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Israels Deal mit der Hamas ist ein Fehler

Ist es richtig, den gekidnappten israelischen Soldaten Gilad Shalit gegen 1000 verurteilte arabische Terroristen auszutauschen? Ein Freund schickt mir folgende Argumentation gegen den Handel, die er in einem vor zehn Jahren erschienenen Buch über den Kampf gegen den Terrorismus gefunden hat. Ich belasse das Zitat in der ursprünglichen englischen Fassung:

Do not release jailed terrorists. Among the most important policies which must be adopted in the face of terrorism is the refusal to release convicted terrorists from prisons. This is a mistake that Israel, once the leader in anti-terrorist techniques, has made over and over again. Release of convicted terrorists before they have served their full sentences seems like an easy and tempting way of defusing blackmail situations in which innocent people may lose their lives. But its utility is momentary at best. Prisoner releases only embolden terrorists by giving them the feeling that even if they are caught their punishment will be brief. Worse, by leading terrorists to think such demands are likely to be met, they encourage precisely the kind of terrorist blackmail which they are supposed to defuse: (…) Only the most unrelenting refusal to ever give in to such blackmail can prevent most such situations from arising.

Mir scheint, diese Argumentation ist in sich schlüssig und zwingend. Aus dieser Überlegung heraus hat sich ja Helmut Schmidt (den ich ansonsten nicht besonders schätze) zu Recht entschlossen, nicht mit der RAF über die Freilassung Hanns Martin Schleyers zu verhandeln. Was aber das obige Zitat neben seiner Schlüssigkeit bemerkenswert macht, ist der Autor. Es handelt sich um Benjamin Netanjahu (Fighting terrorism. How democracies can defeat the international terrorist network, New York: FSG, 2001, Seite 144.)

Nun hat Netanjahu wie jeder von uns das Recht, seine Meinung zu ändern. Er hat auch das Recht, gegen seine Überzeugungen zu handeln. Eine Mehrheit der israelischen Bürger ist bereit, einen hohen Preis für die Freilassung Shalits zu zahlen, und Netanjahu, dessen Koalition seit den sozialen Protesten des Sommers in Bedrängnis ist, braucht eine populäre Maßnahme. Es gilt das geflügelte Politiker-Wort: „Ich bin ihr Führer, ich muss ihnen folgen.“ (Freilich müsste dann Netanjahu ganz andere Zugeständnisse an die Palästinenser machen, denn eine Mehrheit der Israelis ist ja auch bereit, einen höheren Preis für ein Friedensabkommen zu zahlen, als Netanjahu und seine Koalitionspartner auf der Rechten.) Aus welchen Gründen auch immer Netanjahu heute anders handelt, als er es 2001 empfohlen hat: er hat jedenfalls die Pflicht, den Israelis und der internationalen Öffentlichkeit gegenüber zu erklären, weshalb er so handelt.

Im Hinblick auf die Politik gegenüber den Palästinensern ist es schwer nachvollziehbar, was Netanjahu zu gewinnen hofft. Die bisherige Politik Israels, den Fatah- und PLO-Chef Abu Mazen (Mahmud Abbas) – übrigens ein in Moskau geschulter Holocaustleugner und Meister der Doppeldeutigkeit – trotz seiner fehlenden demokratischen Legitimierung und nachweislichen Korruption ökonomisch, politisch und durch Kooperation im Kampf gegen seine Rivalen auch militärisch aufzubauen, wird jedenfalls durch die direkten Verhandlungen mit der Hamas und der damit einhergehenden Aufwertung der in Gaza herrschenden Terrororganisation desavouiert. Möglicherweise ist die Schwächung Abu Mazens aber auch gewollt und eine Reaktion Netanjahus auf dessen Versuch, die Vereinten Nationen zur Anerkennung eines nichtexistenten Palästinenserstaats zu bewegen, Israel damit als „Besatzungsmacht“ zu delegitimieren und die westlichen Freunde des jüdischen Staates damit in Verlegenheit zu bringen. Es gehört ja zur langjährigen Praxis vieler israelischen Regierungen, Widersprüche und Rivalitäten unter den Palästinensern zu schüren, um eine geschlossene Front gegen Israel zu verhindern. Jedoch war diese Politik schon immer kurzsichtig. Israels Problem mit einem zu schaffenden Palästinenserstaat besteht ja gerade darin, dass die politische Macht dort aus den Gewehrläufen rivalisierender Milizen und Privatarmeen kommt, deren Haltung gegenüber Israel oft vom Machtkampf gegeneinander bestimmt ist; dass es also keine verantwortliche, demokratisch legitimierte Regierung gibt, die das Gewaltmonopol des Staates behaupten und damit den Frieden mit Israel garantieren könnte.

Niemand soll jedenfalls ohne Beleg davon ausgehen, Netanjahu sei von rein humanitären Überlegungen geleitet worden. Wie sein Zitat belegt, sprechen humanitäre Überlegungen – der gegenwärtige Schmerz der Angehörigen von Terroropfern angesichts der Freilassung von kaltblütigen Mördern, die Sorge um künftige Opfer von Terror und Entführungen – ja gerade gegen einen Handel mit der Hamas. Allenfalls klare – wenn auch bisher geheim gehaltene – Signale, denen zufolge die Hamas bereit wäre, in der nächsten Zukunft Israels Existenzrecht anzuerkennen und auf den Terror zu verzichten, könnten diese Prinzipienlosigkeit auch politisch und moralisch gerechtfertigt erscheinen lassen. Vielleicht gab es während der Verhandlungen in Ägypten solche Signale. Freilich wären sie, wenn sie geheim bleiben, auch wertlos.

Es mag herzlos klingen angesichts der bisherigen Leiden Gilad Shalits und seiner Familie, angesichts der Freude in Israel über seine bevorstehende Freilassung: Mir scheint aber, der Deal Netanjahus mit der Hamas ist ein Fehler.


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37 Gedanken zu “Israels Deal mit der Hamas ist ein Fehler;”

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    Das ist jetzt schon älter hier. Dennoch: Fünf Jahre ist schon fünf Jahre zuviel. Der arme Gilad. Besser, er ist frei. Wenn man böse wäre, würde man sagen, Lire gegen D-Mark getauscht. Die Achtung des Einzelnen, die so spezifisch jüdisch ist und hier in D mit seinen ganzen Gruppenmentalitäten so fehlt, macht einen staunen, selbst, wenn es Wahnsinn ist. Aber dass in Libyen die Sharia kommt und Tunesien eine islamisch orientierte Regierung, alles mit westlicher Hilfe, ist auch Wahnsinn.

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    Hallo alle zusammen vom Israelkongress in Frankfurt 2011
    Seid ihr wirklich alle so blöd, zu behaupten, „wir Juden haben aus der Geschichte gelernt“??????????
    Habt ihr denn noch nie verstanden, dass es „die Juden“ (ein Begriff Hitlers!!!!) gar nicht mehr gibt??
    Es gibt nur individuelle Körper (biologisch gesehen), die zwar alle sprechen, aber scheinbar alle nicht mehr denken können….
    Ja, es gibt nur Körper — von denen die meisten die Frechheit zu haben scheinen, sie seien auch noch „Menschen“ oder „Juden“ oder „Deutsche“…
    Für Aerzte gibt es schon längst nur noch Körper — über die sie schon fast alles wissen (dank x-ray, fMRI, Blood sampling, etc.). Und das reicht vollkommen aus!!!!

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    Komisch, dass es über 1000 Gegner sein mussten… Wäre doch auch mit weniger gegangen. Es sei denn, die israelische Regierung benötigte jetzt wirklich den sofortigen Erfolg. Man kann die Angehörigen von Terroropfern schon verstehen, dass sie bei solchen Deals kein gutes Gefühl haben. Das hat etwas Unrechtsstaatliches, wenn man mit Kriminellen feilscht. Wenn es nicht sogar zu weiteren Entführungen animiert.

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    @EJ
    Glauben Sie etwa, dass Blick und Sprache von „Alt68er“ ideosynkratisch ist? Muss ich Sie darauf hinweisen, dass ich Überlegungen Slavoj Zizeks zitiert habe? Lohnt sich die Auseindersetzung mit ihnen nicht? Was hülfe es Ihnen denn, wenn ich „Alt68er“ wäre? Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Ich befürchte, die Karies, die an den Weisheitzähnen Ihrer Überzeugungen knabbern, werden Sie so nicht los.

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    @ Movement Slavoj Zizek: ich bin nicht der, den Sie vermuten

    Ach, Sie sind nicht Alt68er? Sie haben nur seinen Blick und seine Sprache? Na, dann …

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    @ Roland Ziegler
    Nichts gegen die menschliche Geste; In Zizeks Argumentation geht es um das Narrativ, das was mit der Geste gemacht/erzählt wird: die Israelis sind menschlich, es geht ihnen um den Wert des einzelnen Lebens, während die Palästinenser schlicht Terroristen sind, die das Leben nicht achten. Kennen Sie den Unterschied zwischen struktureller Gewalt und der Gewalt der Erbämlichen? Deren Mittel sind in der Tat unappetitlich. Was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass sie Re-aktionäre sind. Was haben sie sonst noch an Waffen? Hat die israelische Administration beim Gang der Palästinenser zur UNO nicht am meisten gefürchtet, dass sie dann in der Lage wären, den Haager Gerichtshof anzurufen? Das ist ja bisher zum Glück verhindert worden, oder?

    @EJ
    Woher wollen Sie wissen, dass ich ausschließlich auf die Israelis gucke? Ich muss Sie enttäuschen, ich bin nicht der, den Sie vermuten. Ich habe jedoch von den Seiten des notorischen Verdächtigen Zizeks Passagen kopiert, weil ich der Ansicht war, dass diese Überlegungen ein Gegengewicht/Antidot zur Gefühligkeit der schönen Seelen auf diesem Blog wären.

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    @Movement Slavoj Zizek
    „..gefangen in den Traumata der Geschichte und des Krieges..“
    Sie sprechen sicher eine der interessantesten Fragen bei Konflikten überhaupt an, nämlich: Welcher Hass, welche Empfindung ist eigenes Erleben, was ist geerbt, gelernt. („Mem“, in Anlehnung an „Gen“).
    Was aber ja wohl für beide Seiten gilt.
    Und die, die ihren persönlichen Hass auf andere übertragen, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, die gilt es ja wohl mal zu benennen. Wir alle müssen lernen, kritisch mit unseren Vätern umzugehen.

    @Roland Ziegler
    Zwischen den Stühlen drückt man niemals auf irgendwelche Buttons, außer vielleicht ich, weil ich Alan Poseners plötzliche Michael Kohlhaas – Attitüde konterkarieren wollte.
    Andererseits – ich finde auch Artikel gut, wo ich nicht der Meinung bin..

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    @Movement Slavoj Zizek: Wenn das „normale menschliche Selbst“ dieser Soldaten nur eine Rolle ist, was ist dann die dahinter verborgene Wahrheit? Etwa dass sie „perfekte Kampfmaschinen“ sind?
    Empathie und Empathiegesten sind nicht sehr militärisch; beim klassischen Soldatenbild wird ihr Fehlen z.B. von Alt-68ern kritisiert; sind sie aber da, ist es auch wieder nicht recht.

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    @Alan Posener: Aber auch von der Zwischen-den-Stühlen-Fraktion scheint niemand auf den I-like-Button, der übrigens datenschutzrechtlich ziemlich bedenklich ist, geklickt zu haben.

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    @ Movement Slavoj Zizek die Wahrheit liegt außerhalb, in dem was wir tun

    Das gilt dann für die Lüge auch. Und Sie tun ausschließlich auf die Israelis gucken: Ihre verlogene Wahrheit!

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    Unser inneres Erleben, die Geschichte, die wir über uns selbst erzählen, um unser Handeln zu erklären, ist eine Lüge unseres Geistes – die Wahrheit liegt außerhalb, in dem was wir tun. Diesselbe Strategie der ideologischen „Vermenschlichung“ ist auch eine Schlüsselkomponente der ideologischen (Selbst-)Darstellung der israelischen Streitkräfte. Die israelischen Medien gehen gerne ausführlich auf die Unvollkommenheiten und psychischen Probleme deer israelischen Soldaten ein und stellen sie weder als perfekte Kampfmaschinen noch als übermenschliche Helden, sondern als ganz normale Menschen dar, die, gefangen in den Traumata der Geschichte und des Krieges, Fehler begehen können und die Orientierung verlieren können, wie jeder andere auch. Als etwa die israelische Armee im Januar 2003 das Haus der Familie eine mutmaßlichen „Terroristen“ zerstörte, ging sie mit betonter Liebenswürdigkeit vor und half der Familie sogar noch, ihre Möbel aus dem Haus zu schaffen, bevor sie es mit dem Bulldozer planierte. Kurz zuvor hatte die israelische Presse über einen ähnlichen Vorfall berichtet: Als ein israelischer Soldat ein palästinensisches Haus nach Verdächtigen durchsuchte, rief die Mutter ihre Tochter bei Namen, um sie zu beruhigen, und der verdutzte Soldat musste feststellen, dass das verschreckte Mädchen genauso hieß wie seine eigene Tochter; in einem Anfall von Sentimentalität zückte er seine Brieftasche und zeigte ihr Bild der palästinensischen Mutter. Die Falschheit einer solchen Empathiegeste ist leicht zu erkennen: die Vorstellung, dass wir trotz aller politischen Differenzen doch Menschen mit denselben Vorlieben und Sorgen sind, neutralisiert die Wirkung dessen, was der Soldat tatsächlich gerade tut. Die einzig richte Antwort der Mutter müsste also lauten: „Wenn Sie wirklich ein Mensch sind wie ich, warum tun Sie dann, was Sie gerade tun?“ Der Soldat kann sich dann nur noch auf seine verdinglichte Pflicht berufen: „Es gefällt mir nicht, aber es ist meine Pflicht …“ und so der subjektiven Annahme seiner Pflicht entgehen. Vermenschlichungen dieser Art sollen die Kluft verdeutlichen, die zwischen der komplexen Realität der Person und der Rolle, die sie entgegen ihrer wahren Natur spielen muss, herrscht. „In meiner Familie liegt das Militärische nicht in den Genen“, sagt einer der interviewten Soldaten, der zu seiner eigenen Überraschung Karrieresoldat geworden ist, in Claude Lanzmanns Film Tsahal.
    Eine Schlüsselszene gegen Ende des Films, in der Lanzmann mit einem israelischen Bauunternehmer diskutiert, beschreibt Maslin so:
    „Wenn die Araber wissen, dass es hier bis in alle Ewigkeit Juden geben wird, werden sie lernen, damit zu leben“, behauptet dieser Mann, dessen neue Häuser auf besetztem Gebiet gebaut werden. Hinter ihm arbeiten eifrig arabische Handwerker, während er redet. Als er mit den heiklen Fragen konfrontiert wird, die der Siedlungsbau aufwirft, verstrickt sich der Mann in Widersprüche und schaltet auf stur. „Dies ist das Land Israel“, beharrt er immer dann, wenn Mr. Lanzmann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Verhältnis des israelischen Volkes zu seinem Land zu erforschen, eine der Fragen stellt, auf die es keine Antwort gibt. Schließlich gibt der Regisseur die Diskussion auf, lächelt philosophisch und umarmt den Bauunternehmer. In diesem Moment bringt er all die Wehmut und die Frustration, die in Tsahal zu sehen sind, zum Ausdruck, und er schafft dies in einer einzigen Geste.“ (Janet Maslin, „Tsahal; Lanzmann´s Meditation On Israel´s Defense“, in: New York Times, 27. Januar 1995)
    Würde Lanzmann auch den arabischen Handwerker im Hintergrund philosophisch anlächeln und umarmen, wenn dieser im Interview in wütende Raserei gegen die Israelis ausbrechen würde, die ihn zu einem bezahlten Instrument des Raubes an seinem eigene Land degradieren? Darin liegt die ideologische Ambiguität von Tsahal: Die interviewten Soldaten spielen die Rolle ihres „normalen menschlichen Selbst“ sie inszenieren die Maske, die sie zur Vermenschlichung ihrer Taten geschaffen haben. Diese ideologische Mystifikation (bei der die ideologische Maske als „normales menschliches Inneres“ präsentiert wird) erreicht ihren unübertroffenen ironischen Höhepunkt mit dem Auftritt von Ariel Sharon als friedlicher Bauer.

  12. avatar

    Interessant, dass NIEMAND den „I like“-Facebook-Button gedrückt hat. Die Palästina-Fraktion mag es nicht, dass ich Terroristen Terroristen nenne und für deren Bestrafung bin, und die Israel-Fraktion mag keine Kritik an Aktionen Israels, selbst wenn diese Kritik sozusagen von rechts kommt. Tja. Wieder mal zwischen den Stühlen, wo es mir am besten gefällt.

  13. avatar

    EJ: Welch ungeheurer Archaismus!
    ..und nur mit Zynismus zu ertragen:
    Ein Wechselkurs für Menschenleben von 1000:1 an der Zivilisationsgrenze.

  14. avatar

    Alan Posener: Schön zynisch.

    Ja. – Und auffällig, dass nur solcher Zynismus den Tausend etwas wie ein Gesicht gibt.

    Mir verschlägt dieser 1-zu-Tausend-Deal die Sprache. Welch ungeheurer Archaismus!

  15. avatar

    Spiegel-Online spricht von „rund hundert militanten Palästinensern“. Wie valide ist diese Zahl? Und was sagt schon „militant“? Der Begriff ist in diesem Zusammenhang doch viel zu vage. Habe gerade die Bilder in der „Tagesschau“ gesehen und stelle mir vor, dass man als Israeli bei aller Freude über die Freilassung Shalits nur Angst vor der Ermutigung zur Gewalt, die von diesem Austausch ausgeht, empfinden kann. Der zu 27 Jahren Haft verurteilte Palästinenser: Wird er nun, nach 12 Jahren Haft, einen rechtsstaatlichen Prozess und ebensolche Haftbedingungen zu würdigen wissen, oder wird er voller Hass auf Israel Rache üben wollen? „Botschafter des Friedens“ (P. Pau), diese Annahme ist wirklich strubbelnaiv. Und was für eine Desorientierung in der von Posener zitierten Aussage Ban Ki-Moons: „and also the release of all Palestinians whose human rights have been abused all the time.” Ist diese Unklarheit Nachlässigkeit, Kalkül oder Zynismus?

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    Es bringt Israel gar nichts, wie nicht nur der Kommentar des dyslexischen Judenfeinds Thomas Schmidt (s.o.) zeigt, sondern auch die Reaktion von Ban Ki-Moon:

    GENEVA, Oct. 18 – A Geneva-based watchdog group called on UN chief Ban Ki-moon to clarify remarks made today that seemed to draw a moral equivalence between the imprisonment of Israeli soldier Gilad Shalit and Hamas terrorists.

    „I am very encouraged by the prisoner exchange today after many many years of negotiation,“ Secretary-General Ban told Reuters today. „The United Nations has been calling for (an end to) the unacceptable detention of Gilad Shalit and also the release of all Palestinians whose human rights have been abused all the time.“

    „Mr. Ban needs to clarify whether, as it appears, he was referring to the Palestinians who committed such gruseome crimes as the bombing of Jerusalem’s Sbarro pizzeria that killed 15, the bombing of a Tel Aviv nightclub that killed 21, and the bombing of Netanya’s Park Hotel that killed 29 people attending a Passover Seder,“ said Hillel Neuer, executive director of UN Watch.

    „We call on Mr. Ban to recognize that those who masterminded and carried out terrorist attacks against women and children are despicable criminals, not innocent victims, and that their detention is a moral and security obligation rather than a so-called violation of human rights,“ said Neuer.

    „The UN was founded on moral clarity, and its highest officials should know better than to engage in false moral equivalence. They should instead be condeming all of those today who obscenely celebrated cold-blooded murderers as heroes.“

    Genau. „Detention is a moral obligation“. Und ob es HELLER Wahnsinn ist, kaltblütige Mörder freizulassen, oder einfach nur der Opportunismus eines Politikers, der den von Dir, Hannes, beschworenen Grundsatz vor zehn Jahren explizit und öffentlich ablehnte, weiß ich nicht. Und noch einmal: in Israel habe ich so argumentiert wie jene, die sagen, Israel beweise damit seine moralische Überlegenheit. Und noch einmal: ich wünschte, ich könnte mir glauben.

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    1000 Terroristen  von wegen. Wenn jemand dein hausstürmt dein Kind tötet und dich aus den Haus rausschmeißt. Würdest du dich währen würde man dich Terrorist nennen und wenn du nichts tust dann bist du für den Frieden AHA momentmal dann heist es Ya das ich auch Terrorist bin weil ichs mir nicht gefallen lassen würde. 

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    Der Deal war falsch, und er war unvermeidbar. Er war unvermeidbar, weil Israel ein jüdischer Staat ist. Juden haben seit Jahrtausenden alles getan, um Gefangene freizubekommen. Sie haben jeden Preis bezahlt, den die Autoritäten dafür verlangt haben. Solch tausendjähriges Training verlernt man nicht nur deshalb, weil man plötzlich über nationalstaatliche Souveränität verfügt.
    Nebenbei bemerkt: Einen ähnlich müßigen Streit könnte man auch über die offizielle Militärdoktrin der israelischen Verteidigungsarmee führen, derzufolge kein Soldat in der Schlacht je zurückgelassen werden darf. Soll wirklich ein ganzes Bataillon Leib und Leben regieren, um einen Verwundeten rauszuhauen? oder eine Leiche zu bergen? Gewiss, es ist der helle Wahnsinn. Ich bestehe aber darauf, dass es ein HELLER Wahnsinn ist.

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    Aus Haaretz:
    „A wall painting lampooned Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu, depicting him with his face ground into the dirt by the boot of a gunman, signing a paper with words „swap deal“.

    Hamas, whose gunmen seized Shalit in a cross-border raid in 2006, has declared the prisoner exchange a victory over Israel and a vindication of its policy of armed resistance over the peace-seeking policy of Abbas.“

  20. avatar

    Schon meckern die deutschen Israel-Hasser, dass Israels Zugeständnisse nicht ausreichen:
    http://occupiedpalestine.wordp.....en-urgent/
    (Wurde mir zugestellt von Dr. Gabi Weber vom „Café Palestine“ in Freiburg.) QED.
    Und Petra Pau von der Linkspartei, sonst eher ein vernünftiger Kopf, schreibt: „Weltweit haben sich Menschen mit Gilad Schalit solidarisiert und sich für ihn eingesetzt, auch die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag. Möge er ein Botschafter des Friedens werden.“
    Genau: Was würden SIE tun, wenn man Sie verschleppt und fünf Jahre ohne Kontakt zur Außenwelt und in ständiger todesgefahr gehalten hätte? Sie würden „ein Botschafter des Friedens“ werden. Mann!

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    @Alan, -viele Leben werden gefährdet. Aber eben „nur“ gefährdet. Jüdisches Leben ist und war schon immer chronisch gefährdet. Dafür wird ein Leben SICHER gerettet. Gilad nämlich. Das ist moralisch schwierig, aber dennoch richtig (für mich jedenfalls). Und das Bibi diesbezüglich weniger durch talmudische Betrachtungen als vielmehr durch einen dringend benötigten innenpolitischen Erfolg motiviert wurde…naja, geschenkt. Das ist offensichtlich. Aber auch das ändert nichts an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Und diese Entscheidung wird mehrheitlich von den Israelis mitgetragen- und insofern hat der Talmudspruch, der ja in seiner Aussage zentraler Bestandteil jüdischer Ethik ist, schon seine Berechtigung….

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    Jede palästinensische Anschlag auf Israel macht einen palästinensischen Staat unwahrscheinlicher. Insofern macht die Freilassung von 1000 Terroristen duraus Sinn. Jeder von ihnen ist ein weiterer Sargnagel in den Palästinenserstaat.

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    @ Serdar: Ich „weiß“ natürlich nicht, dass sie alle Terroristen sind. Sie sind von ordentlichen Gerichten als Terroristen verurteilt worden, viele brüsten sich ihrer Taten. Nehmen wir an, dass nicht alle, sondern „nur“ 90 Prozent Terroristen sind, OK?
    @ Ramona: So schön das Zitat ist, es hilft hier wenig. Denn mit dem Austausch werden Leben gefährdet. Shalit war Soldat. Soldaten werden auch von einem Staat, der dem zitierten Grundsatz huldigt, in den Tod geschickt, müssen Gefangenschaft erleiden usw. Außerdem glaube ich nicht, dass Benjamin Netanjahu durch diese überlegung motiviert wurde. Ich frage mich also, was seine Motivationen waren.
    @ Jens: So habe ich auch in Israel gegenüber den Skeptikern argumentiert. But I am not convinced…Der Hinweis auf Schleyers NS-Vergangenheit ist irrelevant. Denn es war nicht er, der die Entscheidung fällte, ihn der Staatsräson zu opfern, sondern eben der Ex-Wehrmachtsoffizier Schmidt. Übrigens hat die Frage mit deutsch / nichtdeutsch wenig zu tun. Außenminister Joschka Fischer hat in einem anderen Fall von Geiselnahme anders entschieden und hat via den bekannten Demokraten und Freund des Westens Muammar al-Gaddafi die Freilassung von Geiseln aus der Gefangenschaft einer Al-Qaida-Sympathisantengruppe verhandelt. Es flossen auch Lösegelder. Das war kurz vor 9/11, und auch das habe ich damals kritisiert.
    @ EJ: Schön zynisch. Ich hoffe, dass Sie Recht haben.

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    Die Schmidt-Argumentation hat mir schon als Kind in den 70ern – unabhängig von politischen Positionen, die ich damals noch nicht verstanden habe – Kopfzerbrechen bereitet und bis heute leuchtet sie mir logisch ein, emotional aber nicht.

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    Ich glaube nicht, dass der Deal ein Fehler war. Auf mich zumindest wirkt es so, als würde eines verschleiertes Problem in ein offenes übergehen. Bei einem Deal ein gutes Geschäft zu machen – dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber bei einem Profitverhältnis von 1000:1, wobei die 1 auch noch für ein Kidnapping-Opfer steht – hier beginnt die übliche Bewertung zugunsten des Siegers zu kippen; und die Sympathien drehen zu der Partei, die sich mit der 1 zufrieden gibt.
    Jedenfalls ist es für jeden auf der Welt offensichtlich, dass dieser Deal extrem, sagen wir: unausgegeglichen ist. Und dieser Effekt ist sicherlich gewollt.

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    Nethanjahus Entscheidung, wie immer sie auch zustande gekommen ist, ist eine taktische Niederlage, aber ein moralischer Sieg der Zivilisation.

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    Mein Herz sagt mir, dass der Deal absolut richtig und sinnvoll ist. Mein Verstand sagt mir, dass der Deal falsch und kontraproduktiv ist. Ein gedankliches Dilemma sozusagen.

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    Der Vergleich mit der Situation in Deutschland und Helmut Schmidt hinkt.
    Wie auch immer man den Deal mit der Hamas nun sieht, ob als Fehler oder nicht, er zeigt eines, auch bei Netanjahu, nämlich dass in Israel der Einzelne nicht aufgegeben wird.
    Im deutschen Glauben an das Volk, ist diese Denkhaltung gar nicht möglich. Wo auf dem Feld der Ehre gefallen wird, ist der Einzelne nichts und die Gemeinschaft alles. Gerade im Falle Hans-Martin Schleyers, der im Nationalsozialismus durchaus mitgewirkt hat, wird dies deutlich, der Einzelne wird fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel.
    In Israel scheint dies bei allem Für und Wider völlig undenkbar. Zum Schluss wiegen alle taktische Überlegungen nichts. Wie steht man hinkünftig den Palästinensern gegenüber da? Gewinnt man an Stärke oder verliert man und wird schwächer? Am Ende kommt schlicht und ergreifend das Individuum Gilad Shalit aus der Geiselhaft der Hamas frei.

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    Eine kluge Entscheidung die nicht zuletzt die Kampfmoral der eigenen Truppe stärkt. Eben wohltuend anders, als wenn ein Bundespräsident 3. Wahl [sic!], der ‚BRD‘ beispielsweise, die huldigt, die Anders- und Ungläubige zu Feinden erklären.

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    „Wer ein einziges Leben rettet, der rettet die ganze Welt“ steht im Talmud. Und deshalb ist der Deal- so schmerzhaft er auch ist…, richtig. Jeder Einzelne ist wichtig und man sollte kein Menschenleben aufgeben, um einer Ideologie willen…- das -und genau das, also diese Haltung, ist ja überhaupt das Wunderbarste. Es ist das Gegenteil dessen, dass man Leute zu Selbstmordattentätern ausbildet. Es ist Ausdruck dessen, dass man das Leben liebt….und keinen vergisst. Egal wie hoch der Preis ist….

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    Wie viele umgedrehte Leute bzw. Trojanische Pferde werden unter den freigelassenen Palästinensern sein? Wie viel Streit und Misstrauen wird es unter den einsitzenden Palästinensern gegeben haben? Wie lange werden die konkurrierenden Palästinenser-Organisationen brauchen, um die 1000 Freigelassenen zu durchleuchten? Und was wird bzw.kann für sie dabei herauskommen? – 1000 Freigelassene! Die Palästinenser haben ein dickes Problem.

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