein befreundeter Prof.: Er wollte gerne weiter arbeiten, darf aber nicht (offiziell). Seine Forschungen aber wird er betreiben bis er gestorben ist…..

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    Für Interessierte:
    „There is no doubt that Santorum is deeply conservative on social issues. He is ardently anti-abortion, even in cases of rape and incest, and no one takes a stronger stand against gay rights. In fact, with his comparison of gay sex to “man on dog” relationships, Santorum seldom even makes a pretense of tolerance. While that sort of rhetoric may play well in Iowa pulpits, it will be far less well received elsewhere in the nation.“
    http://www.nationalreview.com/.....ael-tanner

    Seltsames Land manchmal: Ein Kandidat, der selbst in Fällen von Vergewaltigung und Inzest gegen Schwangerschaftsunterbrechung ist, ist, zusammen mit Romney, der Frontrunner in Iowa.

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    Nachtrag @Parisien
    „Sie werden mir hoffentlich zustimmen, dass das ein äußerst komplexes, eigenes Thema ist.“
    Genau das war der Grund meiner Nachfrage, des Diskurses. Sie wissen mehr, als man zunächst vermutet.

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    @Parisien
    Ich glaube Ihnen, wenn Sie das so schreiben.
    Ihre Meinung muß man nicht teilen, aber es fällt schon auf, daß Sie niemanden angreifen.
    Natürlich provoziere auch ich, aber es geht mir ausschließlich um das Thema, worum auch sonst – bei dieser Art Austausch.
    Wenn sie sich – ob Frau oder Mann – das tut in dem Zusammenhang überhaupt nichts zur Sache, belästigt fühlen, gar verletzt, ist das sehr ernst zu nehmen, auch in diesem Rahmen.
    Ich denke, da ist auch die Bitte um Verzeihung der betreffenden Person fällig und ich jedenfalls würde mich freuen, weiterhin mit Ihnen hier zu diskutieren.

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    @ KJN: Noch eins: Ich hatte jemanden konkret im Kopf. Allerdings kenne ich auch ein krasses Gegenbeispiel, einen brillanten Lehrer, der nach der Pensionierung immer wieder gebeten wurde, auszuhelfen und der gerade einen Migranten, Kriegsflüchtling, der kein Wort deutsch konnte, zum Abitur führt, privat.
    Das ist provokant: Ich wolle die Menschen hier austausche; aber das sei Ihnen gestattet, weil Sie mich nicht kennen. Menschen austauschen? Menschen waren noch nie für mich verwaltbare Teile. Ich bin äußerst gütig zu den verschiedensten Menschen, Älteren, mit denen ich viel Kontakt habe, Jüngeren genauso, Türken meiner Bekanntschaft genauso wie anderen. Sie kennen nie Menschen von der Schriftsprache allein.
    Was das Übrige betrifft, das Sie schrieben, haben Sie sicher Recht. Zwei schwierige Schüler pro Klasse reichen schon, um einem(r) Lehrer(in) Schlafstörungen, Depressionen oder Magengeschwüre zu bereiten, wenn sie ständig stören und den Klassenzusammenhalt unterlaufen.
    Der Lehrer, den ich im Kopf habe, ist gesund und hat keine Sorgen, sehr freundlich, erzählt viele Dönskes. Aber er bringt schlicht nichts bei.
    Sie werden mir hoffentlich zustimmen, dass das ein äußerst komplexes, eigenes Thema ist.
    Frau Heckels Vorschläge sind jedenfalls sinnvoll.

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    @Parisien
    „Ältere wirken öfter ausgebrannt, desillusioniert (auch zu Recht)und haben oft weniger Impulse und neue Ideen“
    Ähem – und was machen wir mit dem „Ausschuss“? Klar – Rente. Warum es angestellte und beamtete Lehrer geben muß – geschenkt!
    Solange es aber noch Leute gibt, die wie Sie jetzt hier argumentieren, wird ein Horst Seehofer seine Bauernfängerei mit der Angst der Leute weiter betreiben können.
    Ich weiß ja nicht, wann Sie das letzte mal eine Schule von innen gesehen haben, aber der derzeitigen Schülerklientel täten gerade Lehrer gut, die vor allem am Fortkommen der Schüler interessiert sind und nicht daran, daß sie „beliebt“ sind und eine gewisse freundliche Distanz wahren. Gerade das aber gelingt älteren Lehrern besonders gut, die aber vermehrt auch wg. des offensichtlich auch von Ihnen vertretenen Bildes in der Öffentlichkeit von sich aus das Handtuch werfen.

    Wirtschaft geht nur mit den Menschen, die auch hier leben – man hat schon mitbekommen, daß Sie die gerne austauschen würden 😉

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    @ KJN
    “Viele ältere Lehrer sind einfach untragbar.”
    Nur ältere? Wieso?“
    Gelegentlich auch Jüngere. Doch Ältere wirken öfter ausgebrannt, desillusioniert (auch zu Recht)und haben oft weniger Impulse und neue Ideen. Grundsätzlich würde ich vorziehen, wenn Lehrer Angestellte wären und somit kündbar wie andere Arbeitnehmer auch.

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    Die auf persönliche Befindlichkeit /Gesundheit nicht rücksichtnehmende Arbeitswelt und der Ruf nach früher Rente sind zwei Seiten einer Medaille.
    In den Niederlanden, Skandinavien, z.B., ist man weiter.
    Daher stimme ich Frau Heckels Analyse zu.

    Ich selber habe mich vor 5 Jahren selbständig gemacht, um die Möglichkeit zu haben, Zeitautonomie zur Gestaltung der eigenen Zukunft zu gewinnen. Was mir als leitendem Angestelltem an Ausharren auf einem Ast, der sowieso abbricht abverlangt wurde, war nicht mehr zumutbar. Auch das ist deutsche Arbeitswelt.

    So, wie allerdings die Besteuereung, Sozialabgaben hierzulande gestaltet sind, können Großunternehmen Teilzeit der Mitarbeiter wohl am besten „stemmen“. Hier wäre anzusetzen.

    Leider scheint mir aber auch die Aussicht der gut Qualifizierten nicht so rosig, wenn die Produktion mehr und mehr nach China geht. Wo arbeiten die ganzen Ingenieure, wenn sie denn in 5 – 7 Jahren ausgebildet sind? Das weltweite Qualitätsmanagementsystem, das von Deutschland die Welt erobert, braucht nur begrenzt Ingenieure.

    @Parisien
    „Viele ältere Lehrer sind einfach untragbar.“
    Nur ältere? Wieso?

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    Und wie wäre positives Erwartungsmanagement zum Jahreswechsel ?
    Michel Friedman könnte mal wieder einen Beitrag schreiben.

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    Liebe Frau Heckel!
    „Wir brauchen deshalb eine Revolution in der Art und Weise, wie wir im Alter arbeiten. Das Ziel muss die weitestgehende Flexibilisierung sein: Wer will, muss auch nur einen Tag die Woche arbeiten können – oder aber auch mit 70 noch voll arbeiten. Es muss möglich sein, drei, vier Monate lange Auszeiten ohne langwierige Begründungen nehmen zu können. Wer mit 64 in Rente gegangen ist und sich langweilt, muss mit 68 wieder einsteigen können, ob voll oder mit Teilzeit.“

    Dem möchte ich beipflichten. Mein früherer Chef, Staatsangestellter, topfit, wollte länger arbeiten und durfte nicht. Bei gewissen Berufen wie Chirurg, Arzt generell, selbst Sanitäter, Feuerwehrmann, Fahrlehrer, Zugführer usw., also bei Berufen mit Verantwortung für andere, sollte man jedoch eine Gesundheitsüberprüfung durchführen.
    Bei Lehrern sollte darüber ein Gremium aus Eltern und Schülern entscheiden. Viele ältere Lehrer sind einfach untragbar.

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