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FDP: Warum der Neuanfang diesmal schwieriger wird als 2001

Es muss an den geraden Zahlen liegen: Schon einmal, vor zehn Jahren, stand die FDP vor dem Aus. In kaum einem Länderparlament mehr vertreten, im EU-Parlament rausgeflogen. Damals putschte ein Generalsekretär namens Guido Westerwelle gegen einen Parteivorsitzenden namens Wolfgang Gerhardt.

Zehn Jahre später ist nun auch die Dekade Guido Westerwelles beendet. Der Mann, der damals als frisch, unkonventionell und angenehm anders rüberkam gilt heute als kraftlos, ohne Ideen und überholt. Dennoch wiederholt sich Geschichte nicht einfach so. Die Renaissance der FDP wird 2011 um vieles schwieriger als sie 2001 war.

Es wird nicht ausreichen, der unsympathisch gewordenen Klientelpartei für Steuersenkungen ein frisches, angenehmeres, mitfühlenderes Gesicht zu geben. Es geht dieses Mal um den Markenkern der Partei. Und der könnte sehr wohl irreparabel beschädigt sein.

Inhaltlich gibt es zwei Wurzeln, auf die sich die Liberalen vor allem berufen – Ordnungspolitik und Marktwirtschaft auf der einen Seite, die Bürgerrechte auf der anderen Seite. Beide lassen sich natürlich wieder stärken. Doch ob sie jemals zu alter Stärke -also analog der 70er, 80er Jahre für die Bürgerrechte  und der 90er für die Marktwirtschaft – aufblühen können, ist fraglich.

Die klassischen Bürgerrechte à la FDP beeinhalteten den weitestgehenden Schutz der Privatsphäre gegen den neugierigen Staat. Das ist auch heute noch ein spannendes Thema, aber es ist sehr viel kontroverser geworden. Wenn beispielsweise Pädophile zur Strecke gebracht werden sollen, können sich staatliche Hacker-Angriffe auf die betreffenden Computer sehr wohl als segensreich entpuppen – oder auch DNA-Massentests bei der Aufklärung von Vergewaltigungen.

Ähnlich das Dilemma in der Ordnungspolitik: Im Prinzip muss die FDP gegen Mindestlöhne sein. Was aber, wenn eine zunehmende Zahl von Unternehmern mit wirklich üblen Dumpinglöhnen den Staat ausnimmt, der diese Mini-Löhne dann über Hartz IV aufstocken muss? Oder die Boni der Banker: Klar muss sich Leistung lohnen für die FDP. Aber was ist Leistung im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie der Kapitalmarkt heutzutage funktioniert?

Hier wirklich liberale Antworten zu geben, ist 2011 weit schwieriger als es 2001 war.

So bleibt noch die traditionelle Rolle der FDP als Mehrheitsbeschaffer für die Union. Auch sie ist beschädigt. Auch dies ist möglicherweise irreparabel. Sicher wird es in dem einen oder anderen Bundesland bei Landtagswahlen wieder klappen.

Doch die Schwäche der beiden Volksparteien bedeutet, dass die kleinere Partei schon nahe an die Zweistelligkeit kommen muss, damit es zu den klassischen Zweier-Bündnissen reicht (CDU und CSU hier vereinfacht als Union gerechnet).

Bleibt die Variante der Dreier-Bündnisse, die vor 2009 – also vor dem 14,6 Prozent-Ergebnis der FDP bei den Bundestagswahlen – heftig diskutiert wurde: Schwarz-Grün-Gelb (wie im Saarland dann auch umgesetzt) oder Rot-Grün-Gelb.

Auch das allerdings wird an dem Markenkern der FDP nagen. Derartige Konstellationen sind noch stärker auf suboptimale Kompromisse angewiesen, um überhaupt arbeiten zu können. Das aber bedeutet, dass die FDP noch weniger ihrer Kern-Überzeugungen durchbringen kann als in Zweier-Bündnissen.

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2 Gedanken zu “FDP: Warum der Neuanfang diesmal schwieriger wird als 2001;”

  1. avatar

    „Markenkern der FDP“

    Politik als Marketingverabstaltung, wenn das schon die Journalisten predigen, dann ist etwas oberfaul im Lande.

    Übrigens kam Westerwelle bei mir (ja, ich habe die FDP gewählt und werde sie weiter wählen) noch nie „frisch, unkonventionell und angenehm anders“ rüber, sondern schon immer als unangenehmer Streber.

    Aber: Wer die deutsche Obrigkeitsgläubigkeit satt hat kann entweder FDP wählen (mit Zähneknirschen) oder er wählt überhaupt nicht.

  2. avatar

    Die FDP trennt sich von ihrem Leben als CDU-Anhängsel, das sowieso nicht zu ihrer liberalen Idee passt, und muss sich nun ein neues Leben als selbständige, unabhängige, freie Partei einhauchen. Als liberale Partei sollte sie überall, auch in der Koalitionsfähigkeit, auf das Freiheitsprinzip pochen. Das liberale Profil muss nicht mal besonders originell sein; es reicht schon, wenn der Freiheitsbegriff in seiner Zusammensetzung bzw. Potenzierung zu einem Alleinstellungsmerkmal wird.

    Ja, Bürgerrechte und Marktwirtschaft wären hier die wichtigsten Baustellen. Das impliziert zum einen die programmatische Orientierung an den Rechten des Einzelnen. Staatliche Hackerangriffe müssen deshalb hier draußen bleiben; wer deren Vorteile nutzen will, sollte eben eine andere Partei wählen. Zum anderen müsste die verloren gegangene Wirtschaftskompetenz zurückgewonnen und über den Zusammenhang zwischen Marktwirtschaft und individueller Freiheit glaubhaft vertreten werden.

    In letzter Zeit wurde so ziemlich das Gegenteil davon gemacht. Die FDP als Korrektiv von Individuen gegen Klientel- und Gruppeninteressen – das klingt aus heutiger Sicht geradezu lächerlich. Ob der luftige Rösler nun die richtigen Impulse geben kann, mit denen sich seine Partei in diesem Sinne neu (er)finden kann, das ist die Frage.

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