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Kein Tsunami, nur eine Westerwelle, aber die FDP riskiert in diesem Brackwasser ihre Regierungsfähigkeit

Was bleibt nach den Debatten um die Günstlingswirtschaft des Vizekanzlers Guido Westerwelle, ist jener fade Nachgeschmack, der nachhaltig Politikverdrossenheit erzeugt.

Ohne Not ist die diplomatische Weste meines Vaterlandes bekleckert, das Ansehen der Regierung, die politische Kultur. Eine Kampagne gegen Westerwelle? Ja sicher, aber Herr Guido ist Täter wie Opfer zugleich. All seine Verteidigungsversuche waren fadenscheinig, wenn nicht erlogen.

Alles rutscht ins Piefig-Miefige. Dabei war eine geistig-politische Wende angesagt; darunter tut es die Westerwelle-FDP nicht. Der CSU-Chef hatte schon Recht: kein Tsunami, nur eine Westerwelle.

Aber beginnen wir mit dem Positiven. Wie entgeht man denn als mediengeplagter Politiker dem Geruch der Halbwelt? Es gibt ein Vorbild. Nein, nicht Horst Köhler, der Teilzeit-Bundespräsident. Das Vorbild heißt Angela Merkel. Frau Merkel trennt auf die eindrucksvollste Art ihr Privatleben von den Dienstgeschäften. Ihren Ehemann finden wir sehr, sehr sparsam eingesetzt. Und dann gibt Professor Joachim Sauer eine würdige, weil zurückhaltende Rolle im Damenprogramm, unter den First Ladies ein First Man.

Westerwelle dagegen kokettiert auf das peinlichste mit seinem schwulen Lebenspartner, immerzu dürfen wir uns an Micky, dem Lebenspartner, erfreuen, selbst zu Staatsereignissen. Die Kanzlerin lädt den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank ins Kanzleramt ein und gibt ein Essen für ihn. Gut so, soviel Repräsentation muss sein und Ackermann hat sich in der Finanzkrise um Deutschland verdient gemacht. Und beim nächsten Mal lädt sie den Ersten Vorsitzenden der IG Metall Huber zum Dinner. Gut so. Die IG Metall hat sich um den Industriestandort Deutschland verdient gemacht.

In den Wirtschaftsdelegationen des Herrn Westerwelle dagegen hält die ökonomische Halbwelt Händchen. Wir finden eigenartige Schattengeflechte, etwa aus der Telekommunikation. Da treffen sich Ralph Dommermuth von United Internet (1&1, gmx), Autodidakt und protokollarisch wankender Parteispender, der den einschlägigen Lebensgefährten des Vizekanzlers mit Aufträgen im Sportsponsoring versorgt. Da findet sich Michael Gotthelf, Geschäftspartner von Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke, der im Steuerparadies Guernsey residierte. Und im Gästehaus des Auswärtigen Amtes verlustifiziert sich bei Guidos Kaminabend neben dem amtierenden Telekom-Boss Obermann der TV-Star Thomas Gottschalk (Firma im Steuerparadies Zug).

Wenn nicht Telekom-Kungeleien, dann Hoppe-hoppe-Reiter mit Diplomatenpass. Es mag ja sein, dass der Miele-Chef mit nach China soll im Guido-Mobil, das jetzt Regierungsjet heißt. Weil er in China deutsche Waschmaschinen verkauft. Oder in China Fabriken für Waschmaschinen bauen will. Wirtschaftsförderung ist auch Aufgabe der Politik. Darum freue ich mich ja auch über Ackermann und Huber, wenn sie bei Angela Merkel zu Abend essen.

Anders im Guido- Filz. Verstört stellt man dann bei näherem Hinsehen fest, dass der Miele-Herr, der weiß, was Frauen wünschen, Sponsor des Pferdeturniers ist, mit dem Westerwelles Lover seine Brötchen verdient. Und so tolle Reitställe würden sie jetzt auch gerne der chinesischen Oberschicht andrehen. Die Mischpoke verteidigt in eifrigen Leserbriefen ausgerechnet Frau Professor Margarita Mathiopoulos, eine hysterisch routinierte Rüstungslobbyistin, mit dem Argument, das sei schon immer so gewesen.

Und sie hat Recht. Auch Steinmeier, auch Kohl, die gesamte politische Klasse wird sich Fragen gefallen lassen müssen. Das ist Bürgerrecht; die Herrschaften handeln in unserem Namen und auf Kosten unserer Steuern. Aber eigentlich geht es nicht darum, wer die Zeche zahlt. Es mag ja sein, dass der notorische Lebenspartner seine Spesen selbst bezahlt, was aber hat der Kerl überhaupt da zu suchen? Wo steht in unserer Verfassung das präsenzpflichtige Amt „Lebenspartner“? Und was ist es anderes als Geschäftsanbahnung, wenn man jemandem, der erwerbsmäßig das Türenöffnen betreibt, die Türen öffnet?

Jedenfalls ist die Einlassung Westerwelles, seine Delegationen würden nach „rein fachlichen und sachlichen Kriterien zusammengestellt“ nicht nachzuvollziehen, offensichtlich schlicht gelogen. Es riecht bei Westerwelle nach Filz und Günstlingswirtschaft, wo man Merkel untadelig findet. Der Grund ist einfach: Merkel ist kopfgesteuert, Westerwelle milieugetrieben. Merkel weiß ihre Rollen klug zu trennen, und die private ist ihr privat. Respekt!

Westerwelle fehlt dazu der Charakter. Er hat nun mal fünf Rollen: er ist Vizekanzler, Außenminister, Parteivorsitzender, Erwerbstätiger und Lebenspartner. Die Häme und der Zorn, die ihm entgegenschlagen, kommen daher, dass er uns mit seinem Privatleben belästigt, mit seinen Geschäftchen und seinen Günstlingen, seinem Klassenkampf-Geschrei als Wahlkämpfer. Nur die Jobs, für die wir ihn gewählt haben, seine Ämter, vernachlässigt er sträflich.

Man kann keine ernstzunehmende Außenpolitik erkennen. Man kann keine ernsthaften Regierungserfolge erkennen. Der Junge turtelt und tingelt vor unseren Augen und macht seinen Job nicht. Bei jedem Industrieunternehmen wäre er bereits auf der Straße. Zu diesem Versagen gehört auch die Feigheit vor der Öffentlichkeit. Benutzen will er die Medien, wenn es ihm nützt, aber um sich argumentativ zu stellen, dazu reicht der vielgerühmte Schneid nicht.

Westerwelle steht nicht Rede und Antwort. Er pöbelt pauschal, er hetzt zurück, immer zu laut, immer eine halbe Oktave zu hoch. In diesen Hetzreden des Parteivorsitzenden und Wahlkämpfers liegt der größte Schaden für die FDP. Es gibt schon immer und in ganz Europa eine Spielart des Freiheitlichen, die nicht mehr bürgerlich ist. Wir erinnern uns an Jürgen Möllemann, zuletzt ein antisemitischer Hetzer. Wir hören von den Erfolgen der Freiheitspartei in den Niederlanden unter Geert Wilders, einem entschiedenen Rechtspopulisten, der sich als freiheitlich deklariert. Und wir werden erinnert an den österreichischen Freiheitlichen Jörg Haider, der nach dem Besuch eines Schwulenlokals betrunken in einem Verkehrsunfall endete.

Es gibt eine Strömung von gelb lackierten Faschisten unter den Freiheitlichen in Europa, mit denen sich Westerwelle nicht verwechselbar machen darf, will er nicht die bürgerlichen Unterstützer der FDP verlieren. Aber Westerwelle entgleitet in die Sprache Haiders. Dessen Lieblingsformel war „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen…“ Von Haider haben wir gehört: „Wir geben Geld für arbeitsscheues Gesindel und wir haben kein Geld für anständige Menschen.“ Spätrömische Dekadenz.

Wenn Westerwelle weiter assoziativ in diesen Dunstkreis gerät oder gar mit diesem Ludergeruch populistisch spielt, droht der FDP, ihre Regierungsfähigkeit endgültig zu verlieren. Um den Preis eines autistischen Milieu- und Klientelpolitikers. Das haben die wirklich Liberalen nicht verdient.

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4 Gedanken zu “Kein Tsunami, nur eine Westerwelle, aber die FDP riskiert in diesem Brackwasser ihre Regierungsfähigkeit;”

  1. avatar

    Werter Klaus Kocks,
    ich gratuliere Ihnen zu Ihrem gelungenen Auftritt bei Anne Will am vergangenen Sonntag u. zu Ihren beiden „Westerwelle Kommentaren“ in Ihrem Blog !!! Besser hätte man es kaum sagen können, da war inhaltlich alles drin, Chapeau !!! Besonders der Tupperware Vergleich war herrlich !!!
    Es ist wirklich unerträglich was Guido Westerwelle der Öffentlichkeit zumutet. Statt ‚viel“gerühmten“ Schneid‘ hätten Sie auch gleich sagen können ‚viel“bemühten“ Schneid‘, denn Herr Westerwelle bemüht ihn ja nur. Es ist fast so wie mit der Erklärung des Begriffes „Dilettantismus“, etwas zum Ausdruck bringen wollen u. der Ausdruck sagt ‚NEIN‘. Genauso verhält es sich bei Westerwelle.
    Wenn es überhaupt noch eine einigermaßen erträgliche Lösung für Westerwelle geben kann, dann die, daß er endlich den Parteivorsitz niederlegt, weil, Krawallschachtel u. Vizekanzler plus Außenminister, das geht gar nicht.
    Da er aber höchstwahrscheinlich so machtgeil ist wie nur was, wird er diese Ämterhäufung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beibehalten wollen. Daß dabei das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland über die Wupper geht interessiert einen Guido Westerwelle anscheinend nur peripher, wenn überhaupt.
    Für mich ist daß das reinste Affentheater was uns hier geboten wird, mit dem einen Unterschied, daß Affen lernfähig sind.
    Und diese ständigen Auftritte eines Micky haben erst durch diesen Günstlingswirtschaftverdacht diesen mehr als negativen Beigeschmack bekommen.
    Was Herr Westerwelle ansonsten mit Herrn Mronz privat tut interessiert sowieso nicht. Aber diese Vermischung von Amt u. Privatem unter Berücksichtigung eventueller geschäftlicher Interessen, nein, da hört es effektiv auf, aber total.
    Insofern danke ich Ihnen noch einmal für Ihre brillianten Kommentare in der Sendung u. in Ihrem Blog, Sie haben ausgesprochen, was viele Leute denken!
    Es grüßt Sie zu später Stunde,
    Sina Gerritsen
    P.S.: Ihr Outfit in der Sendung war pfiffig !!!

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    Wenn man keine Ahnung hat was ein Autist ist und was dieser kann, und Personen, deren Bildung in der Gosse angesiedelt ist, mit Autisten vergleicht, sollte man sich mal an statt zu einem Wochenendseminar zu einigen Semestern Nachdenken anmelden.

    MfG
    Blind Guardian

    PS: Wer einen Tippfehler findet, darf Ihn behalten

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    Meinen Sie das unser Außenminister Autist wäre oder haben Sie etwa einfach so ein Wort benutzt das Sie nicht verstehen?

    Ich würde Ihnen gerne das korrekte Wort mitteilen, aber es ist leider nicht ganz ersichtlich was Sie ausdrücken wollten, ich würde aber dazu tendieren dem „Milieu- und Klientelpolitiker“ kein Adjektiv vor zusetzen.

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