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Millionen Deutsche öffnen dem Faschismus die Tür

Es wird Zeit, die Realität anzuerkennen: Irgendwo zwischen fünf und zehn Millionen wahlberechtigte Deutsche sind bereit, dem Faschismus wieder die Tür zu öffnen, wenn er im bürgerlichen Gewand an diese klopft. Natürlich würden sie genau das bestreiten – aber das hat Methode. Sie sind Rassisten und behaupten, sie wollten doch nur nicht, dass unsere Identität verloren geht. Sie sind Nationalisten und behaupten, sie wollten nur keine übergriffige Bürokratie aus Brüssel. Sie sind homophob und behaupten, sie wollten nur die traditionelle Familie schützen. Sie sind antisemitisch und behaupten, sie wollten das christlich-jüdische Abendland schützen. Sie sind Antidemokraten und behaupten, sie wären die einzig wahren Demokraten. Sie denken totalitär und behaupten, sie stünden in der Tradition von Freiheitskämpfern wie den Geschwistern Scholl oder wären selber Opfer, die bald den Judenstern tragen müssten. Sie sind antiwestlich und antiamerikanisch und behaupten, sie wollten nur nicht von den „Kriegshetzern“ in einem Krieg gegen Russland getrieben werden. Sie hassen die Meinungsfreiheit und behaupten, sie wären die letzten Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Sie behaupten, sie würden gegen Tabus kämpfen, verschweigen aber, dass sie nur gegen die Tabus der offenen Gesellschaft ins Felde ziehen, um später ihre eigenen – totalitären, antidemokratischen, menschenverachtenden – Tabus durchzusetzen. Sie behaupten, sie würden für die Freiheit kämpfen, meinen damit aber nur ihre eigene Freiheit, andere zu diskriminieren und ihre Ansichten mit aller Brutalität durchzusetzen. In Wahrheit sind sie die größten Gegner der Freiheit, in ihrem Denken deutlich näher an islamistischen Hasspredigern als an der Gemeinschaft der Demokraten.

Man könnte nun jeden dieser Punkte wieder en detail erklären, sich an Aufklärung versuchen. Das bringt allerdings gar nichts mehr. Hans-Olaf Henkel habe ich schon 2011 gewarnt, sich mit Rechten wie Beatrix von Storch abzugeben. Die AfD nenne ich seit 2014 rechtsradikal. Das Treiben des Focus rund um Michael Klonovsky habe ich 2014 öffentlich gemacht. Die Wuzeln der Neuen Rechten und Parallelen von Pegida, AfD und Co zu den Faschisten der 1920er zeige ich seit langem immer wieder auf. Auch viele andere Autoren oder etwa die Wissenschaftler der „Mitte-Studien“ beschreiben die Entwicklungen seit langem. Die Reaktion: Man soll mal nicht so hysterisch sein. Das zeigt deutlich: Es gibt kein Erkenntnisproblem. Es gibt ein bürgerliches Realitätsakzeptanzproblem. Weil man einfach nicht glauben will, dass es tatsächlich Menschen mit bürgerlichem Auftreten geben könnte, Menschen aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis gar, die ernsthaft die Errungenschaften der liberalen Demokratie in Frage stellen würden.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Wer rechtsradikal formuliert und wählt, ist rechtsradikal. Niemand von klarem Verstand wählt doch eine Partei, die das System in Frage stellt, nur weil ihm eine demokratische Entscheidung nicht passt. Und niemand von klarem Verstand wähl eine Partei, deren Spitzenkandidat mehr als einmal mit Haftbefehlen konfrontiert war. Außer, man hat es eben nicht so mit Gesetzestreue, weil man glaubt, in einem Unrechtsregime zu leben. Um es noch einmal klar zu sagen: Wer die AfD wählt oder zu einer Pegida-Demo geht, weiß, dass er sich zu bewusst zu Rassismus, zum Hass auf das demokratische System, zur Begeisterung für einen Antisemiten wie Viktor Orban und zu Schüssen auf Frauen und Kinder an deutschen Grenzen bekennt. Wer diesen Schritt tut, stellt sich freiwillig außerhalb der Gesellschaft, die er so tief verachtet für ihre lähmenden demokratischen Prozesse, für ihre Buntheit, für ihre Offenheit. Diese Menschen wählen die AfD nicht trotz der regelmäßigen Ausfälle gegen die Grundrechte, gegen die Pfeiler unserer Verfassung, sondern wegen dieser. Die Mehrheit der Bürger denkt nicht so. Aber sie schläft tief und fest und ist nicht bereit, den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. Denn um einen bürgerlichen Diskurs, um den reinen Austausch von Meinungen geht es schon lange nicht mehr. Man geht ja auch nicht mit einem Messer zu einer Schießerei. Wir müssen hart bleiben bei der Verteidigung unserer liberalen Werte, statt sie ihren Gegnern wehrlos zum Fraß vorzuwerfen. „Kein Fußbreit den Faschisten“, dieser Spruch muss nun auch für alle Demokraten aus der liberalen Mitte endgültig zum Leitmotiv werden.

Es wird Zeit, das Offensichtliche endlich anzuerkennen und nicht mit Umdeutungen wegzudiskutieren. Längst haben die Feinde der offenen Gesellschaft die Masken fallen lassen – man muss sie nur beim Wort nehmen. Wenn wir den IS-Propagandisten glauben, dass sie uns allen die Köpfe abschneiden wollen, sollten wir den Rechtsradikalen auch glauben, dass sie unsere offene Gesellschaft in eine Autokratie umbauen wollen, selbst wenn sie das noch Demokratie nennen würden. Das tun Putin, Orban und Erdogan ja auch. Wir müssen uns zur Wehr setzen, Grenzen definieren, die Demokratiefeinde stellen, bevor aus den über 20 Prozent, die alleine die AfD in Sachsen-Anhalt holen wird, 50 Prozent werden und nur noch die Auswanderung bleibt.

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