avatar

Bosnien, zwanzig Jahre danach

Im kommenden Monat jährt sich zum 20. Mal das Massaker von Srebrenica. Ich habe den Ort vor einigen Tagen besucht – und zu meiner Überraschung festgestellt, dass die ehemals hauptsächlich von Muslimen bewohnte Stadt heute in der Republika Srpska liegt, dem serbischen Autonomiegebiet Bosniens, und serbisch-orthodox geprägt ist. Das ist eigentlich „logisch“ gemäß der perversen Logik der „ethnischen“ – sprich religiösen – Säuberung. Srebrenica war bis 1995 eine muslimische Enklave innerhalb einer mehrheitlich serbisch-orthodoxen Region, die ja auch unmittelbar an der Grenze zu Serbien liegt. Aber ich hatte mir naiverweiser vorgestellt, dass die Vereinten Nationen, die damals in den Konflikt eingegriffen hatten, um den multireligiösen Charakter Bosniens zu erhalten, nicht stillschweigend die Resultate der Säuberungspolitik akzeptieren würden.

Genau das aber ist geschehen.

Wie ein sehr lesenswerter Bericht des UN-Flüchtlingswerks UNHCR feststellt, wurde während des Bosnien-Kriegs 1992 – 1995 aus einem „völlig durchmischten“ ein „völlig entmischtes“ Land. Nur fünf Prozent der ursprünglichen katholischen („kroatischen“) und muslimischen Bevölkerung blieben in den mehrheitlich orthodoxen („serbischen“) Gebieten, in denen sie bis zur Flucht oder Vertreibung gelebt hatten; ähnlich verhielt es sich mit den Orthodoxen in den mehrheitlich von Katholiken oder Muslimen bewohnten Gebieten.

Insgesamt zwei Million Menschen – die Hälfte der Bevölkerung – wurden zu Flüchtlingen, die meisten im Land selbst, viele in den Nachbarländern oder anderswo in Europa. Von ihnen ist nur ein kleiner Teil zurückgekehrt. Und selbst diejenigen, die offiziell als Rückkehrer gelten, weil sie einen Besitzanspruch auf ihre früheren Häuser angemeldet haben und diese nicht wieder verkauft haben, dürften größtenteils woanders leben und den Immobilienbesitz entweder vermieten oder nur als Urlaubsdomizil benutzen, wie etwa die Mehrheit der Muslime, die ehedem zehn Prozent der Bevölkerung einer Stadt wie Trebinje ausmachten.

Gegenüber Touristen betonen Orthodoxe, Katholiken und Muslime, dass sie den Chauvinismus der Kriegsjahre ablehnen; dass sie gut miteinander auskommen und dass der Hass ihnen fremd ist. Ehen über religiöse Grenzen hinweg, im früheren Jugoslawien etwas völlig Normales, gibt es jedoch faktisch nicht mehr. Schon jetzt fällt es jungen Bürgern Sloweniens und Bosniens schwer, miteinander zu kommunizieren, weil sie die gemeinsame serbo-kroatische Sprache der Tito-Jahre nicht mehr lernen. Teilweise müssen sie auf Englisch zurückgreifen. Es ist abzusehen, dass die weitgehende Autonomie der „Entitäten“ Bosniens, der „Republika Srprska“ und der „Kroatisch-Muslimischen Föderation“ in Verbindung mit der faktischen Trennung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen auch zur lebensweltlichen Entfremdung führen wird.

Der Westen engagierte sich in Bosnien-Herzegowina, um einen multikulturellen, multireligiösen Staat zu retten. Wie später – und erst recht – der Einsatz im Kosovo, handelte es sich bei Bosnien um einen „Krieg der Achtundsechziger“.

Das war ein frommer Wunsch. Wer heute, 20 Jahre danach, durch Bosnien reist, muss feststellen, dass die bosnischen Serben weitgehend das bekommen haben, was sie damals wollten. Wer sagt denn, dass der Krieg niemals eine Lösung sein kann? Hier hat er eine Lösung gebracht. Nur nicht die, die wir wollten.

 

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

57 Gedanken zu “Bosnien, zwanzig Jahre danach;”

  1. avatar

    Wenn man das liest, wird einem besser schlecht:

    „“Wir erleben einen Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West“, analysiert Frank Elbe. Der 74-jährige Nuklearexperte kennt das Säbelrasseln noch aus jener Epoche, die viele schon zu den Akten gelegt hatten. Elbe, seit Jahrzehnten ein enger Vertrauter des ehemaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher, war in den 80er-Jahren im Auswärtigen Amt im Abrüstungsreferat tätig, später vertrat er die Interessen der Bundesrepublik als deutscher Botschafter unter anderem in der Schweiz und in Polen.

    Was Elbe heute über russische Raketen und westliche Manöver in den Zeitungen lesen muss, gefällt ihm ganz und gar nicht. Sein Eindruck: Während die Supermächte im Nachgang der Kuba-Krise im Herbst 1962, als die Welt am Rande eines nuklearen Infernos stand, einen sicherheitspolitischen Puffer nach dem anderen installierten, scheinen genau diese Sicherheitsmaßnahmen gerade wieder abgebaut zu werden. „Was wir zwischen Russland und dem Westen erleben, ist klassisches Tit for Tat“, klagt Elbe.“

    Wenn ich Kuba höre,läuft es mir kalt den Rücken herunter. Und eigentlich hat man aus Kuba nichts gelernt. Heute haben wir keine Gebrüder Kennedy, die bei Chruschtschov mit einem wohl rührenden Brief aufwarten. In dem Artikel steht, dass Russland als nicht stark genug (gegenüber der NATO) angesehen wird, um die Baltenstaaten anzugreifen. Dann könnte sich doch der Westen auch ein Stück zurückziehen nach dem Motto „Der Klügere gibt nach“. Alle tot ist auch keine Lösung.

    http://www.welt.de/politik/aus.....ieges.html

  2. avatar

    Noch’ne Leseempfehlung, Käpt’n Blaubär mal wieder brillant, mit Spinnaker vor’m Wind bei Windstärke 5. Folgender Ausschnitt ist nicht einmal der beste, aber er bezieht sich auf die Sache mit dem antideutschen Binnen-I. Ich sollte noch ergänzen, dass Manns vorher von mir erwähnte Novelle eine Geschichte über einen verkappt schwulen Schriftsteller ist, evtl. autobiographisch mit möglicher Projektion auf Gustav Mahler und gänzlich ohne Sprachverdrehungen auskommt, dabei verfilmt und weltberühmt wurde. Wenn’s denn echt so schlimm wäre mit den Vorbehalten, würde das kein(e) ArschIn lesen:

    Lassahn: Es herrscht sowieso politische Windstille. Es gibt keinen scharfen politischen Gegenwind. Scharfen Gegenwind, den die Grünen fürchten müssten, gäbe es, wenn die AfD als etablierte Regierungspartei an der Macht wäre und sich aus der Position der Stärke heraus Strategien überlegte, wie sie der Gender-Sprache entgegentreten könnte und beispielsweise Strafmandate für den Gebrauch des Binnen-Is in Erwägung zöge.
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....anze_luege

  3. avatar

    @ mehrere

    Leute, die sich an Israel abarbeiten, haben für mich eine Meise. Ich selbst weiß, dass ich mich in Israel wohlfühlen würde. Und daran muss man das messen. Wie gehen Israelis mit uns um? Prima. Dass Araber dort kein brillantes Ansehen genießen, haben sie sich selbst zuzuschreiben nach endlosen Terroraktionen. Auch in Ägypten ist ihr Ansehen (das der Hamas in diesem Fall) nicht besonders hoch. Abgesehen davon könnten ja Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit ins Westjordanland emigrieren, wenn alles so schlecht in Israel ist. Davon ist bei ihnen keine Rede.

    @ 68er
    Wenn der Junge sagt: „Ich muss das machen“ muss man erstmal gucken, ob er Hintermänner hat. Ich würde mal das Primärgeschrei im Fall Tugce als Warnung begreifen. Kriminalfälle sollten zunächst aufgeklärt werden. Die Anti-Waffenlobby war auf dem Teppich, ohne Zeit zu verlieren. Ohne seine Waffe hätte er es vielleicht mit Sprengstoff gemacht, und dann wären alle tot. Ja, oder so wie in Graz, mit einem Geländewagen. Oder wie in Israel vor einiger Zeit. War das ein Bus oder LKW?
    Von Anfang an hat Obama die Nation gespalten, als wenn er vergessen hätte, dass er eine weiße Mutter hatte.
    Das ist eine Art Anders-Breivik-Tat. Die Norweger sind besser damit umgegangen.
    Schönen Sonntag. Viel Spaß beim Abarbeiten an Israel und dem bösen weißen Mann. Sinnlose bescheuerte Zeitvergeudung.
    Lese gerade erneut: „Tod in Venedig“ nach 30 Jahren. Alles neu. Habe bestimmt fünfmal den Film gesehen und sehe, wie der inzwischen die Novelle überlagert. Wusste gar nicht mehr, dass die in München anfängt und auf einer kroatischen Insel weitergeht. Keine Zeitvergeudung. Als nächstes dann „Tonio Kröger“. Schöne Sprache, keine X am Ende der Substantive, keine bInnengroßbuchstaben, Erholung pur.

  4. avatar

    Man könnte auch anmerken, dass der Krieg gegen Serbien, um dort die Vertreibung der Albaner zu stoppen, uns nicht vor weiteren Auswanderungswellen aus dem Kosovo bewahrt hat. Kosovo-Albaner stellen einen hohen Anteil der Asylbewerber.

  5. avatar

    @ Alan Posener
    „Die Araber in Israel genießen mehr Rechte als in irgendeinem arabischen Land.“ Da mögen Sie recht haben, aber auch Ihnen empfehle ich etwas Vorsicht in der Argumentation.Israel beansprucht für sich, so ziemlich die einzige Demokratie des „Nahen Ostens“ zu sein. Und wenn sie mal nachlesen wollen, was diese Demokratie im täglichen Leben der „Araber“ bedeutet: „Who the fuck is Kafka“ heißt das Buch und geschrieben hat es die israelische Autorin Lizzie Doron. Falls Sie danach noch glauben, dass es „nur“ um „die nicht zu leugnenden Benachteiligungen im Alltag“ geht, dann ist Ihnen, fürchte ich, auch nicht mehr zu helfen.

  6. avatar

    Dass in der Türkei den Kurden verboten war, ihre Muttersprache zu nutzen, wollen Sie doch nicht wirklich bestreiten.

  7. avatar

    Lieber Herr Posener,

    die Kritik wg. Sarrazin ging nicht gegen Sie, sondern gegen Ihre Kollegen.

    In der Ukraine „sollte“, wie ich schrieb, den Russen verboten werden, ihre Sprache in einigen Gebieten als in Behörden zu nutzen:

    http://www.taz.de/!5047589/

    Wieso soll ich übrigens vorsichtiger sein? Was droht mir denn, wenn ich hier schreibe? Neben der Verschwörungstheorie-Keule holen Sie wohl gleich Ihre Antisemitismus-Keule raus? Machen Sie nur!

    1. avatar

      Lieber 68er, was soll das? „Wieso soll ich übrigens vorsichtiger sein? Was droht mir denn, wenn ich hier schreibe? Neben der Verschwörungstheorie-Keule holen Sie wohl gleich Ihre Antisemitismus-Keule raus? Machen Sie nur!“ Nichts droht Ihnen, wie Sie wissen, und die „Antisemitismuskeule“ (interessante Wortwahl übrigens) gehört nicht zu meinen bevorzugten geistigen Waffen, wie Sie ebenfalls wissen. Sie haben nun in einigen Beiträgen selbst Ihre Behauptungen relativiert, und dabei belasse ich es gern.

  8. avatar

    Wozu die Propaganda und Hetze führt, kann man aktuell auch in den USA beobachten. „Die Schwarzen“ opfern zwar nicht Kinder, wie am es im kultivierten Europa gerne „den Juden“ vorwarf, sondern sie „vergewaltigen unsere Frauen“ (vgl. Jugoslawien) und „übernehmen unser Land“ (vgl. Sarazzin & Co.).

    Eine Zeugin der Tat sagte dem TV-Sender NBC, sie habe gehört wie Dylann Roof als er auf die Schwarzen schoss gesagt habe: „Ich muss es tun. Ihr vergewaltigt unsere Frauen und ihr übernehmt unser Land. Und ihr müsst gehen.“ Eine Frau soll er bei seinem Angriff auf die Kirche am Leben gelassen haben – damit sie von seiner schrecklichen Tat berichten kann!

    Quelle: http://www.bild.de/news/auslan......bild.html

  9. avatar

    Und weil ich glaube, dass gerade wenig reale Unterschiede, d.h. Ressentiments, wie sie derzeit auch von den Kollegen Herrn Poseners bei BILD und WELT gegen „die faulen Griechen“, von Leuten wie Sarrazin & Co, gegen „kleinen Kopftuchmädchen“ oder in der Vergangenheit gegen „den reichen Juden“ geschürt werden und wurden, als Zunder für den Ausbruch eigentlich sozial bzw. wirtschaftlich bedingter Konflikte dient, sollten wir aufmerksam werden, wenn in der Ukraine oder in Kurdistan den Leuten verboten werden soll, ihre Muttersprache zu nutzen, wenn es Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt, wie in Israel oder wenn gegen „die faulen Griechen“ gewettert wird. Damit soll meist davon abgelenkt werden, dass sowohl „der arbeitslose Deutsche“ als auch „der griechiche Rentner“ Opfer der selben erbarmungslosen neoliberalen Wirtschaftspolitik sind. Sie sitzen beide im selben kleinen Boot. Ein passendes Bild, denn während die „reichen Griechen“ alleine auf ihren 100-Meter-Luxusyachten sitzen, ist der kleine Kahn des „kleinen Mannes“ schon heillos überladen. Man streitet um die Rettungswesten und schubst sich gegenseitig über Bord, nur um das eigene Überleben zu sichern. Wenn man sich aber zusammentäte und die benachbarte Yacht kaperte…

    Ich glaube, dass auch deshalb einige hier so sensibel auf den seltsamen Artikel von Herrn Werner reagiert haben, bei dem man den Eindruck bekam, die „dummen Araber“ seien eben selber Schuld an ihrer Misere, weil sie eben nicht so schlau seien wie „die Israelis“.

    1. avatar

      Ich würde, lieber 68er, ein wenig vorsichtiger sein mit den Vorwürfen. Die Araber in Israel genießen mehr Rechte als in irgendeinem arabischen Land. Dass sie nicht in der Armee dienen müssen, kann man durchaus als Privileg empfinden, das man gegen die nicht zu leugnenden Benachteiligungen im Alltag aufrechnen könnte. In der Ukraine wird niemandem „verboten, seine Muttersprache zu nutzen“. In „Kurdistan“ auch nicht. Was die „Welt“ und Sarrazin angeht: https://www.youtube.com/watch?v=3HpuyAUvApc

  10. avatar

    @ Stevanovic

    Interessant ist doch herauszufinden, wieso es in Jugoslawien diese grausamen Kriege gab, in anderen Staaten des ehemaligen „Ostblocks“ die Umbrüche vergleichsweise „friedlich“ vonstatten gingen. Waren in den Staaten die Gesellschaften nicht so „marode, brutalisiert und versumpft“?

    Ich glaube schon, dass die formale Heterogenität der Nationaliäten und Religionen und die soziale Heterogenität in Jugoslawien schon ein Gefahrenherd war der von den Beobachtern vor der großen Tragödie durchaus gesehen und von den meisten Akteuren auch für ihre eigene Manipulation der Verhältnisse genutzt wurde. Dass Religion und Nationalität in der Realität wenig tatsächliche Unterschiede im täglichen Leben verursachen, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Aber ich habe schon damals 1992 die Behauptung aufgestellt, dass es auch in Deutschland möglich ist, katholische Schwarzwälder gegen evangelische Schwaben zu Mord und Totschlag zu treiben( und umgekehrt), wenn die wirtschaftliche Situation so weit verschlechtert wird, dass der Eiinzelne um sein nacktes Überleben kämpfen muss und im Nachbardorf tatsächlich oder vermeintlich die ersten Überfälle und Vergewaltigungen stattgefunden haben. Solches verhalten ist zwar total irrational, aber wenn die eigene Existenz vermeintlich bedroht zu sein scheint, zeigt sich, dass wir Menschen eben auch nur Tiere sind.

  11. avatar

    Es passierte, was passieren musste. Und es passiert immer noch. Die Korruption ist ein brauchbares Maß, wie kaputt die Gesellschaften immer noch sind. Korruption ist für den, der schwach ist ein sehr brutales System. Und da sieht es bei allen schlecht aus. „Sie entwickeln sich gut, haben nur ein Korruptionsproblem“ – haha. Scheint, als ob ein Nationalpark doch nicht die Lösung der Probleme war und Vielvölkerei doch nicht die eigentliche Quelle der Probleme.

    Und genau da @68 sehe ich auch das Problem mit den Geheimdiensten. Im Vergleich zu den Dingen, die wirklich über Leben entscheiden, ist deren Einfluss sehr marginal und auf die Elite beschränkt. Natürlich haben sie Einfluss, aber die Nummer auf dem Balkan, die konnten nicht mal sie inszenieren und ob da jemand früher oder später anerkannt wurde, war für die Katastrophe nicht wirklich entscheidend.

  12. avatar

    Die Lage auf dem Balkan mit ethischen, religiösen oder kulturellen Gegensätzen zu erklären, geht vollkommen an der Wirklichkeit vorbei. Die Gesellschaft war marode, brutalisiert und versumpft. Die Unterschiede zwischen den Gruppen waren so marginal, dass es schon fast etwas willkürliches hat, die Leute dort in Kulturen oder Völker einzuteilen. Die völkische Frage ist eine Entschuldigung für die Erosion der Werte, für Nihilismus, Zynismus und Mitleidlosigkeit. Es ist aber nicht wichtig, ob ich glaube, dass das alles Stuss ist, die Leute dort glauben, es würde eine Rolle spielen. Und sie glauben, der andere sei ihr Feind und solange das so ist, müssen sie getrennt bleiben. Die völkische Frage ist eine Frage, weil alle glauben, dass sie eine ist. Die kulturellen Gegensätze sind selbst zwischen Albanern und Serben lächerlich. Jugoslawien ist kein Beispiel, dass Völker nicht zusammenleben können, Jugoslawien ist ein Beispiel dafür, dass ein brutaler Darwinismus keine Gesellschaftliche Grundlage sein kann. Wer über Unterschiede zwischen Katholen, Orthodoxen und Moslems philosophieren will, kann das gerne tun.

  13. avatar

    Als Wirtschaftsräume existierten Slowenien und Kroatien. Zuschuss-Regionen waren BuH, Montenegro und Makedonien. Serbien war geteilt in starken Norden (mit der Vojvodina) und armen Süden (mit dem Kosovo). BuH wurde mit viel Geld aufgeforstet, von den Olympischen Spielen 84, dem Flugzeugbau und der Aluminiumindustrie bis zur Ansiedlung von VW. In der guten alten Zeit war BuH schon ein Verlustgeschäft und ist es geblieben. Man muss aber auch sagen, dass kein Landstrich das in 2.WK durchmachen musste, was BuH erlebt hat. Mein Großonkel war bei Kriegsende Partisanen-Major und ihm tut es heute Leid, mit welcher Erbarmungslosigkeit er den Bauern in Slawonien und der Vojvodina das Essen beschlagnahmte, um es nach Bosnien zu schicken, aber er sagt auch, dass die Menschen dort (im Grunde nur Frauen und Kinder, selbst die Haustiere waren tot) schlicht verhungert wären. Nach dem WK2 ging der Krieg ja weiter. In den ersten Jahren rollten unglaubliche Säuberungswellen durch das Land, alles, was nicht für Tito war, war gegen ihn. Die Aussage, Tito sei der einzige Jugoslawe gewesen, bedeutete in der Praxis, dass es egal war, ob man Serbe, Kroate, Muslim oder Brillenträger war, wer nicht spurte, wurde umgelegt. Die Geschichte von dem Partisanen, der seinen Bruder, einen Priester, bei seiner Rückkehr aus den Bergen an der Schwelle des Elternhauses erschoss, ist verbürgt. Es war buchstäblich ein Bruderkrieg. Wenn man sich heute fragt, wie trotz der gemischten Ehen der Krieg ausbrechen konnte, naja, auch das hatte Präzedenzfälle.
    Als dann in den 50ern Ruhe einkehrte, begann der Mühsame sozialistische Wiederaufbau: durch die Zwangskollektivierungen wurden auch die ländlichen Strukturen zerstört, dafür wurde das Land industrialisiert und modernisiert, natürlich auch streng sozialistisch. Tito war geschickt genug, sich zwischen den Blöcken zu positionieren und so gab es Unterstützung von beiden Seiten. Das sozialistische Jugoslawien war nie unabhängig, hat nie funktioniert und konnte sich zu keinem Zeitpunkt selbst tragen. Als Tito starb und der Ostblock in die Knie ging brach das Geschäftsmodell zusammen. Mitte 80 dämmerte es den Leuten, dass es so nicht weiterging. Durch die Planwirtschaft war aber ein spannender Effekt eingetreten: Ohne organisieren, schmuggeln, fälschen, schmieren und netzwerken lief ja gar nix. Wenn Teile nicht geliefert wurden, man aber liefern musste, musste man erfinderisch sein. D.h. ohne Schattenwirtschaft funktionierte die Planwirtschaft nicht. Die postsowjetischen Oligarchen kamen ja nicht aus dem nichts. Sie alle waren Teil dieser Schattenwirtschaft. Diese Strukturen wurden immer mafiöser und als die Kassen leer waren, forcierten diese Leute den Krieg. Wie stark diese Strukturen sind, sieht man an der unglaublichen Korruption in Kroatien, die die EU nur sehr schwer in den Griff bekommt.

  14. avatar

    @ Stevenovic

    Es kommt vergleichsweise selten vor, dass CIABNDMossadKGB direkt die Menschen auf der Straße töten. Es gehört aber zu ihrem Kerngeschäft andere Staaten und ihre Gesellschaften zu analysieren und durch gezielte Maßnahmen teilweise in eine gewünschte Richtung zu lenken.

    Ich glaube sogar, dass die US-Amerikaner 1991 noch viel zu sehr mit ihrem Irak-Krieg, dem Zerfall der Sowjetunion und dem damit verbundenen neuen Mächtegleichgewicht in Europa beschäftigt waren, als dass sie den Zerfall Jugoslawiens zu diesem Zeitpunkt befürworteten. Wenn man die damaligen Statements liest heißt es dort immer, dass eine Anerkennung der Teilrepubliken „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht akzeptiert werde. Als dann aber die ersten Schüsse gefallen waren, wusste man dort sofort, wo der Hase lang läuft und welche geopolitischen Interessen dort gesichert werden sollten.

    Bei der ganzen Debatte kommt auch viel zu kurz, dass neben der maroden gesellschaftlichen Verfassung die Sie beschreiben, der Konflikt maßgeblich ein wirtschaftlicher war. Der „reiche“ Norden wollte nicht mehr für den armen Süden zahlen. Die Rolle des IWF und seiner Austeritätspolitik wird auch viel zu selten thematisiert.

    Damals interessierten sich die Linken hier in Deutschland aber hauptsächlich für den „Ölkrieg“ im Irak die Rechten waren im Einheitstaumel und die Ostdeutschen „Neubürger“ hatten ähnliche Probleme wie ihre sozialistische Ex-Brüder in Jugoslawien und fürchteten um ihren Arbeitsplatz.

    http://www.spiegel.de/spiegel/.....96585.html

  15. avatar

    @ Stevanovic

    Kann ich gut nachvollziehen, was Sie da schreiben. In jenen Zeiten gab es einen blöden Witz, dass jeder Mörder mit -vic endet, da es in der Tat auch in Deutschland zu Gewaltausbrüchen kam. Ich habe selbst einen erlebt. Eine Gruppe Putzpersonal, serbisch, und eine Gruppe, kroatisch, Frauen, gingen sich im Fahrstuhl an die Gurgel, als wenn sie die Politik damit auflösen könnten. Das ist ganz anders geworden.
    Kenne einen sonnigen Kroaten, einen angenehmen Serben und einen sehr sympathischen muslimischen Bosnier, die alle erklären, wie diese Fehleinschätzung von Jugoslawien zustande kam: Insgesamt angenehme Menschen mit südlichem Leichtigkeitsflair wie Italiener, die auch ihre Probleme haben. Dann noch touristisch verbrämt durch Urlaube in Kroatien. Und was die Italiener haben als Problem, hat fast das gesamte Mittelmeer. Bedanke mich auch für Ihre authentischen Ausführungen, die ich ähnlich bewerte wie Alan Posener.

    @ Roland Ziegler
    „Man könnte auch mal die Frage stellen, was es denn ist, das die Menschen gefährlich werden lässt. Ist es die Multikulturalität? Oder das Gegenteil: die Homogenität, die Einfalt? Oder keines von beiden?“

    Sagen wir mal Dogma, das ist neutral. Oder was Stevanovic beschreibt. Beides.

    Was den Islam betrifft: Die Politiker, die vor den Geschäften mit unterdrückenden Staaten kuschen und nicht den modernen und aufgeschlossenen Muslimen den Rücken stärken, sondern den rückwärtsgewandten; hier wären auch zu erwähnen die Juristen bis hoch zum Bundesverfssungsgericht, die ein Urteil fällen, dass jemand wie Mina Ahadi überhaupt nicht nachvollziehen kann.

    @ KJN

    Nein. Das hat nur mit Hirnwäsche zu tun. Der Staat schaut zu. Internetkontrolle, Sperren für bestimmte Inhalte?: Fehlanzeige.

  16. avatar

    Man könnte auch mal die Frage stellen, was es denn ist, das die Menschen gefährlich werden lässt. Ist es die Multikulturalität? Oder das Gegenteil: die Homogenität, die Einfalt? Oder keines von beiden?

    Bürgerkrieger, Dschihadisten oder (in der deutschen Spielart) Nationalisten befinden sich in einem Prozess der Radikalisierung und haben irgendwann nur noch ein einziges Thema, das sie bewegt (ihren Bürgerkrieg, ihre Religion, ihr Volk…). Dafür gehen sie am Ende in den Tod und befördern unterwegs noch möglichst viele andere ebenfalls dorthin. Da haben wir in Deutschland reichlich Erfahrungen gemacht, über die wir nachdenken könnten; nur war es bei uns nicht die „Religion“, sondern das „Volk“.

    Ein „Multikulturalist“ ist nie zu 100 % bei der Sache. Er ist ständig abgelenkt, denn er trägt verschiedene Kulturen in sich. Er ist der Normalfall schlechthin. Er geht am Wochenende in die Kirche oder in die Moschee, betet wie es vorgeschrieben wird, aber kümmert sich ansonsten um sein Geschäft oder seine Familie, ist vielleicht Fußballfan und verfolgt jedenfalls viele inkompatible Ziele. Je nach Tagesform und Lust und Laune.

    Eines der größten Fehler in der „Islamdebatte“ ist es zu glauben, dass Muslime immer zu 100 % muslimisch sind, pausenlos über die islamischen Regeln oder Sprüche nachgrübeln und ansonsten nichts zu tun hätten. Das ist aber das gefährliche Leben eines Islamisten. Die Muslime, die hier leben, haben dagegen (i.d.R.) alle möglichen Ziele und Leitbilder; der Islam (ein gottgefälliges Leben) ist ein wichtiges, aber eben nur eines unter vielen.

    Wir müssen diese Mischung an Identitäten – Multikulturalität – unterstützen und verstärken. Viele Deutschtürken z.B. haben neben einer islamischen auch eine deutsche und eine türkische Identität (und noch viele andere, kleinere, z.B. die Identität eines Fußballfans). Das ist gut so. Die 150%igen sind die Problemfälle. Die richten ihr Leben an einem einzigen Ziel aus: eine krasse Monokultur, das genaue Gegenteil jeder Multikultur. Die bilden die Gefahr.

  17. avatar

    Sehr gute Argumente, die Sie da gegenüber Don Generaldo angebracht haben, Herr Posener! Wenn das menschliche Zusammenleben aus historischer Sicht weder unter Beibehaltung kultureller Verschiedenheiten, noch in vollkommener Angepasstheit möglich ist, was bleibt denn dann noch? Jeder herbeiphantasierten ‚Rasse‘ und ‚Ethnie‘ ihr eigenes Stück Boden zuzuweisen und/oder (wieder) zum Kampf gegen die vermeintlichen Störenfriede unter den ‚Rassen/Ethnien‘ aufzurufen? Doch hoffentlich nicht, Don Generaldo!? Sie sollten sich also darüber bewusst werden, dass das Denken in ‚Rassen‘ und ‚Ethnien‘ selbst, sowie die Forderungen nach einer Segregation derselben, am Anfang ‚interethnischer‘ Konflikte stehen und folglich nicht auch noch an deren Ende stehen sollten.

  18. avatar

    @Parisien „Jegliche Idee von Multikulturalität funktioniert nur in satten, wirtschaftlich stabilen Staaten..“
    .. und statt über letzteres zu Diskutieren bzw. letzteres anzustreben wird weithin reflexartig ersteres erstmal verdammt. Als wenn Armut, welcher Art auch immer, ein Naturgesetz wäre:
    Ich habe heute gehört, daß sich zwei Mädchen aus Niedersachsen nach Syrien abgesetzt haben, um beim ‚IS‘ ‚mitzumachen‘. Soll mir keiner erzählen, das hätte was mit Multikulti zu tun.

  19. avatar

    @ Roland Ziegler

    Sie und Haroun leben im Prinzip in einem satten System. Außerdem sind Sie, RZ, gebildete Mittelschicht. Haroun kann Ihnen was verkaufen, das Sie gerade brauchen.

    Copy and paste von oben:
    Multikulturalität funktioniert nur in satten, wirtschaftlich stabilen Staaten und ist nichts weiter als ein Traum, wie man ja auch im verarmten Baltimore sieht. Selbst die USA sind mit ihrer Mischung an eine Grenze gelangt, und ich vermute, dass Angriffe auf Polizisten im Prinzip nichts weiter sind als Angriffe auf Weiße und Polizisten treffen, weil sie die einzigen Weißen in manchen amerikanischen Vierteln sind.
    Las kürzlich einen neueren Artikel von Hannes Stein (weltonline) über die angenehme Multikulturalität in seinem Viertel, Riverside: Ja, aber wie man an Stein sieht und seiner Frau, die lawyer ist, wohnt dort offensichtlich gebildete Mittelschicht.

    Paul Nellen (achgut) verlinkt heute zu einer Künstlergruppe, die angeblich Afrikanern was andrehen will, das jetzt ganz entfernt mit Harouns Produkten zu tun hat (im Fachausdruck). Das, was die Gruppe da macht, ist so etwas wie Anstiftung zum Bürgerkrieg.

  20. avatar

    Die Arbeiterselbstverwaltung war ein Witz. Im Hintergrund hatte die Partei die Kontrolle. Man kann nicht mal sagen, der Sozialismus sei gescheitert. Gescheitert ist eine faschistoid/patriarchale Macho-Kultur, ohne Empathie und Mitleid. Es gab gute Ansätze, gerade im Kultur-Nischen, es gab viele Idealisten und gute Menschen. Aber letztlich hatten die ihre Zeit nur in den lockeren 70ern. 10Jahe gesellschaftliche Moderne ist nicht viel. Und dann wird klar, warum sich das alles in 4 jahren in Rauch auflösen konnte.

    Kann man auch alles anders sehen, aber das erklärt es mir schlüssiger, als kulturelle Unterschiede oder Religionen, die eigentlich den meisten egal sind.

  21. avatar

    Es ist ein grundlegendes Missverständnis, das kommunistische Jugoslawien als liberales Regime zu sehen. Oder gar als Multikulturell, im Sinne von integrationsfähig. Es war ein leichteres Regime als andere, aber es war im Kern eine auf Gewalt und Abhängigkeit aufgebaute Diktatur. Auch wenn es liberale Nischen gab, auch wenn man Folklore tanzen durfte (oder musste). Das Leben war leichter, als heute in Westen, das stimmt. Man konnte sich bequemer einrichten, als in der DDR, aber wer aus Reihe tanzte, wurde abgeholt. Jugoslawien ist nicht an den vielen Völkern gescheitert, also an der Idee Jugoslawien. Was da ablief, hat nichts mit dem Multikulti zu tun, von dem wir hier reden.

  22. avatar

    „In der Unfähigkeit zum Akzeptieren eigener Schuld und der Pflege des Ressentiments liegt der Kern des Problems.“

    Das ist nicht erst heute so. Das war schon im liberal-sozialistisch-blinkendem Jugoslawien so, nur war das, was danach kam, so schlimm, dass man es vergessen hat.

  23. avatar

    Jugoslawien. Tja, Jugoslawien war ein autoritäres Regime mit starker Militaristischer Tradition, unterdrückter Gewalttätigkeit, bigotter Doppelmoral, blühendem Denunziantentum und allgegenwärtiger Korruption. Nein, die Tollwut ist nicht einfach so passiert. Wenn man bedenkt, dass die Menge jubelte, wenn einem Punk der Kopf in der Öffentlichkeit rasiert wurde oder jeden Nachmittag die Schmerzensschreie der Kinder zu hören waren, wenn Papa von der Arbeit kam, weil häusliche Gewalt nicht mal als Gewalt galt, korrupte Lehrer Schüler schlugen, die Polizei unantastbar war und jeden prügelte, die Verabschiedung zur Armee als wichtigster Tag im Leben eines Jungen galt, die Helden der Kinderfilme Kindersoldaten waren, dann muss man doch zugeben, dass der Gedanke, diese Kultur mit Konditionen für den internationalen Handel zu manipulieren, aus der Weigerung entspringt zu glauben, dass Menschen, gerade wenn so Charmant sind, wie die Jugos es nun mal waren, hinter ihrer sonnigen Fassade einfach Arschlöcher sind. Das ist so unbegreiflich, dass dunkle Mächte im Spiel sein müssen. Naja, es waren natürlich auch dunkle Mächte im Spiel (wo nicht?), aber wenn man glaubt, dass autoritärer Machismo nicht gut für Menschen sein kann, dann ist der dieser Bürgerkrieg ein Beweis dafür. Multikulti ist nicht gescheitert, ein autoritäres Regime war implodiert und hat viele Soziopathen zurückgelassen. Der deutsche Begriff „Nationalkonservativ“ trifft es nicht im Geringsten. Politische Kategorien wie Multikulti, Nationalismus oder militärische Interessen können das nicht erklären.

    Entgegen den Gerüchten, Deutschland hätte die Kroaten bewaffnet und die Russen seien für Serbien gewesen, glaube ich meiner Quelle, die mir berichtete, wie die Kroaten ihre Waffen (vor Kriegsausbruch) in Moskau kauften. Kann sein, ist aber unwichtig. In der Straße, in der ich lebte, sind drei kroatische Familien vertrieben worden. Von ihren Nachbarn. Ganz ohne CIABNDMossadKGB.

    1. avatar

      Wie immer, Stevanovic, lerne ich aus Ihren Beiträgen unendlich viel. Die Verschwörungstheoretiker hier wie dort (zu denen aber wie mir scheint leider die Mehrheit der Leute in der Republika Srpska gehören) unterschätzen in der Tat das vergiftete und vergiftende Erbe des Sozialismus. Leider scheint die Tito-Nostalgie überall zuzunehmen.

  24. avatar

    Und dies ist der Kommentar des gegenwärtigen Ministerpräsidenten der Republika Srpska: Srebrenica sollte auch zu einem Ort des Gedächtnisses für den Völkermord an den Serben gemacht werden.

    http://mojahercegovina.com/dod.....ad-srbima/

    In der Unfähigkeit zum Akzeptieren eigener Schuld und der Pflege des Ressentiments liegt der Kern des Problems.

  25. avatar

    Lieber Alan Posener,

    ich schätze Sie eigentlich sehr, aber Ihre Neigung bei fehlenden anderen Argumenten immer wieder – so deplatziert es auch ist – Anspielungen auf Antisemitismus zu bringen nervt schon.

    1. avatar

      Also, Don Geraldo, lieber nicht darauf hinweisen, dass Assimilation auch keine Lösung ist? OK. Aber ob DAS eine Lösung ist?

  26. avatar

    Es gibt viel mehr „Multikulturalität“ als Bürgerkriege auf der Welt, Don Geraldo u. Parisien. Natürlich funktioniert Multikulturalität grundsätzlich, auch mit Muslimen, aber eben nicht immer und überall. Wir sind alle verschieden und leben doch zusammen. Und sollten auch zusammen leben und miteinander auskommen. Wenn ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, muss man die Kontrahenten (egal ob die sich ethnisch, religiös oder rassistisch definieren) voneinander trennen. Sonst aber nicht. Das wäre ja so, als würde man die Eheschließung verbieten wollen, um den Rosenkriegen ihr eGrundlage zu entziehen. Was für ein Unsinn. Wenn man in Berlin-Weddding die Prinzenstraße entlanggeht, um dem tunesischen Schlachter Haroun seine leckeren arabischen Bratwürstchen, deren Namen mir gerade entfallen ist, abzukaufen, ist man vom Bürgerkrieg weiter entfernt als vom Mond. Aber der Islam ist direkt da und die Armut gleich um die Ecke.

    1. avatar

      So isses, Roland Ziegler. Aber Bosnien kann uns daran erinnern, wie fragil dieses Zusammenleben ist. Und wenn einmal der Topf zerschlagen ist (das Bild stammt aus dem UNHCR-Bericht), so dauert das Kitten Generationen. Auch deshalb, lieber Parisien, reagiere ich zuweilen ein wenig heftig, wenn, wie ich finde, leichtfertig mit vorurteilen gespielt wird.

  27. avatar

    @ Alan Posener
    „Demnächst werden Sie behaupten, die Serben hätten aus Notwehr gehandelt, Parisien. Nur zu.“

    Es ist gemein, dass Sie mich mein ganzes Traktat nochmal lesen lassen, obwohl es schon Tage gab, an denen ich mein Eigenes interessanter fand als den Medienaufguss.

    Antwort: Das ist kein dummer Schluss 😉
    Das mache ich aber nicht, weil das nicht den Tatsachen entspricht.

    Korr. breitarmig, Buchstabe verloren gegangen, s.o.

    Finden Sie die Wohnung superluxuriös? Darf er keine Wohnung mit Blick von Terrasse haben, keine Bücher, kein Klavier? Darf er als Klavierspieler keine Gefühle für Ärmere haben? Wenn’s brennt, wird zum Primitivsten gegriffen:
    http://www.welt.de/politik/aus.....Fotos.html

  28. avatar

    Apropós Rechthaben: Ich weiß nicht, ob man von einem dieser beiden Großen sagen könnte, er hätte Recht gehabt. Eher liegen die verwertbaren Wahrheiten doch wohl dazwischen; vermutlich hatte jeder der beiden in Teilmengen Recht:

    Friedrich der Große versus Macchiavelli:

    Dirk Hoeges geht davon aus, dass die Kritik Machiavelli verfehlt. „Das gilt für die Rezeption durch die Jahrhunderte, durch Aufklärer wie Voltaire und Friedrich den Großen, der vor lauter Moral und Rechthaberei den literarischen Verstand verlor; das gilt für den Faschismus in der Person Mussolinis und für manchen selbstgerechten Demokraten. Eifern, Geifern, borniertes Moralisieren, billige Empörung, Textgestocher, Usurpation und Blütenlese auf allen Seiten; dabei ist vom Schriftsteller, Dichter und Virtuosen in Sprache und Stil nirgends die Rede. Von Machiavellis Leiden an seiner Zeit ganz zu schweigen. Die Geschichte seines Werks ist die Geschichte seiner Ausbeutung. Allen voran die Kommis der jeweiligen herrschenden Moral.“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Antimachiavellismus

    Den Absatz hier sollte eigentlich jeder, der schreibt, ob groß, ob kleiner, jeden Morgen lesen. Ganz irre ist, dass Friedrichs Werk überall zu haben war, nur nicht in Preußen, und dass sich seine Kriege mit dem Werk kaum rechtfertigen ließen. Der Große wusste also, dass er Unrecht hatte, natürlich nur in Teilen.
    Und ich meine, dass man nur unter einem Titel „Starke Meinungen“ schreiben kann, wenn man von vornherein einkalkuliert, dass man Unrecht haben könnte.
    Übrigens denke ich, dass der/die einzige POTUS, der/die diese Russland-Ukraine-Luxation wieder einrenken könnte, Rand Paul ist. Da er es vermutlich nicht wird, hoffe ich daher inständig, dass ich Unrecht habe.

  29. avatar

    Lieber Alan Posener,
    sorry, aber der Einzige unter uns allen hier, der in regelmäßigen Abständen damit herumwedelt, dass er dies und jenes schon vor Jahren geschrieben hätte und stolz ist, wenn sich seine Meinung bestätigt, sind doch Sie (bezüglich Ihrer Antwort an Don Geraldo).
    Es sollte in solch gravierenden Zeiten nicht darum gehen, ob man schon immer recht hatte; und natürlich, wenn man mit Warnungen vor Multikulturalität (womit ausnahmslos der Islam gemeint ist), recht bekommt, dann nur, weil diese Religion den Griff zur Waffe stärker verankert hat als Juden- oder Christentum heute. HEUTE, ja? Die Kreuzzüge sind lange vorbei und waren auch eine Gegenwehr gegen Eroberung. Klar, wenn man die Zeichen richtig liest, bekommt man Recht, das war schon mit dem alten Daniel so (Mene-mene-Tekel).

    Wenn man aus ideologischen Gründen (anti Orthodoxe Kirche, anti Konservatismus etc) gegen Putin und seinen Buddy Assad geht und übersieht, dass man als Folge auch Palmyra und Mossul und Nimrod, Vorläufer unserer Kultur, verliert und später vielleicht Rom (was von IS ausgesprochen wurde!), dann ist man auf beiden Augen blind aus ideologischen Gründen und muss sich später nicht wundern.
    Wenn man geflissentlich übersieht, dass die Bevölkerungsexplosion innerhalb des Islam zu Brandherden an den Rändern führt (Palästina, Malaysia, Pakistan, Bangladesh UND Albanien), dann kriegt man genau die Folgen, die Nüchternere vorausgesehen haben. Wenn man Grenzlinien zwischen Völkern abbauen will, sollte man erstmal unter sich anfangen, soll heißen mit Putin und Putin seine orthoxe Kirche, seinen Konservatismus und seine Kultur lassen.
    Sie könnten doch keinem logisch erklären, warum die paar Schwulen etc. auch in Moskau leben müssen, wenn sie ungehindert und frei in Berlin, London, Tel Aviv und San Francisco leben können und in Moskau nur als Fünfte Kolonne eines anti-Russland-Teams dienen.

    Summary: Rechthaben ist wirklich das Letzte in Zeiten, die ein Höchstmaß an Vernunft erforderlich machen.

  30. avatar

    Was mit der Sowjetunion passiert ist (Zerfall), ist dann letztlich auch mit Jugoslawien geschehen. Wenn es rechtzeitig auseinander gefallen wäre, wären einige Leute dort noch lebendig. Dass im Ernstfall die Trennlinien über Ethnien und Religionen ausgetragen werden, dürfte doch inzwischen bekannt sein, spätestens seit der Erkenntnis, dass Sunniten über Shiiten herfallen oder Shiiten Sunniten stürzen (Yemen). Jegliche Idee von Multikulturalität funktioniert nur in satten, wirtschaftlich stabilen Staaten und ist nichts weiter als ein Traum, wie man ja auch im verarmten Baltimore sieht. Selbst die USA sind mit ihrer Mischung an eine Grenze gelangt, und ich vermute, dass Angriffe auf Polizisten im Prinzip nichts weiter sind als Angriffe auf Weiße und Polizisten treffen, weil sie die einzigen Weißen in manchen amerikanischen Vierteln sind.
    Las kürzlich einen neueren Artikel von Hannes Stein (weltonline) über die angenehme Multikulturalität in seinem Viertel, Riverside: Ja, aber wie man an Stein sieht und seiner Frau, die lawyer ist, wohnt dort offensichtlich gebildete Mittelschicht.
    So gesehen, sollte m.E. Jugoslawien Europa als warnendes Beispiel dienen und letztere nicht über eine Zwangswährung, die kaum einer primär wollte, künstlich zusammengehalten werden.
    Bei Grexit kann man den Griechen so helfen: Massive Kampagnen zur Förderung des Tourismus nach Griechenland (wunderschönes Kulturland), griechische Produkte kaufen, die ohnehin dann billiger wären. Vielleicht käme sogar der Schiffsbau wieder in Gang und könnte mit Südkorea mithalten. Und hiervor hat man wirklich Angst: Dass Griechenland konkurrenzfähig wird, natürlich auch die Überreste deutschen Schiffsbaus schädigen würde und die Blüte des Griechenland-Tourismus, die natürlich automatisch die Frühverrentung in Griechenland zurückfahren würde (deswegen fahre ich auf dem Renten-Schuld-Anklage-Karren von weltonline nicht mit), da diese Frührentner (oft wider Willen) wieder Arbeit hätten, andere Tourismus-Zweige in den Schatten drängen würde. Das ist ein langer Satz; hoffentlich ist er grammatikalisch korrekt, sonst Verzeihung, bin kein Thomas Mann.
    Und ja, Italien wird keine zwei Jahre brauchen, um zu realisieren, dass man mit Lira besser dran war, und das treibt die Verantwortlichen für das ganze Desaster um: Sie müssten alle zurücktreten oder zumindest massive Fehler zugeben. Lieber, viel lieber, sitzen sie wie Götter (auch gern breiarmig vor der Zugspitze) und nehmen in Kauf, dass wir Kriege bekommen könnten, wozu die Massenimmigration dienlich sein könnte, da man damit feine Trennlinien hat, denn der Islam kann kriegerisch sein, auch untereinander, und wie wir an Jugoslawien sehen, ist die andere Seite dann auch nicht zimperlich.
    Die Griechen sollten den Grexit machen und wir sie danach mit Kaufkraft massiv unterstützen. Damit würden wir vielleicht die Mutter von Europa retten. Griechenland ist der Stier, auf dem wir reiten, und wenn das so weiter geht, fallen wir ‚runter.

    Jugoslawien sollte Europa als Warnung dienen.
    Und mit Tsipras und Varoufakis stimme ich darin überein, dass die Griechen zu sehr hergenommen wurden und der IWF eine auch zu fürchtende Organisation ist. Allerdings würde ein funktionierendes Steuersystem dem Land nicht schaden.

  31. avatar

    Lieber Herr Posener,

    das angebliche Sezessionsrecht ist eine Mär. Die Verfassungs beginnt zwar mit schönster sozialistischer Prosa, nach der sich die freien Völker Jugoslawiens zusammegeschlossen haben:

    „Die Völker Jugoslawiens haben sich, ausgehend von dem Recht eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechtes auf Loslösung, aufgrund des in dem gemeinsamen Kampf aller Völker und Völkerschaften im Volksbefreiungskrieg und in der sozialistischen Revolution frei geäußerten Willens, im Einklang mit ihren historischen Bestrebungen, in dem Bewußtsein, daß die weitere Festigung ihrer Brüderlichkeit und Einheit in ihrem gemeinsamen Interesse liegt, zu einer Bundesrepublik freier und gleichberechtigter Völker und Nationalitäten vereinigt und die sozialistische Föderative Gemeinschaft der Werktätigen – die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien – geschaffen, in der sie im Interesse jedes einzelnen Volkes und aller Völker zusammen folgendes verwirklichen und sichern…“

    In Artikel 5 wird aber klar geregelt, dass jedwede Änderung des Gebiets der Republik oder einer Teilrepublik nur einvernehmlich zu erfolgen hat:

    „Das Gebiet der Sozialistischen Föderative Republik Jugoslawien ist eine Einheit und wird aus den Gebieten der sozialistischen Republiken gebildet.

    Das Gebiet einer Republik kann nicht ohne Zustimmung der Republik und das Gebiet einer autonomen Gebietskörperschaft – nicht ohne die Zustimmung der autonomen Gebietskörperschaft geändert werden.

    Die Grenze der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien kann nicht ohne die Zustimmung aller Republiken und autonomen Gebietskörperschaften verändert werden.“

    Eine Grenze zwischen den Republiken kann nur aufgrund eines Einvernehmens zwischen ihnen verändert werden, und wenn es sich um eine Grenze einer autonomen Gebietskörperschaft handelt, nur mit deren Zustimmung.“

    Das wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich, der Hinweis am Anfang auf das Rechts auf Loslösung ist historisch zu sehen und stammt schon aus der Verfassung von 1946. Bei der Gründung Jugoslawien wurden nämlich nicht die Vorkriegsgrenzen wieder hergestellt sondern sowohl Teilgebiete von Italien als auch von Albaniens in den Staatenverbund mit aufgenommen.

    In der Völkerrechtswissenschaft wurde, soweit ich das weiß, vor dem Zerfall der sowjetischen Staaten eigentlich als herrschende Meinung vertreten, dass eine Sezession eines Volkes aus einem Staatsverband nur dann berechtigt sein sollte, wenn die Existenz des Volkes durch einen Verbleib im Staatenverbund z. B. aufgrund schwerwiegender Menschenrechtsverstöße, bedroht ist. Diese existenzielle Bedrohung gab es aber in der Zeit zwischen 1987 und 1989 nicht, als in Slowenien und Kroatien die Sezession vorbereitet wurde.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sezession

    Diese Rechtseinschätzung rechtfertigt für mich, das dürften Sie wissen, natürlich keinerlei Gewalt. Aber die serbischen Politiker sahen das anders, und konnten dabei auf diverse Sezessionskonflikte in der ganzen Welt verweisen, welche die Zentralregierungen meist mit rigider militärischer Gewalt versuchten niederzuhalten. Ihnen muss ich das ja nicht groß erklären:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Nordirlandkonflikt#Vorgeschichte

    https://de.wikipedia.org/wiki/Irischer_Unabh%C3%A4ngigkeitskrieg#Der_Propaganda-Krieg

  32. avatar

    Den Satz fand ich gut:

    „Dass aber vier Jahre ausreichten, um eine real existierende multikulturelle Gesellschaft zu zerstören, ist und bleibt entsetzlich.“

    Diese multikulturelle Gesellschaft hat vielleicht existiert, aber hat sie denn je funktioniert ?
    Wenn etwas so schnell zusammenbricht kann es nicht sehr stabil gewesen sein. Alle bisher existierenden „multikulturelle“ Gesellschaften funktionierten mehr recht und schlecht durch Repression.
    Und kommen Sie mir nicht mit dem Beispiel USA.
    Dort gibt es eine ganz klar die Richtung vorgebende Mehrheitsgesellschaft, der Rest darf in diesem Rahmen seine Folklore ausleben. So kann das funktionieren.

    1. avatar

      Tja, Don Geraldo, es muss schön sein, wenn die Weltgeschichte die eigene Meinung immer nur bestätigt. Das Problem mit Ihrer Meinung ist allerdings, dass die am meisten angepasste, am meisten assimilierte Rase Europas am Ende am meisten gelitten hat unter dem Rassismus; der dadurch, wie ich meine, ein für alle Male gezeigt hat, dass er nicht auf irgendwelchen „natürlichen“ Empfindungen beruht. Die „deutsch-jüdische Symbiose“ war nicht deshalb eine Lüge, weil sie von Hitler zerstört wurde, und das multikulturelle Jugoslawien kann man nicht rückwirkend für dysfunktional erklären, weil es von Milosevic, Tudjman, Karadcic, Mladic und Co. zerstört wurde.

  33. avatar

    Lieber Herr Posener,

    vor fast zwei Jahren hatten wir uns schon einmal über das Thema ausgetauscht.

    http://starke-meinungen.de/blo.....-sarajewo/

    Damals haben Sie auch versucht recht unterkomplex mit der Verschwörungs-Keule auf mir rumzuhacken. Wenigstens gaben Sie damals zu, dass die einseitige Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch Genscher und Kohl ein Fehler war.

    Ich hatte schon vor zwei Jahren darauf aumerksam gemacht, dass jeder, der sich für Jugoslawien interessierte, wissen konnte, dass in Jugoslawien eine aktive Politik von Nöten war, um das heterogene Gebilde zu stabilisieren. Das stand nicht nur im Spiegel und der FR, sondern war vor dem geduldeten Alleingang der BRD eigentlich Konsens auch im Westen. Perez de Cuellar warnte am 10. 12.1991, also unmittelbar vor der Anerkennung, ausdrücklich vor einer drohenden Eskalation:

    “Ich bin tief beunruhigt darüber, dass eine verfrühte, selektive Anerkennung den gegenwärtigen Konflikt ausweiten und eine explosive Situation hervorrufen könnte.”

    Das entlastet natürlich keinen einzigen Mörder oder Vergewaltiger, und keinen Milosevic, Tudjman, Karadciz oder wer in den folgenden Kriegen verantwortlich beteiligt war, aber die Frage sollte gestellt werden, wieso die BRD damals so gehandelt hat und wer ein Interesse am Zusammenbruch des Staates Jugoslawiens hatte.

    Man darf dabei auch nicht vergessen, dass parallel zu den Ereignissen in Jugoslawien auch die Sowjetunion zerfiel und Gorbatschow in Moskau entmachtet wurde. Was damals innerhalb von 24 Monaten geschah, hatten sich die strammsten Antikommunisten nicht im Traum gewagt zu hoffen und damals wurde Serbien in einigen deutschen Medien in erster Linie als kommunistischer und weniger als ethnischer Faktor gesehen. Da wurde oft der Gegensatz zwischen den guten, katholischen, westlich orientierten Slowenen und Kroaten, die man aus dem Urlaub kannte, auf der einen Seite und den bösen, gottlosen, kommunistischen Serben auf der anderen Seite konstruiert.

    1. avatar

      Nun ja, lieber 68er, das klingt jetzt doch ein wenig anders. Ich gebe auch zu, dass ich zu wenig über die diplomatische Vorgeschichte der Jugoslawien-kriege weiß. Ich gebe aber auch zu bedenken, dass die einzelnen Bundesstaaten in Jugoslawien laut Verfassung das Recht auf Sezession hatten. (Kosovo als Teil Serbiens nicht.) Auf den entsprechenden Beschluss Sloweniens reagierte Serbien mit einem militärischen Angriff; auf den Unabhängigkeits-Beschluss Kroatiens mit der – illegalen – Sezession der serbischen Gebiete im Süden Kroatiens, so wie später auf den Lostrennungsbeschluss Bosniens mit der Schaffung der Republik Srpska und der Politik der ethnischen Säuberung. Dass die einen die „good guys“ gewesen wärenund die anderen die „bad guys“, erscheint mir unwahrscheinlich. Aber der Westen hat sich eher der Sünde des Zögerns und heraushaltens, also der Unterlassung schuldig gemacht; Großbritannien und Frankreich zum Beispiel sympathisierten allein schon aus historischen Gründen mit ihren alten Verbündeten aus zwei Weltkriegen, den Serben. Die Vorstellung, es habe eine kohärente Politik „des Westens“ gegeben, ist leider falsch. Am Ende jedoch, ich wiederhole es, müssen wir uns eher unsere Untätigkeit vorwerfen lassen als unsere Taten.

  34. avatar

    Mich veranlassen die Jugoslawienkriege, über uns nachzudenken, ein Kunstprodukt, wie Jugoslawien auch eins war. Wo würde es zuerst beginnen, dass Nachbarn übereinander herfallen, in Frankreich oder in Deutschland?
    Bei Grexit würde die Bauwirtschaft sich in Griechenland suhlen, die Deutschen würden dort wieder begeistert Urlaub machen, Italien und Spanien kämen auch auf den Geschmack und dann Spanien und Portugal, eine Dynamik würde sich entwickeln, die erheiternd wäre nach der jetzigen Statik, mit der die meisten Bürger nicht einverstanden sind und aus der sich am ehesten Kriege wie in Jugoslawien entwickeln könnten, ohne weiteres. Für diese wären dann Christine Lagarde, Barroso, Juncker, Hollande und Angela Merkel verantwortlich, auch in retrospect.

    Wir ähneln Jugoslawien im Konstrukt: Artifiziell. Fremde Mächte oder Dämonen können sich in solch artifiziellen Räumen ohne Luft und Bodenhaftung (Kultur und Identifikation) beliebig ausbreiten wie Erreger in immungeschwächtem Gewebe.

    Der Grexit würde Finanzturbulenzen bringen, aber Europa vermutlich retten.

  35. avatar

    … Jugoslawien, ist nur ein Schritt, neben anderen, neben Griechenland, in Richtung Kasachstan. Gold, Erdöl, Erdgas. Da wollen sie hin. Die eurasische Landmasse. Der Gedanke kommt aus England. Halford Mackinder, 1904: ‚Wer Osteuropa beherrscht, beherrscht das Kernland; wer das Kernland beherrscht, beherrscht die Weltinsel; wer die Weltinsel beherrscht, beherrscht die Welt.‘

  36. avatar

    „Aber ich hatte mir naiverweiser vorgestellt, dass die Vereinten Nationen, die damals in den Konflikt eingegriffen hatten, um den multireligiösen Charakter Bosniens zu erhalten, nicht, stillschweigend die Resultate der Säuberungspolitik akzeptieren würden.“

    Wie hätte das denn aussehen sollen? Die Soldaten, um die Sicherheit von 2Millionen Leuten zu ermöglichen, hat nicht mal die NATO und das Kosovo zählt nicht, weil es da nur paar Enklaven gibt. Ob die Vereinten Nationen da was akzeptieren oder nicht, spielt keine Rolle. Ne, ne, mehr war realistisch nicht drin und das war in Anbetracht von Mord und Vergewaltigung nicht wenig. Höchstens etwas spät, aber auf keinen Fall zu wenig. BuH mag als Staat gescheitert sein, nicht aber als Projekt der NATO, da war es einer ihrer größten Erfolge.

  37. avatar

    „Der Westen engagierte sich in Bosnien-Herzegowina, um einen multikulturellen, multireligiösen Staat zu retten.“

    Immerhin einer. Ich weiß nicht, von wo die Hoffnung dafür gekommen war, aber ich hatte keine und habe sie immer noch nicht. Aber freut mich, wenn jemand daran glaubt.

    Leuten zu erzählen, sie sollten wieder in ihre angestammte Heimat, grenzt an Beihilfe zum Mord. Daran kann der Westen nichts ändern, selbst wenn man Russland Goldstaub in den Hintern bläst, damit es eine mögliche Ordnung nicht sabotiert. Die Aufteilung in Nationalparks funktioniert ja: seit 1995 wird nicht mehr geschossen. Das ist der größte Erfolg, den humanitäre Einsätze in den letzten 30Jahren erzielen konnten. Der Bürgerkrieg wurde beendet und zwar so richtig, keine Autobomben, nirgends. Das, was man 95 als Westen kitten wollte oder zu kitten können glaubte, war kaputt und zwar vollständig.

    „Gegenüber Touristen betonen Orthodoxe, Katholiken und Muslime, dass sie den Chauvinismus der Kriegsjahre ablehnen.“ Das Märchen vom Krieg der Mächtigen, der Verführung des friedlichen Volkes. Ich kann es nicht mehr hören.

    „Wer sagt denn, dass der Krieg niemals eine Lösung sein kann? Hier hat er eine Lösung gebracht. Nur nicht die, die wir wollten.“
    Die Lösung, die der Westen 1995 wollte, war Blödsinn. Nach 200.000 Toten so tun, als ob nichts gewesen wäre, sich die Hand reichen? Quatsch, das hat niemand geglaubt, nicht mal der Westen selbst. Die Spinner wurden getrennt und das erfolgreich: die Serben mussten Kroatien verlassen, Bosnien wurde aufgeteilt, Serben&Roma mussten aus dem Kosovo, Kroaten aus der Vojvodina…das war die einzig mögliche humanitäre Lösung. „Krieg der Achtundsechziger“, vielleicht hier, aber nicht dort.

    1. avatar

      Lieber Stevanovic, Ihr Realismus und Ihre Sachkenntnis sind wie immer erfrischend. Wahrscheinlich haben Sie auch Recht: Mehr war nicht drin. Dass aber vier Jahre ausreichten, um eine real existierende multikulturelle Gesellschaft zu zerstören, ist und bleibt entsetzlich.

  38. avatar

    „Der Westen engagierte sich in Bosnien-Herzegowina, um einen multikulturellen, multireligiösen Staat zu retten.“

    Ich glaub‘, ich les nicht richtig.

    Die Politik „des Westens“ zielte seit Mitte der 80er Jahre darauf Jugoslawien zu destabilisieren. „Teile und Herrsche“ war die Devise. Ein Angebot der EU Ende der 80er Jahre, nur mit Gesamtjugoslawien ein Handels- bzw. Assoziierungsabkommen zu schließen, hätte die Jugoslawienkriege wahrscheinlich verhindern können.

    Der Kosovo-Krieg hatte mit den Ideen „der 68er“ rein gar nichts zu tun. Das ist eine Mär. Joschka Fischer ist kein 68er sondern der Urtyp des Karriere-Machismo, der nach meiner Meinung weder Ideale noch Werte kennt, es sei denn, sie haben mit seiner Eitelkeit oder seinem Geldbeutel zu tun.

    Wundert es Sie wirklich, dass nach den Ergebnissen von Dayton die ethnische Separierung perpetuiert wurde? So naiv sind Sie doch nicht. Übrigens wollten damals nicht nur viele Serben diese Trennungen.

    1. avatar

      Klar, 68er, plappern Sie nur die Propaganda der Nationalisten nach: wir waren es nicht, der Westen war’s. So ein Unsinn: als hätte „der Westen“ irgendein Interesse daran gehabt, Jugoslawien zu zerschlagen. Aber diese Verschwörungstheorie ist im Land der schlimmsten Mörder in diesem mörderischen Konflikt immer noch virulent.

  39. avatar

    Als Tochter einer Kroatin und eines Serben muss ich darauf bestehen, dass die Kroaten und Tudman um nichts besser waren als die Serben und Milosevic. Was die Entmischung angeht, so betrifft das leider nicht nur Bosnien, ebenso die Sprachlosigkeit – Kroatisch wurde mithilfe des Kroatischen, das die Burgenlandkroaten sprechen, vom Serbischen getrennt. Gleichzeitig gibt es auf allen Seiten neben denjenigen, die nur immer verbohrter werden, mindestens ebenso viele, die den Verlust eines Vielvölkerstaates betrauern. Der Spruch, nachdem Tito der einzige tatsächliche Yugoslawe war, war einfach noch nie richtig.

    1. avatar

      Nun ja, Ruth, weit sei es von mir, einen Faschisten wie Tudjman zu verteidigen. Ich schreibe hier lediglich über den Krieg in Bosnien, und da scheinen mir die zivilen Opferzahlen eine sehr deutliche Sprache zu sprechen: 22.000 muslimische, 2.000 katholische und 4.000 serbisch-orthodoxe Zivilisten.Da sich die Vertriebenenzahlen etwa die Waage halten, muss ich davon ausgehen, dass es entgegen der serbischen Propaganda nur auf serbischer Seite einen expliziten und umgesetzten genozidalen Willen gab.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top