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Doppelkopf: eine politische Missgeburt, die zu uns passt

Der preußische Adler hat zwei Köpfe auf seinem gefiederten Rumpf. Diese politische Missgeburt passt zu uns, einem immer noch schizophrenen Land. Wappentiere mögen auf den ersten Blick eigenartig sein, sie sind immer typisch. Stichwort: Nationalcharakter. Wir wollen Politiker nicht nur als Gewählte sehen, sie müssen auch noch gesalbt sein. Dieses Land (eigentlich eine Häuptlingskultur) hat als Nation nie nur Könige erkoren, sie sollten immer auch Kaiser von Gottes Gnaden sein.

Beim Abendessen im Berliner „Grill Royal“ empört sich der Nachbartisch über das Kandidatengerangel in der SPD, Troika genannt. Dann schweift die Politikerverachtung zu den Grünen, die gar vier KandidatInnen hätten. Und der ältere Herr sagt der jungen Dame: „Weil sie alle nichts taugen. Da braucht es dann drei oder vier.“ Man schwärmt von Strauß und Kohl und dem alten Bismarck, und ich gehe, bevor die Gesellschaft noch entdeckt, dass sie Hitler ausgelassen hat.

 

Wer vom „Grill“ über die Brücke zum Bahnhof Friedrichstraße geht, sieht ihn dann. Stolz und gusseisern prangt er im Brückengeländer, der Doppelkopf. Ich meine, Wolf Biermann hätte zu DDR-Zeiten schon über diesen Vogel gesungen. Man konnte von hier den Tränenpalast sehen. Seit alters her meint der Doppelkopf das Weltliche und das Geistige. Früher mal das irdische Rom und das heilige Konstantinopel, danach König, den politischen Herrscher, und obendrauf Kaiser, den gesalbten.

In Amerika macht man einen Sport aus den Vorwahlkämpfen; das ist zutiefst demokratisch. Die Jungs kämpfen sich aus der Provinz nach vorne. Das Volk schaut sich das Show-Laufen an. Hier herrscht ein sauberer Geist des Wettkampfs. Kein mythisches Geschnurgel von Charisma und natürlicher Autorität, kein Charakterkopf-Mystizismus.

Das kann der Souverän hierzulande nicht. Der deutsche Kopf will den Säkularstaat. Das deutsche Herz will Popen an der Spitze. Schon darum konnte ein Wulff, der Ach-und-Krach-Jurist, nie sein, was uns nun der salbadernde Pfarrer aus dem Osten ist. Wir wollen nicht nur gehorchen müssen, sondern auch glauben können. Unsere Helden sollen die Götter erkoren haben, nicht der blöde Wähler mit seinen banalen Wahlzetteln.

Wie will man bei der dicken Claudia oder der dünnen Renate, bei dem bräsigen Frank-Walter oder dem schneidigen Peer einen Tiefgang entdecken, der unsere Seelen erleuchtet? Oder dieser türkischstämmige schwäbische Herr bei den Grünen, der gelernter Kindergärtner ist. Joschka war wenigsten Straßenkämpfer. Wir verlangen zu viel; wir verlangen das falsche.

Und so stehe ich auf der Brücke an der Friedrichstraße und schaue zurück in den Schiffbauerdamm. Hier residiert das Berliner Ensemble des Bertolt Brecht. Was hätte der Alte zu „Pussy Riot“ gesagt, das geht mir, dem Angetrunkenen, sentimental durch den Kopf. Das hätte ihm gefallen. Junge Frauen, die gegen die Staat-Kirche-Symbiose einer „lupenreinen Demokratie“ (Schröder, Altkanzler, jetzt Gazprom) mit einer kleinen Tanzeinlage im Popen-Dom ein Fanal gesetzt haben.

Und ich sehe den Alten auf seinem Denkmal neben dem Berliner Ensemble, wie er mir ein Auge zu kneift. Ich weiß, was er meint. Der doppelköpfige Adler ist das Wappen von Putins neuem Russland. Auch hier, wieder hier. Brecht hätte „Pussy Riots“ gemocht, nicht nur, weil er ein Schwerenöter war. Es hätte ihm gefallen, wie man den Doppelkopf demaskiert, indem man ihm Schlüpfer über die Schädel zieht.

Großes Theater. Nicht zur Nachahmung empfohlen. Weil das bei Merkel eben gar keinen Sinn macht.

 

 

 

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11 Gedanken zu “Doppelkopf: eine politische Missgeburt, die zu uns passt;”

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    schlag nach bei Wiki:

    der reichsdeutsche doppelköpfige Adler:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsadler
    den Deutschen Bund: Dieser 1815 gegründete Staatenbund nahm den doppelköpfigen Reichsadler während der Deutschen Revolution im März 1848 als Hoheitszeichen an.

    http://de.wikipedia.org/wiki/D.....eichsadler

    Das 1871 errichtete Deutsche Reich ersetzte den Doppeladler wieder durch einen einköpfigen Adler.

    Und eine Fundsache bei ebay:

    http://kleinanzeigen.ebay.de/a.....!/72796087

    antiker Preußischer Doppeladler mit Wappen um 1871 abs. Rarität !

    Verkaufe den Nachlass meiner Großmutter. Dieses schwere ca. 5 Kg Relief hing .

    http://cache-cdn.kalaydo.de/mm.....793112.jpg

    http://tinyurl.com/bqkrwvm

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    Na, ja, der arme „deutsche“ Germanicus hat doch immer nicht ganz klar denken koennen – mit oder ohne Met (Meet ?) oder wie heute „Ale“ in „Grill Royal“. Im bajuwarischen Sueden haben die italienischen Roemer schon ihre Schrullen hinterlassen, und sogar wieder den Herrscher im heutigen Rom, fuer das roemische katholische „global“ Imperium. Und am Rhein haben die italienischen Roemer den „Vino“ und seine Auswirkungen (wahrscheinlich auch genetisch) hinterlassen. Auch der hohenzollerische Alte Fritz wollte lieber franzoesisch leben, sprechen und wohnen. Heute darf sogar kein junger Mensch in Deutschland in der deutschen Sprache singen, es darf nur in einem quakenden Detroit-Elendsghetto-American gesungen werden! „Celtic Woman“ ist ein Musikprogramm welches heute von Irland in U.S. TV erscheint: Aber diese „Celtic Women“ singen nicht in „Galic“ , welches sie wahrscheinlich wie die meisten Iren nicht sprechen oder verstehen, sondern in der Sprache ihrer jahrhundertlangen Kolonialherren, welche heute noch 2012 den Norden ihres Irlands besetzt halten (in Deutschland 2012 sind auch noch 12,000 britische Truppen in 6 Basen, zumindest bis 2035, nicht fuer „ewig“ wie die fast 60,000 U.S. „Partner“ in Ramstein, Landshut und 80 anderen „Installations“ …). Kein Wunder, die Germanen welche immer und auch heute noch klar denken koennen, sind im kuehlen skandinavischen Norden – wo nie eine Kolonialherrschaft das Denken verbogen hat. Also anstatt, ein preussischer Adler mit einem Kopf, oder mit Doppelkopf nach „Ale“ in der „Grill Royal“ – warum nicht mal ein herumhoppsender (auf jeden Abfallhaufen) „Zopilote“ (coragyps atratus) wie in den tropischen Americas ?

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    Eine Frage noch — nachdem jetzt schon mal geklärt ist, daß der preußische Adler nur eine Kopf hat und daher die Schlußfolgerungen Herrn Prof. Kocks aus der Doppelköpfigkeit des Preußenadlers auf den deutschen Nationalcharakter nochmals zu hinterfragen wären — wo ist denn der Adler mit den zwei Köpfen, den Herr Prof. Kocks auf der Weidendammer Brücke gesehen hat?
    (Bin gerade nicht in Berlin, aber auf allen verfügbaren Bildern sind nur einköpfige Vögel zu sehen.)

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    @ KJN Seien Sie doch nicht so kleinlich

    Sehe ich auch so. Gestandene Publizisten (zumal explizite Nicht-Blogger) posaunen in die Landschaft, unwidersprochen, egal was. Das ist (sogar auf Blogs) ihr Geschäftsprinzip. Lassen wir sie also.

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    @Werner König
    Seien Sie doch nicht so kleinlich: Preußen oder Österreich-Ungarn ist doch etwa die gleiche Richtung von London aus gesehen nach dem 5. Ale oder womit man sich da aktuell zu erfrischen versucht. Einen Adler, der nach rechts und links kuckt, fände ich auch gar nicht so schlecht. Und Schwafeln finde ich immer noch besser, als mit fester Stimme und klarer Semantik wohl wissend immer weiter das Falsche zu behaupten, was ich hier auch öfter mal lesen muss.

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    Der kollege kocks ist mal wieder ein gnadenloser Schwafler. Da malt er sich ein bild nach seinem Gefallen , aber völlig falsch und baut darauf in politisch/soziologisch/kulturhistorische Darlegung auf.
    Ich lach mich schlapp.

    Si tacuisses …………

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    Starken Meinungen schadet es ja nicht, wenn die vorgebrachten Sachverhalt richtig sind.
    Also: Der preußische Adler hat nur EINEN Kopf.

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    Der preußische Adler hat zwei Köpfe auf seinem gefiederten Rumpf. Diese politische Missgeburt passt zu uns, einem immer noch schizophrenen Land.

    … mhmm? Hr. Kocks? Habe ich was verpasst? Soweit ich weiß hat der preußische Adler einen Kopf und der russische zwei Köpfe.

    Biermann schreibt auch nicht von zwei Köpfen am preußischen Adler (Ikarus).

    Vielleicht sind die Deutschen, ist Deutschland nicht verwirrt, eher die ‚BRD‘. Oder?

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