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Scharfenberg: Nachruf auf ein Experiment

Wie manche Leser wissen, bin ich Produkt einer sozialdemokratisch orientierten Reformschule:
Nun hat diese Schule, an der übrigens mein Ex-Genosse, Freund und „Starke Meinungen“-Ko-Autor Rainer Werner  lange nach meiner Schulzeit zufällig Lehrer gewesen ist, kürzlich ihren 90. Geburtstag begangen. Dazu erschien eine Festschrift 90 Jahre Schulfarm Insel Scharfenberg 1922 – 2012. Redaktion: Burkhard Ost, in der auch ich kurz vorkomme.
Über seine Schulzeit 1964 – 1971 schreibt ein ehemaliger Schüler, Christian Schumann, der offensichtlich zwei oder drei Klassen unter mir war und an den an den ich mich nicht erinnern kann. Dafür kann er sich an mich erinnern: „Alan Posener, der stark auf Widerstand gebürstet war und fast der Schule verwiesen wurde.“
Nun ja. Die Wendung „auf Widerstand gebürstet“ gibt es im Deutschen nicht. Wenn man „gebürstet“ ist, dann „auf Krawall“, und das wird hier insinuiert. Jedoch war ich weder auf das eine noch das andere „gebürstet“, sondern in der siebten und achten Klasse ein schüchterner, gutmütiger, fleißiger und überangepasster kleiner Schüler, der so wenig auffiel, dass mir bei einem Klassentreffen neulich eine Mitschülerin sagte: „Du bist doch in der neunten Klasse nach Scharfenberg gekommen, oder?“ Dabei hatte sie mir (und allen anderen Jungs)  in der achten das Blues-Tanzen beigebracht! Ein anderes gestand mir bei besagtem Treffen, dass sie damals in mich verknallt gewesen sei; es stellte sich aber heraus, dass sie mich in der Erinnerung mit einem Mitschüler verwechselte. Weit davon entfernt, „auf Widerstand gebürstet“ zu sein, war ich – obwohl ich als Engländer, der anfangs kaum des Deutschen mächtig war, einen gewissen Exotikfaktor gehabt haben müsste – so gut wie unsichtbar.
Wenn ich in der neunten sichtbar wurde, dann hat das einen einzigen Grund: Meine Haare. Ich ließ sie keineswegs „sehr lang“ wachsen, wie Schumann behauptet. Sie waren nie länger als schulterlang. Das war aber später. Was passierte also?
Die Geschichte habe ich mehrfach beschrieben, zum Beispiel in einem Interview:
Ich war ein angepasster, kleiner 13-Jähriger und wollte ein guter Junge sein. Ich war auf dem Internat, weil meine Eltern es wollten. Zwar war ich auch ein heimlicher Rock’n’ Roll-Fan, das war ein Teil von mir, den ich selbst nicht richtig verstand. Dann kamen die Beatles und dieser Song, „I Wanna Hold Your Hand“, der alles war, was ein Rock ´n Roll-Song sein musste: romantisch, heavy, rau, mit Harmonien, die nicht ganz stimmten. Ich war so begeistert, dass ich meine Haare nach vorne kämmte, obwohl sie viel zu kurz waren. Aber ich war als Pilzkopf erkennbar und wurde vom Direktor der Reformschule sofort mit der Bemerkung nach hause geschickt, ich dürfe wiederkommen, wenn ich wie ein Mann aussähe. Viel später hat er sich dafür bei mir entschuldigt. Auf dem Weg zur Fähre wurde ich von zwei Mädchen begleitet. Vorher hatte sich kein  Mädchen für mich interessiert.  Das war eine Lektion fürs Leben. Ich ging zum Friseur, kam zurück, ließ die Haare wieder wachsen, wurde wieder weggeschickt. Der Vorgang wiederholte sich dreimal.
So war es. Ich war Anfang 1964 nicht „auf Widerstand gebürstet“. Ich war nur in den Rock’n’Roll verliebt. Und in John Lennon. Und ich wollte die Frisur behalten, die bei den Mädchen gut ankam. Ich wollte endlich sichtbar sein.
Wie ich anderswo geschrieben habe:
„Als ich damals meine Haare lang – na ja „lang“, das war lächerlich kurz – wachsen ließ wie mein Idol John Lennon, war es mit Schülermitbestimmung und Toleranz an meiner Reformschule vorbei. Vom Direktor bekam ich die Anweisung, das Internat sofort zu verlassen und erst wiederzukehren, wenn ich „wie ein Mann“ aussähe. Mehrere Jahre tobte der Kulturkampf der Lehrer und einiger scherenbewehrter älterer Schüler gegen unsere Dekadenz, die man – so waren die Autoritäten damals gepolt – mit Kommunismus, Subversion und Untergang der freien Welt assoziierte.“
Das klingt im Nachhinein lustig. Aber es ist nicht lustig, von einer Truppe älterer Schüler gejagt zu werden, die einem die Haare abschneiden wollen. Es ist nicht lustig, wenn man Schülermitbestimmung und Schülermitverantwortung ernst nimmt, wenn man stolz ist auf das einem von der Schülervollversammlung verliehene Stimmrecht, wenn man auch mitdiskutiert und mit entschieden hat, wenn es bei anderen Schülern um Disziplinarvergehen und Strafen ging – es ist nicht lustig zu erleben, wie plötzlich die Demokratie außer Kraft gesetzt wird und man per ordre de Mufti nach Hause geschickt wird, weil derSchulleiter das Gefühl hat, die anderen Schüler könnten sich mit diesem doch ansonsten braven, fleißigen, schulisch erfolgreichen Jungen solidarisieren, der bloß sein Persönlichkeitsrecht verteidigte. Ich habe unter der mir aufgezwungenen Rolle des Rebellen durchaus gelitten.
Warum schreibe ich das? Weil mir meine Geschichte absolut typisch vorkommt. Im Kalten Krieg standen sich  Freiheit und Diktatur gegenüber. Ich relativiere das nicht. Aber es gab Entwicklungen, die das relativierten. Da war zunächst die Strategie der „Mutually Assured Destruction“ (zutreffend MAD abgekürzt), die vorsah, dass der Westen notfalls bereit war, ein Verbrechen zu begehen, das den Holocaust in den Schatten gestellt hätte, die Welt in Schutt und Asche zu legen, wenn er strategisch bedroht würde. Und – was damit zusammenhing – dass der Hedonismus, der eine fast zwangsläufige Reaktion auf diese schreckliche Situation war, mit verkniffener, lustfeindlicher und verlogener Repression gebrochen werden sollte. Das war im Osten natürlich viel schlimmer. Nebbich.
Der scheidende Schulleiter Burkhard Ost, dem das fragwürdige Verdienst zufällt, seit 2002 die reformpädagogischen Tendenzen der Schule systematisch  abgewickelt zu haben, schreibt in seiner Einleitung zur Festschrift: „Die Schulfarm Insel Scharfenberg (…) war, wenn man so will, eine demokratisch-proletarische Variante der bereits etablierten bürgerlichen Landerziehungsheime. Diesen Charakter“ – also das Demokratische und Proletarische – „hat Scharfenberg heute verloren, vermutlich unwiederbringlich. Vielleicht liegt es auch daran, dass es kein stimmiges erzieherisches Konzept für das Scharfenberger Internat mehr gab, dass der Protest gegen die Autoritäten, der ab 1968“ – Quatsch! Ab 1964! – „durch die Jugendlichen auch hier artikuliert wurde, nie mehr richtig pädagogisch aufgefangen werden konnte.“
Stimmt. Pädagogisches Versagen hat zum Ende dieses Experiments geführt. Schade eigentlich.
90 Jahre Schulfarm Insel Scharfenberg 1922 – 2012. Redaktion: Burkhard Ost
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84 Gedanken zu “Scharfenberg: Nachruf auf ein Experiment;”

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    Meine Sympathien für die muslimische Welt sind deutlich gesunken. Manche „Redaktionsstuben“, Zitat Broder, würden dazu sagen „Cui bono?“. J.A., der in dieser Sache hervortrat, verlor nicht ein Wort des Mitgefühls über das grässliche Schicksal von Ambassador Stephens und seiner Leute.
    Es ist das Schicksal von Ambassador Stephens, das mich so in Rage bringt, das in allen „Redaktionsstuben“, die von „Nach mir die Sintflut“ müffeln, genauso beflissen ignoriert wird wie Steinigungen von Homosexuellen im Iran. Es geht zwar nur das Gerücht, dass der Botschafter schwul war, aber in solchen Weltengegenden genügt schon ein Gerücht, dann ist man ein(e) witch wie einst in Salem, Mass. oder während der Inquisition in Europa.
    Der offenbar recht stupide kleine Film, den man nicht machen muss, nein, und den man auch nicht sehen muss, wurde von Ägyptern zirkuliert, wie auch einst die Mohammedkarikaturen. Es ist an der Zeit, dass die Muslime sich zum Westen bekennen oder die Fliege machen. Zumindest sollten sie diese Machart durchschauen, und nach den kleinen friedlichen Demonstrationen in Deutschland bekommt man den Eindruck, dass das trotz des hündischen Dhimmitums der MSM auch der Fall ist.
    Eine multikulturelle Gesellschaft kann man ohnehin nur schaffen, wenn mehrere Ethnien bzw.origins nebeneinander vertreten sind. Ich habe selbst eine erlebt. Dort leben Nachkommen von Franzosen, Engländern (die dort die Sklaverei abgeschafft haben), Kreolen, reichlich Hindu, Moslems und Chinesen. Ich war dort vor ca. 20-25 Jahren zweimal an Weihnachten. Die Touristen sind genauso gemischt wie die Einheimischen, kommen vor allem aus Frankreich, UK, Südafrika, Deutschland, Indien und sporadisch China. Wir gingen dort in eine Kirche. Sie waren alle da, auch die Hindu. Sie feierten alles zusammen. Außerdem waren die Türen der Kirche offen, und einige hatten ihre Hunde dabei. Ein Krippenspiel wurde aufgeführt von einer Gruppe von kreolischen Kindern:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Mauritius#Culture

    Wir dagegen leben in Ländern aus weitgehend zwei Gruppen: Autochthone und Muslime, Pakistani in England, Maghreb in Holland und Frankreich, Türken in Deutschland. Ja? Nein. Die anderen sind unsichtbar. Sie gehen ihren Weg, die Leute hier aus Asien, anderen europäischen Ländern und Ex-Jugoslawien. Das täuscht, weil eine Gruppe immer besonders laut ist. Sie übertönt alles. Die ganze Diktion dreht sich nur um sie. Sie sind ja sooo benachteiligt. Ach ja. Harnasch hat gestern eine Tüte verlinkt, die sich darüber echauffiert, dass sie ihren Namen buchstabieren muss. Oh je. Ich musste von Klasse 1 an meinen Namen buchstabieren, und jeder Pole und Vietnamese muss das auch. Und wenn wir Polen und Vietnamesen fragen, wo ihre Eltern herkamen, meistens aus Neugier, antworten sie bereitwillig, aber diese Tüte findet das kränkend und übersieht, was das eigentlich Kränkende ist: Dass die muslimischen Länder stehengeblieben sind. Das ist nicht unsere Schuld. Ich würde das vielleicht nicht schreiben, wenn ich mich nicht auch mal über etwas echauffieren würde: Das Ende von Ambassador Stephens. RIP (Rest In Peace).
    Plus über die Ablenkungsmanöver, den Antiamerikanismus und das Schweigen.
    Lesenswert Herzinger:
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....nickt_ein/

  2. avatar

    @Parisien: „Wer sind bestimmte Eltern?“ Nun will ich die Frage selbst beantworten. Auch ich bin in diese Falle (Fernsehen, Computer, Konsolen) getappt. Haben Sie die ARD-Sendung mit Günter Jauch und Manfred Spitzer vor etwa 2 Wochen gesehen? Da prallten auch die Meinungen aufeinander. Auch von Christian Pfeiffer hatte ich früher schon gehört, eben auch aus dem Fernsehen. Wissen Sie, ich war meine ganze Kindheit im Freien, immer weit genug fort von den Verpflichtungen, die zu Hause warteten und immer unter Kindern. Ballspiele, Chor, Schaukeln, Klettern, Rutschen, Rollschuh laufen usw. Im Sommer waren wir im Garten ganz ohne Fernsehen. Meine Kinder aber liebten Fernseher und Konsolen. Oft war ich selbst kein allzu gutes Vorbild. Empfehlungen nur eine ½ -1 Stunde zuzulassen, funktionierten nicht, es war ein Dauerkampf und ich konnte mich auch öfter nicht durchsetzen. Irgendwann habe ich es in der Woche ganz verboten, um die täglichen Diskussionen zu unterbinden.
    Dann musste ich die Kinder aber beschäftigen und ich bin kein guter Coache. Die Arbeitsmaterialen von Montessori fand ich sehr interessant, dies hat meinen Blick auf das Lernen von Kindern sehr verändert. Wir (Kleine und ich) waren auch mal in einer Kurklinik (Nähe Osnabrück) für entwicklungs- und sprachverzögerte Kinder, dort konnten sich die Kinder im Wald beweisen und sie wurden als Ganzes gefördert.

    „Soweit zu Ihren Vorurteilen, die nach Ossi gegen Wessi riechen.“ Ich habe keine Vorurteile gegen Wessis, es waren in der Regel westdeutsche Mütter, die mir Hinweise geben konnten, wie ich meine Kinder fördern konnte, sie hatten ja auch einen Erfahrungsvorsprung in solchen Fragen. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir meine Mutter je vorgelesen hat. Üben verhinderte ich durch Flucht nach draußen, sie war auch der Meinung, dass sich alles entwickelt. Bei meinen Kindern sollte dies anders laufen, da ich auch wusste, in der 4. Klasse wird über die Schullaufbahn entschieden.
    Für mich geht es auch nicht nur um den Beamtenstatus, auch Angestellte können nicht einfache entlassen werden, sondern auch um eine nach meiner Meinung ungesunden Altersstruktur des Lehrerpersonals. Allerdings kenne ich nur Sachsen.

    Im vergangenen Schuljahr waren 11 Prozent der voll- und teilzeitbeschäftigten Lehrpersonen jünger als 40 Jahre und 31 Prozent 55 Jahre und älter. (Quelle: http://www.statistik.sachsen.de/html/16613.htm)

    Es scheint aber ein bundesweiter Trend zu sein:

    http://www.welt.de/politik/deu.....chten.html

    Aus Sachsen gehen viele Lehranwärter wirklich in den Westen, weil man dort den Beamtenstatus erwerben kann und zu wenige Referendarstellen existieren.
    Nach der Deutsche Einheit und der dramatischen Verringerung der Geburtenzahlen und der damit verbundenen Schließung und Umstrukturierung von Kindergärten und Schulen geht es wieder aufwärts mit der Kinderzahl. Sind die Schulen gerüstet? Beispiel Dresden:

    http://www.sz-online.de/nachri.....id=3053418

  3. avatar

    @ KJN
    Damit dürften Sie vollkommen recht haben:
    „Was ich damit sagen möchte ist erstens, daß ich die Gruppendynamik für eine der größten Lern- und Entwicklungshindernisse halte. Schüler, die diesem Zwang unterliegen, werden nicht mehr erreicht.“

    Das ist sehr verbreitet.

    Ich klinke mich eine Weile aus. Seit ich gesehen habe, was Christopher Stephens passiert ist, einem Freund von Marokko und Libyen, der u.a.arabisch sprach, denke ich, wir haben ganz andere Sorgen (Glucksmann: Hass). „In deutschen Redaktionsstuben“, Zitat Broder, das die Spießigkeit von deutschem Journalismus andeutet, scheint man zu meinen, das läge an einem youtube-Filmchen. Ich kann nur hoffen, dass die deutschen Muslime sich als eine Klasse weiter empfinden und durchschauen, dass dieses Filmchen nur als Vorwand benutzt wird und die ganze Sache schon etwas länger geplant war und man dieses Filmchen nur benutzt, um den undifferenzierten Zorn zorniger, arbeitsloser junger Männer spontan anzustacheln. Wenn ich an Christopher Stephens denke, muss ich konstatieren, dass es sich offensichtlich nicht lohnt, mit Muslimen befreundet zu sein und sie zu fördern. Aber wir werden sehen, wie sich heute die Deutschtürken verhalten. An sich sollten sie weiter sein.
    Und hoffentlich sind sie auch weiter als „unsägliche“ Politiker und „Redaktionsstuben“ mit den üblichen Verdächtigen nach dem Motto „The Jews did it“.

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    @Parisien

    „@ Hans Schmid
    Ja, sicher. Crazy, die Frage.“

    @Parisien

    “Wieso bekommen Leute Kinder, wenn sie die gar nicht gebrauchen können?”

    Möchten sie damit ausdrücken, dass die Kinderarbeit wieder eingeführt werden soll

    So ganz verstehe ich nicht Ihre Antwort.

    Daher noch einmal konkret:

    Sind Kinder Ihrer Auffassung nach “ Gebrauchsgüter “

    Und gibt es Leute die Kinder gebrauchen können und gibt es Leute die Kinder nicht gebrauchen können?

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    Sehr geehrter Herr Paris,

    „Sie etikettieren den einfach als neoliberal, das ist offenbar sowas wie Krokodil oder Schlange. Dabei gehört er zu den Leuten, die Sinn schreiben.“

    Ich habe mir einfach die Mühe gemacht ein wenig in den Veröffentlichungen von Herrn Dr. Hartwich zu blättern und zu lesen.

    Die Institute an den er tätig war und jetzt noch ist haben eine neoliberale Ausrichtung.

    Das hat nichts mit einem Krokodil oder einer Schlange zu tun, sondern damit dass diese Institute der Auffassung sind, dass der Markt alles regelt.

    Damit haben diese Institute durchaus recht ich habe es im Falle meines Vaters gesehen, der gegen die Konkuttenz der Billigbäckereien nicht mehr gegen ankam und seinen Laden hat schließen müssen.

    Dasss Herr Dr. Hartwich sehr sympathisch und intelligent ist habe ich mit meinem Hinweis nicht bestreiten wollen.

    Aber ist es nicht so, dass die neoliberale Auffassung alles funktioniert über den Markt heute nicht funktioniert.

    Schreiben Sie nicht selbst, dass wir eine Maschinensteuer einführen müssen, dass die Banken und die Manager zu viel Macht haben?

    Vielleicht bin ich zu argwöhnisch wenn ich Artikel von Herrn Dr. Hartwich lese. Aber die Realität unseres täglichen Lebens zeigt doch dass unsere Wirtschaft irgendwie in der Sackgasse steckt.

    Sie schreiben doch auch das die alte Rezepte nicht stimmen oder interpretiere ich Sie hier falsch.

    Und wenn ich dann seinen Bericht aus dem Jahr 2010 über Dänemark lese:

    http://www.oliver-marc-hartwic.....of-denmark

    und er stellt Dänemark auf das gleiche Niveau wie Griechenland Spanien und Portugal, dann frage ich mich schon ob er schon eine realistische Einschätzung vorgenommen hat.

    Vielleicht bin ich ein wenig subjektiv in meiner Beurteilung, weil mein Schwager Däne ist und in Kopenhagen arbeitet.

    Aber ob tatsächlich soviele Dänen emigrieren, weil die wirtschaftliche Situation in Dänemark so schlecht ist???

    Wie gesagt, Herr Dr. Hartwich ist sehr sympathisch und intelligent und ich wünsche ihm noch eine weiteren Karriereaufstieg vielleicht als Staatssekretär der Wirtschaft in Australien oder Neuseeland.

    P.S.David Cameron war ganz nebenbei froh als er von London nach Australien gezogen ist:

    „I gather he is off to Australia. The sooner he gets on the ship the better.“
    Rt. Hon. David Cameron MP, 13 August 2008

    http://www.oliver-marc-hartwich.com/or-loathe-me

    Hochachtungsvoll

    Friedrich Bolle

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    @Parisien
    „Wie wär’s mit Ihnen?“
    Über die Möglichkeiten zur individuellen Förderung ist ja in den letzten Kommentaren aus eigener Anschauung viel Hilfreiches und Pragmatisches berichtet worden (EJ) und sicher braucht man meistens gar nicht den Psycho-Werkzeugkasten hervor holen, geschweige denn medikamentieren, wenn denn die Kinder nicht so „funktionieren“, wie sie sollen.
    Eine Sache scheint mir dennoch wert, hinzugefügt zu werden, aber weil ich nicht abschätzen kann, inwieweit das von allgemeiner Bedeutung ist, schildere ich das persönliche Erleben:
    Ich bekam in der 8. Klasse eine junge hochsympathische Deutschlehrerin, die wir alle, besonders aber ich in jeder Hinsicht gut fanden (sie sah einfach auch verdammt gut aus). Für die haben wir alles gemacht, sogar regelmäßig Hausaufgaben.
    In der 9. Klasse änderte sich die Zusammensetzung der Klasse etwas und irgendwie sortierte sich das so um, daß eine Clique das Sagen bekam. Cliquenführer war der Sohn eines örtlichen Großunternehmers, mit dem ich befreundet war. Der trat so mehr und mehr als Beach- und Surfboy oder sowas auf, hing in der Klasse Willi-Bogner-Poster auf und demonstrierte einen gewissen Luxus (1976 ff.). Wir kamen morgens zusammen auf den Schulhof und ich merkte, daß er sich veränderte – nicht mehr locker, natürlich, sondern Show war angesagt. So weit – so Kinderkram.
    In der Klasse bildete sich eine aber regelrechte Rangordnung aus, wer am coolsten, lässigsten und arrogantesten sein konnte, denn das war wohl das, was in meinen Schulfreund hineinprojeziert wurde.
    Meine Klasse wandelte sich zu 70-80% von vormals netten, umgänglichen und intelligenten Jungen und Mädchen innerhalb von etwa 3 Monaten in absolut ans negative Klischee angepasste und bornierte Ätzbrocken, die unseren Leib-und Seele-Klassenlehrer verzweifeln ließen. Über andere „Kanäle“ erfuhr ich, daß meine Lieblingsdeutschlehrerin mitlerweile Angst vor den Stunden in unserer Klasse gehabt habe. Es gab in der Klasse eine stramme Ranordnung und eine Mitschülerin hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Das Ganze hielt sich die komplette 9. und 10. Stufe und löste sich erst in der Oberstufe nach Auflösen des Klassenverbandes. Auch meine Rolle war dabei sicher nicht vorbildlich, ich hielt mich nur weitgehend heraus, denn ich hatte aufgrund meiner neuen musikalischen Interessen privat nur Kontakt zu Schülern aus der Parallelklasse und zu Oberstufenschülern, weil ich in deren Band spielte. So hatte ich etwas Distanz.
    Was ich damit sagen möchte ist erstens, daß ich die Gruppendynamik für eine der größten Lern- und Entwicklungshindernisse halte. Schüler, die diesem Zwang unterliegen, werden nicht mehr erreicht. Zweitens scheint es so zu sein, daß ein ausgeprägtes Interesse an etwas natürlich stabilisiert, aber nicht jeder Schüler willens und in der Lage ist, ein solches spezielles Interessengbiet zu entwickeln, in dem er/sie sich profilieren kann. Denn das brauchen Jugendliche vor allem: Selbstwert. Damals wie heute.

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    EJ: …. Ganz anders das kirchliche/ klösterliche Gymnasium mit seiner enormen Integrationsfähigkeit. …. Ich kenne keine einschlägigen Untersuchungen, wahrscheinlich gibt es sie gar nicht, aber ich bin sicher, dass das für den hohen Integrationserfolg der Schule verantwortlich war. Jeder Prolo, Idiot und Bauerntrampel, sofern er nur bis drei zählen konnte, hatte da dieselben Chancen.

    … das glaube ich gern. Nur zu! Worauf wartet die ‚BRD‘?

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    Bolle, Sie verdienen hierzu noch eine Antwort:
    „ich möchte Sie nur aufmerksam machen, dass Dr. Oliver Hartwich ein ausgewiesener Neoliberaler ist.Deshalb würde ich seine Ausführungen nur sehr vorsichtig mit einer langen Zange anfassen.“

    Dr. O.M. Hartwich ist ein durchaus sympathischer, aber vor allem überaus intelligenter junger Mann. Letzterer Punkt, dürfte dafür verantwortlich sein, dass er in Dittelmäßia keine Stelle bekam. Vielleicht wurde ihm auch ein Quotenwesen unfreiwillig vorgezogen. Auf jeden Fall ist er zu gut für dieses Land. So kommt es, dass er nacheinander für einen britischen, einen australischen und einen neuseeländischen Thinktank arbeitete.
    Sie etikettieren den einfach als neoliberal, das ist offenbar sowas wie Krokodil oder Schlange. Dabei gehört er zu den Leuten, die Sinn schreiben.
    Sie können den von mir aus gern mit einer langen Zange anfassen, ich mache das nicht.

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    @ Kerstin

    Bequeme. Wie ich sagte, schichtenunabhängig.
    Zum Beispiel zu Ihrer Beruhigung zwecks meiner angeblichen Voreingenommenheit gegenüber schlechter bemittelten Schichten:

    Beobachte zwei gut betuchte Familien in einem gut zu löhnenden Restaurant, wie sie ihren vier ca. sechs bis neun Jahre alten Blagen Würstchen und Pommes, sich selbst aber etwas Feines bestellen. Kaum sind die Gören halb mit dem Fraß fertig, werden sie auf den Spielplatz geschickt, damit man sich ungestört unterhalten kann.
    Habe selbst zwei sowohl intellektuell als auch finanziell benachteiligten Kindern aus dem Freundeskreis abends Nachhilfe in Mathematik erteilt. Soweit zu Ihren Vorurteilen, die nach Ossi gegen Wessi riechen.

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    @EJ: Das ist eine sehr große Hilfe, die Sie diesen Kindern geben. Unbedingt vorbildlich, und im Idealfall wären es viele, die für elterliche Mängel einspringen und sich dabei ergänzen: Pfarrer, Vereinstrainer, Großeltern, Freunde, Verwandte…. Natürlich auch Lehrer, gerade sie. Ich wollte die Lehrer nur vor Ansprüchen bewahren, die sie nicht einlösen können (Ausnahmen wie die von Ihnen bzw. Parisien geschilderten Erfahrungen bestätigen die Regel).
    Und es stimmt, ich bin verwöhnt und möchte auch für meine Kinder das Beste. Verwöhnen ist ein Programm, das im Deutschland des letzten Jahrhunderts sehr zu kurz kam. Von den „harten Jungs“ hatten wir genug, die haben vermasselt, was es zu vermasseln gab; nun sollen verwöhnte Muttersöhnchen und -töchterchen her. Hier im Prenzlauer Berg gibt es viele davon, und die Zeitungen sind voller Kommentare darüber, wie nervig die übervorsichtigen und rücksichtslosen Mütter mit ihren Kinderwägen sind. Es gibt hier tatsächlich sehr viele Angebote für Kinder, die von ihren Eltern nach Strich & Faden verwöhnt werden – m.E. echte Standortvorteile, die mir das Leben in der Stadt erträglich machen. Otto Normalpassant kann ja, wenn ihm die Kinder hier auf die Nerven gehen, in Stadtteilen wie Lichtenberg, Treptow oder Köpenick spazieren gehen und darüber lobende Worte für die Zeitungen generieren.

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    @EJ

    chapeau für ihr Engagement:

    „Klar. Jenseits dessen gibt es aber die Möglichkeit, bestimmte häusliche Mängel auszugleichen. Ich selbst habe vor den Eltern und der Schule für ein Kind “gebürgt”, als es trotz bester schulischer Leistungen aus Herkunftsgründen keine Empfehlung für’s Gymnasium bekam. (Auch ein “Fall Kirche” irgendwie: Ich habe X beim Kommunionunterricht, den ich für eine Gruppe Kinder gegeben habe, “entdeckt”.) Und ein zweites, ein türkisches Kind habe ich auf einen Eltern-und-Schüler-Ausflug meines jüngsten Sohne kennengelernt. Seit Jahren gehen diese Kinder bei uns ein und aus. Beide machen im nächsten Jahr (mit Bestnoten!) Abitur. – Sie hören und sehen hier “bürgerliche” Dinge, die sie zu Hause nicht hören und sehen. Das ist es. Mehr nicht.“

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    @ Parisien Imposant

    Nicht ganz. Bei Gymnasium geht’s um „bürgerlich“. Im Falle der beiden Jungs ging/ geht es um den Ausgleich des bürgerlichen Vorsprungs, den andere Kinder haben. Das Gymnasium setzt (Bildungs-)Bürgerlichkeit voraus bzw. honoriert (bildungs-)bürgerliche Voraussetzungen bzw. (bildungs-)bürgerliche Herkunft. Im Prinzip ist das eine Schweinerei.

    Ganz anders das kirchliche/ klösterliche Gymnasium mit seiner enormen Integrationsfähigkeit. So galt es, obwohl es sich ein altsprachliches Gymnasium handelte, als Todsünde das Dingen „humanistisches Gymnasium“ zu nennen. Völlig klar, welche geistesgeschichtlichen Entwicklungen damit ignoriert werden sollten. Das hieß aber auch: Wiederum ganz anders als im zugehörigen Internat – man versuchte im Kompromiss mit dem Staat/ mit der staatlichen Schulaufsicht „nackt“, ohne Rückgriff und Bezug auf Bürgerlichkeit („Bürgerlichkeit“ im weitesten Sinne) zu unterrichten. – Ich kenne keine einschlägigen Untersuchungen, wahrscheinlich gibt es sie gar nicht, aber ich bin sicher, dass das für den hohen Integrationserfolg der Schule verantwortlich war. Jeder Prolo, Idiot und Bauerntrampel, sofern er nur bis drei zählen konnte, hatte da dieselben Chancen.

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    Sehr geehrter Herr Paris,

    ich muß Sie leider enttäuschen.

    Ich lebe mit meiner Familie in einem kleinen Dorf in Oberbayern und ich arbeite in einem Industrieunternehmen in der nahegelegenen Kleinstadt.

    Wie Sie auf Monsanto kommen, weiß der lieber Herrgott, der auch bei uns zuhause ist.

    Und Rilke steht zufällig auch bei uns im Bücherregal.

    Wir haben auch wie Sie noch einen Bäcker in unserem Dorf, der aber nicht auf dem Hauptschulniveau stehen geblieben ist, sondern zum Überleben auch Cateringdienstleistungen anbietet.

    Soviel zu Ihrem Ideal des Hauptschülers.

    Wenn ich mir Ihren Namen anschaue dann kommen Sie doch sicherlich aus Paris oder?

    Hochachtungsvoll

    Friedrich Bolle

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    @ EJ
    Imposant:
    „Beide machen im nächsten Jahr (mit Bestnoten!) Abitur. – Sie hören und sehen hier “bürgerliche” Dinge, die sie zu Hause nicht hören und sehen. Das ist es. Mehr nicht.“

    Warum keine Beamten?: Weil es dann nicht so viele gäbe, die sich zurücklehnen. Man könnte kündigen.

    @ Hans Schmid
    Ja, sicher. Crazy, die Frage.

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    @Parisien: „Wir haben nicht Kinder bekommen, um sie abzugeben oder als Erziehungsgehilfen für andere einzusetzen.“ (Ihr Zitat)

    Meine Eltern mussten beide arbeiten, wie es auch heute noch viele müssen. Falls Sie den von mir eingestellten Film vollständig gesehen haben, sollten Sie festgestellt haben, dass es darin um Kinder ging, die eine Hauptschulempfehlung erhalten hatten. Wenn bis zu 50% der Schüler nach der 4. Klasse auf das Gymnasium wechseln, geschieht schon die erste Spaltung. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten … Aber solange der Vorteil bei einem selber liegt, ist ja alles in Ordnung. Es ging mir um Chancen und den Mythos, der da heißt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Falsch!!

    Es ging nicht um Hochbegabte, die schwachen Schülern die Aufgaben lösen oder Lehrer spielen sollten. Diese Schüler haben sich gegenseitig geholfen. Außerdem glaube ich, dass das Problem der Hochbegabten in den Schulen überbewertet wird. Nach der Statistik sind etwa 2% der Kinder hochbegabt und viele haben in der regulären Schule (Gymnasium) kaum Probleme. Wir bräuchten sonst viel mehr entsprechende Schulen bzw. Internate.
    Bei manchen reißt der Knoten auch erst später, andere Kinder können den Nachteil, den sie durch ihre Herkunft oder die Sprachdefizite haben, erst später ausgleichen. Die Hirnentwicklung vollzieht sich nicht bei jedem Kind gleichermaßen, das Abstraktionsvermögen entwickelt sich z. B. nicht bei jedem zum gleichen Zeitpunkt. Gleichzeitig ist die im Film dargestellte Partnerarbeit auch nicht für jedes Kind geeignet, da es zum Teil unruhig ist. Außerdem musste ich feststellen, dass auch Lehrer in den Schulen mit unterschiedlichen Meinungen auf veränderte Lehrmethoden reagieren, nicht jeder kann da eine Änderung vollziehen.
    Mein älterer Sohn hat die optimierte Schuleingangsphase (1. Und 2. Klasse) absolviert, wir waren sehr zufrieden. Jedes Kind bekam einen gesonderten Wochenarbeitsplan mit individuellen Aufgaben entsprechend seiner Fähigkeiten und gegebenenfalls Zusatzaufgaben. Gleichzeitig musste alles Arbeitsmaterial selbst organisiert und in Ordnung gehalten werden. Die Lehrerin hat sich da sehr engagiert und viel Arbeit investiert.

    „Lesen Sie Christian Pfeiffer dazu.“ Wer sind bestimmte Eltern?

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    @ Roland Ziegler: Der Vater muss aber einen Unterschied zwischen seinem Kind und dem Nachbarskind machen.

    Klar. Jenseits dessen gibt es aber die Möglichkeit, bestimmte häusliche Mängel auszugleichen. Ich selbst habe vor den Eltern und der Schule für ein Kind „gebürgt“, als es trotz bester schulischer Leistungen aus Herkunftsgründen keine Empfehlung für’s Gymnasium bekam. (Auch ein „Fall Kirche“ irgendwie: Ich habe X beim Kommunionunterricht, den ich für eine Gruppe Kinder gegeben habe, „entdeckt“.) Und ein zweites, ein türkisches Kind habe ich auf einen Eltern-und-Schüler-Ausflug meines jüngsten Sohne kennengelernt. Seit Jahren gehen diese Kinder bei uns ein und aus. Beide machen im nächsten Jahr (mit Bestnoten!) Abitur. – Sie hören und sehen hier „bürgerliche“ Dinge, die sie zu Hause nicht hören und sehen. Das ist es. Mehr nicht.

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    Das Buch von Buschkowsky sollte man vielleicht lesen, weil es Zwischentöne hat. Buschkowsky kommt nie mit Rezepten, sondern wirkt wie eine wandelnde Dauerbaustelle:
    „Wenn er von Gewalt und Verwahrlosung erzählt, geht es ihm nicht nur um den Schrecken, der sich so verbreitet und der „Gift für die Integration“ ist. Ihn treibt vor allem um, dass er in seinem Integrationslabor sehr genau beobachten kann, wie sich die Gesellschaft spaltet. Nicht in Arm und Reich, das wäre ihm zu simpel. Sondern in Viertel, wo die Straße Ton und Verhalten vorgibt und ein „Täteradel“ regiert, und in andere, wohin sich Resignierte, darunter viele erfolgreiche Einwanderer, zurückziehen, die aber auch nicht sicher sind vor Übergriffen. Manchmal ist er erschrocken, was er bei Schulbesuchen oder in seinen sehr gut besuchten Sprechstunden erfährt. So wollte er einen Schulchor zur Einbürgerungsfeier einladen und bekam eine Absage: „Wir singen nicht für die, die uns auf der Straße verprügeln.“

    Arabische Schüler kamen zu ihm ins Rathaus, um ihn zu bitten, gegen die Fremden, die immer wieder in Schulen eindringen und Drogen verkaufen und Kinder und Lehrer verprügeln, etwas zu unternehmen. Die Polizei war überlastet, und so entstand das Projekt Wachschutz. Es hat glänzend funktioniert, auch wenn man Buschkowsky dafür jenseits von Neukölln beschimpfte. Sogar von „paramilitärischen Einheiten“ war die Rede. Dann aber fand nicht einmal der schlaue Buschkowsky noch Geld in der chronisch klammen Bezirkskasse, also keine Wachschützer mehr. Die brutalen Übergriffe begannen von Neuem. Im nächsten Jahr soll es wieder Schutz geben.“
    http://www.faz.net/aktuell/feu.....96017.html

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    @ Roland Ziegler

    Sie sind vielleicht schon ein bisschen sehr „verwöhnt“. Was unvermeidlich mitläuft, der Psychokram, sie machen ihn zur Hauptsache. Auf elementarer Ebene haben Eltern und Lehrer aber schlicht nur einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung.

    Kein Lehrer hat irgendwelchen Psychokram mit mir veranstaltet oder mich irgendwie merklich „erzogen“. Alles, einschließlich der bürgerlichen Normierung bzw. Standardisierung, lief über den Stoff. Sie haben mir, Fach für Fach, „die Welt gezeigt“. Die Besonderheit lag lediglich darin, dass sie auf meine Bereitwilligkeit aufzunehmen, mit eben derselben Bereitwilligkeit zu teilen reagiert haben.

    Allenfalls haben Sie kleine Tricks angewandt, etwa um den häuslichen Ressourcenmangel über „Sonderaufgaben“ auszugleichen: ‚Du bist doch Fahrschüler. Wenn du auf dem Weg zum Bus einen kleinen Umweg machst, kommst du an der Stadtbücherei vorbei. Such für uns dort doch mal das und das heraus.‘ Und – siehe da! – ich hatte die Stadtbücherei entdeckt (Und wurde neben einigen (anderen) Tippelbrüdern über Jahre wahrscheinlich deren häufigster Besucher.)

    @ Parisien

    Bis auf die Lehrer, die ich in der Klosterschule hatte, in der ich 3 Jahre lang war, waren wahrscheinlich alle meine Lehrer verbeamtet. – Ich kann nicht nachvollziehen, was sie gegen verbeamtete Lehrer haben.

    In einem Punkt legen Sie aber vielleicht doch richtig: Den „Zugang zur höheren Bildung“ hat mir nicht die Staats-/ Beamtenschule eröffnet. Das war die Kirche. Eines Tages kam unangemeldet (und per Motorrad) ein Klosterbruder: Der Pfarrer (in der Kreisstadt) habe dem Kloster mitgeteilt … In einer halben Stunde war der Käse gegessen.

    Übrigens: Was Schule an Integration leisten könnte, könnte man an solchen Klosterschulen studieren. (Und ich meine tatsächlich die Schulen, nicht die zugehörigen Internate!) An keinem der Schüler konnten sie irgendwie dessen Herkunft erkennen. Und die Herkunft der eingesammelten Schüler war durchaus bunt, das können Sie mir glauben. (Allenfalls ist deren Herkunft „heute“ zu erkennen, nämlich beispielsweise daran, dass diejenigen die Ärzte geworden sind, ich schätze mal, zu 8o Prozent Kinderärzte geworden sind. (Vielleicht ist das aber eine etwas gewagte These.))

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    “Ohne die hohe (und erkennbar freudige) Bereitschaft vieler Lehrer als Vaterersatz zu fungieren, wäre ich verloren gewesen.”

    … jahaaaa … Nikolai Alexejewitsch Ostrowski, Komsomolze, Rotarmist, ‚Schriftsteller‘ … Mein ganzes Leben und all meine Kräfte habe ich hingegeben für das Schönste der Welt – den Kampf um die Befreiung der Menschheit.

    Das war Pflichtliteratur in der ‚DDR‘.

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    @Parisien

    „Wieso bekommen Leute Kinder, wenn sie die gar nicht gebrauchen können?“

    Möchten sie damit ausdrücken, dass die Kinderarbeit wieder eingeführt werden soll

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    …das Entscheidende am Vater und an der Mutter ist ja, das man als Kind für ihn und sie etwas ganz Besonderes ist (oder sein sollte): etwas, das einen von allen anderen Menschen auf der Welt unterscheidet und völlig verdienstlos auszeichnet. Dieses Hervorgehobensein unterscheidet sich ganz fundamental von der Lehrerfunktion, bei der alle Schüler im Prinzip gleich sind, d.h. gleich wertzuschätzen sind. Der Vater muss aber einen Unterschied zwischen seinem Kind und dem Nachbarskind machen.

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    @ Roland Ziegler
    „Ohne die hohe (und erkennbar freudige) Bereitschaft vieler Lehrer als Vaterersatz zu fungieren, wäre ich verloren gewesen.“

    So einen Lehrer hatte ich auch. Ich bin ihm extrem verbunden. Auch solche Professoren gibt es. Und wenn es nur 30% wären, man muss sich daran festhalten. Lehrer sind keine magicians. Auch Ärzte, Anwälte, Psycholgen oder gar Poltiker haben nur einen gewissen Prozentsatz, der engagiert und brillant ist und einen hohen Prozentsatz, der nur average ist und einige Schlechte. Auch unter Eltern gibt es mittelmäßige zuhauf. Es stellt sich also die Frage, wie man das Streben nach einem möglichst brillanten Einsatz erhöhen kann. Und das kann man m.E. nicht mit Beamtenstatus, auch wenn es Ausnahmen gibt. Und manchen Eltern muss man mental in den Hintern treten, z.B.solchen, die ihre Kinder vor den Bildmedien parken. Wieso bekommen Leute Kinder, wenn sie die gar nicht gebrauchen können? Das ist übrigens nicht schichtenabhängig.

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    EJ: Ich verstehe, dass viele Kinder in ihrem Lehrer einen Elternersatz, eine Eltern-Ergänzung, eine Lebensberatung, ein praktisches Vorbild u.ä. suchen und benötigen. Und in einem gewissen Rahmen gehört das auch – sogar elementar – zum Lehrerjob dazu, meine ich. Trotzdem glaube ich, dass ein Lehrer geradezu übernatürliche Kräfte (und eine seltsame Psyche) haben muss, wenn er diese Funktion erfolgreich für sämtliche 30 Pappenheimer ausfüllen will. Diese Funktionen müssen irgendwie in der Summe zusammenkommen, durch die Pluralität aller Lehrer, die ein Schüler hat, durch seinen Fußballtrainer und seine Freunde und Mitschüler… Sein Lehrer ist nicht sein Vater, auch das gehört zu den Inhalten, die ein Schüler lernen muss.

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    @ Roland Ziegler: Vaterersatz

    Ich habe oft überlegt, ob unsere Schulen nicht genau daran kranken, dass sie nur noch wenig Vaterersatz (Mutterersatz) leisten – und wohl auch leisten sollen.

    Mein Vater war Analphabet, meine Mutter musste die Schule mit 12 Jahren verlassen. Ohne die hohe (und erkennbar freudige) Bereitschaft vieler Lehrer als Vaterersatz zu fungieren, wäre ich verloren gewesen.

    Versuchsweise würde ich den elterlichen Schulkritikern mal raten zu prüfen, wie sie selbst auf Lehrer schauen. Eltern sollten überlegen, welche Chance ihre Kinder haben, sich von dem elterlichen Blick auf Lehrer zu emanzipieren. Oder anders: Überlegen Sie, wie meine Eltern auf meine Lehrer geschaut haben müssen. Ich habe genau das bei meinen Lehrern gefunden, was meine Eltern bei/ in den Lehrern vermutlich gesehen haben.

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    @ Kerstin
    „den Vollversager hätten Sie sich auch verkneifen können“

    keine Sorge, ich hab‘ sowas auch im Haus. Bleibt konstant unter seinem Niveau. Daher mein Sprüchlein. Falls Ihrer ADS hat, entschuldige ich mich.

    „Würden Sie denn einen motzigen Deutschen fördern?“

    Nein. Ich würde ihn genauso vor die Tür schicken, wie Lehrer das schon mit meinem eigenen Sohn gemacht haben. Er beißt auf Granit zu Hause, und das ist wichtig. Eltern müssen sich bewusst werden, dass Lehrer oft recht haben, auch wenn sie ihrem kleinen Engel in Turnschuhen in die Karre fahren.

    „Multikulti ist gescheitert. Ja, und nun. Machen Sie Vorschläge.“

    Multikulti ist nicht allein gescheitert. Die gesamte Unterschicht inklusive der autochthonen wird nicht herausgefordert, sondern (minimal) mit Almosen ruhiggestellt. Der Gedanke, dass man etwas einbringen muss, kommt bei einigen Türken sogar eher an.

    „Auch Eltern stehen vor großen Herausforderungen. Haben Eltern jemals so viele Probleme mit den neuen Medien gehabt.“

    Nur bestimmte Eltern, deren Kinder schon mit vier einen gameboy und spätestens mit acht einen PC haben, um diese damit und mit dem alten Medium Fernsehen ruhig zu stellen. Lesen Sie Christian Pfeiffer dazu.

    Zum Rest: Wenn in Aussicht gestanden hätte, unsere Kinder zwangszukitasieren oder in den Hort zu tun, hätten wir das Land verlassen. Wir haben nicht Kinder bekommen, um sie abzugeben oder als Erziehungsgehilfen für andere einzusetzen. In New York werden die Zuwanderer verteilt. Sorry, aber darüber muss ich echt lachen. Vielleicht kommen Sie selbst darauf, warum ich das lustig finde.

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    @68er: Der Ausspruch des Herrn Romney ist wirklich entlarvend. Man sollte meinen, die Starken können sich am ehesten um sich selber kümmern und es wären die Schwachen, die Hilfe benötigen. Herr Romney sieht es genau andersherum.

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    @ Rolan Ziegler

    Die Reduzierung der Lernzeit haben sich, so meine Theorie, Haushaltsmathematiker ausgedacht. Das führt zu einer Einsparung von 1/9 Lehrer, 1/9 Hausmeistern, 1/9 Schulräumen, 1/9 Nebenkosten etc. pp.

    Der Schwachsinn, dass die Eltern ihre Kinder auf jede x-beliebige Grundschule schicken dürfen, könnte auch ein Spiel-Theoretiker verzapft haben, denn so kommt man in Gebieten, die vorwiegend von begüterten Familien bewohnt werden, zu einer maximalen Auslastung der erlaubten Klassengrößen (hier in NRW 30 Kinder pro Klasse) , in den „sozialen Brennpunkten“ bleiben die Schulen leer und werden dann geschlossen. Die „Deppen“ können ruhig, einen weiteren Schulweg gehen, di landen ja später sowieso auf der Straße (HoHo!).

    Denn wie sagte Herr Romney nochmal?

    „47 Prozent der Menschen werden für den Präsidenten stimmen, egal was passiert. Sie sind abhängig von der Regierung, glauben, dass sie Opfer sind, dass die Regierung verpflichtet ist, sich um sie zu kümmern, dass sie Anspruch haben auf eine Gesundheitsfürsorge, auf Lebensmittel, Wohnung, was auch immer.”

    Und die SPD im Ruhrgebiet fügt hinzu:

    Das schöne an den 47 Prozent ist, dass wir sie so dumm halten, dass sie gar nicht merken, wie scheißegal sie uns sind und es uns nur um unsere Posten geht, um Macht, Geld, Eitelkeit und Kasperletheater.

    http://www.derwesten.de/staedt.....83744.html

    http://www.derwesten.de/staedt.....42253.html

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    @Parisien: Es stimmt, die Genetik ist es nicht allein. Ich wollte Sie auch nicht mit meinen Familiengeschichten langweilen, den Vollversager hätten Sie sich auch verkneifen können. Doch in Deutschland herrscht ja Meinungsfreiheit. Ob Kinder in der 1. Klasse schon mit Klappmesser in die Schule gehen, kann ich nicht überprüfen. Kinder kommen nicht mit Klappmesser auf die Welt. Oder? Auch in deutschen Familien wurden/werden viele Ohrfeigen ausgeteilt. Sicher ist das eine oder andere Milieu dafür stärker empfänglich. Manchmal frage ich mich: Woher nur diese Arroganz? Diese Besserwisserei, die man bei anderen auch in der Beschneidungsdebatte erkennen konnte. Haben Sie Kinder? Jungs? Würden Sie denn einen motzigen Deutschen fördern? Und, wenn ja: Warum? Kinder können nach meiner Erfahrung sehr gut unterscheiden, wo sie sich wie verhalten dürfen.
    Es wird nicht diskutiert sondern vor allem beschuldigt und mit Worthülsen hantiert. Multikulti ist gescheitert. Ja, und nun. Machen Sie Vorschläge. Auch Eltern stehen vor großen Herausforderungen. Haben Eltern jemals so viele Probleme mit den neuen Medien gehabt. Die Welt der Kinder hat sich radikal verändert. Da hilft nur Analyse und nicht nur Schuldzuweisung.
    Berlin ist für mich ein besonderes Thema, für mich haben sich dort auch einige Probleme mit der geteilten Stadt und der Wiedervereinigung entwickelt. Jahrzehnte wurde diese Stadt subventioniert und diese Subventionen konnten nicht schnell genug nach der Deutschen Einheit abgewickelt werden. Auch Buschkowsky hat auf Dinge aufmerksam gemacht, die ich persönlich nie verstanden habe.
    Wenn man Menschen, wie zum Beispiel Asylbewerber, über einen jahrzehntelangen Zeitraum an das Sozialsystem gewöhnt und die Arbeitsaufnahme verbietet, darf man sich nicht beklagen, wenn sie eine perfektionierte Professionalität erreichen und die Rechtsmaterie sicherer beherrschen als mancher Sachbearbeiter im Jobcenter. (Quelle: http://www.bild.de/politik/inl......bild.html)

    Laut FAZ von heute schreibt Buschkowsky über ein Gymnasium in einem „kriminalitätsbelasteten Gebiet“, das 220000 Euro mehr kostet. „Das ist der Gegenwert von fünf Jugendknastplätzen“ Irgendwann habe ich mal gelesen, dass man in New York die Kinder mit Schulbussen über verschiedene Schulen verteilt hat, um den Rassismus zu bekämpfen. Auch dieses würde kosten.

    Während meiner Schulzeit (DDR) lernten fast alle Schüler gemeinsam. Nach der 3. Klasse konnten ausgewählte Schüler(innen) in sogenannte Russischschulen. Bis zum Ende der 4. Klasse gingen fast alle Schüler in den Hort, wo wir zum Hausaufgaben machen Zeit aber auch Unterstützung bekamen und anschließend spielen konnten. Außerdem wurden Arbeitsgemeinschaften (Chor, Sport, Russisch usw.) bis zur 10. Klasse angeboten. Da wir sowieso in der Schule waren, gingen wir auch gerne dort hin. Nach der 8. Klasse verließen uns einige Schüler in Richtung EOS, um das Abitur zu erwerben.

  29. avatar

    …gerade die engagierteren Lehrer hatten Probleme mit mir bzw. ich mit ihnen (ich stand ja unten). Sie konnten nicht verstehen, wieso mich ihr pädagogisch wohlgeformter Unterricht trotzdem nicht interessierte. Sie nahmen das persönlich. In einem Brief stand z.B.: „Seine Sitzhaltung dokumentiert sein Desinteresse am Unterricht“. Aber sie mussten mir widerstrebend immer mindestens eine 3 geben, dazu habe ich sie mit schriftlichen Ergebissen gezwungen. 🙂 Sie haben das offen und ehrlich bedauert, aber aus ihren Prinzipien konnten sie nicht raus. Der einzige Ausweg war Mathematik, da gab es nichts zu verhandeln, und wenn man etwas verstanden hat, braucht man auch keine Nachbereitung am Nachmittag.

  30. avatar

    @ Roland Ziegler

    Toll:
    „Wenn Zeit da ist, entsteht auch Kultur.“

    Nach der Einführung von G8 liefen in Bayern zuerst die Musikschulen leer.
    Kultur ist von den Globalisierungsverfechtern nicht gewollt, siehe Ben Barber, Dschihad gegen McWorld, lesenswert. Kultur ist die Masse zwischen zwei Druckknopfhäften, wovon die eine gnadenloser Kapitalismus ist, die andere gnadenloser Religionskampf dagegen. Sie gehören zusammen und wirken gelegentlich sogar wie ein eingespieltes Team, lesen Sie auch Spielberger dazu auf achgut (gestern). Ihr bester Vertreter ever ist Obama.

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    Nachtragen möchte ich noch eine Erfahrung, die meine Nichte gerade macht. Sie musste das Versuchskaninchen spielen bei dem schwachsinnigen Experiment, das Abitur bereits nach 12 Jahren zu verabreichen, und was sie dabei in erster Linie erlebte, war Zeitmangel. Das ist eine Paradoxie in einer Gesellschaft, deren Mitglieder immer länger leben. Im Studium – mit dieser bescheuerten Bachelor-Schmalspurvariante, die keiner haben will – kommt sie nun vom Regen in die Traufe: keine Zeit nirgends. Und dabei ist es das Wichtigste, was wir überhaupt haben: Zeit. Wir müssen sie uns nehmen gegen die Ansprüche der Arbeitgeber und Rentner, uns mit unseren Kindern Zeit nehmen, und je verquerer die Bedingungen der Kinder sind, desto mehr Zeit benötigen sie.
    Wenn Zeit da ist, entsteht auch Kultur. Die Immigrantenkinder werden von allen Seiten gehetzt und sind kulturlos, was in erster Linie für sie selber ein existentielles Problem darstellt. Sie sind weder in der Kultur ihrer konservativen Eltern noch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zuhause. Sie benötigen besonders viel Zeit.

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    @ Alan Posener
    Zu Ihrer Schule: Vielleicht hätten Sie keine gebraucht. Und wenn Hitler die Bildungspflicht nicht durch die Schulpflicht ersetzt hätte, wären Sie dort vielleicht nicht gewesen. Genau wie dieser Mann keine Schule brauchte:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Sidney_Weinberg

    Die Schule will aus Schafen Denker und Erfinder machen und verzweifelt regelmäßig daran, dass das nicht wirklich funktioniert.

    @ KJN
    Mehr fällt mir zu der Quälerei des pubertierenden Alan aus einem Kosmopolitenumfeld nicht ein. Wie wär’s mit Ihnen?

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