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Tod eines Tyrannen

Es darf gejubelt werden: Nach übereinstimmenden Nachrichten weilt Muammar al-Gaddafi nicht mehr unter den Lebenden. Vermutlich erschossen von den Aufständischen in seiner Heimatstadt Sirt. „Wir verkünden der Welt, dass Gaddafi durch die Hände der Revolution getötet wurde“, erklärte ein Sprecher des Nationalen Übergangsrates.

Wahrlich ein historischer Moment. Mehr als vierzig Jahre lang hielt der libysche Diktator sein Land und die ganze Welt in Atem – mit von ihm in Auftrag gegebenem, von ihm finanziertem Terrorismus und zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Eskapaden. Nun gehört der „Irre von Tripolis“ der Vergangenheit an. Und das ist wirklich eine gute Nachricht. Jetzt kann das geschundene Land endlich die Zeit seiner brutalen Schreckensherrschaft hinter sich lassen und die Zukunft in Angriff nehmen.

Das wird kein leichtes Unterfangen. Denn Gaddafi hat sein Volk unterdrückt und in gezielter Unmündigkeit gehalten wie kaum ein anderer Despot. Ein Folterknecht, unter dessen Willkür sechs Millionen Landsleute tagtäglich leiden mussten.

Ein Leben in ständiger Angst – das ist das wahre Gesicht der „Regierung“ des Beduinensohnes. Darüber konnte auch sein exzentrisches Auftreten nicht hinwegtäuschen. Und wenn Gaddafi eines völlig fremd war, dann Skrupel.

So trug er den Terror in die Welt. Der Absturz eines Pan Am-Flugzeugs über dem schottischen Lockerbie mit 270 Toten ging ebenso auf sein Konto wie der Anschlag auf die Berliner Diskothek La Belle. Einer, der zudem mit Giftgas herumhantierte, ein Atomprogramm auflegte und so auf Konfrontationskurs mit dem Westen ging.

Doch dann lenkte Gaddafi plötzlich um und vermeintlich ein. Fortan gab er den Geläuterten, verzichtete offiziell auf Vernichtungswaffen und entschädigte die Angehörigen der Opfer von Lockerbie.

Die Staatengemeinschaft bedankte sich dafür mit der Wiederaufnahme des einst Ausgeschlossenen. Man kam miteinander ins Geschäft, politisch und wirtschaftlich. Regierungschefs und Unternehmer gaben sich im Zelt des obersten Libyers geradezu ein Stelldichein. Und der hielt gerne Hof.

Das würde er vermutlich heute noch tun, wenn ihm nicht der „Arabische Frühling“ in die Quere gekommen wäre. Beflügelt von den erfolgreichen Aufständen in Tunesien und Ägypten formierte sich wie aus dem Nichts auch in Libyen eine Oppositionsbewegung.

Das Ziel der Rebellen: Gaddafi stürzen. Nun, nach vielen blutigen Monaten mit zahlreichen Opfern, hat sich ihre Hoffnung erfüllt. Der Tyrann ist tot. Gut so. Allerdings gibt es noch andere Despoten der Marke Gaddafi. Einer zum Beispiel treibt sein Unwesen in Syrien. Doch selbst Assads Zeit wird enden, hoffentlich schon bald.

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11 Gedanken zu “Tod eines Tyrannen;”

  1. avatar

    lieber fh

    „Er befürwortet die Befreiung des libyschen Volkes.“

    ach ja, schön formuliert, weil sich das libyische volk ja nicht selbst befreit hat, es _wurde_ ja „befreit“.

    wer die berichte von martin dorms im dlf schon relativ zu beginn des bürgerkriegs, in dem teile der nato einen bunt zusammengewürfelten haufen dazu instrumentalisierte, für sie die drecksrbeit zu machen, hörte, der kennt die geschichte über die gefangenen söldner, bei denen viagra gefunden wurde. zuerst gab’s handyphotos von eingeschüchterten gefangenen und dann solche von den toten söldnern.

    jetzt herrschen halt „recht“ und „ordnung“ und wir werden sicher eine menge „spaß“ haben mit den „helden“ der „befreiung“.

    vorher regierte ein „mad dog“, jetzt der mob. ich kann da keinen wesentlichen unterschied erkennen.

  2. avatar

    Wieso sollten wir jubeln?

    … „ein Volk, das sich nur gegen die Tyrannei gesichert glaubt, wenn es Tyrannen tötet, wird durch ihren Tod nur seine Tyrannen wechseln“ Willi Jasper: Ludwig Börne

  3. avatar

    Die kuehlen Koepfe der USA Geostrategie, wie der ehemalige Bush-Vater Berater und „Desert Storm“ Planer, Richard Haass, wollen erst warten wie sich das Lybien nach Gaddafi in zwei bis drei Jahren veraendert hat. Der jetzige, seit 2003, Direktor des geopolitischen Forums „Foreign Relations Council“ bezeichnet sich als „sceptic“: Die Wende in Lybien waere nicht von vitalen Interesse der USA und haette eine Millarde gekostet. Die Russen meinen dass 80% der Kaempfer gegen Gaddafi der „Muslim Brotherhood“ angehoeren, und das der Militaerkommandant in Tripoli mit Bin Laden operierte, dann von der CIA gefasst und gefoltert wurde, danach inhaftiert von Gaddafi. —–Also dann: „Good luck everybody with the New Lybia !“

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    Ein bisschen mehr Nachdenklichkeit täte schon ganz gut. Bin mal gespannt, wieviel Afghanistane wir noch kriegen.
    Bis dahin hamma natürlich alles wieder vergessen, wir freuen uns ja gerne im hier und jetzt..

  5. avatar

    Während sich der eine oder andere noch an den Lynchszenen erfreut, scheint man an höherer Stelle wohl gemerkt zu haben, dass die „Action Odyssey Dawn“ wohl einen Imageschaden erleiden könnte. So berichtet die FAZ derzeit noch so, als wären die Umstände des Todes Gaddafis noch ungeklärt:

    http://www.faz.net/aktuell/lib.....00393.html

    Dazu passt es auch, dass die von Amnesty International festgestellten Menschenrechtsverletzungen von den deutschen Mainstream-Medien weitgehend totgeschwiegen wurden:

    http://www.nzz.ch/nachrichten/.....69505.html

    Mockingbird, ick hör Dir trapsen!

  6. avatar

    Matthäus 23

    27 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen; innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung.

  7. avatar

    Ein Freund, ein wirklicher Freund, das ist doch das Größte und Beste und Schöste, was es gibt auf der Welt. Ein Freund bleibt immer dir Freund. Und wenn auch die ganze, die schlechte, die wacklige, alberne Welt vor den Augen zusammen dir fällt, ja dann sei auch nie betrübt, wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt. Ein Freund, ein wirklicher Freund, das ist doch der größte Schatz, dens gibt.

    Oder wie war das?

  8. avatar

    Wenn der Friedensnobelpreisträger Barack Obama auf ordentliche Gerichtsverfahren pfeift und selbst seine eigenen Staatsbürger mit Drohnen liquidieren lässt und im Übrigen auf den Internationalen Strafgerichtshof schei…, wird man es den armen Libyern nachsehen, wenn sie auch mal ein kleines Lynchfestchen feiern wollen und dabei sich nicht ganz an die bei uns in letzter Zeit in „Mode gekommenen“ formellen Rechtsvorschriften und modernen Freiheitsrechte hält.

    Da darf der Berliner Journalist eben auch mal ein wenig jubeln , wenn sich die natürliche Volksgerechtigkeit (der Papst lässt grüßen!) seine freien Bahnen sucht.

    Es lebe der Lynchmob!

  9. avatar

    Er befürwortet die Befreiung des libyschen Volkes. Ich hätte es auch besser gefunden, wäre Gaddafi vor ein ordentliches Gericht gestellt worden, ich kann aber sehr gut verstehen, dass die libyschen Widerstandskämpfer sich da nicht unter Kontrolle hatten (ich brauche nur daran zu denken, was ich wohl mit Hitler gemacht hätte…).

    Abgesehen davon ist die Welt vielleicht wieder ein kleines Stückchen besser geworden. Auf jeden Fall sind die Greueltaten Gaddafis (insbesondere am eigenen Volk, man vergesse aber auch seine Rolle z.B. in Darfur nicht) für alle Zeiten beendet.

  10. avatar

    aha. ein tyrann von einem mob gelyncht. hurra …

    wäre wahrscheinlich nie tyrann geworden, wenn rommel in den 40ern länger durchgehalten hätte.

    so schön kann die welt funktionieren, wenn man sie „von oben herab“ aus deutschland betrachtet. von „unten“ betrachtet, sehen die dinge nicht ganz so fröhlich aus.

    aber egal, ist doch immer wieder schön wenn ex-tyrannen gehängt oder erschossen werden, zeit für einen schampus?

    ich weiss gar nicht, ob ich genug gegessen habe, um so viel zu k***** wie ich angesichts dieses jubels es eigentlich müsste.

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