avatar

Margot Käßmann und der gerechte Krieg in Afghanistan

Margot Käßmann, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan „gefordert“. Nun hat Frau Käßmann, wie jeder Bürger und jede Bürgerin dieses Landes selbstverständlich das Recht auf freie Meinungsäußerung; allerdings erfordert das Amt, dass sie erstens davon sparsam Gebrauch macht und zweitens, dass sie dann so argumentiert, dass es für die Mitglieder ihrer Kirche nachvollziehbar ist.

Frau Käßmann begründet ihre Forderung in der „Berliner Zeitung“ aber wie folgt: „Es gibt keinen gerechten Krieg“. Nun gut, wenn man das meint, dann erübrigt sich jede konkrete Diskussion um konkrete Kriege. Gesinnungsethik schlägt Verantwortungsethik, und damit basta.

Freilich war das nie die Position der meisten Christen. Jesus aus Nazareth hat sich zur Frage, ob es gerechte Kriege gebe, ebenso wenig geäußert wie Paulus aus Tarsus, und zwar aus dem Grund, weil das für die Lebenswelt ihrer Anhänger irrelevant war. Sie meinten, dass der bewaffnete Aufstand gegen Rom selbstmörderisch wäre – was sich 40 Jahre nach der Hinrichtung Jesu als eine richtige Analyse erwies. Aussichtsreicher war da die Schaffung einer christlichen Parallelgesellschaft unter Ausnutzung des Friedens, der Freiheiten und der Rechte, die das Imperium bot.

Was nun Martin Luther angeht, der für Frau Käßmann doch eine gewisse Relevanz haben müsste, so geht er in seiner „Zwei-Reiche-Lehre“ davon aus, dass der Staat sehr wohl das Schwert führen müsse gegen das Verbrechen und das Unrecht. Nur im Reich Gottes gelte die Bergpredigt mit ihrem Gebot der Gewaltlosigkeit. Daraus folgt, dass der Krieg zur Verteidigung der Freiheit, des Rechts und – ja – des Friedens gerecht ist.

Man kann darüber streiten, ob wir einen solchen Krieg in Afghanistan führen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, und ich wundere mich sehr über die Leute, die so schnell vergessen haben, wie es um die Freiheit, das Recht und den Frieden bestellt war, als die Radikalislamisten das Land versklavt hielten und den Terroristen der Al-Qaida als Operationsbasis anboten. Aber ein solcher Streit ist nicht zu führen, wenn man apodiktisch erklärt: „Es gibt keinen gerechten Krieg“.

Nun muss man Luthers Theorie der zwei Reiche nicht akzeptieren. Man kann mit Recht auf Luthers widerlichen Antisemitismus und seine nicht weniger widerliche Mordhetze gegen die aufständischen Bauern verweisen und daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass Protestanten eine ganz andere Radikalität brauchen, die ihnen diesen Ausweg in die Realpolitik versperrt. Es geziemte aber der Ratsvorsitzenden einer Kirche, die sich auf Luther bezieht, den Mitgliedern dieser Kirche zu erklären, warum sie Luthers Lehre hier nicht akzeptiert, bevor sie sich zur Tagespolitik in einer derart apodiktischen Weise äußert.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

24 Gedanken zu “Margot Käßmann und der gerechte Krieg in Afghanistan;”

  1. avatar

    Der konzeptlose Krieg in Afghanistan dauert länger als der 2. Weltkrieg.
    Kanada und die Niederlnde ziehen dieses Jahr ihre Truppen dort ab und Deutschland sollte es auch tun.

    In allen Kolonien wurden die neuen Staaten von irregulären Partisanenverbänden gegründet.
    Wie jetzt in Afghanistan. Die internationalen Teroristen sind längst in Pakistan sagte Altbundeskanzler Schmidt am 16.12.2009 (Interview mit NZZ)

  2. avatar

    @Uwe Alschner:

    Ja – Der Zweck heilig manchmal die Mittel. Der Zweite Weltkrieg ist ein Beispiel – und natuerlich sind dort Unschuldige gestorben, aber letztendlich um noch mehr unschuldiges Sterben und Leiden zu verlindern.

    Es gab im Hintergrund politische Kuhhandel – willkommen in der Realitaet.

    Zu Afghanistan: Was verteidigt wird ist das System der Souveraenen Staaten, als einzige die Gewalt ausueben duerfen und koennen. Wenn wir zulassen, dass andere Kraefte, die eben nicht wie Staaten durch Vertraege und Regeln, z.B. der Frage wie Kriege beendet werden, reale Gewalt ausueben kommen wir in eine Welt, die sehr viel unsicher ist als heute.

    Was in Afghanistan verteidigt wird ist der Frieden von Westfalen und Deutschland als Teil des „Westfaelischen Systems der Staaten“ hat an der weltweiten Durchsetzung dieses System ein elementares Interesse.

    Aussenpolitik hat eine blutige Seite und Armeen sind dafuer da diese umzusetzen – wer Soldat wird, sollte das wissen.

  3. avatar

    Ihr Kriegstreiber solltet das Buch der Bundeswehrärztin Heike Groos lesen.
    Eine in Afghanistan weilende Abgeordnete sagt zu ihr, als Abgeordnete wüßten sie ja auch wenig von Afghanistan. Die Ärztin fragt daraufhin. Wenn sie keine Ahnung haben, wie kommen sie überhaupt dazu mich , die Mutter von 5 Kindern, zweimal nach Afghanistan zu schicken ?

    Empfehlung:
    „Ein schöner Tag zum Sterben: Als Bundeswehrärztin in Afghanistan“

    Rezension von
    Oberstabsarzt d. R. „Darmstädter Signal“
    http://www.amazon.de/gp/cdp/me.....centReview
    Weinen und Wut, 13. Oktober 2009
    Die authentischen Mitteilungen brachten mich zum Weinen, nicht nur aus Sympathie für die betroffenen Soldaten, sondern aus Wut über die Regierung und Parlamentarier, die sie ohne Sachkenntnisse in den Kampf schicken. Das Buch möge allen Verantwortlichen für die Bundeswehreinsätze zur Kenntnis kommen und allen Betroffenen der Entsendeentscheidungen dienen.

    Perspektivlosigkeit am Hindukusch – Abzug Bundeswehr ab 2010 beginnen!
    Bundeswehroffiziere und –unteroffiziere des Arbeitskreises DARMSTÄDTER SIGNAL fordern Abzug ab 2010.
    http://www.darmstaedter-signal.....nistan.php

  4. avatar

    @ Jens: Steht Ihr Pseudonym eigentlich für …? Und verbirgt sich hinter …?

    Mein Pseudonym sind die Initialen meines bürgerlichen Namens, „Jens“/Jens. Und? Verstehen Sie mich jetzt besser?

  5. avatar

    Eine Person der Kirche hat vor allem das Recht, wie ich finde, eine pazifistische Position einzunehmen. Wer sonst wenn nicht ein Vertreter der christlichen Kirchen sollte das Recht dazu haben und es auch wahrnehmen?
    Sollen die Vertreter der Kirchen nur reden dürfen wenn es in den Mainstream passt? Dann wären sie auch nur einzureihen in die Phalanx der Rhetoriker, die für alles und nichts eine Rechtfrertigung finden. Das Gesicht kann man nur wahren, wenn man zu seiner Überzeugung steht finde ich. Warum ist das auf einmal so schlimm? Hat schon lange keiner mehr getan, wahrscheinlich deshalb.
    Wenn Gewerkschaftler sich zu allem und jedem äussern dürfen, dann dürfen Kirchenleute das genauso.
    Im übrigen würde ich als Soldat jetzt den Dienst quittieren, weil ich mir nicht vom warmen Deutschland aus vorschreiben lassen würde, wie ich den Krieg zu führen habe, für den ich nach (an den) A. (der Welt) geschickt wurde. Wenn ein Tanklaster vollbeladen als rollende Bombe irgendwo einschlägt, schreien dieselben Leute die jetzt schreien, warum man ihn nicht aufgehalten hat. So what?
    Den Abzug zu fordern ist nur konsequent, aus mehreren Gründen. Vielleicht sind ja auch Soldaten denkende Wesen, denen das Hin-und-Her reicht, schliesslich sind Soldaten auch keine Kampfmaschinen, die wie blöde bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, auch wenn da von ihnen gefordert wird und die Politik sie seit Jahren im Stich läßt (ungelöste Drogenproblematik in A., keine einheitliche Taktik der Truppen in A. was den Wiederaufbau anbelangt; das entdecken die Amerikaner ja erst jetzt, daß man da mal was machen könnte, keine Akzeptanz in der Bevölkerung, die offensichtlich Wunder erwartet was den Wiederaufbau anbelangt, nicht zuletzt die Taliban, die z.B. errichtete Schulen zerstören und sogar Kinder töten als Strafe für ihren Wissensdurst (die Scharia muss dort eben reichen für den Wissensdurst der Menschen, auch wenn es sich dabei um ein vorsintflutliches (Un)Rechtssystem handelt). Ich weiss daß ich das bestimmt alles ganz falsch sehe, aber ich beobachte das Geschehen seit Jahren und ich kann mir nicht helfen.
    Und wo sind eigentlich die moslemischen Geistlichen, die die Selbstmordattentate verurteilen und ihre Schäfchen zur Gewaltlosigkeit anhalten? Denn eine gewaltlose Religion, das will der Islam doch jetzt sein. Also Butter bei die Fische!
    Daß eine Frau der Kirche (Frau Käßmann) das jetzt tut, kann man nur begrüßen, finde ich. Schon zu seiner Gründungszeit war da Christentum eine Religion der Armen und Sklaven im römischen Reich, auch damals war es nicht opportun sich für Frieden einzusetzen. Hat sich nichts geändert, so scheint mir. Oder doch, du ach so postmoderne Zeit??

  6. avatar

    Diese Regierung, diese Koalition, ist eine nationale Schande!
    Da bemüht sich ein ganzes Volk, mehr oder weniger freiwillig, um Akzeptanz für unseren Einsatz in Afghanistan. Und was machen unsere Volksvertreter?
    Sie vollführen einen derart peinlichen Eiertanz, als ob es um die Jungfräulichkeit von our federal Angela ginge.
    Von den kriegsähnlichen Zuständen ein Riesen-Schritt zurück zum Stabilisierungseinsatz.
    Phantasie sei gefragt, verkündet nun auch noch die Mutter der Evangelischen Kriche, genau so unverantwortlich.
    Wer Krieg verschweigt, bzw. romantisiert oder mit dem Tod, aber „anderer“ natürlich, so unverantwortlich leichtfertig umgeht, hat in meinen Augen keine Legitimation mehr, das sog. Volk zu vertreten. Ein lautstarker, öffentlicher Protest des Volkes, nicht nur auf der Straße, erschiene mir mehr als „gerecht“, für diese scheinheilige Populistenbande, die an ihrer Macht klebt.

    Wir haben ein Mandat für ein weiteres Jahr angenommen, damit haben „wir“ eine Verantwortung übernommen. Für die Bevölkerung in Afghanistan und die eigenen Soldaten, fertig. Entweder ist das nun richtig und „gerecht“, oder nicht! Weitere Lügen entfachen lediglich langsam den Volkszorn, bringen tatsächlich keine weiteren Wähler.

  7. avatar

    @EJ
    Steht Ihr Pseudonym eigentlich für „Evangelische Jugend“? Für „Elektro Jansen“? Elton John?
    Oder ist das hier http://www.ej-schweinfurt.de/blog/ Ihr Blog? („Ich hab ein lustiges Pflaster mit im Gesicht hängen.“ – Foto, bitte!)
    Und verbirgt sich hinter Ihrer nebulösen Forderung nach „kritischer (Selbst-)Reflexion“ etwas anderes als die Käßmannsche Luftblasenhetorik nach „mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen“?
    Sorry, aber so ganz ist mir nicht klar, was Sie eigentlich vorschlagen.

  8. avatar

    Lieber EJ,
    Zum Nihilisten eigne ich mich nicht, zum Realisten eher.
    M.E. hat ein Opfer dann einen Sinn, wenn der Zweck der Opferung erreicht ist.
    Ich versuche es einfach mal mit unserer eigenen Geschichte, um damit deutlich zu machen, wie sich der Sinn den Erfordernissen anpasst. Die alliierten Kriegsteilnehmer sahen einen Sinn für ihre in die Millionen gehenden Opfer darin, Europa von der nationalsozialistischen Verbrecherbande zu befreien. Das ist ihnen auch gelungen, Gott sei Dank. Ihr Sinn mag vermutich nicht danach getrachtet haben, diesem Volk nur Demokratie und Wohlstand zu schenken, es gab auch einen Marshall-Plan. Der drohende Bolschewismus machte es sinnvoll, die Deutschen zu zuverlässigen und demokratischen Partnern zu machen. Und diesem Umstand haben wir unseren Wohlstand und Demokratie zu verdanken, wobei ich die Hilfsbereitschaft des Amerikanischen Volkes, siehe Rosinenbomber usw. ganz bestimmt nicht schmälern will.
    Die Osteuropäer haben im Krieg gegen Deutschland unendliche Opfer gebracht. Trotzdem, nach der Befreiung haben die Unterdrücker lediglich die Sprachen gewechselt.
    Wie sinnvoll mögen sie die erbrachten Opfer gesehen haben? Die Verlierer, die ehemaligen Verbrecher, wurden in ihren Augen zu den Siegern der Geschichte!
    Wie sinnvoll Opfer sind, das ist eine sehr subjektive Geschichte. Das sollte keine kollektive, keine philosophische Frage sein. Eher eine ganz persönliche.

  9. avatar

    Beide Begriffe „gerechter Krieg“, sowie „heiliger Krieg“ stammen aus der religiösen Ethik.
    Der gerechte Krieg wurde später säkularisiert.
    Mir mißfällt der Begriff „gerechter Krieg“ nur deshalb so, weil wir uns damit nicht gerade entfernen von einer Begrifflichkeit, die wir doch in Afghanistan ändern wollen.
    Herr Posener hat auch meine volle Unterstützung, was seine Befürwortung unserer Beteiligung in Afghanistan betrifft. Den Begriff gerechter Krieg sähe ich aber gerne ersetzt durch gerechtfertigten Krieg.

    Damit befinden wir uns nämlich auf einer ganz anderen begrifflichen Ebene, ohne einen Beigeschmack von Ideologie und Religion.

  10. avatar

    Nunja, Herr Igor W., man kann’s auch andersherum sehen: Der Westen führt Krieg. Und kriegst’s nicht hin(*). Da wird dann – in einer müden postweihnachtlichen Mini-Kampagne – anstelle kritischer (Selbst-)Reflexion schon mal das „pazifistische“ Dolchstoßlegendchen hervorgeholt: Die Käßmann! Die Käßmann!

    Augenwischerei, nix als.

    (*)Und die’s nicht hinkriegen, sind keineswegs nur die Deutschen.

  11. avatar

    Ich möchte Herrn Posener meine volle Unterstützung äußern. Man kann noch lange darüber diskutieren, jemanden zitieren, seine Belesenheit demonstrieren, sich beleidigen u.s.w. In der Tat geht es um das Thema Pazifismus – darüber wurde schon lange genug (ein paar Jahrhundert) diskutiert. Die Fazit war: der Pazifismus ist für den Frieden und Freiheit schädlich – ob das jemandem passt oder nicht. Insofern einfach so zu sagen: „Es gibt keinen gerechten Krieg“ ist m. E. nicht nur kurzsichtig sondern auch populistisch. Was Frau Käßmann anbelangt, da benutze ich das Wort „populistisch“ bewusst. Ich habe sie bei einigen Talk-Shows erlebt, wo ihre Neigung zum Populismus deutlich zu erkennen war. Wenn man sie aber nach Lösungen fragt, dann weicht sie sofort ab: „Das ist die Aufgabe der Politik, nicht meine“.
    Ich finde es ziemlich billig.

  12. avatar

    @ Rita E. Groda: Es gibt keine”sinnvollen” Opfer.

    Auch die Opfer der Befreier (und der Befreiung – „Kollateralschäden“) sollen sinnlos sein – siehe oben: Alan Poseners Einwurf (31. Dezember 2009 um 17:02)?

    Das wäre etwas wie Nihilismus pur, für mich in seinen Konsequenzen nur ahnungsweise zu erfassen.

  13. avatar

    @EJ

    Es gibt keine“sinnvollen“ Opfer. Das Opfer eines jeden im KZ umgekommenen Juden, eines jeden im 2.WK verhungerten Kindes, egal wo, eines jeden gefallenen Soldaten, eines jeden mishandelten Menschen war sinnlos – angesichts allein nur der Tatsache, daß es in unserem Lande wieder Nazis gibt, in nicht unbeträchtlicher Anzahl. Und leider nicht nur in Deutschland.
    Es gibt m.E. keine sinnvollen Opfer.

    Wir sollten es eine Nummer kleiner machen, in dieser Diskussion. Sinnvoll wäre es, diesen Krieg so schnell als möglich zu beenden mit einem zufriedenstellenden Ergebnis für alle. Alle Opfer der Afghanischen Zivilbevölkerung wären dann immer noch nicht „sinnvoll“ aus meiner Sicht, aber mit der Zeit könnte das Land mit Grund um die Toten trauern.

    Was den mehrmaligen Gesinnungswechsel betrifft, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Daher rührt auch die große Nichtakzeptanz unserer Bevölkerung an der Deutschen Betiligung in Afghanistan.

  14. avatar

    @ Rita E. Groda

    In der Sache habe ich nichts gegen Gespräche mit moderaten Taliban, sofern „Gespräche mit moderaten Taliban“ eine Chiffre für die Berücksichtigung lokaler Realitäten ist. Aber es stellt genau das dar, was Sie sehr richtig einen „Gesinnungswechsel“ nennen.

    Diese Gesinnungswechsel machen die jeweils vorausgegangenen Opfer (mehr oder weniger) sinnlos. Und sie kommen spät, zu spät.

    Wären die Kriegsziele von Anfang an etwas weniger phantastisch hochgesteckt, etwas weniger gesinnungsethisch realitätsfern gewesen, hätte man, wenn nicht gleich, jedenfalls nicht erst nach Jahrenden und ungezählten Opfern und der Verhärtung aller Fronten auf die programmatische Berücksichtigung lokaler Realitäten kommen können.

    Jetzt, nachdem die Taliban sich über Jahre wieder bekrabbeln konnten, sind vor allem die Taliban die lokalen Realitäten. Die beabsichtigten „Gespräche mit moderaten Taliban“ sind jetzt nichts anderes als moderate Eingeständnis der Niederlage des Westens und zahlloser sinnloser Opfer.

  15. avatar

    @Alan Posener

    Mir mißfällt der Begriff gerechter Krieg, wobei „zu begründender Krieg“ mir angemessen erscheint.
    Frau Käßmann könnte man Gesinnungsethik vorwerfen, aber eher im positiven Sinn. Sie dürfte in der gleichen politischen Tradition erzogen worden sein, wie die meisten Nachkriegsgenerationen. Nämlich, daß die Nachfolgegenerationen der „Verbrecher“ des 2. WK nie wieder sich in „kriegsähnlichen Zuständen“ betätigen.
    Alle Nachkriegsgenerationen sind hier kontaminiert, die Folgen der neueren Deutschen Geschichte bedingen hier ein schmerzliches Umdenken, das auch mir nur zähneknirschend gelingt.
    Der mehrmalige „Gesinnungswechsel“ macht die Begründung für eine Beteiligung in Afghanistannicht nicht eben sehr einfach.
    Obwohl ich nicht zu den Schäfchen der streitbaren Hirtin zähle, hier steht eine Frau, die nicht anders kann.
    Daß sie dies allerding als tagespolitischen Vorstoß als Oberhaupt ihrer Herde tut, finde auch ich nicht nur richtig.

    Das Argument von EJ, die Gesprächsbereitschaft auch unseres Verteidigungsministers gegenüber moederateren Taliban würde die bisherigen Opfer sinnlos machen, finde ich sinnlos. Sie sollten das noch einmal überdenken, besonders im Kontext unserer eigenen Geschichte.

  16. avatar

    @ Uwe Alschner
    Vielen Dank für Ihre Intervention. Tatsächlich jedoch war ich es, der sich auf die Q-Ebene begeben hat. Alan Posener wirft mir Quatsch an den Kopf, nachdem ich ihm vor einigen Tagen etwas Quark an den Kopf geworfen habe. Mit seinem Wurf sind Alan Posener und ich jetzt also quasi quark-quatsch-mäßig nur quitt – wenn Sie verstehen, was ich meine.

    @ Alan Posener
    Sie werden es nicht für ein nachgeschobenes Argument halten – ich bin kein Pazifist – genau auf Ihren Einwand wollte ich hinaus. Wenn es keine „unschuldigen Opfer“ geben soll, müssen die Opfer Sinn haben. „Sinn“ erfordert eine Kriegsbegründung vom Ende her. Die von Ihnen genannte Befreiung vom Nationalsozialismus ist so eine Begrünung. (Und Uwe Alschner weist darauf hin, welche Schwierigkeiten auch die noch hat.)

    Das Komplement zur „sinnvollen“ Kriegsbegründung aus dem Nachhinein ist im Vorhinein die Setzung des „sinnvollen“ Kriegsziels. In Bezug auf Afghanistan mangelt es daran. Und genau in diesem Kontext stehen die Äußerungen von Frau Käßmann. Wie ich in meinem Quark-Kommentar schon sagte: Es ist mit der Dauer des Kriegs zunehmend(!) unklar, was mit welchen Mitteln in welchem Zeitraum in diesem Krieg erreicht werden kann und soll. Insofern produziert er „sinnlose“ Opfer.

    Konkret: Unser Verteidigungsminister (und nicht nur er) will inzwischen mit moderaten Taliban Gespräche führen. Wie viele Opfer im bisher geführten „absoluten“ Kampf gegen die Taliban werden damit zu völlig „sinnlosen“ Opfern? Und es sind weitere strategische Anpassungen und Neupositionierungen nicht nur denkbar, sondern sogar sehr wahrscheinlich, die wieder, wenn nicht alle, dann jedenfalls viele der bis dahin erbrachten Opfer „sinnlos“ machen. Nicht zuletzt auch auf unserer Seite, übrigens.

    Angesichts des desolaten, des geradezu verkommen Zustands des Afghanistan-Kriegs ist es völlig abwegig, Frau Käßmann naiv anmaßende Gesinnungsethik vorzuwerfen. Insofern es, wie die permanent geführte Abzugsdebatte zeigt, für den Afghanistan-Krieg womöglich überhaupt kein mit akzeptablen Mitteln in einem überschaubaren Zeitraum erreichbares Ziel gibt, produziert er nur „sinnlose“ Opfer. Weil von Anfang an dieser Krieg (ähnlich wie der Irak-Kreig) mit zu viel Gesinnungs- und zu wenig Verantwortungsethik – mit zu wenig Vernunft und Verstand – geführt wurde?

  17. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    sie bemühen Sich hier, mit starken Worten den Anspruch auf eine starke Meinung zu bekräftigen. Das ist kühn!

    Wie kommen Sie dazu, EJ „Quatsch“ an den Kopf zu werfen? Ihr Hinweis auf den Zweiten Weltkrieg ist sogar historischer Unfug. Dieser Krieg war weder gerecht (denn der Zweck heiligt die Mittel nicht. Denken Sie an den 14. Februar 1945 in Dresden und denken Sie an die Vertreibung. Beides sind historisch allenfalls erklärbare, aber damit noch lange keine „gerechten“ Taten!
    Und, was – Sie implizit und viele andere explizit – als Krieg gegen Hitler darstellen, der geführt werden musste, war kein Krieg gegen Hitler. Er ist zumindest nicht als solcher begonnen worden. Im Gegenteil! Die späteren Alliierten haben aus ganz unterschiedlichen, aber ganz sicher nicht uneigennützigen Motiven heraus zunächst Appeasement (im Westen) und Machtpolitik (die Teilung Polens im Osten) betrieben. Den Krieg hat Hitler-Deutschland (und damit auch die Deutschen, die Hitler nicht entgegen getreten, sondern mit- und hinterhergelaufen sind) begonnen.
    Wo ist da die Gerechtigkeit??

    Afghanistan ist ein kompliziertes Thema. Aber ganz sicher tut Frau Käßmann gut daran, darauf hinzuweisen, dass es gerade keine gerechten Kriege gibt! Es gibt keinen Krieg, der nur die militärisch freiwillig Beteiligten trifft. Sondern immer auch Un-BETEILIGTE und Un-SCHULDIGE.

    Achten Sie darauf, wenn Sie kühne Thesen verbreiten, oder wollen Sie in Ihrem „Zeugnis“ lesen „Alan Posener hat sich immer bemüht“?

  18. avatar

    Der Evangele darf selbständig denken und braucht sich nicht auf Luther festnageln lassen.

    Die evangelische Landeskirche ist ein Zusammenschluss von Reformierten und Lutheranern. Allein deshalb ist ihre Kritik deplaziert.

    „Leben“ ist ein hohes Gut. Mord muss gut begründet werden. Soldaten sind Mörder und was diese Mörder oder sie shreben, spielt keine Rolle. Wenn sie morden wollen, erschiessen sie sich doch erstmal selber.

    9 Jahre morden ohne Ergebnis.

  19. avatar

    @ EJ: Quatsch. Gerade aus der deutschen Erfahrung ist es evident, dass es gerechte Kriege gibt. Wie sonst wären wir vom Nationalsozialismus zu befreien gewesen?

  20. avatar

    Margot Käßmann: „Es gibt keinen gerechten Krieg“.

    Die Annahme, dass Frau Käßmanns Satz apodiktisch, also selbstherrlich allen Widerspruch ignorierend formuliert sei, übersieht, dass ihr Satz sich womöglich nur auf Evidenz beruft. Frau Käßmann muss mit ihrem Satz durchaus kein Dogma formulieren. Nach einschlägigen deutschen Täter-/Erfahrungen kann sie ebenso eine in Deutschland überwältigende Evidenz schlicht zitieren.

    Heißt: Frau Käßmanns Satz steht, bevor er als illegitim dogmatischer Satz abzulehnen ist, zunächst mal nur dafür, dass diejenigen, die den Krieg befürworten oder führen, ihn zu begründen haben. Und nicht irgendwie allgemein oder ihrerseits dogmatisch, sondern so zu begründen haben, dass sie die Evidenz seiner „Ungerechtigkeit“, beispielsweise seiner „unschuldigen Opfer“, konkret widerlegen.

    Eine unbillige Forderung ist das ganz und gar nicht. Auch nicht aus der Sicht derjenigen, die einen „gerechten“ Krieg führen wollen oder zu führen meinen.

  21. avatar

    Als die Taliban noch „Muhajadeen“ waren und mit dem Saudi Osama gegen die Sowjets streiteten – da fand der Ami, der Londoner, und „ihre“ Germans – kaum einen Makel in der afghanischen Gesellschaft. Auch heute noch bemerkt die „Coalition“ gar nicht, dass das in Saudia ueberhaupt keine Rechte fuer „Menschen“ (besonders Frauen und Fremdarbeiter) bestehen, und abolute keine Religions- und Meinunsfreiheit. Anstatt „speist“ man uns mit den alten Sagen von Jesus und den Gespensterglauben von Luther. Wenn wir schon nicht fuer Rat zu unseren geistigen Vaetern im alten Athen blicken – dann sollten wir zumindest fuer uns selbst denken – und nicht wie seit mehr aus tausend Jahren nach Jerusalem, oder seit einigen Generationen nach New York. Die Frage ist: Soll Deutschland – mit seiner brutalen Geschichte – nun in zwiespaeltigen Umstaenden als Weltpolizist auftreten – oder sollte man dies den „Siegermaechten“ ueberlassen ? Heinrich Heine sah das alles schon 1837: „Ihr Nachbarskinder, huetet euch, der kleine Michel wird euch noch allen den Schaedel einschlagen!“ Und das merkt man schon wieder mit der uebertriebenen Lust den „Taliban“ zu vernichten (waehrend der Ami durch die Saudis schon mit ihnen verhandelt…) – und mal schnell paar Bomben auf die Menge regnen. Dabei merkt der dumme Michel gar nicht wie schnell die „Anderen“ dann mit der Kritik sind, gegen die „Germans“ – beim Ami gibt es in einem solchen Fall nur das uebliche „Achselzucken“: „Gosh, a bit of collateral damage! George, let’s avoid next time – if we can!“

  22. avatar

    @ Jens: In der Tat. Alexander Kissler ist ohnehin ein guter Autor. Von seinem Buch über Benedikt XVI habe ich viel gelernt. Im Kern läuft seine Kritik an Käßmann auf dasselbe hinaus wie meine: Die Bischöfin politisiert, statt zu theologisieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top