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Verneinen, verschieben, keine Konsequenzen: Die deutsche Verteidigungspolitik am Scheideweg

„Deny, delay – do nothing“ – lautet einer der gängigsten Politikberaterempfehlungen. Möglichst lange verleugnen, was bereits viele in der Öffentlichkeit wissen; dann die nötige Debatte hinaus zögern, bis es nicht mehr anders geht und dann, wenn möglich, nichts unternehmen in der Hoffnung, der Kelch der Konsequenz gehe an einen vorbei.

Diese Woche hat der Untersuchungsausschuss des Bundestags im Fall Kunduz den von Verteidigungsminister zu Guttenberg entlassenen Generalinspekteur Schneiderhahn vernommen. Dem von der Opposition ins Leben gerufenen Ausschuss geht es vor allem um die Person des jetzigen Ministers. Er soll möglichst zum Rücktritt gezwungen werden, falls er eine Mitverantwortung an der Vertuschungsaktion des Ministeriums nach dem Bombardement des Tanklastzuges trägt und/oder bewusst im Parlament gelogen hat, als er von der „Vorenthaltung“ wichtiger Unterlagen gesprochen hat.

Die gezielte Vernichtung von vermeintlichen Taliban-Kämpfern unter bewusster Inkaufnahme ziviler Opfer sollte nach dem Willen des Ministeriums zu keiner Zeit in der deutschen und NATO-Öffentlichkeit diskutiert werden. Für den ehemaligen Generalinspekteur ist der Angriff der Bundeswehr bis heute „angemessen“ gewesen. Die Verschleierung und bewusste Irreführung der deutschen Öffentlichkeit führte zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Jung nur wenige Wochen nach der Bundestagswahl. Der neue Minister zu Guttenberg korrigierte recht schnell seine Einschätzung, der Angriff von Kunduz sei angemessen gewesen in ein „nicht angemessen“. Der Soldat darf, was der Politiker nicht kann: Die Inkaufnahme ziviler Opfer als „angemessen“ zu bezeichnen.

Deutschland führt am Hindukusch keinen Krieg, ist aber in einen „kriegsähnlichen Zustand“ verwickelt. Mehr ist die deutsche Politikerelite nicht an Aufklärung der Öffentlichkeit bereit. Sie duckt sich weg, korrigiert sich, wenn es nicht mehr anders geht und sucht Bauernopfer. Die Bundeswehr ist längst eine Berufsarmee, der Wehrdienst dient allein Rekrutierungsinteressen für out of area-Einsätze. Von der Politik wird den Deutschen aber eine Pfadfinder-Armee angeboten, die als Freizeittruppe zwischen Lebensabschnittsphasen noch mal Spaß haben soll. Es wäre daher politisch ehrlicher, den Wehrdienst abzuschaffen und den Dienst an der Waffe als Beruf zu sehen. Billiger wird es dadurch nicht, weder für den Verteidigungshaushalt noch für die Bürgermoral.

Die deutsche Öffentlichkeit verträgt die Wahrheit über den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch. Dies unterschätzt zu haben, ist das eigentliche Versagen im Verteidigungsministerium. Die oberste Führung ist ironischerweise von öffentlichem Wegducken und Angsthasentum geprägt. Guttenberg sollte politisch in die Offensive gehen, wenn er Ende April vor dem Ausschuss aussagt und militärisch den Mut zur offenen Sprache haben.

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4 Gedanken zu “Verneinen, verschieben, keine Konsequenzen: Die deutsche Verteidigungspolitik am Scheideweg;”

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    Nachtrag:
    @Herr Kocks. Jetzt habe ich doch noch kurz die Vita unsere K.T. angeschaut und dabei festgestellt, daß seine verehrte Frau Mutter anscheinend eine Frau Henkel-Ribbentrop war. Das macht sich für einen zukünftigen Kanzler womöglich nicht besonders gut.
    Der Name weckt europäisch nicht nur possitive Assotiationen.
    Wir sollten besser über die überflüssige Sektsteuer des Alten aus dem glaube Sachsenwald diskutieren, bevor wir wieder eine neue Kriegsflotte benötigen.
    Prost, lieber Kocks, bei der Hitze trinke ich jetzt lieber ein schönes Weizen.
    Grüße Sie herzlich.

  2. avatar

    Lieber Kocks,
    wer in der Tat nicht den flotten Freiherrn als zukünftigen Kanzler favorisiert, der sollte ihn auch nicht kontinuierlich in seinen Kommentaren erwähnen. Es erscheint, nicht nur mir, daß die Presse uns da etwas suggerieren möchte, könnte das sein??????
    Sie kennen doch auch die Manipulierbarkeit der Deutschen Volksseele, also üben doch auch Sie, wie übrigens auch alle ihre Kollegen von der „Hofberichterstattung“ einen wenig mehr Verantwortung, was das „Seelenheil“ der Deutschen Bevölkerung betrifft!

    Übrigens währe K.T. wirklich eine geschickte Kanzlerwahl.
    Der Name seiner flotten Angetrauten – ist sie nicht eine geborene Bismark, ich bin mit dem Boulvard nicht so vertraut, daher ist hier mein Kenntnisstand minimal – würde sicherlich im restlichen Europa alte Resentiments wecken.
    Stellen Sie sich doch bitte vor, er würde eine neuerliche Rentenreform starten – die ein Vorfahr seiner verehrten Angetrauten erst bei uns eingeführt hat- wie peinlich.

    Wir sollten es bei der alten Republik belassen, und die Quandt, Bismarcks, Guttenbergs unter sich lassen. In ihren alten Land- und Grundbesitzen und ihren Schicki-Micki Domizilen. Und der Regenbogenpresse die Hofberichterstattung überlassen.

    Wenn Sie mir jetzt entgegnen wollen, keiner darf diskrimiert werden, wegen seiner Herkunft, Rasse usw. haben Sie natürlich Recht. Es darf aber auch keiner bevorzugt werden, deshalb.

  3. avatar

    Die öffentliche Meinung Amerikas hat sich zum Thema Verteidigung Europas deutlich geändert. Gegen 2003 waren es etwa 70 Prozent der Amerikaner die dieser Aussage zustimmten: “wir sind bereit die Verteidigung Europas weiter zu versichern“. Aber um 2007 ist die Prozentzahl der zustimmenden auf 45 Prozent oder so gesunken. Die Darlegung der gegenstimmenden: „Die Europäer sind vernünftig, kompetent, fündig, und verantwortungsvoll um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten“.
    Ich denke es bleibt im Interesse der Deutschen eine öffentliche Debatte über diesen neuen Sachverhalt einzulegen. In der Tat, sind die Deutschen vernünftig, kompetent, fündig, und verantwortungsvoll.

  4. avatar

    USA-Russland-China – sind wieder „Allies“ wie damals im World War Two! Zumindest in Afghanistan! Aber die „Allies“ haben ihre nationalen Gruende. Aber die Deutschen haben keinen nationalen Grund um Truppen in Zentralasien als Hilfskrieger einzusetzen: Nur die Einbildung „wir sind wieder jemand und ohne uns laeuft das nicht richtig in Zentralasien oder Ostafrika, oder dem Balkan!“. Genau so wie in den guten alten Zeiten – als „Schutztruppen“ oder „zur Verteidigung unserer Heimat“ oder „fuer die Zivilisation“ – den Chinesen, Schwarzen und Balkanesen mal was lehren. — Russland hat USA Unterstuezung im Transport nach Afghanistan angeboten. (Gen.a.D. Bromov, der ehemalige Kommandeur der Sowjets in Afghanistan, heute Governeur von Moskau-Provinz. In einem op-ed in New York Times). China hat seit Jahren die Karzai-Regierung mit hunderten Millionen unterstuetzt und Karzai reist jetzt nach Beijing. Nur 19 afghanische Soldaten sollen bisher in Nanjing/China in Minenbeseitigung ausgebildet worden sein. Beide, Russland und China kennen das wirkliche Endziel der USA: Militaerbasen in Zentralasien an den Grenzen von Russland und China – aber beide, Russland und China erkerkennen den islamistischen Extremismus ( und Heroinhandel) als das sofortige Problem fuer ihre nationale Sicherheit. Aber Deutschland ist ein kleineres Land und weit entfernt von Zentralasien – und deshalb gibt es keinen intelligenten Grund fuer deutsche „Schutztruppen“ in Zentralasien: Lasst dass mal die „Allies“ erledigen!

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