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Von Bagatellen und Tricks

Jetzt verteidigt auch noch eine Juristin, was alle im vergangenen Jahr empört hat: Dass ein Arbeitnehmer auch nach langjähriger Tätigkeit wegen eines geringfügigen Diebstahls entlassen werden kann. Sie verweist darauf, dass diese Bagatelle eben keine ist, sondern ein ernsthafter Vertrauensbruch.

Die Empörung über die „unmenschliche Juristin“ ist allenthalben zu hören und zu lesen. Und ja, es ist schwer erträglich, dass bis heute kein einziger der Finanzjongleure, deren Aktionen eine heftige Wirtschaftskrise hervorgerufen haben (die noch dazu mit unseren Steuergeldern einzuhegen versucht wurde), sich wenigstens vor Gericht verantworten musste, während in Arbeitsgerichtsprozessen die Kündigung bei eher lässlichen Delikten für rechtens erklärt wird.

Das wirft in der Tat die Frage nach der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft auf. Und doch ist unser intuitiver Impuls, beide Verfehlungen gegeneinander abzuwägen, kein guter Ratgeber für unsere Haltung zum Rechtsstaat. Die Rechtsprechung muss Vorgang und Täter in dem Zusammenhang sehen und bewerten, in dem er sich ereignet hat. Dass andere das Gleiche getan haben und nicht dafür bestraft wurden, verlangt allenfalls danach zu suchen, ob das andere Unrecht nicht vielleicht auch bestraft gehört. Aber hier geht es um das Arbeitsverhältnis und die Frage ist, ob dort Unrecht im kleinen Maßstab kein Unrecht mehr ist.

Vertrauen ist ein hohes Gut. Auch in Arbeitsbeziehungen sind beide Seiten darauf angewiesen. In allen berichteten Fällen hatten die Arbeitnehmer gegen eindeutige Regeln verstoßen. Es ging daher nicht darum, wie groß der angerichtete Schaden ist, sondern eben darum, dass ein Arbeitgeber sich darauf verlassen können muss, dass seine Mitarbeiter die aufgestellten Richtlinien befolgen.

Es gibt Hinweise darauf, dass Arbeitgeber die Verfehlungen gerne als Argument für eine Entlassung genommen haben, weil sie keine anderen nutzen durften. Wir haben zurecht hohe Hürden für Entlassungen – aber wir alle kennen die Erfahrung mit Kollegen, deren Leistungen zu wünschen übrig lassen. Das Arbeitsrecht ist ein Schutzrecht, das auch Menschen schützt, die nicht immer zum Gefallen der Arbeitgeber sind. Offenbar sind die Kündigungen mittels Härte gegenüber kleinen Verfehlungen der Versuch der Arbeitgeber, sich ihre Lücken im Schutzrecht für Arbeitnehmer zu suchen. Hier kommt die Gerechtigkeitsfrage wieder ins Spiel: Darf ein Arbeitgeber für solche Tricks mit mehr Nachsicht rechnen als er seinen Mitarbeitern zugesteht? Nein.

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2 Gedanken zu “Von Bagatellen und Tricks;”

  1. avatar

    „Das wirft in der Tat die Frage nach der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft auf.“
    Nein, Frau Fischer, das wirft die Frage auf, warum es den gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestags seit Bestehen der Bundesrepublik nicht gelungen ist, ein Arbeitsgesetzbuch zu verabschieden. Das eigene Unvermögen jetzt auf die Rechtsprechung (oder gar die „Gesellschaft“) abzuwälzen, ist allzu billig. Die Vorwürfe, die Sie erheben, fallen auf Sie selbst zurück.

    PS.: Das Interview mit der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, auf das Sie hier rekurrieren, ist übrigens sehr lesenswert und Sie hätten sich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, es zu verlinken.
    http://www.sueddeutsche.de/wir.....8772/text/

  2. avatar

    Die Moral scheint zum Jahresende überall herumzugeistern.
    Sinnvollerweise haben Sie die Begriffe Vertrauen und Gerechtigkeit angesprochen.
    Die Verhältnismäßigkeit kam dann ganz klein zum Schluß.
    Diese wird ansonsten bei der Rechtssprechung in unserem Lande ganz groß geschrieben.
    Durch solche Urteile wird der Anschein transportiert, daß es in diesem Lande nicht nur eine Mehrklassenmedizin, sondern auch eine Mehrklassenjustiz gibt.

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