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Das hilfreiche Hilfspaket für Zypern

Von Uwe Vorkötter:

Außer Mord und Totschlag ist alles dabei: Diebstahl, Betrug, Erpressung, Nötigung, arglistige Täuschung. Wer die Reaktionen aus Politik und Medien auf das Rettungspaket für Zypern wörtlich  nimmt, muss zu dem Schluss kommen, dass die Euro-Finanzminister gemeinsam mit der zyprischen Regierung eine kriminelle Vereinigung bilden.

Ihr Ziel: Ausplünderung eines kleinen Mittelmeerlandes, Vernichtung tausender Existenzen. Das Risiko, sich selbst und dem gesamten Euro-Raum irreparablen Schaden zuzufügen, nehmen sie dabei in Kauf. So steht es heute in fast allen Zeitungen, sowohl in Deutschland als auch in anderen EU-Ländern.

So tönt es aus den Interviews von Regierungs- und Oppositionspolitikern gleichermaßen. Auch hier, auf starke-meinungen.de, schreibt Alan Posener vom „Banküberfall auf Zypern“, Rainer Burchardt funkt „SOS Europa“.

Obwohl (fast) alle einer Meinung sind: falsch liegen sie trotzdem. Politik beginnt bekanntlich mit der Wahrnehmung der Realitäten. Und ein nüchterner Blick auf die Lage zeigt: Zypern ist pleite. Das Land steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Ausländische Gläubiger müssen damit rechnen, dass ihre Kredite verloren sind, Lehrer und Rentner müssen um Gehalt und Renten bangen. Den zyprischen Banken, neben dem Tourismus wichtigster Wirtschaftsfaktor,  droht der Zusammenbruch, mit dramatischen Folgen für die gesamte Volkswirtschaft der Insel . Eine klassische Insolvenz. Nicht eines Unternehmens, nicht einer Privatperson, sondern eines Staates.

In dieser Lage haben die Regierungen der Euro-Zone Zypern ein weitreichendes Angebot gemacht: Mehr als die Hälfte des akuten Finanzbedarfs, immerhin zehn Milliarden Euro, stellen die Partner bereit. Für den kleineren Teil – mal ist von 5,8 Milliarden Euro die Rede, bei Schäuble sind es sieben Milliarden – haften die privaten Gläubiger des Landes und seine Bürger. Ist das unfair?

Was die privaten Gläubiger angeht, sicher nicht. Jedenfalls nicht, soweit es sich um neureiche Russen handelt, kleine und große Oligarchen, die ihr Geld in Zypern deponieren, weil dort niemand so genau prüft, aus welchen Quellen ihre Mittel eigentlich sprudeln. Da kann in Moskau der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski tönen, das sei Raub an seinen Landsleuten – egal, die Russen sollen zur Kasse gebeten werden. Findet die ganz große Mehrheit der öffentlichen Meinung. Und Recht hat sie.

Anders bei den Zyprern selbst, vor allem bei den kleinen Leuten. Die sollen (besser: sollten) 6,75 Prozent ihrer Bankeinlagen als eine Art nationalen Soli zahlen. Das, heißt es, sei ein Tabubruch, eine Enteignung, ein schwerer Vertrauensbruch. Und unzumutbar, aus sozialen Gründen. Aber warum? Zypern gehört den Zyprern, und als Eigentümer des eigenen Staates sind sie von der Insolvenz betroffen. Wer 1000 Euro auf der Bank hat, sollte nach dem ursprünglichen Plan 67,50 Euro berappen, einmalig. Für einen Ruheständler, eine Familie mit Kindern, einen Angestellten mit kleinem Einkommen ist das nicht wenig. Aber unzumutbar? Wenn es um die Rettung des eigenen Landes geht?

Die einfachen Leute seien doch gar nicht verantwortlich für den Schlamassel, heißt es. Im Gegenteil, auf ihrem Rücken werde die Krise bereinigt. Das stimmt natürlich, individuell. Deshalb brachte es  diese These schon am Beispiel Griechenlands zum Mainstream der öffentlichen Meinung: Wir haben es mit einem Versagen der Eliten zu tun, die unfähig sind, korrupt und bestenfalls auf den eigenen Vorteil bedacht. Mag sein. Allerdings ist Zypern ebenso wie Griechenland ein demokratisches Land, in dem die politischen Eliten  gewählt, nicht irgendwie eingesetzt werden. Wer hat sie gewählt? Haben die Zyprer gegen den Ausbau ihrer Banken zu internationalen Geldwaschanlagen protestiert? Wussten sie gar nichts davon? Hat man sich in den Louis-Vuitton-Läden, auf dem Touristenmarkt oder in den Ferienhotels gesträubt, die russischen Dollars und Euros als Zahlungsmittel zu akzeptieren? Oder hat womöglich die ganze Gesellschaft von jenem System profitiert, das jetzt krachend zusammenbricht?

Die Zypern-Rettung ist vernünftiger und ehrlicher als alles, was die EU bisher an Hilfspaketen zustande gebracht hat. Sie verteilt die Lasten, die bisher einseitig bei den Steuerzahlern lagen, sie nimmt die privaten Gläubiger und auch die eigenen Bürger in die Pflicht. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen. Außer, dass man sich das im Falle Zyperns traut, aber anderswo nicht. Weil Zypern klein ist und nicht gleich das ganze Euro-Gebäude gefährdet. Sogar unsere notorisch nervösen Finanzmärkte haben in dieser Woche einmal kurz gezuckt und sind dann zur Tagesordnung übergegangen. Trotz Enteignung, Tabubruch und was nicht alles. So schlimm scheint es also nicht zu sein.

 

 

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6 Gedanken zu “Das hilfreiche Hilfspaket für Zypern;”

  1. avatar

    @Posener

    Staat garantiert für Forderung gegen Bank, Bank kann Forderungen nicht bedienen (ob Einlage, Kredit oder welche Forderung auch immer), Kunde hat Forderung gegen Bank, damit gegen Staat. Staat garantiert mit Steuern, die er aus Einkommen erhebt. Nach Ihrer Logik ist der Steuerzahler immer der Dumme, bestehendes Vermögen immer sicher. Klingt nicht nach fair-play.

    „Hier werden also genau die Falschen bestraft, aus dem einzigen Grund, weil man das kann. Weil man an ihre Konten herankommt. Legal – illegal – scheißegal.“

    Ja, es werden die Falschen bestraft, diesmal aber nicht wieder dieselbe Gruppe, die Lohnabhängigen.Diesmal trift es die, die Vermögen auf dem Konto haben. Legal – illegal – scheißegal? Wir haben Krise, ginge es in geordneten Bahnen, wäre es keine.

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    „Ich bin noch nie von einem Papst gekuesst worden!“ Kicherte Cristina Fernandez, die Praesidentin Argentiniens , gekleidet in Schwarz, ihre „Rita/Gilda Hayworth“ Frisur unter einem schwarzen Hut(sieh den Kuss:IMAGENES CRISTINA Y EL PAPA). Der Heilige Vater beugt sich elegant zur Praesidentin, waehren der „Privataudience“ gefuehlvoll auf die rechte Wange zu kuessen: Der argentische Papst und die argentinische Praesidentin – davon koennte man in Europa lernen: Mann ist Mann, auch als Heiliger Vater charmant gegenueber den Damen. Die grosse Lehre von Cristina der Praesidentin: Sie hat vor einigen Jahren die internationalen Banken zur Spende gezwungen – anstatt die kleinen Sprarer wie die EU in Zypern. Die internationalen Banken mussten mit einer scharfen Reduzierung ihrer Anlagen in Argentiniens Staatspapieren einstimmen: Take it or leave! Einige dieser Anleihen welche nicht im Reduzierungseinkommen teilnahmen – koennen heute fuer 15% der Originalsumme gekauft warden. Ein „Vulture Hedgefund“ in New York kaufte solche Anleihen und versucht nun international argentinischen Staatsbesitz zu uebernehem: Deshalb fliegt Cristina nicht im Praesidentschaftflugzeug , sondern in einem Mietjet (auch zum Papst!). Vor zwei Monaten wurde in Ghana von dem New York Vulture Fund (eigentlich in British Cayman Islands) das Schulsegelschiff der Marine Argentiniens festgehalten. Aber der International Maritime Court entschied dass Kriegsschiffe nicht beschlagbar sind. Cristina had den Heiligen Vater als Argentinier gebeten fuer die Unterstuetzung Argentiniens fuer die Rueckgabe der Malvinas/Falklands Island welche seit 1831 von Britanien besetzt bleiben. (In Zypern und Deutschland sind auch seit dem Krieg 1945 – noch britische Militaerbasen: Auch etwas zum Nachdenken…)

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    Naja, das Problem ist ja, dass es am Systemglauben rüttelt. Wenn Bankeinlagen nicht mehr sicher sind – wieso sollen wir Banken überhaupt noch glauben? Und das kann die ohnehin instabilen Banken noch mehr ins Schwanken bringen, was auch niemand will.
    Eine Finanzierung durch Steuern wäre schwere zu beziffern und hätte mehr Wettbewerbsnachteile, für die Bürger wäre sie aber vorhersehbarer.

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    Hier geht aber auch alles durcheinander. Die Leute mit Bankeinlagen werden als „Gläubiger Zyperns“ dargestellt. Im Gegenteil. Es sind Leute, die den Banken Geld anvertraut haben. Den zyprischen Wählern wird eine Verantwortung für das verantwortungslose Handeln der – nicht staatlichen – Banken unterstellt. Und die Wähler wiederum werden mit den Bankkunden gleichgesetzt. Dabei könnte als Faustregel gelten, dass wer Geld spart (also ein Bankkonto besitzt) eher nicht einer verantwortungslosen staatlichen Ausgabenpolitik das Wort redet. Hier werden also genau die Falschen bestraft, aus dem einzigen Grund, weil man das kann. Weil man an ihre Konten herankommt. Legal – illegal – scheißegal.

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    „Zypern ist pleite. Das Land steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Ausländische Gläubiger müssen damit rechnen, dass ihre Kredite verloren sind, Lehrer und Rentner müssen um Gehalt und Renten bangen.“

    Von einem Banküberfall kann nicht die Rede sein.

    Wenn die EU wirklich die EUdSSR sein soll, dann nennt sich die Alternative ohne Frage die Bundesrepublik Somalia. Denn genau das stand diesen Ländern bevor. „Keinen Zugang zum Kapitalmarkt“ klingt nach vom Türsteher nicht reingelassen.“Keiner will was geben“ wäre ehrlicher.

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    Das Merkmal Ihres Beitrages „so schlimm scheint es nicht zu sein“ ist, es soll mich beruhigen. „Das Merkmal einer Garantie ist, dass sie gilt“ meint der Regierungssprecher. Ich zähl´ derweil die Latten an meinem Gartenzaun, ob sie noch alle dran sind, es ist dessen Merkmal, dass ich sie regelmäßg zähle.

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