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Jetzt beginnt die eigentliche Bewährungsprobe in Ägypten

Es ist vollbracht, das Volk hat Mubarak gestürzt. Der Pharao hat seinen Thron aufgegeben. Ein epochaler Erfolg der Menschen, die seit Wochen zu Hunderttausenden auf dem Tahrir-Platz nach Freiheit riefen und den Despoten zum Teufel wünschten. Wie groß die Verachtung für den alten Mann mittlerweile war, konnte man Donnerstag im Fernsehen sehen: Die wütenden Bürger reckten ihre Schuhe in die Luft – eine Geste, die hierzulande dem Zeigen des Mittelfingers entspricht.

Der Verhasste mag nun der Vergangenheit angehören, eine Ära der Unterdrückung hoffentlich zu Ende gegangen sein. Eine friedliche Revolution beendet die Herrschaft eines orientalischen Despoten – ein historischer Moment für die arabische Welt. Nichts ist mehr wie früher. Alte Gewissheiten sind jetzt Geschichte. Und das darf ruhig mit Beifall begrüßt werden. Weiterlesen

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Herr Mubarak, Ihr Volk will Sie nicht mehr!

Hosni Mubarak hat seine letzte große Chance verpasst, mit erhobenem Haupt seine Ära als Diktator Ägyptens  zu beenden und in Würde abzutreten. Wer ihm bei seiner Rede zuhörte, musste das Gefühl haben, dass entweder der Zuhörer oder der ägyptische Präsident im falschen Theater mit dem falschen Text unterwegs sind.

Da spielte sich Mubarak als Spitze der Revolutions- und Veränderungsbewegung auf. Da tat er so, als ob er  – und schon ganz lange – die von ihm selbst geschaffene Diktatur und den Ausnahmezustand aufgeben wollte. Da veräppelte einer sein eigenes Volk in unerträglicher Weise. Er trete nicht zurück, weil er sich von Ausländern nicht sein Handeln vorschreiben ließe. Von Ausländern? Herr Mubarak, Ihr Volk will Sie nicht mehr! Weiterlesen

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Das Hartz-Debakel und der Stillstand in Deutschland

Nichts geht mehr. Die Verhandlungen zur Hartz IV-Reform sind gescheitert und geben einen Vorgeschmack auf die nächsten beiden Jahre bis zur Bundestagswahl 2013. Die Opposition hat sich auf „Blockade“ eingestellt.

Die historische Parallele: In der Endphase von schwarz-gelb vor 1998 war es Lafontaine, der die SPD auf diese Strategie einschwörte. Jetzt ist es Gabriel. Für Merkel wird das Regieren schwieriger. Wenn Baden-Württemberg im März fällt, wird es einsam um Kohls Nachfolgerin. Weiterlesen

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Die Blindheit des Wutbürgers

Sie schimpfen. Sie wüten. Sie fordern. Weil sie enttäuscht sind. Weil sie glauben, Missstände aufgedeckt zu haben. Weil sie sich auf der richtigen Seite wähnen. Sie wollen, dass sich etwas ändert. Sie wollen die Menschen aufrütteln.

Dazu bedienen sie sich der Kraft des Wortes. Ihre Mission findet Platz zwischen zwei Buchdeckeln. Kampfansagen, die den Nerv der Zeit zu treffen scheinen und hunderttausendfachen Zuspruch erhalten. Damit enden allerdings die Gemeinsamkeiten des Deutschen Thilo Sarrazin und des Franzosen Stéphane Hessel. Denn ihre Streitschriften unterscheiden sich von Grund auf. Weiterlesen

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Revisited: Die Götterdämmerungs-Operette von Arnulf Baring

Nicht ganz von ungefähr (aber dazu komme ich gleich) las ich dieser Tage wieder Arnulf Barings Manifest „Bürger auf die Barrikaden“, das im November 2002 in der FAZ erschien:

http://www.arnulf-baring.de/html-dateien/presse_buergeraufdiebarrikaden.htm

Der verdiente Historiker sah Deutschland „auf dem Weg zu einer westlichen DDR“. Er bemühte außerdem als historische Vergleichsgröße die letzten Tage der Weimarer Republik, verglich den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Reichskanzler Heinrich Brüning, sah das „Parteiensystem“ am Ende und einen „massenhaften Steuerboykott“, „aktiven und passiven Widerstand“ und „empörte Revolten“ gegen den Staat voraus, wenn sich nichts ändere, wobei ihm freilich nicht viel Konkretes einfiel außer einer Verfassungsänderung, die es einer zur „Reform“ (sprich: Reduzierung der Sozialausgaben) entschlossenen Bundesregierung ermöglichen würde, tatsächlich auch – wie es Angela Merkel später formulieren sollte – „durchzuregieren“. Weiterlesen

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Wenn der Westen Ägypten verliert …

Da sitzen alle relevanten Politiker zusammen bei der Sicherheitskonferenz in München, in Ägypten befreien sich die Menschen von einer Dikatatur – und wie reagiert der Westen? Er rät, abzuwarten! Es gelte, sich Zeit zu nehmen, um freie Wahlen vorzubereiten!

Das ist beschämend. Da sind die mutigen Millionen, die Tag für Tag auf dem Tahrir-Platz in Kairo ihr Leben für die Freiheit riskieren. Und hier sind bräsige Politiker in einem Münchner Nobelhotel, die palavern und palavern und dann doch nichts tun. Der Westen ist auf dem besten Wege, Ägypten zu verlieren.  Weiterlesen

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Der deutsche Michel lässt grüßen

Tage des Zorns, Tage des Abgangs – Ungeheuerliches tut sich derzeit in Ägypten und anderswo in der arabischen Welt. Die Menschen gehen auf die Straße, um nach Jahren der Unterdrückung ihre Grundrechte einzufordern: Freiheit, Selbstbestimmung, Mitsprache und wirtschaftliches Auskommen.

Sie kämpfen gegen die Obrigkeit und deren brutale, zum Teil gekaufte Parteigänger. Dazu bedarf es Mut. Denn wer heute protestiert, kann von Steinen und Kugeln getroffen werden, riskiert also sein Leben. Pulverdampf und Tränengas statt Jasmin. Gerade in Kairo geht es dieser Tage um viel, sehr viel. Vielleicht sogar um alles. Die Stimmung, ja das Wort ist durchaus angebracht, ist revolutionär. Weiterlesen

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Showdown in der Siegreichen

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Als ich im Wintersemester 2003/2004 an der islamischen Universität Al Azhar in Kairo studiert habe, lag über Ägypten eine schummrige Atmosphäre, das Land war in den Klauen des Stillstands. 40 Prozent Analphabeten, hunderttausende Studenten ohne Jobaussicht, die Hälfte der Bevölkerung unter 20 Jahre – und über 20 Jahre Alleinherrschaft von Hosni Mubarak. Der Machthaber konnte sich schon damals nur mit der Unterstützung des Militärs und der Muslimbruderschaft halten.

Beide spielen bei den aktuellen Entwicklungen entscheidende Rollen. Weiterlesen

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Der Westen ist herausgefordert, kluge Entscheidungen zu treffen

Hoch lebe die Revolution!  Sie lebe hoch! Wie oft haben sich Menschen darüber gefreut, dass Völker sich von ihrer Diktatur befreien wollen, den Despoten zu Recht zum Teufel jagen, soziale Ungerechtigkeit einerseits und Korruption der Machthaber andererseits nicht mehr hinnehmen. Gerade wir, die hier in der Demokratie leben und Menschenrechte als Conditio sine qua non für politisches Handeln definieren, müssen an der Seite der Demonstranten sein.

Wenn es nicht, ja wenn es eben nicht die Erfahrung gäbe, dass diese Aufstände von anderen totalitären Gruppen  missbraucht und benutzt werden. Und der eine Diktator durch einen anderen wieder ersetzt wird und die Hoffnung der Menschen erneut mit Füßen getreten wird. Weiterlesen

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Der arabische Aufstand, die Türkei und wir

„Empires of the Sand“ – so heißt ein lesenswertes Buch des Historikers Ephraim Karsh über den Versuch, im nahen und mittleren Osten imperiale Strukturen aufzurichten. Zuletzt sind die Ottomanen, die Briten und – wenn man so will – die Amerikaner damit gescheitert.

Dabei ist das Imperium gerade in dieser Region die nahe liegende und traditionelle politische Daseinsform – anders als etwa in Europa mit seinen vielen Völkern, Sprachen und Kulturen, das den Nationalstaat erfunden hat und erst ex negativo – aus der nationalen Hybris, die zu zwei Weltkriegen führte, und dem Niedergang der alten nationalimperialistischen Mächte seit 1945 – zu einer postnationalen Ordnung gefunden hat. Weiterlesen

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