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Trump und Putin – es geht um die Zukunft der liberalen Demokratie

Von Marieluise Beck

Donald Trump rollt das republikanische Lager in Amerika mit menschenverachtender, antidemokratischer Rhetorik auf. Internationales Recht interessiert ihn nicht, er pflegt die Sprache der Gewalt. Wladimir Putin drohte dem Vernehmen nach schon vor Jahren „Saakaschwili an seinen Eiern aufzuhängen“. Da treffen sich zwei Brüder im Geiste. Bisher ist Trump nur Kandidat. Wladimir Putin aber hat seit 15 Jahren die Macht und es gibt keine checks and balances in Russland mehr. Das antiwestliche, antidemokratische Netzwerk, das Putin in Europa einfädelte, wollte die europäische Politik lange nicht wahrhaben. Dass die wahren Faschisten aus Russland sich mit Putins Unterstützung im Donbass eingenistet haben, störte weder die stramm antiwestlichen Teile der deutschen Linken (siehe den zweimaligen Besuch der Abgeordneten Hunko und Gehrcke bei dem Antisemiten Sachartschenko im Donbass) noch die konservative Rechte (siehe Gauweilers Absicht, die annektierte Krim zu besuchen und den anbiedernden Besuch Seehofers bei Putin).
Bis heute müssen sich aufrechte Journalisten gegen gefakte Leserbriefe und in St. Petersburg fabrizierte Schmähkommentare wehren und werden der Übertreibung bezichtigt. Hackerangriffe aus Russland gegen den Deutschen Bundestag? Nicht der Aufregung wert. Eine neue Pipeline zwischen den beiden europäischen Großen, um unter Umgehung der kleinen Zwischenländer mal wieder ihr Geschäft zu Lasten Dritter zu machen? Was soll’s.
Wer die unseligen Zeiten deutsch-russischer Kollaboration auf dem Rücken Mittel-Osteuropas so gründlich verdrängt hat, wie das vermeintlich mit seiner Geschichte so reflektiert umgehende Deutschland, der marschiert mit chronisch reinem Gewissen durch die Welt.
Empathie mit der Bürger- und Freiheitsbewegung in der Ukraine? Fehlanzeige. Die Ukrainer hätten sich schließlich in die Rolle der Pufferzone zwischen Russland und der EU fügen können. Und wer nach dem Schutz der NATO ruft, der muss halt mit den russischen Konsequenzen leben. Wer wollte, der konnte wissen, dass alle europäischen ultrarechten Parteien bei der illegitimen „Volksabstimmung“ auf der Krim präsent waren: Der Front National, Lega Nord, Jobbik, FPÖ, Vlaams Belang etc. Erst jetzt, da Außenminister Lawrow „sein russisches Mädchen“ in Berlin beschützen wollte und NPD und Pegida aufspringen, macht das Land langsam die Augen auf.

Die Linke spricht gern von der Bekämpfung der Fluchtursachen. Dass aber die Menschen in Syrien mehr denn je vor den russischen Bomben flüchten, dass Aleppo brennt und tausende sich auf den Weg machen, um der mörderischen Kumpanei zwischen Assad und Putin zu entkommen, das wird vornehm verschwiegen. Wer von Bekämpfung von Fluchtursachen spricht, der muss zugleich mit dem mörderischen IS das mörderische Team Assad/Putin nennen. Wer lediglich Militäreinsätze des Westens brandmarkt und die russische Intervention in der Ukraine wie in Syrien nicht benennt, besorgt Putins propagandistische Camouflage.
Ja, Donald Trump ist schlimm, der Irakkrieg war ein Fehler, Guantanamo ein Graus, der Vietnamkrieg ein Verbrechen. Aber: In einem demokratischen Amerika können die Verhältnisse von innen heraus geändert werden. In Russland riskieren die, die unbequeme Wahrheiten aussprechen, ihre Freiheit und sogar ihr Leben.

Es wird Zeit, die Augen aufzumachen und unseren naiven Selbstbetrug aufzugeben: Es geht um die Zukunft der liberalen Demokratie. Wir sollten die Wehrhaftigkeit eines Willy Brandt wieder entdecken. Sonst werden die Putins, Trumps, Erdogans, Orbans, Kaczynskis, Petrys, Wagenknechts, Farages, Le Pens und andere Gespenster unsere freiheitlichen, konfliktreichen, multikulturellen, schwierigen und anstrengenden Demokratien in graue Käfige verwandeln.

Marieluise Beck ist Mitglied des Deutschen Bundestags und Sprecherin der Grünen für die Osteuropapolitik. Sie ist Mitglied des Auswärtigen  Ausschusses und stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestags. Außerdem ist sie  Vorsitzende der Parlamentariergruppe Bosnien und Herzegowina.

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17 Gedanken zu “Trump und Putin – es geht um die Zukunft der liberalen Demokratie;”

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    Rainer Werner: „Mir missfällt außerdem, dass die SPD, die sich vehement für diese Pipeline stark macht, Geschäfte zu Lasten Dritter betreibt.“
    Zu überlegen wäre mal, was der Vorkanzler da so mit Putin eingefädelt hat, mit den Befindlichkeiten im jetzigen Polen zu tun hat. Oder müssen wir jetzt „auf Sicht“ fahren, bzw. sehen? Neues Paradigma? Neue Losung? Neusprech?

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    zu Rainer Werner
    Danke für die umfassende Information. Ich tendiere dennoch zur prinzipiellen Trennung von Geschäften auf der einen und dem Bemühen um politischen Einfluss auf der anderen Seite. Die Energieversorgung Deutschlands an das Schicksal der Ukraine zu binden, das ist nicht nur sehr riskant, das ist ein sicheres Verlierergeschäft. Putin ist maximal schädlich, aber seine Ideologie des Primats der Politik wird nicht politisch durchkreuzt werden können, da ist er sehr geschickt, sondern ökonomisch, da ist er blind. Putin wird langfristig (in den nächsten 5 Jahren) scheitern, allerdings schädigt er dabei – im Fall – extrem viele Menschen und – was die Ukraine betrifft – eine ganze Volkswirtschaft.

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    zu Monika Frommel
    Die Pipeline Nord Stream 2 würde die Pipeline, die durch die Ukraine führt, komplett überflüssig machen, was im Kalkül Putins liegt. Kiew würde dadurch im Jahr 2 Milliarden Durchleitegebühren verlieren, was das Land nicht verkraften kann. Wir können nicht auf der einen Seite der Ukraine Milliarden an Finanzhilfen versprechen, auf der anderen Seite zu ihrer finanziellen Schwächung beitragen. Gazprom hat die Auflage der EU, Netz und Versorgung betriebswirtschaftlich zu trennen, nie akzeptiert, weil es in Russland ja auch gänzlich anders gehandhabt wird. Wenn nun die Pipeline offshore verläuft, gelten die Regeln der EU nicht mehr, die für Staatsgebiete erlassen worden sind – so das Kalkül Russlands. Warum sollten wir uns auf solche Tricks einlassen? Mir missfällt außerdem, dass die SPD, die sich vehement für diese Pipeline stark macht, Geschäfte zu Lasten Dritter betreibt. Schon während der Entspannungspolitik zwischen Brandt und Breschnew wurde auf die kleinen Staaten im Machtbereich Moskaus wenig Rücksicht genommen. Deshalb kann man den Unmut der Polen und der Balten über Gabriel gut verstehen.

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    zu Rainer Werner:
    Was spricht eigentlich sachlich gegen die Pipeline North Stream II ?
    Sie versorgt Deutschland ohne Störung dir h Konflikte! Wieso wird Gabriel verdächtigt korrupt zu sein) Kann ja sein. aber das setzt voraus, dass die Entscheidung unsachlich ist.

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    Putin hat ja bereits verkündet, dass er Trump respektieren würde. Etwas, das bei Obama nicht so klar ist. Es besteht kein Zweifel darin, dass Trump und Putin zwei ähnliche Charaktere sind.

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    New Hampshire, kennen Sie den Staat? Das ist wie alle Neuengland-Staaten ein sehr europäischer Staat, sehr Mitte mit rechten und linken Tendenzen, vornehmlich gebildete und ausgebildete Bewohner, keine Probleme, wie sie in einem Staat wie Alabama oder Mississippi vorherrschen. Trump und Sanders sollte jeden aufwecken, der noch schläft.
    Die Bürger haben das Establishment knüppeldick. Daher denkt Bloomberg über eine Kandidatur nach. Und Bloomberg ist das Establishment. Die Bürger sprechen. Und was man sieht, passt den herrschenden Eliten nicht, logisch. Clinton steht doch symbolisch für Verschleierung, zunehmende Korruption. Sanders ist viel ehrlicher. Auf der anderen Seite werden Rubio, Bush, Christie und Kasich zu einem Kandidaten werden, und dann wird man sehen.
    In Europa gibt es nur Putin, der den Konsens aufbricht, das ist sein Geheimnis.
    Die Flüchtlinge vor der Grenze der Türkei dürften zu IS und Al-Nusra gehören. Wenn Sie sie wollen, Frau Beck, kaufen Sie eine Insel und ziehen mit ihnen dorthin. Paris, Brüssel, Istanbul, Versuch in Berlin? Reicht’s nicht allmählich?

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    Es ist verdienstvoll, immer wieder zu benennen, wie es Putin anstellt, um im Westen willfährige Gefolgsleute zu rekrutieren. Dabei spielt es für ihn keine Rolle, ob sie ihm aus Verblendung, Naivität oder Geltungssucht in die Karten spielen. Oft ist der tief sitzende Antiamerikanismus die Ursache, der ja bekanntlich auf der extremen Rechten genauso anzutreffen ist wie auf der extremen Linken. Ein besonderer Fall ist die SPD. Sie hatte / hat besonders viele Putin-Versteher in ihren Reihen. Der jüngst verstorbene Alt-Kanzler Schmidt sprach der Ukraine schlichtweg ab, ein eigener Staat zu sein. Die Altvorderen Schröder, Dohnanyi, Voscherau und Bahr hielten / halten die Sanktionen gegen Russland für verfehlt. Einige der Herren stehen ja auch bei russischen Staatsfirmen im Sold. Im Netz wird übrigens auch gemunkelt, dass Gabriel die Pipeline North Stream II deshalb so vehement an den polnischen Interessen vorbei vorantreibt, weil ihm ein lukrativer Posten bei Gazprom angeboten worden sei. Sozialdemokraten können anscheinend auch nicht verstehen, dass die von ihnen so geliebte Entspannungspolitik bei einem Machtmenschen wie Putin nicht verfangen will. Er legt sie nämlich als Schwäche aus. Man kann nur hoffen, dass Putin bald das Geld fehlt, um seine geopolitischen Spiele weiterführen zu können. Dann hätte der niedrige Ölpreis eine segensreiche Wirkung entfaltet.

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    … Peter Scholl-Latour: ‚Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung.‘ Das müssen Sie aushalten, werte Fr. M. B.

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    Die Linke spricht gern von der Bekämpfung der Fluchtursachen. Dass aber die Menschen in Syrien mehr denn je vor den russischen Bomben flüchten, dass Aleppo brennt und tausende sich auf den Weg machen, um der mörderischen Kumpanei zwischen Assad und Putin zu entkommen, das wird vornehm verschwiegen. ….

    Leider liegt hier das Problem, das Putin „Geopolitik“ nennt. Er wird nach Stalin, Hitler und Mao in die Geschichte als schrecklicher Verbrecher eingehen und Bush junior ebenfalls. Aber was machen wir jetzt?

  10. avatar

    Sie sagt:
    „Wer von Bekämpfung von Fluchtursachen spricht, der muss zugleich mit dem mörderischen IS das mörderische Team Assad/Putin nennen.“

    Assad ist die legitime Regierung und der IS ist eine Terrororganisation mit steinzeitlichen Ansichten. Syrien ist/war ein verhältnismäßig gut entwickeltes Land mit einer gebildeten Mittelschicht und soll mit Hilfe der USA und der Saudis eine islamische Diktatur verwandelt werden.
    Irak und Libyen sind warnende Beispiele. Auch in Ägypten ist die Revolution gescheitert.

  11. avatar

    „Die Wehrhaftigkeit eines Willy Brandt“?
    Wenn diese Intentionen die liberale Demokratie (Freiheit?) verteidigen würden, und nicht eine grüne und „konfliktreiche“ Demokratie und ihre eigenen Realitätsbeschreibungen – denn nichts anderes ist damit gemeint, dann könnte zumindest darüber nachgedacht werden.
    Aus der Geschichte zu lernen ist leider nicht so einfach.
    Eine freiheitliche Demokratie würde mir besser gefallen, vorausgesetzt sie wäre wirklich wehrhaft. Besonders im Hinblick auf die Verantwortung den eigenen Taten gegenüber, dem Subsidiaritätsprinzip zugrundeliegend und verantwortlich ohne das politische Versagen institutionalisieren zu können. Liberalität steht in meiner Welt für Verantwortungslosigkeit und das Zugrunderichten der Völker.
    Der Berliner Flughafen ist ein einziger Korruptionsskandal. Unfähigkeit und Steuerverschwendung sind in diesem Bereich nur Mittel zum Zweck. Und wer ist verantwortlich? So funktioniert die liberale Demokratie.
    Dafür sollen deutsche Soldaten Blut vergießen? Hoffentlich nicht.

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    Ich hatte nur kursorisch den Text gelesen. Beim zweiten Mal traute ich meinen Augen nicht. Jetzt soll plötzlich Putin für die Flüchtlinge verantwortlich sein? Mockingbird, ick hör Dir trapsen! Es waren die westlichen und Geheimdienste und Finanziers der Golfstaaten, die mit allen Mitteln die Bürgerkriege in Nordafrika angeheizt haben. Es war Bush der für den Irakkrieg verantwortlich ist, es ist Erdogan, der sein Süppchen kocht und ja, es ist auch Putin schuld an einigen Flüchtlingen.

    Aber für Frau Beck ist ja auch Herr Chodorkowski ein Heiliger, dem die Zeit im Gulag gut getan hat. Vielleicht sollte man unsere Oligarschen auch mal dorthin schicken, wenn sie dann zu besseren Menschen werden.

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