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Wenn die Amtsstube zum Sterbezimmer wird … Plädoyer für die Abschaffung des Beamtentums

Wer leidet in unserer Gesellschaft wirkliche Not? Glaubt man den Gewerkschaften, so sind es die Menschen, die in eine Armutsfalle geraten sind. Das droht Alleinerziehenden oder alten Menschen zunehmend.

Wenn das Elend auch noch unverschuldet ist, nach einem Leben voller Arbeit oder unter einer mehrfachen Verantwortung als Ernährer und Erzieher, werden nur Zyniker den nötigen Respekt verweigern. Aber es fühlen sich nicht nur jene unwohl, die Hunger leiden oder an der Überforderung zu zerbrechen drohen.

Es gibt nicht nur den „burn-out“, das Ausbrennen von Arbeitsmotivation und Leistungswillen. Die Bühne der sozial-politischen Debatte betritt der „bore-out“, das Leiden all jener, die sich zu Tode langweilen („to bore“), weil sie chronisch unterfordert sind. Wird einem Arbeitnehmer zwar eine Anstellung geboten, aber das Recht auf Arbeit, auf eine sinnvolle Beschäftigung vorenthalten, droht er an der Unterforderung zu zerbrechen.

Eine neue Volkskrankheit bahnt sich ihren Weg in unser Mitleid: die Unzufriedenheit der Faulen, am Ende die Erkrankung jener, die zwar eine Tätigkeit ihr eigen nennen, aber nichts Gescheites zu tun kriegen. Der sozialpolitische Reflex darauf ist der übliche: Das Elend ist nicht den Elenden zuzuschreiben, sondern, wie könnte es anders sein, den vermaledeiten  Verhältnissen.

Die Verhältnisse, sie sind nicht so. Der Unternehmensberater Philippe Rothlin („Diagnose Boreout“) mahnt: „Wer Boreout hat, ist nicht faul, sondern wird faul gemacht.“  Man zitiert Stimmen von Landesbediensteten, die das eigene Büro als Sterbezimmer empfinden. Der einzige Lichtblick scheint diesen gequälten Verwaltungsangestellten ein Inter-netzugang zu Ebay und der baldige Feierabend.

Rüde Stimmen in der sozialpsychologischen Fachwelt merken zwar an, dass dies ein „Entschuldigungsversuch von Faulenzern und Jammerlappen“ sei (so die „Karrierebibel“ von Jochen Mai), aber so einfach sind die Dinge wohl nicht.

Nicht nur der Reichtum ist unterschiedlich verteilt in dieser Republik, auch die Arbeit, unter Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen und unter Fleißigen und  Faulen. Ein verlässliches Maß zur Beurteilung der Frage, ob der „bore-out“ eine Modegrille oder Volkskrankheit ist,  wäre die Freizeitorientierung der Menschen und natürlich die Rate der Frühverrentungen, der Berufsunfähigkeit aus langeweilegestützter Krankheit.

Erzeugen berufliche Unterforderungen die eingebildeten Kranken im Massenmaßstab? Wie oft schlägt Unterforderung in Larmoyance und dann in Hypochondrie um? Und bei wem besonders? Siehe da, das Problem betrifft Bürotätigkeit und dann vor allem Mitarbeiter im öffentlichen Sektor.

Wir reden über ein Behördensyndrom. Nur jeder dritte Beamte erlebt die Altersgrenze von 65 Jahren überhaupt noch im Job. 64 Prozent der deutschen Beamten erreichen gar nicht ihr Ruhestandsalter. Nun kann man verstehen, dass ein Jetpilot bei der Bundeswehr mit 41 Jahren aus dem fliegenden Staatsdienst ausscheidet. Aber ein Lehrer für Sport und Erdkunde? Ein Polizist, der auf der Straße vor der Ministerwohnung steht, Tag wie Nacht? Nicht so recht kann man nachvollziehen, dass 18 Prozent aller Beamten sich wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig verabschieden.

Aus der Struktur der Beamtenschaft folgt, dass dies vor allem in den Ländern geschieht, namentlich bei Lehrern und Polizisten. Was ist am Steißtrommeln ohne Leistungsdruck oder Grünen-Tuch-Tragen auf Lebenszeit so mannmordend, dass es jeden Fünften dienstunfähig macht?

Hier in die Idiotie des Gerhard Schröder zu verfallen, nach der alle Lehrer faule Säcke sind, ist unter aller Würde. Die Behörde erzeugt den Frust, nicht die Beamten, jedenfalls nicht die jungen. Anzuwenden wäre der Lehrsatz, dass Beamte nicht als Faulenzer geboren werden, sondern zu Faulenzern gemacht.

Man wird den Blick auf das System der Lebenszeitbeamtung lenken müssen, auf die Organisation des Lebens durch Behörden, will man nicht in schlanker Menschenverachtung enden. Das Problem ist, sprichwörtlich gesagt, nicht die Made, sondern der Speck. Im historischen Konzept des preußischen Beamten war von Speck ohnehin keine Rede.

Das Beamtentum sollte eine Vernunftehe sein von fürsorgendem Staat und besonders loyalen Staatsdienern. Bei kargen Bezügen und schmaler Pension garantierte der Staat den Seinen eine lebenslange Beschäftigung. Diese hatten als Motto: Dienend verzehre ich mich. Das war der Deal: Der Staat sagt, ich nehme Dich, meinen Diener, aus dem Arbeitsmarkt, sprich den Lebensrisiken, dafür folgst Du mir überallhin und zu allen Zwecken.

Beamte konnten jederzeit überall hin versetzt werden, sie hatten Residenzpflicht. Sie waren nicht arm, nicht reich, aber stolz, eine sichere Partie. Mein Großvater, ein Bergmann, pflegte über die Bahnbeamten zu spotten, die keinen Speck zur Suppe hatten, aber die Kinder auf der Höheren Schule. Den Industriearbeiter rupfte die Weltwirtschaftskrise, den Beamten war die Fürsorge des Staates gewiss.

So die guten alten Zeiten. Wer den letzten Lokführerstreik miterlebt hat und die Pose, in der dabei ein unerträglicher Beamtenlobbyist die Fahrgäste als Geiseln nahm, weiß: Aus dem Dienen ist Selbstbedienung geworden. Heute sind die Privilegien der Beamten geblieben, aber die Lasten aufgekündigt.

Inzwischen hat die Made Speck. Eine Gruppe dieser Gesellschaft hat sich durch eine verdeckte Patronage der Politik und konsequentes Rosinenpicken in eine Sonderrolle gebracht, die sozial obszön ist. Eine durchschnittliche Rente liegt bei 1200 €, eine durchschnittliche Pension bei 2300 €. Das Doppelte, darunter tun sie es nicht, die Damen und Herren Staatsdiener. Seit Mitte der neunziger Jahre sind die Renten für Normalsterbliche um 12 Prozent gestiegen, die Pensionen der Staatsdiener um 33 Prozent. Beamte erhalten etwa 70 Prozent ihres aktiven Verdienstes im Alter, Angestellte und Arbeiter per Gesetz immer unter 50 Prozent.

Beamte kriegen, der Herrgott weiß, warum, zu Weihnachten eine 13. Pension, der Rest schaut in die Röhre. Beamte sind im Krankheitsfall ohne eigene Aufwendungen Privatpatienten und der Staat beteiligt sich mit bis  zu 70 Prozent an den Krankenhausrechnungen; Normalsterbliche kommen bestenfalls auf 50 Prozent Arbeitgeberanteil an ihrer Krankenversicherung.

Altersarmut mag stattfinden, wo sie will, aber nicht bei den Beamten, die trotz des Lebenszeitprivilegs so überdurchschnittlich gut versorgt sind, dass man die Gerechtigkeitsfrage stellen muss. Schließlich begünstigt sie staatliches Handeln aus unseren Steuergeldern. Da hört man manche Stimmen, die aus dem industriellen Arbeitgeberlager kommen und jene Propaganda machen, für die die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft berüchtigt geworden ist.

Nicht jeder Gutachtername hat da einen jungfräulichen Klang.  Also höre man auch andere Seiten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Boeckler-Stiftung das Vermögen deutscher Haushalte untersucht und dabei auch die Anwartschaften auf Altersversorgung aus unterschiedlichen Quellen addiert. Gefragt wurde also nach vorhandenem und zu erwartendem Vermögen.

Danach warten auf Arbeiter und Angestellte 40.000 €, auf höher Qualifizierte 80.000 € , auf aktive Beamte des gehobenen und höheren Dienstes 130.000 € und auf die „fat cats“, sprich die Pensionäre, 300.000 €. Hier hat sich eine Kaste im Stillen die Speisekammer gefüllt. Dabei geht es nicht um Kleingedrucktes.

Festzuhalten ist, in den letzten 15 Jahren haben sich die Renten um 11 Prozent verbessert, die Pensionen um 30 Prozent. Die Beamtenlobby hat den Ihren einen so kräftigen Schluck aus der Pulle erlaubt, dass heute die durchschnittliche Pension mehr als doppelt so hoch ist wie eine Rente. Wobei Beamte während ihres gesamten Dienstes nicht einen Cent an Renten- oder Arbeitslosenversicherung gezahlt haben. Ein vorzeitiges Ausscheiden unterliegt zudem nicht den dramatischen Abschlägen, die Normalsterbliche hinnehmen müssen.

Das aktive Beamtenleben mag karg sein, wie die Lobby der Staatsdiener notorisch beteuert und den vielzitierten kleinen Polizisten zu Ehren kommen lässt, die pensionierte Made lebt im Speck, im Speck auf Pump. Die Ausgaben des Staates dafür werden in den nächsten Jahren explodieren.

Allein bei den Bundesländern, die dann die Armada der Lehrer und Polizisten bezahlen müssen, steigen die Altersversorgungsausgaben bis 2050 von heute 18 Milliarden € auf 110 Milliarden €. Das sind zugesagte Pensionen, auf die die Menschen einen Anspruch haben. Daran kann man anständigerweise nicht rühren, pacta servanda, das werden wir an Steuern aufbringen müssen.

Warum aber tagtäglich neue Beamte einstellen? Wir haben mit die schlechtesten Schulen Europas, weil sie Behörden sind und von Behörden geführt werden. Die Verwaltungen unserer Hochschulen erzählen nur noch von Franz Kafka. Wir haben in allen ehemaligen Behörden, bei der Bahn wie bei Post und Telekom, die allergrößten Problem, endlich eine vernünftige Dienstleistung ohne fette Subventionen zu erbringen. Wir haben hohe Krankheitsraten von Gammeldienstopfern.

Gönnen wir den alten „fat cats“ ihren Speck, aber hören wir mit der Zucht auf. Schluss mit dem Beamtentum, Feierabend mit der Lebenszeitanstellung, außer dort, wo es die Hoheitspflicht zwingend macht. Richter sollten Beamte sein. Staatsanwälte können beamtet werden, aber auch da habe ich Zweifel, eigentlich kann man sie stellen wie angestellte Rechtsanwälte. Lehrer und Polizisten gehören aber ohne jeden Zweifel nur noch in jederzeit kündbare Arbeitsverträge.

Wenn der frische Wind der Globalisierung endlich durch die miefigen Amtsstuben weht, dann nimmt auch die Langeweile ab. Dann wird die Behörde sich wie ein verantwortlicher Unternehmer verhalten müssen, statt nur halbherzig und übellaunig Verwaltungsvollzug zu organisieren.

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12 Gedanken zu “Wenn die Amtsstube zum Sterbezimmer wird … Plädoyer für die Abschaffung des Beamtentums;”

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    Das Risiko, schon mit 50 zum Hartz IV Fall zu werden, müßte durch ein wesentlich höheres Einkommen im Vergleich zum Beamten, ausgeglichen werden.
    Beamte erhöhen ihr Einkommen, weil immer mehr in den gehobenen oder höheren Dienst eingestuft werden.

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    Lieber EJ:
    Ich kenne nur die Information, daß ein sog, Eckrentner im Erlebensfall ca. 48% seiner letzten Bezüge bekommt, und daß der Nachhaltigkeitsfaktor es zukünftig erlauben wird, die Altersrenten bis auf ca. 40 % zu senken.
    Das ist der einzige Reim, den ich mir darauf machen kann.

  3. avatar

    Angestellte und Arbeiter per Gesetz immer unter 50 Prozent

    Nochmal, bitte: Kann sich jemand einen Reim auf diese Angabe machen? Eine Mövenpick-Angabe?

  4. avatar

    Daß wir Deutschen die Lizenz zu Jammern haben ist nicht neu, daß auch in gewissen Bereichen eine Berechtigung dazu besteht ist, leider, umstritten.
    Die Debatte, die da gerade wieder losgetreten wird, gehört zu einem alten Spiel, und es gibt immer wieder welche, die sich gerne ins Bockshorn jagen lassen. Auch ich.

    Dieses Spiel, das zu allen Zeiten in unserem Lande gespielt wurde, heißt eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. Junge gegen Alte, Beamte gegen Arbeitnehmer, Akademiker gegen Proleten usw. und so fort.
    Das Spiel hat zum einen den Vorteil, daß von vielen aktuellen Problemen abgelenkt wird – die Bevölkerung ist beschäftigt. Zum anderen verteilt sich das Aggressionspotential auf die jeweiligen Gruppen.

    Konstruktive Lösungsvorschläge sollte das Spiel heißen, sonst nichts – und das schließt auch Überlegungen der Beamtenschaft ein, sich an ihrer Altersversorgung zu beteiligen.
    Das Beamtentum komplett abschaffen zu wollen ist einfach Quatsch, sich die Besoldung unemotional und zukunftskritisch anzuschauen, legitim und notwendig.

  5. avatar

    @Dietmar Meier:

    Die Statistiken kenne ich berufsbedingt ebenfalls. Meine Kenntnisse sehen aber etwas anders aus, und einen ganzen Bereich haben Sie, meiner Meinung nach, bewußt unterschlagen.
    Meiner Kenntnis nach war die angebliche Erhöhung der Reallöhne bundesweit nur 37%, seit 1991, die Preissteigerung haben sie außer Acht gelassen, und die ebenfalls gestiegenen Sozialkosten, die die Beamten größtenteils nicht betreffen, ebenfalls.
    Wieviel von der angeblichen Reallohnsteigerung dann noch angeblich übrig war, können Sie in weiteren Statistiken nachlesen.

  6. avatar

    @Herr Kocks:
    Da ich in der freien Wirtschaft tätig bin, komme ich nicht umhin Ihnen, aber nur partiell, zuszustimmen.

    Be diesem Absatz muß ich Ihnen aber entschieden widersprechen: „Wenn der frische Wind der Globalisierung endlich durch die miefigen Amtsstuben weht, dann nimmt auch die Langeweile ab. Dann wird die Behörde sich wie ein verantwortlicher Unternehmer verhalten müssen, statt nur halbherzig und übellaunig Verwaltungsvollzug zu organisieren.“

    Die Behörde „Post“, funktioniert seit der teilweisen Privatisierung nur noch nach dem Zufallsprinzip, zumindest bei uns. Taxifahrer und andere leeren Briefkästen, und Post wird nur noch zugestellt, wann es dem „Unternehmen“ notwendig erscheint, so erscheint es zumindest dem Bürger. Und was das Telefon betrifft, wer die call-center der Telecom mehrere Tage durchlaufen hat, nur wegen einer Kleinigkeit, der sehnt sich schmerzlich nach dem guten, alten Beamten zurück.

    Bei diesem Absatz muß ich Ihnen aber entschieden widersprechen:

  7. avatar

    Ihre Äußerungen kommen doch wohl größtenteils von einem anderen Stern und sind realitätsfremd und unrichtig!

    13.Pension zu Weihnachten, davon kann der Polizeibeamte in NRW nur träumen, vom Urlaubsgeld ebenso.

    Sieht man sich das bundesweite Realeinkommen bei den Tariferhöhungen von 2000 bis 2007 lt. Hans-Böckler-Stiftung an, so beträgt die reale Lohnsteigerung + 3,7 %, im öffentlichen Dienst jedoch – 0,6 %

    Der Deutsche Richterbund hat bereits im November 2006 festgestellt, dass die Einkommensentwicklung für Angestellte beispielsweise des Bereiches Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe für die Jahre 1992-2000 eine Steigerung um 46 % aufweist, die Besoldung der Richter oder Staatsanwälte stieg jedoch lediglich um 21,7 %

    Und da sprechen Sie von der „Made im Speck“. Das grenzt ja schon an Volksverhetzung Das ist für den Beamten mehr als eine Beleidigung und in der Diskussion um eine Reform des öffentlichen Dienstes in keiner Weise hilfreich.

  8. avatar

    Klaus Kocks Beamte erhalten etwa 70 Prozent ihres aktiven Verdienstes im Alter, Angestellte und Arbeiter per Gesetz immer unter 50 Prozent.

    „per Gesetz immer unter 50 Prozent“ – Wer bezahlt Sie dafür?

  9. avatar

    Die Väter unseres Grundgesetzes haben wohl einiges geahnt: Art 137 GG „(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich beschränkt werden.“

    Nur zur weiteren Information: In den Vereinigten Staaten, in England und in Neuseeland wird diese Regelung praktiziert.

  10. avatar

    Ein Bravo, ein dreifach Bravo für Ihren mutigen Bericht. – Ein unendlich langer Weg liegt vor uns, aber (!) fehlendes Geld kann auch beschleunigend wirken, in diesem Fall ist „Weniger“ wirklich mehr!

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