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Ein faules Ei

1895 erschien in der Londoner satirischen Zeitschrift „Punch“ eine Karikatur mit dem Titel „Wahre Bescheidenheit“. George du Maurier zeichnete einen jungen, etwas ängstlich dreinschauenden Pfarrer am Tisch seines Bischofs. Der Bischof sagt: „Ich fürchte, Sie haben ein faules Ei bekommen, Mr. Jones.“ Der Pfarrer erwidert: „O nein, Mylord, ich kann Ihnen versichern, dass Teile davon ganz ausgezeichnet sind.“

Die Karikatur ist unsterblich geworden, denn die Redewendung, „a curate’s egg“ ist inzwischen Teil der englischen Sprache. Ein faules Ei stinkt nun einmal zum Himmel, und nur „wahre Bescheidenheit“ entdeckt in ihr „ganz ausgezeichnete“ Teile. Thilo Sarrazins neues Werk ist ein solches Ei. Weiterlesen

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Man sieht nur mit den Augen gut

Der berühmte Kleine Prinz, der Lieblingsroman aller Realschüler, sagt, dass man nur mit dem Herzen gut sehe. Das ist natürlich einfach sozialromantischer Kitsch. Und bestimmt das Lieblingsbuch von Christian Wulff aus Hannover.

Alles Quatsch: Man sieht nur mit den Augen gut. Allerdings ist man auch gut beraten, ihnen zu trauen und die Wahrnehmung nicht durch Sprüche  überlagern zu lassen. Der Kaisers neue Kleider nimmt man wahr, wenn man sich die Ohren vor der majestätischen Propaganda verschließt und seinen Augen traut. Ich habe in Hannover diesen Freund, der gehörlos ist, ein Tauber, so hätte man das früher gesagt. Weiterlesen

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Hau den Yussuf

Thilo Sarrazin hat wieder zugeschlagen. Und wie. Genügten dem ehemaligen Berliner Finanzsenator und heutigen Bundesbanker bis vor Kurzem noch Interviews, um seine deutschtümelnden Thesen vom Untergang des Abendlandes unters Volk zu bringen, präsentiert er nun seine Vorschläge zur Rettung vor den Muslimhorden in Buchform.

Herausgekommen ist bei „Deutschland schafft sich ab“ eine populistische Provokation à la Möllemann. „Hau-den-Yussuf“ lautet das Motto. Beispiel gefällig? Weiterlesen

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Kanzler-Casting: Die Parteien brauchen neuen Wettbewerb


Die Zukunft in diesem Land ist bunter, älter und weiblicher als frühere Zeiten. Diametral dagegen verläuft die Entwicklung in den deutschen Parteien. Vor allem die beiden größeren unter ihnen, Union und SPD, leiden unter einer beispiellosen „Vergreisung“ ihrer Mitglieder und Funktionäre.

Der Vorschlag des SPD-Parteivorsitzenden Siegmar Gabriel, nach dem Vorbild Frankreichs auch hierzulande offene Vorwahlen einzuführen, ist mutig und weitsichtig. Weiterlesen

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Mythos Ostschule? Streit klärt und erklärt

Streit klärt und erklärt, und wenn dann noch unter Gleichgesinnten gestritten wird, ist es gleich doppelt produktiv.

Alles begann mit einem Beitrag von Ralf Schuler in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit dem Titel „Mythos Ostschule“. Darin geht es um die Verklärung der zehnjährigen Polytechnischen Oberschule der DDR, die heute von Ost-Nostalgikern gleichermaßen gepriesen wird wie von altbundesdeutschen Bildungsreformern. Schuler weist nach, dass das gemeinsame Lernen keineswegs die viel beschworene soziale Durchlässigkeit förderte. Weiterlesen

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Deutschland, deine Vorbilder

Wenn die Deutschen heute die Wahl hätten, wäre Günther Jauch morgen Herr im Schloss Bellevue. Ein Fernsehmann als Bundespräsident? Aber ja doch! Denn die Bürger dieses Landes halten ihn für besonders vorbildlich.

Und Jauch könnte sich einer sozialistisch anmutenden Fürsprachequote sicher sein: 84 Prozent der Bevölkerung, so hat es das Nachrichtenmagazin Spiegel durch eine Umfrage ermittelt, schätzen den 54-jährigen Showmaster über alle Maßen. Da können nur noch zwei andere Herren mithalten. Weiterlesen

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Atomstreit: Großes Theater – und nur eine Inszenierung?

Der Streit um die Atomkraftwerke (AKW) und den Preis, den deren Betreiber für eine Verlängerung der Laufzeit bezahlen sollen, eskaliert. Die Bundesregierung macht dabei keine besonders glückliche Figur, denn sie hat sich erpressbar gemacht.

Einerseits ist die Diskussion darüber, wie lange die ungeliebten Kernkraftwerke noch Strom liefern können sollen, noch längst nicht abgeschlossen – nicht zuletzt, weil es immer noch kein Energie-Gesamtkonzept für die Zukunft gibt. Andererseits aber hat der Bundesfinanzminister die Abschöpfung von Gewinnen aus einer Laufzeitverlängerung im Sparpaket der Bundesregierung für den Haushalt 2011 fest einkalkuliert.

Die Lobby der Energieversorger nutzt die verquere Lage geschickt aus. Weiterlesen

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Entschuldigung, Jörg Blech!

Vor zwei Wochen habe ich an dieser Stelle Jörg Blechs Titelgeschichte im „Spiegel“ kritisiert. Wie es meine (Un-)Art ist, habe ich es nicht an starken Worten („Bullshit“) fehlen lassen.

Umso angenehmer überrascht war ich, als sich Blech bei mir meldete und statt mich zu beschimpfen, wofür mir selber einige treffende Ausdrücke einfielen („Halbgebildeter“, „Hobby-Wissenschaftskritiker“, „Besserwisser“), ein Treffen vorschlug, bei dem wir über meine Kritik reden könnten. Ähnliches widerfuhr mir schon mit Blechs Kollegen Matthias Matussek und Jan Fleischhauer, die auch untereinander einen Ton höflich-ironischer Feindschaft pflegen, so dass ich mich schon frage, da ich anderswo wegen Meinungsverschiedenheiten ganz anders behandelt worden bin, ob das möglicherweise etwas mit der Kultur des Hauses zu tun hat. (Die Ausnahme bestätigt die Regel.) Weiterlesen

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Atomlobby: Aus Gleichgültigen machen sie Gegner, aus Gegnern Feinde, so zettelt man Bürgerkriege an.

Wer die Montanindustrie kennt und ein wenig deutsche Geschichte, der weiß, wo die Herren der Kohle und Kernenergie herkommen. Sie entstammen den großen preußischen Reformern, die mit klugem Kopf und hoheitlichem Selbstverständnis das Land nach vorne gebracht haben.

Sie dachten wie Behörden, Ressort Daseinsvorsorge,  und sie wussten den Obrigkeitsstaat auf ihrer Seite. In ihren Casinos ging es hoch her, aber ansonsten wurden die Hacken zusammengeschlagen.

So betrieb Preußens Gloria das Militär, die Stahlhütten und die Krankenhäuser. Und alles war gut. Jedenfalls, solange der Plebs und die Parlamente nicht räsonnierten. Schwierig wird es erst, wenn die Insassen der Quasselbude Reichstag meinen, sie hätten was zu melden. Oder wenn die rote Gefahr und die grüne Pest plötzlich im schwarzen Gewand daherkommen.

Damit sind wir im Zentrum des Sturms, der gerade durch den Blätterwald tobt. Weiterlesen

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Was die Regierung jetzt machen muss

Umfragen sind flüchtig. Doch Wendepunkte wie diese Woche bleiben: Erstmals seit Monaten hat die SPD die Union bei den Beliebtheitswerten  überholt. Die Kreuzung der Kurven beider Parteien wird in den Umfragediagrammen verzeichnet bleiben. Die SPD gewinnt an Anhänger. Die Union verliert sie.

Um die Richtungen wieder dauerhaft zu ändern, muss die Union auf einem Gebiet wieder Kompetenz zeigen. Gewiss, das anstehende Energiekonzept und die Verlängerung der Laufzeiten sind wichtig. Auch die Bundeswehrreform interessiert viele – wenn auch nicht so viele, wie die durch die Streitkräfte gegangenen Unionsfunktionäre glauben. Auch die Hartz-IV-Gutscheine für Kinder, aus denen die Familienministerin nun eine Family-Card machen will, sind ein Aufreger. Weiterlesen

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Big Google is watching us – Wo ist das Problem?

Das Land hat ein neues Aufregerthema: Google Street View. Das Abfotografieren von Häusern und Straßen durch den Internetgiganten verunsichert Bevölkerung und Politik nunmehr seit Wochen. Kernproblem ist das Vernetzen von Geodaten. Was passiert mit diesen, können sie kommerziell genutzt werden?

Die Frage lautet zugespitzt: Wo endet die Öffentlichkeit im Netz und beginnt die Privatsphäre? Ist die Furcht vor Öffentlichkeit noch zeitgemäß angesichts einer offenen und global vernetzten Öffentlichkeit? Weiterlesen

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