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Merkel oder die Kunst der Eisernen Lady

„I want my money back“, Ich will mein Geld zurück, war die Kampflosung, mit der die britische Premierministerin Margaret Thatcher vor Jahrzehnten in die Schlacht gegen  die Europäische Union zog. „Keine Eurobonds, solange ich lebe“ platzte es aus Angela Merkel heraus, als sie die FDP-Fraktion im Bundestag besuchte. In Minutenschnelle wurde der Satz verbreitet. Seitdem gilt auch Merkel  als „eisern“, zumindest ein bisschen.

Doch diese Zuschreibung war seitens einer daran interessierten Öffentlichkeit wohl mehr Hoffnung als Realität. Denn eisern war auf dem nächtlichen Gipfel allenfalls Mario Monti, der italienische Premier. Gemeinsam mit seinem spanischen Kollegen und unter beharrlicher Fürsprache des neuen französischen Präsidenten Francois Hollande blockierte er seinerseits die Kanzlerin – und zwar an ihrem wunden Punkt, dem Wachstumspakt.

Obwohl alle drei dem Wachstumspakt bereits zugestimmt hatten – ausgerechnet in der italienischen Hauptstadt Rom, am Tag des glücklichen Siegs der nun im Endeffekt doch glücklosen deutschen Nationalmannschaft – sagten die Regierungschefs von Spanien, Italien und Frankreich nun doch wieder nein. Denn sie hatten klug erkannt, dass Merkel den Wachstumspakt braucht, um heute Nachmittag die Stimmen der Opposition in den entscheidenden Abstimmungen über den Rettungsschirm ESM im Bundestag und Bundesrat zu bekommen. Dazu braucht die Bundeskanzlerin eine Zwei-Drittel-Mehrheit und damit ein „Ja“ der Grünen und der SPD.

Das wiederum bekommt sie nur mit Wachstumspakt, eine Bedingung beider Parteien für ihre Zustimmung. Also musste Merkel in  der Nacht in Brüssel für etwas kämpfen,  das sie ursprünglich zu Recht ablehnte, weil es reine Symbolpolitik ist. Denn frisches Geld ist in diesem Wachstumspakt kaum enthalten: Es ist einfach ein Sammelsurium kaum zueinander passender Maßnahmen, das allein mit dem Preisschild beeindrucken will, dass frech draufgetackert wurde. Doch das die ausgepreisten Milliarden in der Tat etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun werden, ist höchst unwahrscheinlich.

Fassen wir also zusammen, wie Politik funktioniert: Die Bundeskanzlerin braucht die Stimmen der Opposition, um eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat für die Abstimmung über den permanenten Finanz-Schutzschirm ESM zu bekommen. Sie weiß, dass das sehr schwierig wird und setzt deshalb die Abstimmung so spät wie möglich an, mehr oder weniger der letzte mögliche Zeitpunkt vor dem 1. Juli, wenn der ESM gegründet werden soll.

Die SPD ist also am Zug und drückt zuerst die Finanztransaktionssteuer durch und dann – ermutigt vom Sieg Hollandes in Frankreich – dessen Wachstumspakt. Beide Maßnahmen hält Merkel allenfalls für „weiße Salbe“, also Placebos, muss sie nun aber dennoch auf europäischer Bühne durchfechten.

Das gelingt, doch im Zuge der Verhandlungen erkennen ihre Verhandlungspartner diesen innenpolitischen wunden Punkt der Kanzlerin.  Wer nicht so einfühlsam war, dem hilft das deutsche Verfassungsgericht auf die Sprünge mit seiner Bitte an den deutschen Präsidenten, das Gesetz zum ESM vorerst nicht zu unterzeichnen.  Im Ausland wurde das als weiteres klares Signal gesehen, wie sehr Merkel unter Druck ist: Keine Zwei-Drittel-Mehrheit, kein Gesetz. Doch selbst wenn das Gesetz da ist, gibt es immer noch das Gericht, dass das Gesetz für verfassungswidrig erklären kann (die Klagen dafür sind ja schon eingereicht).

Monti nutzt diese innenpolitische Lage in Deutschland nun gegen Merkel – und setzt so durch, dass Italien und Spanien leichter an die Gelder aus dem ESM und ESFS kommen als die Bundeskanzlerin das eigentlich wollte.

Vor allem aber blockiert er die weitere politische Integration  samt effektiver Kontrolle über den Haushalt von Ländern, die Geld aus den Rettungstöpfen bekommen.  Sollte Italien also Gelder aus dem Schutzschirm bekommen – noch sind keine beantragt – wird die bei den Griechen so verhasste Kontroll-Troika der EU, des IWF und der EZB zur Überwachung dennoch nicht nach Italien fahren dürfen.  Stattdessen muss der Rest der EU einfach darauf vertrauen, dass die Italiener ihr Konsolidierungsprogramm durchziehen. Kontrolle sieht natürlich anders aus.

So haben SPD, Grüne und das Verfassungsgericht ihren Teil dazu beigetragen, dass Merkel weit weniger „eisern“ sein kann als die Öffentlichkeit das von ihr fordert. Ob das gewollt war, muss sich noch erweisen. Doch es zeigt wiederum, welche unheilvolle Wirkung die Vermischung von Sach- und Machtpolitik oft haben – zumal dann, wenn die eigentlichen Ziele unausgesprochen bleiben.

 

 

 

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11 Gedanken zu “Merkel oder die Kunst der Eisernen Lady;”

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    @Susannah Winter

    Tja, die “Tiefe” der Demokratie ist hier relativ. Ich finde sie etabliert am Rhein (oder eigentlich an der Spree). Wenn Sie anderer Meinung darüber sind, das verstehe ich. Ich vermute eigentlich dass nur ein schmaler Grat uns separiert.

    Es stimmt schon dass die Deutschen seit vielen Jahrhunderten Idealzustände anstreben, egal welche: von der Romantik des frühen XIX Jahrhunderts bis zur heutigen Ablehnung der Atomkraft. Sagen wir dass manche Nationen mehr pragmatisch agieren als andere. Nichts Böses darin.

    Aber zurück zur Demokratie in Deutschland. Verglichen mit anderen Nationen Europas, steht Deutschland nahe der Spitze, nicht weit entfernt von Großbritannien (zweifelsohne die Älteste und tiefste Demokratie Europas). Frankreich? Der Präsident begibt sich kaum in die Assemblée Nationale; das französische Volk bevorzugt dagegen die Straße als eine Agora wo man politische Meinungen teilt. Italien? Gucken sie nur mal in das Parlamento Italiano mit seinen Prügeleien. Nein, mit den lebhaften Landtagen und dem Bundesverfassungsgericht, steht die deutsche Demokratie tief verankert. Dass 40 Prozent der Wahlberechtigten eine “Lichtgestalt” anstreben? Na ja, der Nachbar hat immer die süßeren Kirschen.

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    „In Deutschland dagenen, liegen die Demokratie-Wurzeln tief. “

    Klar, weil Deutschland sich die Demokratie so hart erkämpft hat. (Ich hoffe, Sie lesen die Ironie zwischen den Zeilen, Herr Bledowski). Immer noch wünschen sich genug Deutsche eine „Lichtgestalt“, 40 Prozent der Wahlberechtigten verweigern Demokratie ganz. Der deutsche Sproß „Demokratie“ ist jung, und ganz gewiss nicht tief verwurzelt.

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    Augenblick bitte! Hier kommt noch eine Rechnung: Obama’s „all-around“ Machiavelli, Verteidigungminister Leon Panetta – in einer richtungsweisenden einstuendigen Ansprache am 28.6. im U.S. Institute of Peace (wo sonst ?)Titel: „U.S.Global Partnership & Policy“. ( Also was der Congress wissen sollte wenn Obama weiter Praesident bleibt). Kurz: Mehr U.S. Basen „ueberall“ (auser Russland und China) – aber nur mit „Ausbildern“ welche die Soldaten der „Parnter im Gebrauch der Waffen unterweisen, welche die „Parnter“ von USA kaufen werden. Da die USA aber selbst ihre Ausgaben nicht erweitern sollte – „more burden sharing by our partners in Europe“… Sonst wurde Europa gar nicht erwaehnt – die Konzentration sei fuer Asien und den Nahen Osten. Besonders Indien wurde zweimal als „Partner“ gewuenscht. (Ob man ihm gesagt hat, dass die Inder die fighter jets von Rafale in Frankreich kaufen wollen- und den Brasilianern empfohlen haben auch die Rafale zu kaufen – und nicht die U.S. F-16 ?). Auch Chile und Brasilien sollen als „Sicherheitspartner“ in Afrika und Mittelamerika dienen… (Waehrend Dilma in Brasilien Praesidentin bleibt – kaum!) Also – German „Partner“ come on, don’t play hard to get: Gimme a couple billions! (Die Ansprache koennte durch usip.org erscheinen ).

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    @derblondehans

    „Richtig groß in Deutschland”

    Eben.

    Das deutsche Volk war nicht klug 1933 den damaligen Kanzler zu wählen (kein kluger Führer dazu – darüber sind wir mindestens einig). Im Gegensatz zu den späten 30-gen Jahren, können die Deutschen heute den Kanzler wechseln.

    @Susannah Winter

    „Leitkultur“ und „Großdeutsches Reich”

    Das sind Ihre Worte, nicht meine.

    Die Domokratie in Europa baut man eben erstmal. Keine einfache Aufgabe, sicherlich. In Deutschland dagenen, liegen die Demokratie-Wurzeln tief.

    “Einklang mit den Wählern”

    Sie haben Recht. Ich denke Merkel ist zwischen dem Willen der Wähler und Ihren eigenen Überzeugnissen zerrissen. Ich hoffe dass sie nie die Stimmung der Deutschen vernachlässigt. Darum ging es mir in der ersten Stelle.

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    Im Ring taumelt die Mutti gegen die Seile – und hat diese Runde nicht „stark“ ueberstanden. Der Bundestag wedelt ihre etwas Trost ins verzogene Gesicht. (Diesmal ist sie nicht die Figur mit der Helden…. bei den Wagnerfestspielen in Bayreuth!). Und der verdummte Michel als Zuschauer – hat noch nicht bemerkt – dass schon der Gong zur naechsten Runde geschlagenen hat: McCain&Lieberman rollen wieder die Tuerkei gegen Deutschland und Frankreich – zum EU-Beitritt. Kein Wunder der Schroeder (und Chirac) mit Irak und Merkel mit Lybien – hatten gerochen – es dreht sich AUCH wieder um eine grosse Rolle fuer die Tuerkei innerhalb der EU gegen die eigensinnigen Germans und French als selbstsuechtige „Partner“ in Osteuropa-Balkan-Mittelmeer-Nahen Osten. Die Neo-Ottomanen sind Partner der Neocons. Mehr Minderheitenprobleme in der EU sorgen auch fuer mehr Ruecksicht auf und „basing-rights“ fuer die U.S. Global Leadership. (Zumindest, wurde diese Woche in Washington zwischen Amis und Tuerken geplaudert . Das erklaert auch das Problem Syrien). Die „Anglos“ fuehren mehrere geopolitische „Operations“ zur gleichen Zeit – mit verschiedenen „Partnern“ gegen ALLE die „Anderen“: Versteht das doch endlich!

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    Mutti Merkel lernt nun, dass die schoenen Levy-Strauss blue jeans – der Koeder waren – hinter der sich die Raubtierkralle des Systems vertarnte. Erst „blue jeans“ und „rock“ – zur Verharmlosung des Systems. Und das „System“ entwickelte den Finanz-Tsunami nach Ende des Ostblocks: Jetzt wollte das System mal zeigen wie es steil aufwaerts geht. Der bewunderte Greenspan warf die entstellten Zinsraten in den Rachen der Wall Street „Investors“ – bis die erste Blase platzte – der Dow and Nasdac ist heute niedrigen als am Anfang des Jahrhunderts. Dann gaukelte er die entstellten Zinsraten zur Inmobilienblase: Und alle die schon in ihrer Jugend durch „blue jeans“ und „rock“ verdummt wurden in „Europe“, ahmten wieder alles nach und spekulierten und nahmen Kredit auf. Merkel erkennt schon seit einiger Zeit – dass Deutschland under „Druck“ steht. Wie Schroeder im Fall Irak, so Merkel im Fall Lybien, wie beide mit den erstklassigen Wirtschaftsbeziehungen zum Zarenreich – sind sie auf der Liste der „Anglos“. Aber die Totsuende war die Idee der „Finanztransaktions-Steuer“ (she’s an enemy of the free enterprise system!). Und auserdem – zuviel deutsche Exportkonkurrenz fuer USA und Britanien. Frankreich ist die einzige Euro$Nation welche geostrategischen Ehrgeiz verfolgt – und deshalb sind das Mittelmeer und seine Nationen von geostrategischen Interesse fuer Frankreich – die Seebruecke zur „francophonie“ in Afrika, Maghreb, und auch die „urgence vers Orient“-Libanon und Syrien sind noch teilweise „francophone“ und nicht nur die USA und Britanien haben eigene Militaerbasen in den Emiraten.

  7. avatar

    Ah ja, da träumt das deutsche Volk schon wieder von deutscher Größe, historischer Bedeutung, „eiserner“ Durchsetzung der eigenen Auffassungen und des „deutschen Weges“. Die alte Idee von „Leitkultur“ ist nicht kleinzukriegen. Der Begeisterung für das „kluge Volk“ und das noch klügere Vorgehen des deutschen Führungspersonals kann ich mich kaum anschließen. Ich frage mich, ob Europa überhaupt zustande gekommen wäre unter der Prämisse aus dieser wunderbaren Idee eines freiwilligen Staatenbundes ein Großdeutsches Reich zu machen, in dem den Griechen schon mal gesagt wird, was in Demokratie „richtig“ und „falsch“ wählen ist. Ebenso, wie man den Franzosen am liebsten das deutsche „Demokratie“-Modell schmackhaft gemacht hätte. (Gewählt wird, was den Herrschenden bequem ist) Und das „kluge Volk“ greift gerne auf, was ihm so präsentiert wird. So wird heute nicht nur wegen Fußball ähnliches geschrieben wie: „Dass wir im Fußball verloren haben macht ja nichts. Zwei der drei Länder gehören uns ja sowieso schon.“ Spricht Bände über deutsches Demokratie- und Selbstverständnis. Wenn die als Schuldenkrise getarnte Bankenkrise Europa nicht in die Knie zwingt, spätestens deutsches Großmachtsgehabe wird das schaffen. Wer glaubt, dies geschehe im „Einklang mit den Wählern“, der muss schon mit Scheuklappen durch die Gesellschaft laufen. Ich jedenfalls kann die Belobhudelung der Frau Merkel nicht mehr hören. Sozialabbau, Ausdünnung des Mittelstandes, Das unmöglich machen von Familienplanung wegen unzähliger Menschen in prekären Verhältnissen, Vernichtung von Arbeitsplätzen, die Familien ernähren könnten, Subventionierung von Ausbeuterjobs, sprechen eine deutliche andere Sprache. Die einzigen, die ihren Job derzeit wirklich hervorragend machen, sind die Medienberater der Kanzlerin. Fehlentscheidungen dieser Größenordnung so gut zu verkaufen ist preisverdächtig.

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    Angela Merkel – schon groß – wird in die Geschichte als richtig Groß eingehen wenn sie diese Einstimmigkeit weiter behalte.

    … ja, ja – sind schon ganz andere in Deutschland als richtig Groß die Geschichte eingegangen. Eingegangen wörtlich. [sic!] Aber sicher nicht zum Wohle des Deutschen Volkes.

  9. avatar

    Deutschland ist seit Jahrzehnten mit außerordentlich klugen Kanzlern vom Glück verwöhnt: Merkel, Kohl, Schmidt, Brandt, Adenauer. Das ist kein Zufall denn nur kluge Menschen wählen kluge Staatsmänner (oder Frauen). Das deutsche Volk ist heute so wohl weil, unter anderem, seine Führungskräfte im Einklang mit Wählern blieben. Angela Merkel – schon groß – wird in die Geschichte als richtig Groß eingehen wenn sie diese Einstimmigkeit weiter behalte.

  10. avatar

    Die Regierungschefin [sic] der ‚BRD‘ – die im amerikanischen Kongress über fehlende Jeans und über ihr betteln nach Westpaketen berichtete und der Welt so ihre Käuflichkeit für einige Strumpfhosen demonstrierte – verrät die Deutschen nicht zum ersten Mal.

    ‚Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande‘, zitierte Benedikt XVI. den hl. Arelius Augustinus, im Deutschen Bundestag.

    Freunde – die Ex gehört gefeuert.

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