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Was jetzt nicht zu tun ist – und warum

Es war ein zu erwartendes Schauspiel: Die AfD feiert ihr bisher größten Wahlerfolge, sammelt in Sachsen-Anhalt ein Viertel der Wähler ein. Und all die, die auch mir in den letzten Jahren vorgeworfen haben, ich sei ein „Geisterjäger“ und die von mir in „Gefährliche Bürger“ und zahllosen Artikeln beschriebene Gefahr von rechts gäbe es nicht, jaulen auf einmal auf – und propagieren aus der Hüfte geschossen Strategien. Besonders oft durfte man in den letzten Stunden lesen, man solle nun endlich den „besorgten Bürgern zuhören“, die AfD „argumentativ entzaubern“, sie „nicht dämonisieren“. Das mag sich für uns diskursgeneigte Bürger zunächst gut und richtig anhören – funktioniert so nicht Demokratie? Aber es ist aber leider das dümmste, was wir machen könnten – denn es wäre genau das, was sich die Rechtsradikalen wünschen.

Aber der Reihe nach. Überlegen wir uns doch einmal, was diese Forderungen konkret bedeuten würden. Zuhören müssen wir den AfD- und Pegida-Jüngern ja durchaus schon länger, es ist ja nicht so, dass sie sich nicht Gehör zu verschaffen wissen. Da liest und hört man dann von fremden Mächten, die Deutschland steuern, von einer „IM Erika“, die Angela Merkel angeblich sein soll, von jüdischen Vorfahren, denen sich die Kanzlerin verpflichtet fühlt und die ihre Politik steuern. Antisemitismus und Rassismus soll legitime „Meinungsäußerung“ werden – das steckt hinter dem Angriff auf das derzeitige Verständnis von Meinungsfreiheit. Der Abkehr von Deutschlands Westbindung soll eine Hinwendung zum russischen Autokraten Putin folgen. Man ruft zum Widerstand auf, formiert Bürgerwehren, ruft, wie die Junge Alternative nach Selbstjustiz. Man will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen, weil er nicht genehm berichtet (hat da jemand Erdogan gesagt?). Diejenigen, die sich dem rechten Hass entgegenstellen, werden aufgefordert, Deutschland zu verlassen (mir wurde das gerade gestern wieder an dieser Stelle nahegelegt). Die Aushöhlung des Grundgesetzes wird von den Parteispitzen immer wieder als Ziel formuliert, von der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte hält man nicht allzu viel.

Nun sind die AfD-Wähler von gestern sicher nicht damit zufrieden zu stellen, dass wir uns ihren rassistischen, antisemitischen, demokratiefeindlichen, antiliberalen und antiwestlichen Müll stoisch anhören. Sie wollen Taten sehen. Was sollte das denn sein? Mir fehlt komplett die Fantasie, wie man den rechten Mob befrieden könnte, ohne Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte abzuwickeln. Und das ist jetzt wirklich ernstgemeint: Ich freue mich über jeden, der mir dazu konkrete Vorschläge machen kann. Davon abgesehen hielte ich es allerdings auch für völlig falsch – und für nicht im Sinne der Demokratie, ganz nebenbei – wenn man darüber auch nur nachdächte. Das will ich nachfolgend auch begründen.

Zunächst zur Frage der Demokratie am Beispiel des alles beherrschenden Flüchtlingsthemas. In Berlin regiert eine große Koalition, gewählt auf vier Jahre, und selbst in den kritischsten Umfragen auch jetzt noch mit einer komfortablen Mehrheit ausgestattet. Änderungen an deren Flüchtlingspolitik bedürfen einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse in dieser großen Koalition. Oder Neuwahlen. Wenn man ersteres erreichen wollte, müsste man die Kräfte stärken, die innerhalb von Union und SPD einen Wandel herbeiführen wollten. Die standen mit den drei CDU-Spitzenkandidaten zur Wahl. Und wurden abgestraft. Gestärkt wurden die Unterstützer der Merkel-Linie (der Grüne Kretschmann), die kritisch-konstruktive APO (FDP) und die Fundamentalopposition, die CDU, SPD, Grünen und FDP gleichermaßen das Existenzrecht abspricht (AfD). Würde die große Koalition sich nun, trotz ihrer auf Bundesebene weiterhin bestehenden Mehrheit der AfD zuwenden, um deren Wähler zu befrieden, würde sie die eigenen Wähler vor den Kopf stoßen. So funktioniert Demokratie nicht. Die AfD darf in den nächsten Jahren ihre kruden Positionen, rechtsradikal und verschwörungstheoretisch, in drei weiteren Landtagen vertreten. Sie darf um Mehrheiten werben. Sie wird sie aber nicht bekommen. Weil eine Mehrheit der Wähler etwas Anderes wollte. So funktioniert Demokratie.

Warum es darüber hinaus taktisch falsch wäre, jetzt auf die AfD zuzugehen, erklärt ein Blick auf die Strategie der Neuen Rechten, zu der die AfD unzweifelhaft zu zählen ist. Dort geht es nämlich nicht darum, sofort parlamentarische Mehrheiten zu schaffen, sondern vielmehr eine Diskurshoheit in der öffentlichen Debatte zu erreichen. Das muss inzwischen als gelungen angesehen werden. Aus dieser heraus, mit Unterstützung von U-Booten in den etablierten Parteien und Medien, soll die Politik der Etablierten verändert werden – was schon einmal, Anfang der 1990er-Jahre gelang, als unter dem Druck der Republikaner Union, FDP und Teile der SPD das Asylrecht einschränkten. Republikanerchef Schönhuber sagte damals schon deutlich, dass die Wahlergebnisse der Republikaner zweitrangig seien, solange man die „Altparteien“ vor sich hertreiben könne. Die AfD – mit Hilfe von Pegida und Co – fährt genau dieselbe Strategie. Ebenfalls am Beispiel der Republikaner kann man übrigens erkennen, dass Appeasement nicht funktioniert, frei nach dem Motto: „Reicht man ihnen den kleinen Finger, reißen sie einem den Arm aus.“ Nur wenige Tage nachdem damals nämlich die SPD sich durchgerungen hatte, die Einschränkung des Asylrechts mitzutragen, kam es zu den tödlichen Anschlägen von Mölln (an dieser Stelle passt übrigens tatsächlich einmal ein Hitlervergleich, denn auch damals glaubte man, man könne dessen radikalen Kurs durch Einbindung verwässern. So etwas klappt bei Radikalen nie).

Sollten die Etablierten nun also trotzdem auf die Schnappsidee kommen, Rhetorik und Kurs zu verschärfen und auf AfD-Kurs einzuschwenken (und ja, ich ahne Schlimmes, wenn man sich an Gabriel und Seehofer in der Vergangenheit erinnert), werden sie das Gegenteil dessen erreichen, was sie erreichen wollen. Für die AfD-Wähler wäre das nämlich nur das Zeichen, dass sie mit ihrer Stimme für die Rechtsradikalen durchaus etwas erreichen können. Und dann tun sie es auch beim nächsten Mal wieder – und bringen Freunde mit. Die richtige Antwort der Demokraten auf den Erfolg der AfD wäre daher das Gegenteil: Zwar kein „Weiter so“, keine Arroganz, durchaus auch Selbstkritik – und ein Anspruch, offensichtliche Probleme besser zu managen und aus der Welt zu schaffen. Aber eben ein klares Zeichen an die Rechten: So lange Ihr in unserem Land nicht mehr als die Hälfte der Stimmen bekommt, gestehen wir Euch politisch keinen Fußbreit Raumgewinn zu. Ihr dürft Euch als Oppositionsfraktion in den Parlamenten austoben, Eure parlamentarischen Rechte sind selbstverständlich gewahrt. Aber gestalten dürft Ihr höchstens den Pausenraum Eures Fraktionsbüros, nicht aber die Politik unserer freiheitlichen und weltoffenen Demokratie.

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58 Gedanken zu “Was jetzt nicht zu tun ist – und warum;”

  1. avatar

    „nicht aber die Politik unserer freiheitlichen und weltoffenen Demokratie.“ Zitat aus der oben stehenden postnationalsozialistischen Schmiererei. Hier wird nicht nur versucht, sich selbst zu verarschen, sondern auch sein gesamtes Umfeld.
    Schon 1945 glaubten deutsche Altnazis der Welt zeigen zu müssen, was Demokratie ist. Hat sich seit daher nichts geändert. Nur öffentlich zu behaupten, kein Nazi zu sein, ist nicht ausreichend und wenig glaubhaft.
    Die Befürwortung naz.soz. DEUTSCHER Tugenden beim Volk ist heute sicherlich grösser als während des 3. Reiches und dies sogar bei Ausländern, bei denen einer von ihren vielen Pässen ein Deutscher PASS ist.
    Nur weil die Mehrheit sich nicht öffentlich zum Nazionalsozialismus bekennt, bedeutet das nicht, dass sie diesen nicht befürworten.
    Habe davon abgesehen kein wirklich alternatives Wahlprogramm der „AfD“ finden können. Das meiste bei Gregor Gysi abgeschrieben.
    Gruss

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    „Nationale Erziehung ist Voraussetzung in jedem Staatswesen (ob demokratisch oder nicht), soll der Mensch nicht zur bloßen Verwertungsmasse herabsinken.“

    Aller bisherigen Erfahrung nach läuft „nationale Erziehung“ bzw. Erziehung zur Nation gerade auf zugespitzte Verwertung hinaus: „Du bist nichts. Volk und Staat sind alles.“

    Nation fordert Opfer. Nation ist Opfer. Und der Opferlohn für die „Verwertungsmasse“ ist die Nation. Wenn Ihnen das genügt … Nation ist das Opium des Volkes, betäubt jeden anderen Hunger. Für eine Weile, wie wir wissen, gelingt das immer mal wieder.

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    Angela Merkel has made a mess of the European project – she has to go

    Her mixture of fudge and compromise, her pandering to special interest groups and her reluctance to take firm decisions,has left the European economy in a mess, and Germany facing a crisis. It is little surprise that voters are turning their backs on her. Europe needs leadership from Germany. As her grip on power loosens, there will be lots of wild talk about what a loss she will be. Pay no attention. Her successor, whoever that is, may not be another Adenauer. But they could hardly be worse than Merkel. The European economy will be in far better shape after she has gone.

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    @GUDE

    Naja, was, wie, wo und warum etwas passiert, darüber werden wir uns wohl nicht mehr einig, aber sei es drum.
    Naiv, ja gerne. Das sind für mich manchmal die schönsten Momente. Meine Familie ist aus dem sozialistischen Paradies ausgewandert, ich habe dort als Kind auch gelebt. Es war nicht alles schlecht, aber so gut wie nichts besser. Aber darum geht es mir nicht. Ich war in den 90ern in den Ländern Ex-Yus, in Rumänien und Bulgarien. Ich habe die Armut und Verzweiflung gesehen, ich habe Prostituierte aus diesen Ländern kennengelernt, starke Frauen, die ihre Familien durchbringen wollten. Ich habe Kinder in den Balkan-Slums gesehen und auch die Kleinkriminellen, arme Schweine. Das ganze Tränen-in-die-Augen Programm. Als wir in Neustrelitz auf dem Marktplatz standen, haben wir uns einfach gefreut, dass wir etwas dazu beigetragen haben, dass dieser Fall in die menschliche Endzeit der DDR erspart wurde. Es ist mir egal, ob dort nur ein Bruchteil angekommen ist, was in den 90ern die anderen Länder ertragen mussten, ist an Mecklenburg vorbeigegangen. Es mag naiv sein, aus Ossi-Sicht nicht immer nachvollziehbar, aber wir haben uns für die Mecklenburger gefreut. Es wurde nicht die beste aller Welten, sonst würden die Leute da bleiben und nicht migrieren. Aber es wurde nicht die schlimmste aller Welten. Wenn Sie glauben, dass das nicht möglich war, das Kraft überlegener Genetik, Kultur oder Spreewaldgurke dieses Schicksal der DDR erspart geblieben wäre, dann muss ich das naiv an Sie zurückspielen.

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