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Warum Frauen weniger verdienen – und möglicherweise selbst daran schuld sind

Frauen sind mit einem niedrigeren Einkommen zufrieden als Männer. Das ist das faszinierende und sehr beunruhigende Ergebnis zweier neuer Studien. Dabei haben die Wissenschaftler10 000 Erwerbstätige befragt, ob sie ihr eigenes Einkommen für gerecht halten. Wenn sie es als unfair erachteten, sollten sie angeben, was ein gerechtes Gehalt sei.

Dabei zeigte sich, dass der bekannte Gehaltsunterschied von rund 20 Prozent zwischen Frauen und Männern auch dem Unterschied der Ansprüche entspricht. Schlimmer noch: Das von Frauen als „gerecht“ angesehene Wunschgehalt lag in der Regel unter dem realen Gehalt vergleichbar qualifizierter Männer.

Offensichtlich unterliegen Frauen (und Männer) in Gehaltsdingen einer derartigen Gehirnwäsche, dass die Gehaltsunterschiede fraglos akzeptiert und verinnerlicht sind. Das ist das frustrierende Ergebnis einer zweiten Studie. Dabei sollten Befragte das gerechte Einkommen fiktiver Personen einschätzen. Also beispielsweise eines 55-jährigen Arztes, Alleinverdiener, vier Kinder.

Die Befragten hielten im Schnitt ein Bruttoeinkommen von 7750 Euro im Monat für gerecht. Wird aus dem Arzt eine Ärztin, sind es nur 7300 Euro – und zwar ganz egal, ob der Befragte männlich oder weiblich ist. „Selbst Frauen sind der Meinung, dass Frauen am Arbeitsplatz weniger verdienen sollen“, ist das Fazit der beteiligten Studienautors Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Sind Frauen am Gehaltsgefälle also selbst schuld? Geben sie sich einfach mit weniger zufrieden?Die Forscher halten diese Interpretation zu recht für nicht legitim: Vielmehr gebe es einfach zu wenig Transparenz bei den Gehälter. Viele Frauen wüssten einfach nicht, wie groß die Einkommenskluft tatsächlich sei.

Wer Ungerechtigkeiten hier beseitigen will, muss sich also zuerst mal darum kümmern, diese Transparenz herzustellen. Dafür gibt es inzwischen gute Instrumente wie Logib-D, eine anonymisierte Datenbanken über die Gehälter eines Unternehmens. Das vom Arbeitsministerium geförderte Programm vergleicht die Gehälter für gleiche Funktionen innerhalb eines Unternehmens nach den Merkmalen Geschlecht und Qualifikation.

Viele, die damit zum ersten Mal arbeiteten, waren hinterher ehrlich erstaunt über das Ausmaß der unterschiedlichen Bezahlung bei gleich qualifizierten Mitarbeitern. Ob dies dann Korrekturen auslöst, kommt auf jedes Unternehmen an. Doch ohne die Zahlenbasis ist an eine Korrektur kaum zu denken.

Insofern sind auch die beiden neuen Studien hilfreich. Die meisten Befragten sind natürlich für gleiche Bezahlung zwischen den Geschlechtern. Dass ihre eigenen Urteil diesem abstrakten Prinzip so zuwiderlaufen, dürfte für die meisten einen waschechte Überraschung gewesen sein. Und hoffentlich der Anlass, sich endlich ums Geld zu kümmern!

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6 Gedanken zu “Warum Frauen weniger verdienen – und möglicherweise selbst daran schuld sind;”

  1. avatar

    Also noch „Machismo“ im „entwickelten“ Europa von welchen die Lateinamerikaner noch immer die „Missionspriester“, „Entwicklungshelfer“, „Umweltschuetzer“ aufgeladen bekommen – obwohl die Kolonialzeit schon seit Generationen vorbei ist! Die wahrscheinlich erste „Verteidigungsministerin“ der Welt war die chilenische Kinderaerztin Dr. Bachelet, spaeter Praesidentin (unverheiratete Mutter von Kindern verschiedener Vaeter). Heute ist die lateinamerikanische Frau ueberall sehr sichtbar in den Belangen aller Nationen in Lateinamerika. Ich „reite“ jetzt gerade fuer „Belo Monte“ (siehe youtube Video „AHE Belo Monte“ die Version von ‚habis 130‘ ist in English ). Und dabei spielen drei brasilianische Frauen die politisch-administrative Schluesselrollen: Die Buegermeisterin von Altamira wo der drittgroesste Staudamm der Welt entstehen wird, die Governeurin des Staates Para, und die Ministerin fuer Entwicklungsprogramme und jetzige Praesidentschaftskandidatin.

  2. avatar

    Tatsächlich, verdienen Frauen weniger als Männer – im Allgemeinen.

    Aber abgesehen vom Geschlecht, ist es in der Realität schwer „… die Gehälter für gleiche Funktionen innerhalb eines Unternehmens nach den Merkmalen Geschlecht und Qualifikation“ zu vergleichen. Die „Qualifikation“ wird durch keine objektive Metrik bemessen. Nur an Ort und Stelle und in den Augen der Mitarbeiter kann die Produktivität und Anpassung eines Arbeiters festgestellt werden. Eine Einheitsgröße für alle in Sachen Gehälter und Produktivität gibt es nicht.

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    Es kann nicht sein, was nicht sein darf:

    „Geben sie sich einfach mit weniger zufrieden?Die Forscher halten diese Interpretation zu recht für nicht legitim: Vielmehr gebe es einfach zu wenig Transparenz bei den Gehälter.“

    Vielleicht haben Sie Recht, Frau Heckel, und wir sind alle vollkommen gehirngewaschen, Männer, Frauen, Kinder, Alte, Junge – einfach alle total manipuliert.

    Vielleicht habe ich Recht, und Frauen sind tendenziell einfach weniger EXTREM als Männer.

    Stabilität ist doch auch ein Wert an sich. Dass wir Männer das mal den Frauen erklären müssen, hätte ich auch nicht gedacht.

    Übrigens: Die Diskussion über Spitzengehälter ist eine der veröffentlichten Meinung, denn in Wirklichkeit betrifft das doch nur eine Minderheit.

    Mehr Frauen in Führungspositionen kann man ja gerne fordern – ich bin sofort dafür. Wofür ich aber noch mehr bin, ist: Ehrlichkeit. Dazu gehört auch, dass man sich nicht ständig und isoliert mit der Pyramidenspitze beschäftigt.

    In diesem Sinne, es ist an der Zeit, aus den eingefahrenen Verhaltensmustern endlich auszubrechen: FRAUENQUOTE FÜR KANALARBEITER! Ich rechne fest mit Ihrer Unterstützung.

    PS: Kaum etwas ist statistisch derart umstritten wie der „gender wage gap“. Hier mal so en passant die Zahl 20 Prozent (bzw. Rita Groda: 30 Prozent) rauszuhauen und das als Faktum zu verkaufen, wird der Problematik nicht gerecht.

    Denn wie unterscheiden Sie legitime von nicht legitimen Lohnuterschieden? Welche Humankapitalinvestitionen fließen da ein und wie lassen die sich objektiv feststellen (Betriebszugehörigkeit wird zum Beispiel meistens nur als statistischer Wert, nicht als tatsächlicher erfasst)?

    Je nach Rechnung kommt man auf 5 bis 20 Prozent Lohnunterschied, die NICHT durch Leistung erklärbar sind (Messungenauigkeit: etwa 5 Prozent). Schönen Tag noch.

  4. avatar

    Ich habe beobachtet, dass Frauen in Führungspositionen ein Problem mit dem Gehaltsabstand zu ihren (untergebenen, niedriger eingestuften) Mitarbeiterinnen haben. Das deutet auf ein Hierarchieproblem hin, das Frauen (vielleicht/ wahrscheinlich) haben. Das äußert sich beispielsweise auch so, dass Mitarbeiterinnen sich wegbewerben, wenn Sie eine Chefin bekommen. (Vermutlich, weil sie in der weniger autoritären Hierarchie ihre Orientierung verlieren.)

    Inzwischen wird der weibliche Anteil innerhalb der Jutiz immer größer. (Frauen haben bessere Examensnoten!) Ein bekannter Jurist sagte in diesem Zusammenhang einmal, dass man den Zugang in diesen Bereich für Frauen beschränken müsse, weil sie, wenn ihre Zahl noch größer werde, die Rechtsprechung verändern würden.

    Soll heißen: Die Fixierung auf das Bezahlungsproblem verkürzt das Problem zu sehr. Die Widerstände gegen Frauen im Berufsleben, die Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt sind, haben Ursachen, die in der Bezahlungsfrage überhaupt nicht erfasst werden. Es geht um eine mehr oder weniger deutliche Veränderung entweder der (männlichen) Berufswelt oder – der Frauen.

  5. avatar

    Liebe Frau Heckel,

    jetzt ärgern Sie mich aber ein wenig. Frau sind, meiner Erfahrung nach, gut informierte Wesen, die schon sehr lange um die Differenz bei der Bezahlung wissen.
    Im Europäischen Vergleich liegen wir weit über den 20%, es sind tatsächlich bis zu 30%.
    Daß viele Frauen ihre Honorierung für gerecht erachten, dürfte vermutlich daran liegen, daß wir nicht an testoterongesteuerter Selsbtüberschätzung leiden.
    He, warum machen Sie uns immer mal wieder zu bedauernswerten Wesen, die endlich mal um ihre Gleichstellung kämpfen müssen. Sind wir tatsächlich nicht. Wir feilen nur noch an unseren eigenen Strategien, damit wir es einmal besser machen, als unsere Vorgänger. Mehr Frauen machen inzwischen in unserer Republik das Abitur und mehr Frauen, als Männer, haben inzwischen einen höheren Bildungsabschluß.
    Werden die Jungs nicht schon extra im Kindergarten gefördert, weil sie angeblich so furchtbar benachteiligte Wesen geworden sind?
    Wenn wir endlich die erforderliche Anzahl von Kitas, Betriebskindergärten usw. haben, können wir uns endlich konzentriertr um gerechte Bezahlung kümmern.
    Oder wir boykottieren die Biologie und bekommen keine Kinder mehr – machen nur noch Karriere.

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