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Magerkost bis Ostern: Harte Zeiten liegen vor uns

Viel hat der politische Aschermittwoch nicht gebracht, aber eines doch: Absetzbewegungen von Angela Merkel gegenüber ihrem „Wunschpartner“ Guido Westerwelle. Nach ihrer Sprecherin hat nun auch die Kanzlerin selbst die Hartz IV-Äußerungen des FDP-Chefs als nicht „ihrem Duktus“ entsprechend zurückgewiesen.

Viel spricht dafür, dass Merkel Westerwelle vorher über ihren Auftritt in Vorpommern informiert hat. Normalerweise operiert die Kanzlerin nach diesem Muster.

So kann sie der Öffentlichkeit gegenüber halbwegs deutlich werden, aber den politischen Schaden gegenüber den Partnern reduzieren. Dieses Mal allerdings ist es kurz davor, dass aus einer Verstimmung ein ernsthaftes Zerwürfnis wird. Die Kontroverse hat alles, um den entscheidenden Knacks für das ohnehin reichlich instabile schwarz-gelbe Bündnis zu liefern. Und das deutlich früher als bei Schwarz-Rot. Damals war die Hälfte der Legislaturperiode fast schon vorbei, als Merkel den damaligen SPD-Chef Franz Müntefering mit ihrer Positionsänderung zur Zahldauer von Arbeitslosengeld nachhaltig verärgerte. Beide geben inzwischen zu, dass dies ihr vorher aufgebautes Vertrauensverhältnis entscheidend gestört hat.

Bricht die bisher sehr tragfähige Verständnis-Achse zwischen Merkel und Westerwelle tatsächlich, geht die FDP sehr harten Zeiten entgegen. Im Zweifel sitzt die Kanzlerin am längeren Hebel. Je unverständlicher die FDP durch den Porzellanladen des Sozialstaates trampelt, desto schneller werden sich auch die Konservativen in der Union mit der schwarz-grünen Option anfreunden. Auch der Grünen-Führung hilft dieser Disput. Etliche wollen Schwarz-Grün, aber sie müssen ihre Basis dafür begeistern.  Die Kontroverse macht Merkel für diese Grünen zumindest etwas zugänglicher.

So oder so aber werden die nächsten Wochen nicht von konstruktiver Debatte, sondern von destruktiven Um-sich-Schlagem gekennzeichnet sein. Die FDP ist in den Umfragen zu sehr abgestürzt, die Rettungsreißleine von den „spätrömischen Verhältnissen“ hat nicht funktioniert.

Merkel könnte das Problem entschärfen, wenn sie der FDP einen politischen Sieg – wie klein auch immer er sein möge – verschaffen würde. Momentan sieht allerdings nichts danach aus, dass sie das vorhat.

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2 Gedanken zu “Magerkost bis Ostern: Harte Zeiten liegen vor uns;”

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    @ Don Camillo

    Sie stellen Ihrer Regierung eine Frage, die in der Tat eher wie eine Anklage lautet: „Wann nimmt Frau Bundeskanzlerin Merkel ihre Aufgabe “der Bestimmung der Richtlinien der Regierung” wahr?“

    Es ähnelt ein bißchen das, was ich bei uns in Polen beobachten kann: Auch unser Donald Tusk, der Premierminister Polens und ein der Gründer der liberal-konservativen PO = Bürgerplattform, wird vor allem durch die Kaczynskis-Partei PiS = Recht und Gerechtigkeit (notabene m.E. falsch in Deutschland als national-konservativ wahrgenommen – sie dürfte eher als populistisch genannt werden) massiv angegriffen wegen tatsächlicher oder nur vermeintlichen Passivität seiner Regierung (Stichworte: Wo sind die neuen Gesetze?! Wo sind die aktiven finanziellen Maßnahmen gegen die Weltkrise?! usw. usf.).

    Tusk selbst aber sagte soeben in einem Interview für „Polityka“ (die bedeutendste Meinungszeitschrift Polens), sinngemäß: „In ihrer besten Gestalt ist die Politik kein Vehikel von universellen Projekten, sondern eine Kunst des Reagierens auf sich ändernde Umstände. Man braucht hier keine prächtigen Visionen des menschlichen Fortschritts, sondern nur den Mut, sich mit dem ständig wiederkehrenden Übel auseinanderzusetzen.
    Nach seinen Worten ist es das Credo der guten Politik, es kommt ihm nur schwer, seine Regierungspartner sowie viele Beobachter der politischen Szene zu überzeugen, daß die gute Regierung auf der schnellen und tapferen Wirkung beruht, und nicht auf dem Schaumschlagen oder der Verkündung von hinreißenden Ideologien.

    Und wissen Sie – trotz der angeblichen Faulenz seiner ach-wie-schrecklich-liberalen Regierung schrieb Polen im Vorjahre die schwarzen Zahlen und, als das einzige Land der EU, erzielte auch einen positiven Wachstumssatz. Na ja, gewissermaßen auch dank etwas anderer Struktur und Strategie der Banken, teilweise auch dank den Milliardenbeträgen, welche durch andere Länder (inklusive Deutschland) ausgegeben werden, um deren Wirtschaften wiederzubeleben. Die Hauptsache waren aber m.E. die starken Nerven unserer Regierung, die ihr es erlaubte, keine Bewegungen übereifrig zu machen.

    Es ist immerhin ein Faktum: Im Jahre 2009 war Polen die einzige Insel auf der ganzen Karte Europas, wo die Krise kein Zusammenschrumpfen der Wirtschaft mit sich brachte. Zumindest bis zum heutigen Tage.

    Man kann also auch der Auffassung sein, daß all die großen Programme zur Beglückung der ganzen Menschheit bei weitem mehr Übel als Vorteile dieser ganzen Menschheit bisher zugefügt haben und noch zufügen können. Manchmal ist die Medizin schlimmer als die Krankheit selbst.

    Gruß aus Warschau, Leszek Berger

  2. avatar

    Ob da nicht mancher das Wort „Duktus“ mit „duck Dich“ übersetzt? – Nach einem inhaltslosen Wahlkampf erfolgte 100 Tage inhaltsleere Politik. Wann nimmt Frau Bundeskanzlerin Merkel ihre Aufgabe „der Bestimmung der Richtlinien der Regierung“ wahr? Versteht Frau Merkel den Duktus des Volkes nur zur Erhaltung ihrer eigenen Macht? Das Spiel mit einem anderen Koaltionspartner jedenfalls, würde tief in die Karten einer Frau Merkel schauen lassen. Vorallem die Frage, ob die Mitglieder der CDU/CSU Teil einer „Sozial(istisch)en Einheitspartei werden wollen ist offen.

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