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Der Verfassungsschutz muss aufgelöst werden

 

 

Man könnte die deutsche Empörung über die Spionagepraktiken der amerikanischen NSA – selbst wenn man, wie ich, diese Praktiken für weitgehend gerechtfertigt hält – als Zeichen einer gesunden liberalen, ja geradezu libertären Einstellung werten. Manche Deutsche – darunter auch der Bundespräsident – tun das auch, indem sie darauf hinweisen, die Deutschen seien aufgrund ihrer Geschichte besonders empfindlich gegenüber Geheimdiensten aller Art.

Man könnte das also auch so sehen – wenn man auf mindestens einem Auge blind wäre. Denn im Gegensatz zu allen anderen westlichen Demokratien unterhält die angeblich so sensible Bundesrepublik Deutschland einen Inlandsgeheimdienst, dessen einzige Aufgabe darin besteht, die Gesinnung der eigenen Bürger auszuschnüffeln. Genauer gesagt sind es 17 Geheimdienste – die Verfassungsschutzämter der Länder plus das Verfassungsschutzamt des Bundes. Wir wollen sie aber – trotz der nachgewiesenen Unfähigkeit der Ämter, miteinander zu kooperieren – im Folgenden wie eine Behörde behandeln. Sie gehört abgeschafft. 

Anders als die NSA behauptet der Verfassungsschutz nicht einmal, er habe jemals einen Terroranschlag verhindert. Im Gegenteil: bis heute konnte der Verdacht nicht ausgeräumt werden, so genannte V-Leute des Verfassungsschutzes hätten von den Terroraktionen der neonazistischen NSU gewusst und nichts dagegen unternommen. Und nicht nur das: Deutschlands höchstes Gericht stellte zur Begründung der Einstellung des Verbotsverfahrens gegen die neonazistische NPD fest, die Führung der Partei sei dergestalt von V-Leuten durchsetzt, dass man die verfassungsfeindlichen Aktionen der Partei genauso gut dem Verfassungsschutz wie den Nazis zuordnen könne.

Zu sagen, der Verfassungsschutz sei auf dem rechten Auge blind, ist bestimmt richtig, reicht aber nicht. Er ist überhaupt blind. So konnte etwa die Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta die Anschläge vom 11.September 2001 ungestört planen. Und die islamistische Sauerland-Terrorgruppe flog auch nur aufgrund von Hinweisen der NSA auf, obwohl der ägyptische Arzt Yehia Yousif, der eine Schlüsselrolle bei der Radikalisierung der Mitglieder dieser Gruppe spielte, von 1995 bis 2002 V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes gewesen war. Man könnte die Liste der peinlichen Pannen dieser Behörde beliebig fortsetzen; aber kriminelle Unfähigkeit allein bildet selten, und schon gar nicht in Deutschland, einen ausreichenden Grund, Regierungsbehörden aufzulösen.

Das Problem des Verfassungsschutzes liegt darin, dass seine Zuständigkeit im Grunde genommen da aufhört, wo es für die Sicherheit der Bürger interessant wird. Der Verfassungsschutz hat explizit keine polizeiliche Funktion. Das heißt: Für die Ermittlungen zur Aufklärung von Terroraktionen, aber auch für die Arbeit zu deren Verhinderung sind laut Verfassung die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt zuständig, genauer: deren politische Abteilungen.

Zu dieser polizeilichen Arbeit gehört – so müsste man jedenfalls annehmen – die verdeckte Ermittlung im Vorfeld terroristischer Taten, also im politischen Umfeld, aus dem Terroristen rekrutiert werden – wie etwa  im „Islamischen Informationszentrum Ulm“ und im „Multikulturhaus“ in Neu-Ulm, wo der V-Mann Dr. Yousif seiner doppelten Arbeit nachging, einerseits als Gehirnwäscher von Terroristen, andererseits als Desinformant des Verfassungsschutzes. Man kann, ja muss annehmen, dass die Arbeitsteilung zwischen Verfassungsschützern ohne polizeiliche Befugnis (und ohne polizeiliche Ausbildung, Ermittlungsmethoden usw.) und politischer Polizei ohne ausreichende Kontakte in radikalen Kreisen (und ohne ausreichende politische und kulturelle Schulung) einer der Hauptgründe für das Versagen der deutschen Behörden bei der Terrorabwehr gewesen ist und – trotz der Einrichtung eines „Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums“ in Berlin, das (möglicherweise verfassungswidrig) „die Expertise von 40 deutschen Sicherheitsbehörden bündelt“, sprich die von der Verfassung intendierte Trennung von Inlandsschnüffeldienst (17 Verfassungsschutzämter) und politischer Polizei (BKA und 16 Landeskriminalämter) aufhebt – bleiben wird.

Die Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes ist denn auch gar nicht die Terrorabwehr oder der Schutz des Staates, um dessen Verfassung es hier geht, sondern die Beobachtung von „Extremisten“. Der „Extremismus“ ist eine Gummiformel, die im Grunde genommen jeden erfasst, der die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ der Bundesrepublik ablehnt oder auch ausländischen „extremistischen“ Gruppen nahe steht oder ihre Ideologie unterstützt. Wer also – etwa – das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufheben will und damit die zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ gehörende Eigentumsfreiheit in Frage stellt, gilt als Extremist und ist ein legitimes Ziel der Observation des Verfassungsschutzes; gegebenenfalls durch Beschattung, Abhören des Telefons, Überprüfung des Brief- und Mailverkehrs usw.; ditto alle seine Kontaktpersonen. Ähnliches gilt etwa für einen Sympathisanten der Muslim-Brüder – ganz gleich, ob die beiden – oder ihre Freunde – in Verdacht stehen, zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt anzuwenden.

Im Falle der „Kommunistischen Plattform“ der Linkspartei wird sogar eine Gruppe observiert, die explizit der Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer Ziele abschwört. Und sie ist nicht die einzige. Auch bei der Koran-Verteilungsaktion fundamentalistischer Salafisten im April 2012 meldeten sich Verfassungsschützer zu Wort: Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“: Es ist offenbar eine koordinierte salafistische Aktion vor Ostern“, sagte die Leiterin des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Mathilde Koller, am Donnerstag. Die stellvertretende Leiterin des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Catrin Rieband, sagte: „Ziel ist, die Menschen nicht nur zum Islam zu bringen, sondern zum Salafismus.“ Auch der Hamburger Verfassungsschutz warnte vor dem Projekt.

Ganz ehrlich: Um das zu wissen, braucht man keinen Verfassungsschutz. Andererseits ist es nun einmal nicht verboten, den Koran – ein Werk der Weltliteratur – unters Volk zu bringen. Auch Salafisten haben dieses Recht.

Noch einmal: da Terroristen und andere politische Gewalttäter legitime und legale politische und unpolitische Gruppen und Organisationen als Rekrutierungsfeld missbrauchen, ist es völlig in Ordnung, dass die politische Polizei entsprechenden Hinweisen nachgeht und ebenfalls dort verdeckt ermittelt beziehungsweise präventiv  die Szene beobachtet. Das ist jedoch etwas völlig anderes als die flächendeckende Dokumentation „extremistischer“ Bestrebungen und die Ausspähung der Mitglieder und Sympathisanten solcher Gruppen mit dem Ziel, ihnen „extremistische“ Betätigungen nachzuweisen (etwa das Verteilen eines Flugblatts, das den Sturz des ägyptischen Präsidenten Mursi verurteilt; oder die Abhaltung einer „Kapital“-Schulung).

Besonders schlimm wirkt diese Behörde, wenn sie faktisch – und wiederum vermutlich verfassungswidrig – als Zensur-, Aussonderungs- und Maßregelungsbehörde eingesetzt und mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet wird.

Ich selbst – ich schreibe das nur in Parenthese – kam zweimal in den Genuss entsprechender behördlicher Aktivität. Das erste Mal war 1969, als ich einen Antrag auf Einbürgerung stellte. Ich wurde zu einem Beamten des Innensenators erzählte, der vor einer Akte saß, den Kopf schüttelte und mir – ich war 19 – den Rat erteilte, zehn Jahre zu warten, es lägen „Erkenntnisse“ über mich vor, die gegenwärtig eine Einbürgerung ausschließen würden. Wie ich später dank meinem Anwalt erfuhr, der die Herausgabe der Akte bewirkte, bestanden diese Erkenntnisse darin, dass ich als Schüler im April 67 in der Wohnung der Kommune 1 gewesen war, als das so genannte „Pudding-Attentat“ gegen den US-Vizepräsidenten Hubert Humphrey geplant wurde. Dies galt als Beweis meiner „Nähe zum Terrorismus“, obwohl der anwesende V-Mann hätte bestätigen können, dass ich nur zufällig an jenem Abend da war und – als die anwesenden Kommunarden mit bedeutender Miene und ohne Beachtung der elementarsten Regeln der Konspiration verkündeten, sie würden sich nun zurückziehen, um ein Ding zu planen, bei dem nur konsequente Kämpfer mitmachen sollten – die Wohnung zusammen mit den etwa 20 anderen Besuchern, die so zufällig wie ich dort waren, verließ.

Zehn Jahre später, als ich mich erneut um die deutsche Staatsbürgerschaft und außerdem um die Aufnahme in den Staatsdienst bewarb, lag dann erheblich mehr gegen mich vor, wenn auch keine Hinweise auf eine Nähe zu irgendwelchen Terrorgruppen. Auch diese „Erkenntnisse“ waren vermutlich von V-Leuten gesammelt wurden, die also auch geholfen haben müssen, die K-Gruppen in den 1970er Jahren zu steuern.

Man erinnert sich, wie zu Zeiten der Berufsverbote vor jeder Einstellung eine „Regelanfrage“ an den Verfassungsschutz gerichtet wurde, der bei Vorlage von „Erkenntnissen“ die entsprechende Kommission benachrichtigte, die dann den einzustellenden Lehrer oder Lokführer zu diesen Erkenntnissen befragte. Da die V-Leute zu ihrem eigenen Schutz anonym blieben (und bis heute bleiben), war es weder dem Denunzierten noch seinem Anwalt möglich, wie in jedem Gerichtsverfahren, die Zeugen der Anklage zu befragen und ihre Aussagen in Frage zu stellen. Die Berufsverbote-Kommissionen entschieden einfach nach der Faustregel: Es wird schon genug davon stimmen. Das mag übrigens in den allermeisten Fällen so gewesen sein; mit einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren hatte diese Praxis dennoch nichts zu tun. Denn die anonymen Denunzianten des Verfassungsschutzes, die – so erzählte es mein Anwalt, und ich habe wenig Grund, daran zu zweifeln – ein Kopfgeld bekamen, fünf Mark, wenn ich mich recht erinnere, für jeden auf einer „verfassungsfeindlichen“ (wenn auch genehmigten) Demonstration identifizierten Kommunisten oder Sympathisanten, avancierten so zur Instanz, die über den Berufsweg der Denunzierten entschieden.

Eine ähnliche Rolle spielt der Verfassungsschutz, wenn es um Gruppen geht, die Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und so weiter betreiben. Arbeitet eine solche Gruppe ihrerseits mit Gruppen zusammen oder mit Individuen, die nach „Erkenntnissen“ des Verfassungsschutzes „extremistisch“ sind, bekommt sie keine staatlichen Fördergelder. Gegen die „Erkenntnis“ des Verfassungsschutzes gibt es keine Berufung. Deren Herkunft und Verlässlichkeit wird nicht hinterfragt. Natürlich hat der Staat das Recht, ja die Pflicht, die sachgemäße Verwendung seiner Mittel zu kontrollieren und bei Verstößen – etwa wenn sie benutzt werden, um fragwürdige Propaganda zu finanzieren – diese Mittel zurückzufordern und die weitere Zahlung einzustellen. Aber die geforderte Distanzierung von „Extremisten“, denen keine Straftat nachgewiesen wird, läuft auf einen Generalverdacht hinaus, der sich gegen Gesinnungen richtet, nicht Taten sanktioniert..

Kurz und gut: Wenn es um den Schutz der Bürger vor terroristischen oder gewaltsamen Handlungen geht, ist die politische Polizei zuständig; sie hat natürlich das Recht und die Pflicht, im bekannten Umfeld von Terroristen oder Gewalttätern zu ermitteln, wie es ja BKA und NSA auch tun.

Wenn es um die Dokumentation des Radikalismus geht, etwa durch die Auswertung ihrer Publikationen und die Dokumentation ihrer Aktionen, sind Thinktanks, Bürgerinitiativen und dergleichen zuständig. Diese können selbstverständlich staatliche Fördermittel erhalten. Eine eigene staatliche Behörde braucht es dafür nicht.

Wenn es aber um die Ansichten der Bürger geht, so gehen sie weder den Staat noch sonst jemanden an. Die Gedanken sind frei. Eine eigene Behörde zum Aufspüren „extremistischen“ Gedankenguts und zur Stigmatisierung angeblicher  „Verfassungsfeinde“ darf es in einer Demokratie nicht geben. Wer durch die Tätigkeit der NSA beunruhigt ist, sollte die Abschaffung des Verfassungsschutzes fordern – oder muss sich der Doppelmoral bezichtigen lassen.

 

Lektüreempfehlung: Claus Leggewie / Horst Meier: Nach dem Verfassungsschutz. Berlin 2012    

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23 Gedanken zu “Der Verfassungsschutz muss aufgelöst werden;”

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    Mir graut vor konspirativen Treibjagden.
    Eine Gesellschaft, die zulässt, u. U. finanziert, dass aus ihrer Mitte Leute heraus gepickt werden, praktisch willkürlich, um danach jahrelang bedrängt zu werden, ist eine Gesellschaft von Hyänen. Tüpfelhyänen. Sie hat meine Sympathie (christliche sozusagen). Meine Unterstützung weniger.

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    Lieber Herr Posener,

    Sie haben mit allem was Sie schreiben recht, aber leider kratzen Sie nur an der Oberfläche.
    Der Teilnehmer „Stevanovic“ hat vollkommen recht, wenn er schreibt:
    „Eine der Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes ist es, Abweichler von der freiheitlich demokratischen Grundordnung alleine durch seine Existenz zu verunsichern.“

    Bei Ihren Ausführungen habe ich das Gefühl, daß Sie zwar die Schnüffelei gegen Linksabweichler (möglicherweise wg. eigener Betroffenheit) ablehen, aber Ihr Schweigen zur Beschnüffelung und Bekämpfung von Rechtsabweichlern könnte man als Zustimmung interpretieren.
    Ich kann mich z.B. nicht erinnern, von Ihnen jemals etwas zur „Beobachtung“ der Zeitung JUNGE FREIHEIT durch den ganz besonders berüchtigten NRW-VS gehört zu haben. Auch die REPUBLIKANER waren ein Fall für den VS, zu einer Zeit, als ein Mitglied der „Weißen Rose“ Mitglied im Bundesvorstand war. Mittlerweile hat sich die Partei aus den Berichten geklagt, aber ob der dafür benötigten personellen und finanziellen Resourcen ist die Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit versunken.
    Hierin liegt auch der einzige Grund, warum sich jeder Provinzfürst (Ministerpräsident) seinen eigenen Geheimdienst hält: Schon die Erwähnung einer Partei im VS-Bericht als verfassungsfeindlich schreckt Wähler ab. Das ist der einzige Zweck des VS, und da ist es für die Machthaber verschmerzbar, wenn Terroristen und ausländische Geheimdienste von dieser machterhaltungsbehörde nicht behelligt werden.

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    Immerhin habe ich es wahrscheinlich dem VS zu verdanken, dass ein Prozess gegen mich wegen angeblichem Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, nicht gegen Zahlung eines Betrag eingestellt wurde. Dafür hat mich der Richter freigesprochen 😉

    Ansonsten klingt die Aufrechnung zwischen NSA und VS ein wenig wie „Wenn Sie der Meinung sind, ich könne nicht Tennis spielen, sollten Sie mich erst einmal Klavier spielen hören“.
    Ich kann mit diesem kollektivistischen Ansatz von den „Deutschen“ zu sprechen leider nichts anfangen. Dafür sind sie mir viel zu unterschiedlich.

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    … ein System das überzeugend Menschenrechte vertritt, braucht keinen (Inland-) Geheimdienst.

    Bis das soweit ist, könnte die Macht der Geheimdienste schlichtweg durch ein Recht auf individuelle Akteneinsicht, auf ihren Auftrag, den Verfassungsschutz, konzentriert werden.

    Ein Missbrauch durch Politik oder den Verfassungsschutz selber, wäre erheblich eingeschränkt. Meine ich.

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    Herrlich gruselig: die Altnazis, die der VS einstmals ausspähen sollte, haben sich erfolgreich in diesen hinein fortgepflanzt und schützen die Neubrut vor Entlarvung.Das ist ja „ALIEN – Folge X“ !
    Auch die sog. politische Polizei gab´s schon einmal – auch gruselig!
    Was denn jetzt? Alles wegsprengen? Sich dem Terror-Schreckgespenst voll der Hoffnung ausliefern, es möge stets die anderen treffen? Oder bauen wir da ganz auf die US-Geheimdienste,die ohnehin besser wissen, wie´s gemacht wird?
    Kaufen wir uns die Präventiv-Spionage, made in USA, dann einfach ein, weil wir das Nazigesocks nicht aus unseren Institutionen heraushalten können. Nennt man das jetzt Selbstsabotage oder wie??

  6. avatar

    Moin, moin, allerseits,

    Herr Posener, Sie haben mir aus der Seele/dem Herzen gesprochen, äh, geschrieben! VS auf Bundes- und Landesebene muß weg! Übrigens gibt es für die politische Aufklärung und Information die Bundeszentrale für politische Bildung und entsprechende Landeszentralen. Die haben mehr und bessere Materialien als VS. Und wenn wir schon gerade dabei sind: weg mit den LKA; und BKA personell etc. aufstocken! Die US-Bundesstaaten haben auch kein SBI (state bureau of investigation). Das FBI ist für länderübergreifende Straftaten und federal crimes zuständig. Dto. muß auch in D möglich sein. Im Fall NSU-Morde wäre dann eine Behörde, nämlich das BKA, zuständig gewesen.
    Die Länder jammern ständig: „Wir haben kein Geld für dies und das. Wir brauchen mehr Geld vom Bund!“ Nö, weg mit VS und LKA, dann habt ihr Kohle.

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    Lieber Herr Posener,

    ich kenne mich ein wenig in Wirtschaftsspionage aus, lese auch immer wieder gerne John Le Carree.

    In meiner Erinnerung ist der MI6 doch ein Inlandsgeheimnisdienst,wenn ich Wikipedia richtig interpretiere.

    Worin besteht denn der Unterschied zu den deutschen Inlandsgeheimnisdiensten?

    Und wie mir mein Züricher Geschäftspartner sagte, gibt es sogar in der Schweiz einen Inlandsgeheimnisdiebst:

    http://www.tagesanzeiger.ch/sc.....y/27514049

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    Interessante Überlegungen, Martin Blumentritt. Ja, wer soll den VS abschaffen? Am besten die schwarz-gelbe Koalition. Das müsste eine urliberale Herzensangelegenheit sein, und Merkel kann ihrer Partei alles verkaufen.

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    Cher Apo,

    eine petitesse hierzu:

    „Man könnte die deutsche Empörung über die Spionagepraktiken der amerikanischen NSA – selbst wenn man, wie ich, diese Praktiken für weitgehend gerechtfertigt hält“

    Ich frage mich schon manchmal ob sie nicht einaeugig, sondern blind sind was die Situation in den US betrifft.

    Aber da zwischen Berlin und Langley und Fort Meade das grosse Wssser liegt habe ich Verstaendnis fuer ihre optische Verzerrung der tatsaechlichen Zustaende…

    Wie sagt John Lennon :

    Living is Easy with Eyes Closed

    Und auch der von ihnen oft zitierte Benjamin Franklin:

    To be proud of knowledge is to be blind with light

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    Ursprünglich dachte man ja, der VS solle die junge deutsche Demokratie vor den überlebenden Altnazis schützen. Mit dem deutschen Herbst und 9/11 kamen dann noch Felder hinzu, in denen der VS ziemlich versagt hat. Also: Alte Aufgabe überholt, neue Aufgaben versagt, sitzen, sechs.

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    Was als Böckenförde-Dilemma (ein ehemaliger Verfassungsrichter) bezeichnet wird, liegt für den thematisierten Sachverhalt zugrunde.
    „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“(Ernst-Wolfgang Böckenförde: Staat, Gesellschaft, Freiheit. 1976, S. 60.)
    Das Problem gründet darin, daß, was man Volkssouveränität oder volonté général nennt Fiktion ist (Fiktion in dem Doppelsinne auch des Fingiert-Seins). Daß der Staat bei dem Versuch, die Demokratie mit „den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots“ zu verteidigen, selbst zur Diktatur wird, weil er sich damit über das „Volk als Souverän“)Böckenförder stellt, resultiert daraus. Man hat es durch Moralisierung der Politik lösen wollen ( http://www.welt.de/welt_print/.....-sein.html ), aber da triebe man den Teufel mit dem Belzebub aus. Da stand der Richter in Tradition des Carl Schmitt, daß die politischen Begriffe säkularisierte theologische seien. Die Kirchen beriefen sich, um ihre Notwendigkeit zu unterstreichen gern auf dieses Paradoxon bzw. Dilemma. Böckenförde zufolge http://www.taz.de/!41094/ zu Unrecht.
    Es läuft immer noch auf den „pluralistischen Einheitsstaat“ der postnazistischen Demokratie hinaus, den schon die „Transformation der Demokratie“(Agnoli) kritisierte. Wer dennoch Politiker werden wollte, mußte feststellen, daß er ein Amt, aber nicht die Macht bekam.
    Darum gibt es immer noch VS-Ämter und das Widerstandsrecht, das mit den Notstandsgesetzen kam und nichts mit deren traditionaler Interpretation zu tun hat, sondern auf die bestehende Ordnung verpflichtet.
    Welche politische(n) Partei(en) soll(en) denn die VS-Ämter abschaffen? Die, die von ihnen überwacht werden oder die, die überwachen lassen?

  12. avatar

    Eine der Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes ist es, Abweichler von der freiheitlich demokratischen Grundordnung alleine durch seine Existenz zu verunsichern. Deswegen darf er auch so provinziell und uneffektiv sein. Die kämpfen nicht gegen Al Kaida, die schüchtern Abweichler ein. Mit abweichender Meinung (nicht durch strafbare Handlung) ein Fall für eine Behörde zu sein, ist eigentlich einer Demokratie unwürdig. Was nutzt Meinungsfreiheit, wenn es die Freiheit der gleichen Meinung ist? Applaus für Posener!

  13. avatar

    Ich stimme Ihnen zu, Herr Posener. Die Terror-Prävantion, Aufklärung und -Bekämpfung gehört in die Hände der Polizei, die mit allen dafür nötigen Befugnissen ausgestattet werden sollte, falls sie das nicht schon ist. Dazu gehören natürlich auch geheime Aktionen, die aber eingegrenzt und später dokumentiert werden sollten. Nach Abschlusss einer geheimen Aktion sollte immer eine interne Revision erfolgen. Die Polizei verfügt auch – wenigstens grundsätzlich – über die dafür nötigen Kontrollmöglichkeiten.

    Einzig das „blinde Auge am Anfang“ finde ich etwas unfair. Ich kann mich nicht erinnern, über die Implementierung des Verfassungsschutzes abgestimmt zu haben? Der wurde einfach implemetiert, und es gab für die Staatsbürger keine Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Und die Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit den NSU-Verbrechen wurde und wird ja in vielen Medien sehr ausführlich und sehr kritisch kommentiert. Ein blindes Auge kann ich deshalb nicht sehen 🙂

  14. avatar

    Serdar, haben Sie meinen Artikel gelesen? Da steht alles drin, was Sie als „Kommentar“ anführen. Aber danke für die Links.

  15. avatar

    Und das der Verfassungsschutz abgewickelt gehört, dazu weitere gute Argumente:

    Überwindet den “Verfassungsfeind” (Essay von Horst Meier)

    http://www.welt.de/print-welt/.....feind.html

    Die NPD ist nicht so gefährlich, wie alle glauben (Horst Meier)
    http://www.welt.de/print-welt/.....auben.html

    Abwickeln – zum 50. Geburtstag des Verfassungsschutzes (Burkhard Schröder)

    http://www.burks.de/artikel/taz241000.html

    “Scheinseriöser Unsinn” Schafft den Verfassungsschutz ab!

    http://www.tagesspiegel.de/mei.....76868.html

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    Man könnte das auch auf die Formel bringen: VS schreibt von Journalisten ab und Journalisten vom VS. Und Journalisten berufen sich auch oft unkritisch auf die VS-Berichte, als wären das Informationen höhere Eingebungen.
    Dabei besteht deren Tätigkeit nur darin, feinsäuberlich Zeitungsartikel auszuschneiden und aufzukleben.

    Eine weitere demokratietheoretischer Kritikpunkt ist auch, das die Beurteilungen des VS oft gravierend ins Vorfeld der politischen Diskussionen eingreift. Das trifft Personen, Gruppen usw.
    Denn Institutionen und Behörden berufen sich auf die VS-Berichte. Obwohl es dann kein Gerichtsurteil gibt, werden deren Urteile und Beobachtungen als gegen und normativ aufgefasst.
    Das sperrte viele schon im Vorfeld aus.

    Was Rassisten betrifft: Die rechte Szene wäre wohl heute ohne den VS gar nicht so stark. Der VS hat mit den Tätigkeiten der V-Männer oft die Strukturen gefördert, die ja bekämpfen wollte. Davon zeugen zahlreiche Skandale.

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