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Ein offener Brief an Außenminister Guido Westerwelle

Betr.: Benedikt. Ein offener Brief an unseren Außenminister

Sehr geehrter Herr Westerwelle,
als schwuler Politiker hat man es nicht leicht. Heute, ein Jahrzehnt nach Klaus Wowereits „Ich bin schwul … und das ist gut so“, mag diese Aussage seltsam klingen.

Aber Sie wissen, was ich meine. Sie wissen, wie Sie sich verbiegen, verstecken und verleugnen mussten, um in der Partei voranzukommen. Sie wissen, wie Jürgen Möllemann, den Sie so bewunderten, dem Sie noch die Treue hielten, als er längst untragbar und für Sie als künftigen Außenminister zur Belastung geworden war, hinter Ihrem Rücken über Sie lästerte. Wie er genüsslich unter Journalisten Ihren Spruch, „Auf jedem Boot, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt, und das bin ich“, ins Zotige verkehrte.

Dass Sie zu all den Gemeinheiten und Zurücksetzungen schwiegen, mag man als Selbstbeherrschung bewundern oder als Beleg für charakterlosen Karrierismus buchen, je nach Einstellung.

Der Punkt ist der: Ihre Karriere ist vorbei. Jetzt kostet es Sie nichts, Charakter zu beweisen. Und der Besuch des Papstes bietet dafür eine Gelegenheit.

Dass der Papst, wiewohl Oberhaupt der „größten transnationalen Schwulenorganisation der Welt“, wie der Jesuit und Psychotherapeut Hermann Kügler sagte, die Homosexualität als Sünde betrachtet, braucht Sie nicht anzufechten.

Sie sind evangelisch. Dass Joseph Ratzinger sogar weitergeht und die Homosexualität als „objektive Ordnungsstörung im Aufbau der menschlichen Existenz“ bezeichnet – nun, da könnten Sie mit Recht sagen, dass jemand, der zölibatär lebt, nicht über objektive Ordnungsstörungen reden soll, wenn er sich nicht intellektuell blamieren will, und insoweit zur Tagesordnung übergehen. Aber als Außenminister und Schwuler müsste Ihnen folgendes doch zu denken geben:

Ende 2008 hat die Europäische Union auf Initiative der französischen Ratspräsidentschaft eine Resolution in die Vereinten Nationen eingebracht, die eine universelle Entkriminalisierung der Homosexualität fordert. Bis heute ist die Homosexualität, wie Sie wissen, in mindestens 77 Ländern der Erde ein Verbrechen.

In sieben islamischen Ländern – Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran, Mauretanien, Nigeria, Sudan und Jemen – werden homosexuelle Handlungen sogar mit dem Tod bestraft. Die Bilder von jungen Männern, die wegen verbotener Liebe in Teheran an Baukränen baumeln, kennen Sie auch.

Dort könnten auch Sie hängen, Herr Außenminister, wenn Sie nicht die Gnade der westlichen Geburt genossen  hätten. Gegen die Resolution votierten nicht nur – erwartungsgemäß – die betroffenen Länder; gegen die Resolution stimmte auch der Vatikan.

Dessen oberster Vertreter – manche sagen: Diktator, aber wir wollen nicht so sein – ist nun zu Besuch. Was kostet es Sie, öffentlich diese unerhörte Haltung anzusprechen und als das zu kritisieren, was sie ist – nämlich als eines zivilisierten Menschen und Christen unwürdig? Einmal in Ihrem Leben Mut beweisen, ein Zeichen setzen – reizt Sie das nicht?

Denken Sie bitte darüber nach.

Es grüßt Sie hoffnungsvoll

Ihr
Alan Posener
http://www.facebook.com/Gegenpapst

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112 Gedanken zu “Ein offener Brief an Außenminister Guido Westerwelle;”

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    @Kerstin: Nachtrag: Ich mußte mich zwar mit Nazi Lehrern herumschlagen, also Lehrern die die nationalsozialistischen Lehren und Ausbildungsprofile noch im Blut hatten, aber aktive Nazis, von denen man wußte, welche Untaten sie begangen hatten, habe ich tatsächlich im realen Leben nie getroffen.
    By the way, als ich vor ca. 20 Jahren mal längere Zeit in Spanien verbrachte, war gerade irgend ein Jahrestagsrummel um den Feldmarschall Rommel. Jeder 10. Spanier, wenn man mich Deutsch reden hörte, ließ eine Lobeshymne über Rommel ab. Plötzlich nix mehr mit bösen Deutschen Nazis, endlich glorreiche Deutsche mit dem grandiosen Rommel. Jeder dieser Spanier wußte aber ganz genau, wo Rommel begraben ist – während ich es aber überhaupt nicht wußte.
    Für mich war die Welt tatsächlich nie verrückter, als zu dieser Zeit, ich war im falschen Film sozusagen.

    Diese Woche befinde ich mich ebenfalls im falschen Film, womöglich daher meine Aufgeregtheit.

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    @Liebe Kerstin: Machen Sie sich – um Himmels Willen – nicht so klein.
    Ich war auch nie ein besonderer Held – nur mit dem Maul. Und wegen meiner großen Klappe bin ich auch während des Balkan Krieges in Serbien um ein Haar für längere Zeit im Gefängnis gelandet.

    Das ist jetz mal sehr persönlich – und geht eigentlich auch die anderen nicht so viel an. Meine erste und einzige und schallende Ohrfeige, die bekam ich von meinem Vater mit ungefähr 17. Und das war zugleich meine nachhaltigste Lektion in Demokratie, die mir mein Vater verpasste.
    Während eine Kommunalwahlkampfes war ich mit“meiner Parteijugend“ unterwegs, und wir fanden es außerordentlich heldenhaft eine Wahlkapfveranstaltung der damals noch bestehenden KPD zu stören.Im vollem Bewußtsein, daß wir denen einigermaßen intelektuell überlegen waren, denn das waren durchschnittlich einfache Leute.
    Wir haben böse aggitiert und sind dann natürlich auch dort herausgeflogen. Als ich nachhause kam, wollte ich meinem konservativen und anständigen Vater von dieser Heldentat erzählen – und bekam erst einmal eine schallende Ohrfeige. Danach erzählte er mir ausführlich, daß genau diese Leute die einzigen und anständigen in unserer Stadt waren, die nicht nur Juden retteten und von denen mancher im Gefängnis und KZ saß. Mein Vater hatte überhaupt kein Faible für Kommunisten, aber eben Respekt vor Menschen, auch vor welchen mit anderer Meinung.

    Diese Lektion habe ich geradezu“furchtbar“ verinnerlicht. Ich schaue mir die Dinge manchmal üb erlang an, bevor ich irgend eine Wertung für mich selbst finde.

    Ich möchte nicht erybodys darling sein, um dann als everybodys Depp zu enden. Trotzdem bemühe ich mich immer noch redlich, auch Andersdenkenden den ihnen zustehenden Respekt entgegenzubringen – was mir aber eben auch nicht immer perfekt gelingt.

    Sie machen Ihre Sache wirklich gut, aber machen Sie nicht den selben Fehler, wie ich. Ich habe mich 50 Jahre lang – immer nur auf Anforderung im Ausland – für die Untaten der Nazis entschuldig, obwohl ich in meinem ganzen Leben noch nicht einmal einem Einzigen begegnet bin.
    Ich entschuldige mich jetzt nur noch für meine eigenen Süden.

  3. avatar

    EJ meint: Machen sie Ihren Muh-Vorschlag!

    …Ich hätt´s doch fast versemmelt…

    Mein Glaubensbekenntnis:

    Schuldig ist der liebe Gott, stellvertretend sein Diener auf Erden!

    Wir glauben an Alles,

    (RTL2, Spiegel, Zeit, SZ, FAZ, Berlusconi, Sarkozy, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel und Stefan Raab eingeschlossen)

    nur nicht an ihn!

    (wäre das im Kollektiv der „Heiligen“ mehrheitsfähig? …. oder trügt der „Schein“ ..? wie läuft übrigens das Geschäft mit dem Kreuzzug gegen den Papst, Herr Posener, die Auflagen müssten doch steigen…?)

  4. avatar

    @Liebe Rita E. Groda: Erinnern Sie sich an den Jungen, der an der Grenze erschossen wurde, ich hatte noch kurz vorher mit ihm gesprochen und dann war er tot. http://www.bstu.bund.de/DE/Wis.....cationFile

    Ja, ich kann kotzen (oder wütend heulen) bei der Erinnerung an meine Zeit in der DDR, an die Demütigungen, die man zu ertragen hatte, die ewig falschen Kompromisse, den eigenen Opportunismus, das eigene Lügengebäude und die verratenen Werte.

    Wissen Sie, ich war sogar mehrmals im Westen. Ein Leben dort konnte ich mir nicht vorstellen. Es war keine Überzeugung, dass ich in die DDR zurückkehrte, sondern ein Gemenge von Moral, mangelnden Selbstbewusstsein und Loyalität gegenüber der Familie. Es hätte wahrscheinlich die völlige Loslösung bedeutet, dazu war ich damals nicht in der Lage.

  5. avatar

    „Das heutige Deutschland gehört zu den erfolgreichsten Demokratien im heutigen Europa!!!!“

    Deshalb wird sie gerade im Rahmen des Projekts „EU“ abgeschafft. Wie übrigens bereits die DM und neuerdings der Schweizer Franken.

    In der Politik gilt eben die Regel: Qualität hat keine Chance.

  6. avatar

    Garantiert kommt bald die Frage, warum“traurigerweise“.
    Traurigerweise, weil unsere besondere politische Korrektheit nicht aus der Erkenntnis vorwiegend kommt, daß totalitäre Systeme keinen besonderen und menschlichen Wert für die Gesellschaft bringen, sondern eher aus einer Art Rücksicht auf die Kausalität unserer unheilvollen Geschichte auf viele Länder Europas, deren Weg anders und demokratischer hätte verlaufen können, ohne AH.

  7. avatar

    @An viele:
    Hier scheint sich ein Missverständnis breit zu machen, nämlich daß Kerstin und ich eine ideologische Ost-West-Debatte führen. Dem ist beileibe nicht so.
    Da ich Demokratie und Staatssozialismus ungefähr gleich lange kenne, fühle mich immer wieder – bei passender Gelegenheit – genötigt, die Unterschiede ganz klar zu legen. Meine ganz persönlichen Erlebnisse in der Nachkriegszeit, in unserer Republik, kann Kerstin nur aus Büchern kennen. Was ich in der selben Zeit in Ostblockländern erlebte, ebenso.
    Es ist absolut witzlos, sich für Fehler in West und Ost entschuldigen, entschulden zu wollen. Wichtig ist für uns die richtigen Konsequenzen zu ziehen und darum geht es mir hauptsächlich. Es ist also „sinnlos“, wenn DDR-Hasser sich an unsere Diskussion anhängen wollen.

    Wenn ich seit Jahrzehnten permanent unser System und Land kritisiere, dann lediglich aus dem Grunde es verbessern zu wollen – aber keineswegs und niemals mit dem Ziel unser System abschaffen zu wollen.
    Das heutige Deutschland gehört zu den erfolgreichsten Demokratien im heutigen Europa!!!!
    Trauriger- aber auch erfreulicherweise dürfte bei uns ein Wilders kaum möglich sein.

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    EJ schreibt: Sie wollen sagen, dass Sie sich nicht repräsentiert fühlen? Machen sie Ihren Muh-Vorschlag! Und suchen Sie sich die entsprechende Mehrheit! Wo liegt das Problem?
    … genau so – selbsterhöhend – haben sich die Betonköpfe der SED in der ‚DDR‘, bekanntlich mit 99,..% ‚demokratisch gewählt‘, den Deutschen präsentiert. Beruhigend zu wissen, dass die Tage der ‚BRD‘ nun auch gezählt sind.

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