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Die Lehren des 27. März 2011 – und wie es nun weitergeht

Auch in Zukunft ist Stuttgart immer eine Reise wert. Mehr denn je, wenn mit Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands amtiert. Das ist ein wirklich historisches Ergebnis eines ziemlich historischen Wahlabends.

Keine Frage, die Grünen sind die großen Gewinner dieses Abends. Ebenso ist klar, dass die sieben Moratoriums-Kernkraftwerke auch nach dem 15. Juni abgeschaltet bleiben. Denn auch dies wird in die Geschichte eingehen: Ein Wahlkampf, der mit einem einzigen Thema gewonnen oder verloren wurde, je nach Sichtweise.

Klar, dass dieser Wahltag Folgen haben wird, in allen Parteien. Es ist kaum denkbar, dass Stefan Mappus CDU-Vorsitzender in Baden-Württemberg bleiben kann. Er ist zu einem sehr großen Teil an diesem Debakel für die Union schuld. Er war es, der bei der vorhergehenden Wahl Schwarz-Grün gezielt gekillt hat, obwohl sein Vorgänger Günther Oettinger dieses Experiment wagen wollte. Er hat sich als Konservativer inszeniert, ohne zu liefern. Und er war es ebenfalls, der im vergangenen Jahr massivst gegen Bundesumweltminister Norbert Röttgen und dessen schon damals eher atomkritischen Kurs gestänkert hatte. Und natürlich ist er immer ein Hardliner beim Konflikt um Stuttgart 21 geblieben.

Wenn das Ergebnis für Angela Merkel nicht ebenso beschädigend wäre, könnte sie eines konstatieren: Eine konservative Hau-Drauf-CDU hat heutzutage keine Chance mehr. Insofern ist dies eine Bestätigung des Modernisierungskurses von Merkel. Allerdings wird sie sich darüber nicht freuen können. Der Verlust von Baden-Württemberg nach 58 Jahren ist ein Erdbeben für die CDU. Alle Gegner von Merkel werden ab Montag früh vor die Mikrophone gehen – und es sind inzwischen nicht wenige. Diejenigen, die ihren Namen nicht nennen werden und Vitriol über Merkel ausgießen werden, sind noch mehr.

Dennoch wird sie dies überstehen. Es gibt momentan keine Alternative zu Angela Merkel und jeder weiß das. Wie sich die Lage vor der Wahl 2013 darstellt, ist derzeit keinesfalls absehbar. Klar ist aber auch, dass Merkel schwere strategische Fehler gemacht hat. Die Laufzeitverlängerung für die Atomkraft war einer davon, aber auch die Volten der vergangenen Tage. Und die Ironie der Geschichte ist natürlich, dass Merkel sich über zwei mögliche schwarz-grüne Bündnisse unter Führung der CDU freuen könnte – wenn sie die Grünen nicht – weiterer strategischer Fehler – als die „Dagegen-Partei“ im Sog der verlorenen Hamburg-Wahl verprellt hätte.

Übel auch die Lage bei der FDP: Gäbe es eine klare Alternative zu Guido Westerwelle, hätte er als Parteichef keine Überlebenschance. So aber ist Rainer Brüderle beschädigt, der mit seiner Atom-Indiskretion und dem Ergebnis seines Landesverbandes in Rheinland-Pfalz nun nicht mehr in Frage kommt. Und die Jungen trauen sich nach wie vor nicht, sind sich wohl auch nicht einig, wer von ihnen denn an die Spitze soll.

Gerade noch mal davon gekommen ist die SPD, die Rheinland-Pfalz gerettet hat, wenn auch mit den Grünen. Und die in Baden-Württemberg nun Juniorpartner sind. So müssen wir uns also ganz ernsthaft mit einer erneuten Renaissance von Rot-Grün beschäftigen. Das ist durchaus eine Vorfestlegung auch im Bund für die Wahl 2013.

Und so sind wir wieder bei den Grünen, den überwältigenden Siegern dieses Tages. Für sie beginnt nun der Ernst des Lebens. Sie müssen regieren. Als Koch, nicht als Kellner. Was wird Winfried Kretschmann in Sachen Stuttgart 21 machen? Bauen und Hoffnungen enttäuschen? Stoppen und die Millionen-Konventionalstrafen zahlen? Wie wird er sich in Sachen Pumpspeicherkraftwerk aufstellen, das Grüne vor Ort bekämpfen – ohne das es aber nicht mehr regenerative Energie geben wird? Das alles sind außerordentlich spannende Fragen, die den Blick nach Stuttgart künftig noch mehr lohnen als bisher.

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10 Gedanken zu “Die Lehren des 27. März 2011 – und wie es nun weitergeht;”

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    „Zwischen Deutschland und den USA herrschen ganz normale und überwiegend sehr freundschaftliche diplomatische Beziehungen“

    Tatsächlich. Aber seit etwa zehn Jahren beobachte ich eine wesentliche Versenkung des Bilds (goodwill) Deutschlands in Washington. Dazu sagt jetzt schon eine Minderheit Amerikaner dass die USA Deutschland schützen sollen: das Land ist reich und vernünftig genug um seine Verteidigung wichtig zu nehmen ; die USA Armee soll sich aus dem Land entziehen.

    Ich denke es ist nur eine Frage der Zeit wenn Deutschland ohne amerikanische Militärpräsenz seine Verteitigungsdoktrin umorientieren müsse.

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    @Liebes, gutes Milchmaedchen: Danke fuer die intelligente Frage! Die Mutti weiss, dass 2/3 ihrer „Mitbuerger“ die „Schnauze voll haben“ mit den „Einsaetzen“ in all den exotischen Fernen. Auch in USA sind 2/3 gegen noch einen weiteren „Befreiungskrieg“ in der islamistischen Welt. Deshalb hat die „Nichtteilnahme“ vielleicht sogar eine noch groesseren Rueckgang fuer die Popularitaet der Mutti und ihre Regierung verhindert. Die Unmut welche die Atomfrage erzeugt hatte – haette dann noch ausserdem vom neuen „Partnerschafteinsatz“ mit der NATO weiteren Schwung erhalten. Deshalb ist die Nichteilnahme innerpolitische positiv – auch wenn das unter dem Krach um die Atomenenergie kaum hoerbar scheint. Auserdem ist die Mutti sehr veraergert ueber die Absage von Washington, die Lumpen im Wallstreet zu kontrollieren, denn die Mutti weiss – nur wenn die Finanzen und die Wirtschaft in BRD gesund bleiben – kann ihre Regierung fuer ewig walten und schalten. Jetzt hat die Mutti und ihre Gefolgschaft in der BRD Wirtschaft verstanden, dass fuer die naechsten Dekaden, die grosse WIRTSCHAFTLICHE „Partnerschaft im „Osten“ liegt: China, Asien, Indien, Russland. Weniger in USA: Chrysler, Mobil T, Lehman Brothers, Opel-GM – usw. usw. – mit USA hat die BRD nicht „unbegrenzte Moeglichkeiten“. Hu Jin Tao und Merkel haben zusammengestanden und die von USA geforderte „freiwillige Exportbeschraenkung“ klar zurueckgewiesen. – So erklaert sich, (meine bescheidene Ansicht) die Nicthteilnahme 1.): aus dem Wunsch der meisten Deutschen nicht bei allen „Befreiungskriegen“ der Anglos teilzunehmen. (Frankreich eifert gegen Lybien um die franzoesischen „Kolonien“ in der Sahara/Sahel Region weiter unter franzoesischer militaerischer und wirtschaftlicher Kontrolle zu halten!)2. Die deutschen Wirtschaftler „go with the money“ – und das kommt heute nicht von USA – sondern von den BRIC und vielen neuen Entwicklungszonen. Wie ich dass den Amis erklaert habe:“ The Germans loved Kennedy and Elvis, but now they got shafted by Robert Rubin and Alan Greenspan. Auf Wiedersehen Amerika !“

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    ferri schrieb: „Wenn hier mal die Luftstützpunkte der Amis gesperrt würden.
    Dann würdest du schon merken wie souverän Deutschland ist.“

    Bei der Sperrung der deutschen Luftstützpunkte der Amerikaner passiert nicht viel. Denn die Amis haben genug Freunde in der Welt, die die USA in einer gerechten Sache gerne unterstützen. Zwar würde Deutschland eine gewisse Zeit die erhebliche Verschnupfung der USA ziemlich spüren. Aber das war es auch dann. Spätestens wenn dann in Deutschland wieder eine vernünftige Regierung dran ist, wäre die Sache vergessen.

    Zwischen Deutschland und den USA herrschen ganz normale und überwiegend sehr freundschftliche diplomatische Beziehungen :-).

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    Wohlwollender Kommentar, der die Souveränität der Wähler zur Kenntnis nimmt. Und ja: Mappus hat gegen den Willen der Bürger ein teuer zu bezahlendes Erbe hinterlassen.

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    Wenn hier mal die Luftstützpunkte der Amis gesperrt würden.
    Dann würdest du schon merken wie souverän Deutschland ist.

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    Jan Z. Volens schrieb: „Der gute Michel denkt gar nicht mehr daran, dass er noch, und fuer ewig von USA “besetzt” bleibt, aber das Aufwachen in die Wirklichkeit seiner begrenzten Souveranitaet (geopolitische Unabhaengigkeit) – wird noch weitere innerpolitische Ueberraschung hervorrufen…“

    Auf die Gefahr hin, daß ihr Weltbild zusammenbricht. Aber wie erklären Sie die Nichtteilnahme der Deutschen an den Militäroperatinen gegen Lybien innerhalb ihres Dogmas der begrenzten deutschen Souveränität?

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    Falsch Fr. Heckel. Anders als ein GAU – Abkürzung für größter anzunehmender Unfall – ist Merkel eine Katastrophe.
    .
    Das respektable Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz einer überaus jungen Julia Klöckner, CDU, ist der Beweis, dass allein die katastrophale Bundespolitik von ‚Schwarz-Gelb‘, unter Führung einer Ex-FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda [sic!], verantwortlich für das Wahlergebnis in Baden-Württemberg ist. In einem Land, in den Themen wie Wirtschaft, Arbeitslosigkeit oder Bildungspolitik im Wahlkampf faktisch keine Rolle spielen.
    .
    Alternativlos wäre im Übrigen einzig Merkels Rücktritt. SOFORT.
    .
    Alternativlos – übrigens Unwort des Jahres 2010 und ‚größte Leistung‘ der Ex. Man kann es nicht oft genug wiederholen.
    .
    »Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.«

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    Ihr Artikel ist menschlich wohlwollend geschrieben.
    Andere Medien gleiten noch auf der CDU+FDP Schiene.
    Mappus+Merkel standen für eine Politik der Vergangenheit.Stimme abgeben und dann dürfen wir machen, was wir wollen, gegen die Bedürfisse der Bürger.
    Wie ging Mappus und Merkel mit ihren Wählern um, wenn sie Fragen hatten die sie nicht verstanden hatten?
    Alte Parolen wurden unter die Leute geschleudert und mit viel Dreck geworfen.
    Menschlichkeit und Führung sieht anders aus.
    Wenn der Bürger nicht mitgeht,muß die Politik erkläören.Das war nie die Stärke von Merkel und Mappus.Japans Atomproblem hat nur eine untergeordnete Rolle gespielt.
    Was man sehen konnte,war das Verhalten der Politiker.
    Ihre Unglaubwürdigkeit.
    Wäre keine Wahl gewesen ,wäre niemals ein Moratorium geschaffen worden.Niemals die alten Meiler abgeschaltet wórden. Das erkannten die Bürger!

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    …und was schreibt man jetzt in USA ueber die „german partners“ ? „Foreign Policy“ fragt „Why are Germans falling down on the job?“ – und natuerlich muessen alle die ueblichen beliebten Kratschtanten der Amis die Aufklaerung uebermitteln: Hendryk Broder, Joschka Fischer, und Generalfeldmarschall Klaus Naumann. —Der gute Michel denkt gar nicht mehr daran, dass er noch, und fuer ewig von USA „besetzt“ bleibt, aber das Aufwachen in die Wirklichkeit seiner begrenzten Souveranitaet (geopolitische Unabhaengigkeit) – wird noch weitere innerpolitische Ueberraschung hervorrufen…

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    Da staunt man, wenn man die ersten Deutschen Kommentare zur Wahl in BW liest.

    Besonders bemerkenswert bereits der erste Beitrag der Welt.

    http://www.welt.de/debatte/art.....berg.html#

    Woher haben diese Herrschaften ihre Spezialkenntnisse über die Mentalität der Badener und Württemberger?
    „Ihren“ Schiller haben sie bestimmt nicht gelesen, falls sie den überhaupt kennen.

    Bereits in seinem ersten Werk, die Räuber, rief er zum Kampf gegen alle Tyrannen auf. Und der Tyrann, der er speziell meinte, Herzog Karl Eugen – der sich nie als Tyrann sehen wollte – rächte sich so, daß Schiller niemals mehr in seine Heimat zurückkehren durfte

    Der Dichter Schubart, schon vor Schiller übte er herbe Kritik an Karl Eugen und landete auf dem Hohenasperg.

    Gewitzt waren sie ebenso und bösartig. Während der Regentschaft von Herzog Eberhard Ludwig und seiner Mätresse der Grävenitz schlossen sie ihr“Herrenluder“ jeweils in ihre Gebete ein. Anstatt beim Vaterunser“erlöse uns von dem Übel“ hieß es erlöse uns von der Grävenitz. Solcherlei Frevel hat sich beim Volk teilweise bis heute erhalten…………

    Die Württemberger schon alleine – niemals waren sie duldsam und brav. Die Herren von der ungebildeten Presse mögen sich mal bitte kundig machen. Bevor ihnen die nächste Pointe in BW entgeht.

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