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Konservative aus der Konserve locken

Die Debatte um die Konservativen in der Union und die konservativen Inhalte kommt so regelmäßig und wird so diffus geführt, wie die Diskussion um das Verhältnis der SPD zur Linkspartei. Das hat vor allem drei Gründe.

Erstens, die Konservativen.

Es ist schon ein wenig ärmlich und erbärmlich, wenn eine Strömung innerhalb einer Partei sich darüber beschwert, dass sie „vernachlässigt“ werde. Noch dazu, wenn es die Konservativen in einer konservativen Partei sind. In der Politik wird man nicht von Mitbewerbern oder Parteifreunden gepflegt und gefördert, sondern man stellt sich selbst in den Ring. Die Konservativen in der Union melden sich nicht zu Wort, sind weder zu hören noch zu sehen, und wenn sie sich melden, fordern sie mehr „konservatives Profil“. „Profil“ ist ein Abstraktum: Was soll es bedeuten? Profil bildet sich an Standpunkten und Wortmeldungen. Das müssen die Konservativen schon selbst erledigen.

Oder soll die Kanzlerin ihnen vielleicht ein Thesenpapier entwerfen und vorlegen? Als sich zuletzt im Januar vier Mutige Konservative vorwagten (interessanterweise drei von ihnen aus den neuen Ländern) hatten eigentlich viel mehr Unterzeichner ihre Signatur versprochen. Nur wer aus Angst um das eigene Fortkommen unter der liberalen Parteichefin sich den Mund zuhält, sollte dann nicht irgendwelche Profile fordern, die er selbst schärfen müsste.

PS: Der Verweis auf eine Teilmobilmachung Polens mit geschichtsklitterndem Hintersinn hat übrigens nichts, aber auch gar nichts mit Konservatismus zu tun. Da hat die liebe Frau Steinbach geschickt das Schlachtfeld gewechselt.

Zweitens, der Konservatismus.

Der konservative Flügel der Union wäre stark, wenn er klare Programmpunkte zu den zentralen Fragen der Agenda entwickeln und vertreten würde. Familie unter Bedingungen einer flexibilisierten Arbeitswelt, Nation innerhalb Europas, Bildung im Zeitalter libertinärer Reformpädagogik-Experimente, innere Sicherheit zwischen Polizeipräsenz und elektronischer Überwachung, Religion und Gesellschaft, Grenzen des wissenschaftlichen Fortschritts…

Vielleicht liegt es an den Konservativen selbst, vielleicht liegt es an mangelndem Nachwuchs oder an der medialen Fixierung: Wenn heute von Konservatismus die Rede ist, geht es meist um alte Klischees über ihn. Dass diese Gesellschaft in vielen Bereichen einen Lebensstil pflegt, dessen Folgen sie nicht in Kauf nehmen und auf irgendwelche institutionellen Ersatzlösungen abwälzen will, böte genug Raum für eine Übersetzung intelligenten Konservatismus’ in die Jetzt-Zeit. Nur zu sehen und zu Vernehmen ist davon nichts.

Drittens, die anderen Konservativen.

Die Konservativen haben in Deutschland ein Imgage-Problem: Selbst diejenigen, die einen konservativen Lebenswandel pflegen, wollen sich selbst nicht als konservativ sehen. Vor allem in den Kreativ- und Metropolenmilieus wird heute um ein lebenswertes Familienleben gerungen, wird Überreglementierung kritisiert, Sicherheit gefordert und solide Bildung. Stark werteorientierte Eliten wollen in der Selbstwahrnehmung eher „links“ sein als konservativ.

Die Konservativen haben es in ihrer reflexhaften, kämpferischen Abwehr gegen 68er, Illusionäre und Linksalternative versäumt zu vermitteln, dass sie Dinge bewahren wollen, die Linke sich von Veränderungen in der Zukunft versprechen. Ein junger Kreativer, der rund um die Uhr für ein Online-Portal verfügbar sein muss, fordert flexiblere Ladenöffnungszeiten, damit er in seiner knappen Freizeit effizient einkaufen kann. Seiner Tretmühle entgeht er damit nicht, sondern schafft im Einzelhandel die gleiche.

Fazit: An Konservativen und Konservatismus mangelt es nicht. Nur an solchen, die klar und deutlich vermitteln können, wie modern Konservatismus mitunter ist.

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7 Gedanken zu “Konservative aus der Konserve locken;”

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    Das Beste, was bei „Lesen durch Schreiben“ herausgekommen ist, sind Vermittlungsergebnisse, die genauso gut waren, wie beim herkömmlichen Lernen. In den meisten Fällen scheitert die Vermittlung an der unterdurchschnittlichen Ausstattung mit Lehrern, zu großen Klassen, und die Erfolge kommen durch massives Zusatzengagement der Eltern zustanden.
    Dass man mit Pubertierenden nicht mehr kocht, versteht sich von selbst. Wenn die Art von Bindungen, für die dieses Beispiel stehen sollte, bis dahin nicht aufgebaut hat, ist es ohnehin zu spät.

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    Kleiner Einwand: die Methode „Lesen durch Schreiben“ funktioniert fantastisch, wenn sie gut und richtig angeboten wird. Ich habe auch drei Kinder und meine Älteste ist in ihrer jetzt 7. Klasse die Beste in Deutsch und auch sie hat mit der Methode (die sie als „erstmaldrauflosschreibenundspäterdieRegelnlernen“ bezeichnen) gelernt (anders als andere aus ihrer Klasse, die in ihren Grundschulen mit der althergekommenen Methode gelernt haben)…-will sagen: wenn das Konzept nicht funktioniert (hat), muss das nicht an der Methode selbst liegen, sondern vielleicht an der nicht optimalen Vermittlung derselben. Da würd ich einfach mal empfehlen nicht nur bei der persönlichen Erfahrung stehen zu bleiben, sondern zu gucken, wie das woanders läuft.
    Und was Ihre Frikadellen angeht: ich wäre froh meine Kinder würden derlei Praktisches gelehrt bekommen, mit Mama kochen ist ab einem bestimmten Alter nämlich eher uncool…

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    Der Grundirrtum besteht in der Annahme, weil es keiner tut, sei es falsch. Weil die Zahl der Patchwork-Familien zunimmt, ist es doch nicht die bessere Alternative. Weil wir uns in einen dramatischen Konsumismus und eine durchflexibilisierte Arbeitswelt hineinsteigern, können wir uns immer weniger um unsere Kinder kümmern – nur bedeutet das eben nicht, dass Betreuung in Einrichtungen die bessere Alternative zu intensiver Elternbindung ist. Der schönste Kochkurs in der Nachmittags-AG kann Buletten-Kneten mit Mama nicht ersetzen. Nicht weil der Ernährungspädagoge keine Anhnung von Hack hätte, sondern weil er nicht Mama (oder Papa) ist. Sie gehören ganz offensichtlich zur Kategorie der „Akzeptanzler“, die Lebensformen so nehmen wie sie sind. Kann man machen. Ich erlaube mir, das für richtig erkannte auch dann durchzuziehen und zumindest zu fordern, wenn keiner mitmacht. Bin ich übrigens in der DDR auch ganz gut damit gefahren, auch wenn man mitunter ziemlich einsam war, wenn sich die ganze Schule zu verlängertem Wehrdienst verpflichtet hatte.
    Als Vater dreier Kinder bin ich übrigens von „libertinärer Reformpädagogik“ durchaus betroffen und ertrage sie. Der Irrtum besteht darin, dass man glaubt, Kindern etwas Gutes zu tun, wenn man es ihnen leicht macht. Erstmal drauflos schreiben und später die Regeln lernen, zum Beispiel. Die Lese- und Schreibresultate am Ende der vierten Klasse sind katastrophal. Kinder können und wollen schwere Dinge schaffen. Aber dass der verbreitete Reflex darin besteht, was einem selbst keinen Spaß gemacht hat, den Kindern zu ersparen, weiß ich auch. Obwohl man der Ehrlichkeit halber sagen müsste, dass nicht alle Strenge ehedem falsch war. Und um Ihr Spezialgebiet zu streifen: Sprachen lernen ohne zu sprechen ist völliger Mumpitz.

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    Lieber Kollege, ich teile Ihre Meinung, was die Feigheit der angeblich Konservativen in der CDU betrifft. Aber sagen Sie mir doch bitte, wer wirklich konservative Werte heute vorlebt? Die katholische Kirche? Es genügt, die Frage zu stellen, um ihre Absurdität zu begreifen. Die evangelische Kirche? Jedenfalls nicht in Gestalt der Frau Kässmann. Die CDU des Olaf Beust und seines 19-jährigen Toy Boy? Die CSU des AC/DC-Fans von Guttenberg? Sie sagen es selbst: Es sind eher die grünalternativen Bildungsbürger, die Familienwerte vorleben, Schule ernst nehmen (Ihr Hieb gegen „libertinäre Reformpädagogik“ war Ihrer nicht würdig), den Schutz alter Bausubstanz und historischer Landschaften betreiben usw. Deren Gelassenheit gegenüber anderen Lebensformen und Kulturen entspricht einer Sicherheit, die Leuten abgeht, die sich an der Nation oder gar, wie Sarrazin, genetisch vermittelter kultureller Überlegenheit festhalten müssen. Wer das Konservative will, wählt Grün. (Und da ich nicht konservativ bin, wähle ich nicht Grün.)

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    Liebe Gockeline: Ich war bisher nicht oft Ihrer Meinung, das waren aber ein sachliche, keinesfalls persönliche Erwägungen.
    Eine überhaupt nicht unzutreffende Analyse, die sie hier ofenbaren. Die Verachtung des Wählers, wie auch dessen Erkenntnis des Tricks ist offenbar. Die aber daraus resultierende Konsequent des Wähler sollte „bachtlich“ sein.
    Eine sog. wahre Alternative hat der Wähler nicht, nicht einmal ein rotrandiger, bzw. schwarzrandiger „Denkzettel“ hätte Wirkung, da er bei der der jetztigen Zusammensetzung unseres Parlaments keine Mehrheit finden kann.
    Nichtabgabe des Stimmzettels sehe ich nicht so wirksam, wie Abgabe des Stimmzettels, ohne Kreuz, aber mit klarer Formulierung, weshal keine der vorgeschlagenen Parteien mehr wählbar erscheint.
    Ja, Ja, jetzt kommen gleich wieder die Reiter der Apokalypse angerannt, die Lobbyisten des Weimarer Gespenstes. Nur keine Angst, in einer Demokratie ist alles denkbar, selbst die vorsätzliche Verweigerung!

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    Die Antwort hat der Wähler!
    Die CDU braucht das Wahlergebnis,
    sonst wird sie es nicht verstehen.
    Ihre ganze Meinung zeigt ,
    dass sie ihre Wähler nicht kennen.
    Den Teil ihrer Wä#hler sogar verachten.
    Es zeigt den typischen Politiker der Zeitgeschichte.
    Das Volk versteht diese Politiker schon lange nicht mehr!
    Die Glaubwürdigkeit der ganzen Politikergilde ist am Ende.
    Man hat den Mainstream erfunden zusammen mit den Medien und glaubte so konditionierte man den Wähler.
    Das war ein Fehlschlag.
    Der Wähler durchschaute den Trick.

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