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Die Volkspartei: Ein Nachkriegsmodell läuft aus

Die Politik wird im nächsten Jahrzehnt endgültig ein Teil der Unterhaltungsindustrie. Wir stehen vor italienischen Verhältnissen. Wie in Italien und Frankreich hängt das mit dem Ende der Volksparteien zusammen.

Eine zentrale Institution unseres Vaterlandes ist, das müssen wir uns jetzt eingestehen, unwiederbringlich dahin, die Volkspartei. Für alle und für alle Zeiten. Es heißt Abschied nehmen von der heilen Welt der Nachkriegsära.

Es geht auch die Westminster-Demokratie, das uns von den Alliierten verliehene Erfolgsmodell, vor die Hunde. Die SPD hat diesen Schierlingsbecher schon geleert und liegt zerschlagen am Boden. Der CSU, einst die modernste Volkspartei Europas, wird der Todestrunk gerade gereicht. Noch windet sich Seehofer, aber auf verlorenem Posten. Aufkommende Sehnsucht nach Franz Josef Strauß wird der CSU so viel helfen wie Willy Brandt den heutigen Sozialdemokraten.

Die große demagogische Kraft der Schein-Alternativen von Freiheit oder Sozialismus, Krieg oder Frieden, bürgerlich oder links, all jene Heil-oder-Hölle-Paradigmen haben ihre Wirkkraft verloren. Die Union beginnt zu ahnen, was Linke und Rechte schon wissen.

Merkel hat bis gestern versucht, Debatte und Denken auszusetzen. Merkel, nicht nur Kanzlerin, sondern auch Parteivorsitzende der Union, beginnt erst jetzt mit der offiziellen Aufarbeitung des letzten Wahlergebnisses. Mit berüchtigt ruhiger Hand und zusammengepressten Lippen hat sie, die Meisterin des Ungefähren, Strategin des Zögerns, eine Diskussion innerhalb ihrer Partei verhindern wollen, die nun nicht mehr zu verhindern ist. Auch die betschwesternhaften Verteidigungsversuche von Frau Schavan halten Kritik aus den eigenen Reihen nicht mehr auf.

Nie seit 1949 sind nationale Wahlen für die Konservativen schlechter ausgegangen als die letzten. Yes, we gähn, kein Feuer, keine Inhalte, keine Kontroversen.

CDU und SPD waren gefangen in der miefigen Nestwärme der großen Koalition. Das politische Ehepaar Merkel/Steinmeier gedachte sich irgendwie am Volksvotum vorbei zu labern. Steinmeier singt den öden Gospel („Frau Merkel kann es ohne mich nicht.“) noch als Oppositionsführer, ein Entrückter, einem Untoten gleich. Und Merkel zeigt sich in ihrer neuen Beziehung zur ersehnten FDP seltsam unbeglückt. Demoskopisch betrachtet führt sie eine Regierung nicht aus eigenem Vermögen, sondern dank Steinmeier und Westerwelle. Ihr selbst verdankt die Partei nur ein Desaster. Steinmeier verdankt sie aber das miserable Abschneiden der konkurrierenden SPD und dem Bonner Politiker Westerwelle dessen unbedingten Willen zur Macht auf schwarzem Ticket. Jedweder Segen ist dem schwarz-gelben Notbündnis bis zum heutigen Tage versagt geblieben. Merkel wird sich nun, zu ihrer Entlastung und um so Führung zu zeigen, von ihren Wahlforschern bescheinigen lassen, dass der Fehler nicht bei ihr liegt.

Absolute Mehrheiten auf Bundesebene gehören unwiederbringlich der Vergangenheit an. Keine Partei wird es national jemals wieder auf Werte oberhalb von 40 Prozent bringen; darin sind sich alle Demoskopen einig. Ich füge dem die Prognose hinzu, dass selbst 36 Prozent nur schwer erreichbar sind. Das neue Maß der Republik für Erfolgswerte liegt bei 33 Prozent. Die Wahlkämpfe für die (ehemaligen) Volksparteien werden sich im Korridor zwischen einem Viertel und einem Drittel abspielen. Für alle und für alle Zeiten.

Wenn die SPD Pech hat, landet sie bei Westerwelles 18 Prozent, wenn sie sich erholt, kann sie bei 25 Prozent starten, und der Himmel endet bei 33. Das gleiche gilt für die Union in Bundestagswahlkämpfen. Die Parole „40 plus x“ ist dahin, von jetzt an wird ab 33 nach oben gezählt. Da droht manchem Abgeordneten wieder ein bürgerliches Erwerbsleben in der Provinz; das haben sie gar nicht gerne.

Nie mehr Mehrheit aus eigner Kraft: Vordergründig liegt das an einem Parteisystem mit fünf Kombattanten. Grund der Vielfalt: Spätestens seit der Wiedervereinigung hat die gewachsene Republik eine strukturelle Mehrheit links der Mitte, ob man das nun mag oder nicht. Hintergründig kommt hinzu, dass im ideologischen Vakuum unserer Zeiten jeder mit jedem kann: Grün und schwarz ist zu kombinieren wie Jamaika oder Trinidad oder welcher Unsinn uns noch erreicht.

Die Bindekräfte der Volksparteien haben sich historisch selbst erledigt. Aus einem geordneten Bild der Blöcke links und rechts der Mitte, also der klassischen parlamentarischen Sitzordnung; ist ein Mosaik geworden. Und anders als beim Puzzeln fügt sich in der Neuen Welt der fünf Parteien jedes Mosaiksteinchen an jedes. Die Werteordnung ist dahin, die so lange Freund und Feind definiert hat. Die katholische Kirche reibt sich die Augen, dass Protestanten in der CDU das Sagen haben, weibliche Protestanten, Leute, die bei ihr nicht mal die Messe lesen dürfen. Brave, nicht sonderlich helle Männer aus der Ost-CDU oder Baden-Württemberg wollen von Merkel mal was richtig Konservatives hören, schwarz-braun ist die Haselnuss, vertrauen sie der Presse an. Aber die Vorsitzende bereitet die weitere Öffnung in die Gegenrichtung, sprich nach links vor. Dazu wird sie jede vom Volk vermeintlich oder tatsächlich gewünschte Politik machen.

Mit dem dümmsten Gesicht stehen freilich die Sozis da: An ihnen ist ein doppelter Diebstahl vollführt worden. Die sozialdemokratischen Inhalte waren so gut, dass sie Begehrlichkeiten weckten, sie wurden geklaut. Zwei Diebe sind auszumachen: Der eine sitzt links im Lafontaine-PDS-Laden und der andere ist die Merkel-CDU. Nie ist überzeugender SPD-Politik gemacht worden als durch CDU-Ministerinnen im Kabinett Merkel. Es gehört zur Tragik der SPD, in so vielen Dingen recht gehabt zu haben, aber nicht mehr an der Macht zu sein. Und ihre Mitglieder fühlen sich mit dieser Tragik nicht mal sonderlich unwohl. Die fundamentale historische Logik ist diese: Werte und Meinungen scheiden nicht mehr die Menschen in Lager. Werte vagabundieren durch alle politischen Parteien. Und die Politik pflückt sie zur Dekoration ihrer Machtinteressen mit jener Sorgfalt, mit der sich der Stutzer ein Blümchen an sein Revers steckt, mal dieses, mal jenes.

Wir stehen deshalb vor unerfreulichen Zeiten, einer langen Periode der parteipolitischen Gemengelagen. Daraus einen Ausweg finden kann eines fernen Tages ein charismatischer Führer vom Zuschnitt Berlusconis oder eine präsidiale Form a la Sarcozy/Bruni. Die neuen Blöcke in der Politik, die dann zu einer klaren Mehrheit führen können, werden nur noch symbolische sein, inszenierte.

Die Politik wird dann endgültig Teil der Unterhaltungsindustrie; jedenfalls jener Teil, der für uns Wähler aufgeführt wird. Ich weiß nicht, wer dann obamahafter deutscher Kanzler sein, aber er wird aus anderem Holz sein. Weniger wie Horst Köhler, eher wie Günther Jauch, wenn nicht gar wie Dieter Bohlen. Bundestagswahlen heißen dann Deutschland sucht seinen Superstar.

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8 Gedanken zu “Die Volkspartei: Ein Nachkriegsmodell läuft aus;”

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    ich lese ihre artikel mit aufmerksam.manche sind sehr gut aber für mich noch nicht kritisch und detailiert genug.es ist keine partei wählenswert.denn alle denken nur an sich und betreiben absoluten betrug.sogar öffentlich über medien.ich habe auch schon 2 ausführlich detailierte artikel ins internet über kontakt reingesetzt aber bis jetzt hab ich antwort erhalten,geschweige denn wurden sie ins internet veröffentlicht.sie sind ihnen wahrscheinlich zu detailiert und für frau merkel zu wahr dargestellt.dafür steht für mich fest das das was der kontaktaddresse zugeschickt wird ,auch nur ein betrug ist.du bist der einzige der es wert wäre eine diskussion mit mir einzugehen.aber ich gehe halt sehr ins detail.solltest du interesse haben würde ich mich darüber freuen.die anderen sind mir zu oberflächlich,zu allgemein und vertreter des parteilischens betrug und schwachsinns und betriebenen betrugs.deshalb werden sie auch ins inernet gesetzt.am besten hat mir dein artikel mit dem lidl käse u.s.w.gefallen.nur kurz dazu.was kann man überhaupt noch essen.es ist doch mittlerweilen alles vieh krank und verseucht.fast alle sind vom vom grundboden abhängig.selbst die schweine sielen sich im grundboden.die anderen grasen oder bekommen körner die sie vom boden gelesen werden.für mich steht fest das der grundboden verseucht ist.auch immer mehr menchen erkranken,weil wir produkte essen die vom grundboden kommen.die andere seite ist das viele produkte auch noch mit chemichen mitteln versehen werden und gestreckt wird.egal ob für mensch oder vieh.damit man für die ach so gesunden gebanschten sachen mehr geld hinlegen muß,denn egal was man käuflch erwirbt,bekommt der staat 19%mehrwertsteuern.und dann kann man ja auch die preise für das erkrankte vieh verlangen,da ja soviel abgeschlachtet werden.das kann man wunderschön verfolgen.der boden müßte genaustens analysiert werden um etwas zu verändern.aber die hochbezahlten experten schaffen das nicht,geschweige erkennen es,weil es zuviel kosten würde ,um ein gleichgewicht der natur wieder herzustellen.die erde ist schon lange aus der umlaufbahn geraten und wir trifften immer mehr auf die sonne zu.das das folgen hat weiß man,wird auch einmal im jahr 1 min.lang erwähnt,aber man hört nicht wirklich davon ,das etwas absolut bewegendes durchgesetzt wird.mittlerweilen sind ja die fische erkrankt,weil der müll im meer abgeladen wird.nun ja es heißt ja auch,der mensch vernichtet seine welt selbst,durch seine habgier.nur die milliarden menschen können nichts dafür,denn sie haben nicht die mittel dafür,sondern nur ein paar gruppen haben die mittel und denken gar nicht daran was zu tun.außer das sie in der werbung produkte zeigen,die man kaufen soll um der natur gutes tun zu können.regenwald retten ,wenn man einen kasten teures bier kauft als beispiel.der prominente bekommt in haufen geld für die plödsinnige werbung und jahrelange kostenlose lieferung des biers.nur ist es doch so das es die faulen hartz bezieher,arbeitslose und rentner ,die total betrogen werden gar nicht leisten können.die habgierigen holzen den regenwald ab,obwohl es das herz der erde ist.sie wissen genau das er unsere klimabestimmung sehr wichtig war und ist.warum passieren immer mehr katastrofeen und nehmen die stürme seit der enormen abholzung zu.die luftnummer von frau merkel und anderen dummen politikern ins ein wasserglasbecken zu steigen um die usa und china zu kohlendioxid abbau zu bringen im namen der umwelt,war ein einziger lacher.gerade die usa als weltmacht lachen sie herzhaft aus.mit was haben sie sich bei den ue sachen beteiligt ?weder an der währung noch am sonstigen.die usa braucht die eu doch nur für eine soldatenbeteiligung,um ihre kriege für länder die ihnen nicht hörig sind oder wos was an quellen zu ihrer nutzung gibt.alles im namen der welt.ich fands gut vom irak,das sie ihre ölquellen letztendlich in brand gesetzt haben.denn sie wußten genau,das die usa nur deshalb krieg angezettelt hatten.jetzt wollen sie die soldaten der eu,weil sie es allein nicht schaffen.die afrikaner hatten ihre diamantenminen.sie leben in großer armut und sind im eigentlichen so reich und könnten alles haben.deshalb besteht ja auch kein interesse ein aidsmittel od.saubere wasserquellen für sie zu entdecken,damit sie nicht gesund werden,denn mit gesundem menschenverstand ,könnten sie dahinter kommen,das sie unsagbar reich sind und verdammt gut leben könnten.
    ich bin erst mal allgemein geblieben,um zu sehen ob du interesse hast mit mir zu korrespondieren zu wollen.solltest du interesse haben,dann melde dich einfach und bei interesse werde ich auch tetaillierter.

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    „Die Westminster-Demokratie, das uns von den Alliierten verliehene Erfolgsmodell“??? Die Sozialdemokratie und die „christlichen Konservativen“ – bestanden in D. schon vor 1933. Die „demokratischen“ Allierten kaempften fuer die Befreiung Europas – alle auch mit „Kolonialtruppen“ – aus Asien, Afrika und Amerika – von Laendern in welchen sie meist nicht ebenbuertige demokratische Rechte hatten wie die Buerger ihrer Kolonialherren. Und spaeter musste man die europaeischen Kolonialherren leider mit den Waffen aus der Heimat hinauswerfen! In USA gab es bis 1965 keine wirksamen demokratischen Rechte fuer „nicht-Weisse“ -auch in USA wurde in den Strassen gekaempft. „Westminster-Demokratie“ – noch vor ein paar Jahren war der „Senat“ (House of Lords) fuer die Aristokratie ein Erbrecht. Ja, jetzt ist das „Erfolgsmodell“ am verschwinden – und da muss sich der Deutsche schon bemuehen fuer sich selbst zu denken und die Nabelschnur zu den „Alliierten“ abzustreifen. Die Demokratie hat auch andere solide Modelle – in den „gepflegten“ kleinen Nationen in Europa…

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    Wohl das Beste was ich jemals zum Thema Politik in meinem Leben gelesen habe.

    „Politik mache ich schon lange nicht mehr. Das ekelt mich so an.“
    Dieses Zitat ist anscheinend aktueller denn je.

    Wer hätte das wohl gedacht??!

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    Wenn dem Author, die Zusammenhänge bewußt wären, die er so anschaulich darzustellen vermeint, dann käme er vielleicht auch drauf, dass die Weichenstellung für die parteipolitische Konstellation in D in einem fragwürdigen Wahlrecht zu suchen sind. Ein personenbezogenes Mehrheitswahlrecht und die Verkleinerung, bzw. die Verdopplung der Wahlbezirke auf Bundesebene brächte Klarheiten und engagierte Köpfe, möchte ich unterstellen. Vielleicht wäre ein Umdenken in diese Richtung angesagt ? Die Frage nach Volksparteien erübrigte sich somit von selbst.

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    Das ist aber ziemlich viel Schwarzmalerei auf einmal. Klar ändert sich das Parteiensystem in Deutschland. Das davon die Welt untergeht und wir zukünftig von den Bohlens regiert werden, glaube ich aber nicht.
    Ich halte es für falsch, wenn man davon ausgeht, dass die Volksparteien die einzig regierungsfähigen Mehrheiten zustande bringen können. Wieso sollte nicht auch Jamaika im Bund funktionieren? Dazu braucht es keinen Bohlen oder Jauch. Da müssen vielmehr die Machtverhältnisse von vornherein geklärt werden. Dazu braucht es also lieber eine Führungspersönlichkeit vom Schlage Anti-Merkel.

  6. avatar

    Herr Kocks mag ja recht haben mit der „strukturelen linken Mehrheit“, aber den einen oder anderen „konservativen“ oder gar „rechten“ Wähler mag es doch immer noch geben.
    Manche einer von denen wird FDP gewählt haben, viele sind in die Stimmenthaltung geflüchtet, zumindest meine Erklärung für die immer weiter sinkende Wahlbeteiligung.
    Wenn diese und die bei der CDU verbliebenen konservativen Wähler erkennen müssen, daß die Merkerl-CDU als Konsequenz ihres Wahldebakel noch weiter nach links rückt, wie werden sie reagieren ?
    Bleiben sie bei der Wahlenthaltung, oder werden sie empfänglich für sehr weit rechts stehende Gruppierungen, die sie derzeit noch ablehnen ?

  7. avatar

    Nun ja, wer, wie große Teile der deutschen Journalistenschaft und (etwas weniger) große Teile der deutsche Öffentlichkeit, Amerika um Obama-Superstar beneidet, verdient nichts anderes als das: Bundestagswahl als großes „Deutschland sucht den Superstar“.

    Allerdings gibt es in Deutschland (glücklicherweise) immer noch ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber Superstars aller Art. Es bleibt also noch Hoffnung …

  8. avatar

    Schön geschrieben und so wahr. In mir bleibt als politische Hoffnung, dass dann wieder mehr Dialogpolitik statt Parteipolitik betrieben wird in Zukunft. Eine Fähigkeit, die (auch heute noch) im politischen Alltag komplett vergessen ist.

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