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Brot und Spiele, vor allem Spiele

Das alte Rom unterhielt mit viel klugem Können ein Weltreich. In der Hauptstadt selbst aber, der politischen Zentrale, waren die Dinge einfacher gestrickt. Man gewährte seitens der politischen Klasse dem Volk Brot und Spiele. Die Raffinesse des Colosseums, in dem zu jedermanns Belustigung wilde Löwen verstörte Christen zerrissen, steht hinter der Hollywoods oder unserer Medienlandschaft nicht wirklich zurück.

Eher im Gegenteil: Wenig amüsiert ist die Wählerschaft von den schwarz-gelben Staatsakten. Die ungeliebte Regierung greift zu Notmaßnahmen aus dem Verbandskasten; jetzt werden schon die gröberen Pflaster geklebt. Man sieht in der Wochenendpresse eine Doppelseite des Bundesministeriums für Wirtschaft, dem Haus von Herrn Brüderle, in dem der wirtschaftliche Aufschwung mit Argumenten unterlegt werden soll; das Ganze ist eine sogenannte PR-Anzeige und soll, raffiniert, raffiniert, mit dem redaktionellen Teil der Zeitung verwechselbar sein.

Die doppelseitige Anzeige auf Kosten des Steuerzahlers ist aber so schlecht, so grottenschlecht gemacht, dass die vordergründige Propaganda-Absicht des als Weinköniginnenküsser legendären Herrn Brüderle dem Leser geradezu ins Gesicht springt. Ein notorisch übelriechender Verlautbarungsjournalismus will uns verkünden, dass uns Herr Brüderle und die FDP nach der Krise jetzt, hip hip hurray, den Aufschwung gebracht haben.

Man verspürt beim Betrachten dieser parteipolitischen Agitation, die wir auch noch selbst bezahlen dürfen, kein Glücksgefühl, eher schon den Wunsch nach Sagrotan. Was man in der Bundespressekonferenz oder den Hinterzimmern der Hauptstadt nicht mehr über die Bühne kriegt, wird hier als „Anzeigen-Sonderveröffentlichung“ in die Medien reingekauft.

Das ist ordnungspolitisch grenzständig, wird aber nicht zu Protesten führen, weil der Bund der Steuerzahler eine Tarnorganisation der FDP ist. Nützen wird die Jubelanzeige nichts. Man kann mit der untergehenden FDP schon Mitleid empfinden, so schlecht verkauft sie ihre Politik. Man muss fürchten, dass sie so schlecht ist, wie sie aussieht.

Das Volk mag nun Brot haben, verehrter Herr Brüderle, aber keine Spiele. Es ist dieser chronische Verlust an Interessantem, der zu dem Verlust an Interesse geführt hat. Das gleiche Schicksal der monotonsten Langeweile hat die einst charismatische Frau Merkel erreicht, die vordem als Anti-Kohl und Heldin des Ostens, auch als Frau im Bundeskanzleramt und als kluger Kopf für weitreichende Anerkennung sorgte.

Sie läuft inzwischen durch die deutsche Politik wie eine Pensionsanwärterin, die man vergessen hat, nach Hause zu schicken. Sie ist ermatteter als ihr Vorgänger Schröder, der in dieser Phase seines mühsamen Rückzugs von der Politik der ruhigen Hand faseln ließ.

Brot wollen die Menschen, und Spiele, vor allem Spiele. Man schaue also auf das neue große Stück, das allen vor allem dies bietet: Spielfreude, neudeutsch: news to amuse! Erdacht hat es der gewitzte Chef der BILD-Gruppe, Kai Diekmann, der sich auch vor dem fiktionalen Strickmuster eines Groschenromans nicht fürchtet. Ein großes Stück, das im 19. Jahrhundert Hedwig Courths-Mahler gehört hätte oder heute Rosamunde Pilcher, ein Stoff für Gala und Bunte, fernsehspielfest und hollywoodnah.

Aufgesprungen ist nun auch der SPIEGEL, der sich dem Vernehmen nach seine Titel von dem genialen Ex-Stern-Boss Michael Jürgs machen lässt. Jedenfalls eine Bombenstory, KTG und Gattin: die unvergleichliche Kombination von neo-konservativer Politik und Adelscharme, von moralischer Hybris und populistischen Gesten.

Das ist der Stoff, aus dem die Obamas sind. Quatsch, was sage ich, das ist, darf man amerikanischen Tea Party Kreisen trauen, ja möglicherweise ein Muslim aus Kenia. KTG, das ist der Stoff, aus dem die Kennedys sind. Der kleinbürgerliche Öko-Hedonismus, der sich zu „Stuttgart21“ maulig ereifert, ist nicht durch die obrigkeitsstaatliche Biederkeit von Merkel-Mappus-Grube zu schlagen. Rechthaber sind langweilig. Der Unwillen ist dem Volk nicht auszureden.

Begeisterung braucht das Land. Was man in England mal „Lady Di- Faktor“ genannt hat, das fehlt. Wulffs Redenschreiber sitzt hoffentlich schon im Bundespräsidialamt („eine Denkfabrik“, so Wulff über sein Amt) über einem Manuskript mit dem Titel „Die Monarchie ist ein Teil Deutschlands!“ Aber es wird bei seiner First Lady („Lena“ titelt der Boulevard) wohl nicht zu einer Lady Di-Euphorie reichen.

Wenn die Not am größten, ist die Hilfe am nächsten. Denn noch ist der Frust der gelangweilten Republik zu krönen: durch das Königspaar aus Franken, Karl Theodor und Stephanie zu Guttenberg. Kurzum: Der unglückselige Wulff plus Gattin Lena möge das Schloss Bellevue räumen, zuvor aber noch die Monarchie ausrufen („ein Teil Deutschlands“), und KTG zieht mit Stephanie ein. Das wird fein. Wir wollen Spiele, vor allem Spiele.

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5 Gedanken zu “Brot und Spiele, vor allem Spiele;”

  1. avatar

    So,so, Brot und Spiele wollen die Menschen haben wie im Mittelalter??
    Und ihr glaubt wirklich die Menschen sind noch so wie im Mittelalter?
    Dumm aufgezoegn worden und dumm gehalten worden,damit sie nicht merken was man mit ihnen macht?
    Im Medienzeitalter von Handy und Internet und ständiger Aufklärung dürfte sich das überholt haben.
    Merken wir das nicht an den Protesten des Volkes?
    Jetzt will das Volk mitreden!
    Jetzt kritisiert das Volk ihre politischen Führer samt Unternehmen.
    Was macht die Politik?
    Auf Kosten der Steuerzahler beschäftigt die Regierung sämtliche Medien die ihr helfen soll,
    das Volk wieder auf die Spur zu bringen.
    Warum kann man solche kostenintesive Spiele der Politiker nicht unterbinden?

  2. avatar

    Ich habe mal Gerd beim Frühshoppen in Niedersachsen kennen gelernt, ein guter Mann, rhetorisch begabt, schlagfertig und witzig, er könnte genauso CDU sein, also vernünftig und bodenständig. Damals wollte ihn dort keiner. Er ist dann zur SPD gegangen. Soviel zum Thema Parteien.

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    Brot und Spiele ist das älteste Gewerbe der Welt. Das machen alle Parteien seit es Parteien gibt, ist ja keine Spezialität von Gelb-Schwarz. Rot-Grün ist nicht besser. Siehe Gerhard Schröder, als Genosse der Bossen, oder Özdemir als Miles-and-More-Sammler. Salon-Revoluzzer…die links sind, weil es in ist. Machiavelli wenden sie alle an, ob links oder bürgerlich.

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    „…Kurzum: Der unglückselige Wulff plus Gattin Lena möge das Schloss Bellevue räumen…“

    Umso glücklicher ist dagegen unser Vize-Bundespräsident Joachim Gauck, zu sehen in einem Interview mit der NZZ…

    NZZ-Standpunkte – Zwei Journalisten, ein Gast
    Joachim Gauck – Das kostbare Gut Freiheit
    http://www.nzz.ch/hintergrund/.....=1.7937175

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